TE Bvwg Beschluss 2018/10/25 W210 2167062-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 25.10.2018
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

25.10.2018

Norm

AsylG 2005 §12a Abs2
AsylG 2005 §22 Abs10
BFA-VG §22
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W210 2167062-2/7E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch die Richterin Dr. Anke SEMBACHER im Verfahren über die durch mündlich verkündeten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 27.09.2018, Zl. XXXX , erfolgte Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes betreffend XXXX , geboren am XXXX , StA. Afghanistan:

A)

Die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes war gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 iVm § 22 BFA-VG rechtmäßig.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang:

1. Der von der gegenständlichen Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes Betroffene (im Folgenden: Betroffener) reiste unter Umgehung der Einreisebestimmungen in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 18.06.2016 seinen ersten Antrag auf internationalen Schutz. Diesen stützte er zunächst auf den Krieg und die unsichere Lage in Afghanistan und ergänzte im weiteren Verfahren, dass er sich einer Rekrutierung durch die Taliban entzogen habe.

2. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 27.07.2017, Zl. XXXX , wurde der Antrag des Betroffenen auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem Betroffenen nicht erteilt. Gegen den Betroffenen wurde eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei. Weiters wurde ausgeführt, dass die Frist für die freiwillige Ausreise zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage.

Die dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes (BVwG) vom 25.07.2018, GZ W218 2167062-1, als unbegründet abgewiesen. Das Erkenntnis wurde am 26.07.2018 per ERV zugestellt. Gegen diese Entscheidung wurde kein Rechtsmittel erhoben.

3. Am 05.08.2018 wurde der Betroffene in Schubhaft genommen. Am 14.09.2018 stimmte die afghanische Botschaft der Ausstellung eines Heimreisezertifikates für den Betroffenen zu.

4. Am 17.09.2018 stellte der Betroffene den, diesem Verfahren zugrundeliegenden, zweiten Antrag auf internationalen Schutz. Hierzu am 18.09.2018 durch einen Organwalter des öffentlichen Sicherheitsdienstes erstbefragt gab er an, dass er in Afghanistan keinerlei Chancen zum Leben habe. Die Taliban würden Rückkehrer aus Europa töten. Seine Mutter sei mittlerweile verstorben, den Aufenthaltsort der übrigen Familie kenne er nicht.

5. Bei seiner niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA am 25.09.2018 brachte der Betroffene vor, er wolle nicht nach Afghanistan zurück, da sein Leben dort in Gefahr sei. Befragt, warum er neuerlich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt habe, gab er an, von Menschenrechtsorganisationen erfahren zu haben, dass er keine Chance habe, in Österreich zu bleiben. Er habe aber Angst vor einer Rückkehr nach Afghanistan. Seine Familie sei verschwunden, in seiner Heimatprovinz seien die Taliban. Er habe bereits alles im ersten Verfahren gesagt. Weitere Gründe habe er nicht. Über konkrete Nachfrage erklärte der Betroffene, dass er diesen Antrag eigentlich aus denselben Gründen wie im ersten Asylverfahren stelle.

In dieser Einvernahme teilte das BFA dem Betroffenen mit, dass beabsichtigt sei, seinen Antrag wegen entschiedener Sache zurückzuweisen und den faktischen Abschiebeschutz aufzuheben. Die Verfahrensanordnung wurde dem Betroffenen übersetzt und nachweislich ausgefolgt.

Ferner wurden dem Betroffenen aktuelle Feststellungen zur Lage in Afghanistan, Stand: 11.09.2018, ausgefolgt. Es wurde ihm zur Kenntnis gebracht, dass er binnen einer Frist von 24 Stunden im Zuge einer niederschriftlichen Befragung im Beisein eines Rechtsberaters die Möglichkeit habe, zu den ausgefolgten Länderfeststellungen Stellung zu nehmen.

6. Am 27.09.2018 führte das BFA eine niederschriftliche Einvernahme des Betroffenen, diesmal im Beisein einer Rechtsberaterin, durch. Im Zuge dieser Einvernahme gab der Betroffene an, dass seine Herkunftsprovinz von den Taliban regiert werde. Er habe sowohl mit den Taliban als auch mit den Einwohnern seiner Provinz Probleme. Er habe wegen der Menschenrechte einen Asylantrag gestellt und wolle nicht nach Afghanistan zurückgebracht werden. Befragt, ob er den gegenständlichen Antrag auf Asyl ausschließlich aus denselben Gründen stelle, welche er bereits im Vorverfahren vorgebracht habe, antwortete der Betroffene: "Ja, das stimmt so. Andere Gründe habe ich nicht.".

7. Im Anschluss an diese Einvernahme hob das BFA den faktischen Abschiebeschutz des Betroffenen gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 mit mündlich verkündetem Bescheid vom 27.08.2018 auf. Dies wurde im Protokoll der niederschriftlichen Einvernahme vom 27.09.2018 dokumentiert.

Begründend führte das BFA im Wesentlichen aus, dass sich der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt seit rechtskräftigem Abschluss des Vorverfahrens nicht geändert habe. Der nunmehrige Antrag auf internationalen Schutz sei voraussichtlich zurückzuweisen, da der Betroffene keinen neuen, entscheidungswesentlichen, Sachverhalt vorgebracht habe und sich auf seine bereits rechtskräftig behandelten Fluchtgründe bezogen habe. Auch die allgemeine Lage in Afghanistan habe sich nicht entscheidungswesentlich geändert. Selbiges gelte für die persönlichen Verhältnisse des Betroffenen.

Das BFA protokollierte sodann, dass die Verwaltungsakten unverzüglich von Amts wegen dem BVwG zur Überprüfung übermittelt würden, was als Beschwerde gelte. Im Anschluss an diese Rechtsmittelbelehrung fragte das BFA den Betroffenen, ob er gegen den mündlich verkündeten Bescheid Beschwerde erheben wolle, was dieser bejahte und im Protokoll festgehalten wurde.

8. Am 28.09.2018 langte der Verwaltungsakt bei der zuständigen Gerichtsabteilung des BVwG ein, worüber das BFA noch am selben Tag verständigt wurde.

9. Mit Eingabe des BFA vom 15.10.2018 wurde eine Bericht über die erfolgte Abschiebung unter anderem des Betroffenen im gegenständlichen Verfahren.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Betroffene führt den Namen XXXX und ist volljähriger Staatsangehöriger Afghanistans. Er ist Angehöriger der Volksgruppe der Paschtunen und bekennt sich zur sunnitischen Glaubensrichtung des Islam. Seine Muttersprache ist Paschtu. Er stammt aus der Provinz Laghman und lebte dort bis zu seiner Ausreise.

Der Betroffene stellte nach illegaler Einreise in das österreichische Bundesgebiet erstmals am 18.06.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz. Er begründete diesen mit der unsicheren Lage in Afghanistan sowie mit einer versuchten Zwangsrekrutierung durch die Taliban. Zudem gab er bereits im Erstverfahren an, keinen Kontakt mehr zu seiner Familie in Afghanistan zu haben.

Der erste Antrag auf internationalen Schutz wurde mit Bescheid des BFA vom 27.07.2017 sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen. In einem wurde eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG gegen den Betroffenen erlassen.

Die dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des BVwG vom 25.07.2018, GZ W218 2167062-1, als unbegründet abgewiesen. Das Erkenntnis wurde am 26.07.2018 per ERV zugestellt. Gegen diese Entscheidung wurde kein Rechtsmittel erhoben. Der Bescheid des BFA vom 27.07.2017 erwuchs somit am 27.07.2018 in Rechtskraft.

Am 17.09.2018 stellte der Betroffene aus der Schubhaft heraus einen neuerlichen Antrag auf internationalen Schutz. Diesen Antrag begründete er im Wesentlichen damit, dass er nicht zurück nach Afghanistan wolle, weil dort sein Leben in Gefahr sei. Er wisse nicht, wo seine Familie sei, seine Heimatprovinz würde von den Taliban regiert werden. Es kann nicht festgestellt werden, dass es sich dabei um einen Sachverhalt handelt, der erst nach Beendigung des Verfahrens über den ersten Antrag auf internationalen Schutz verwirklicht wurde.

Der Betroffene hat in Österreich keine Familienangehörigen oder eine familienähnliche Lebensgemeinschaft. Umfassende Sozialkontakte des Betroffenen in Österreich bestehen nicht. Der Betroffenen bezieht keine Leistungen aus der staatlichen Grundversorgung und ist nicht erwerbstätig. Er ist strafrechtlich unbescholten.

Der Betroffene leidet an keiner lebensbedrohlichen Erkrankung, die einer Rückführung in seinen Herkunftsstaat entgegenstehen würde.

Die Lage im Herkunftsstaat des Betroffenen stellt sich gegenüber den im rechtskräftig abgeschlossenen Vorverfahren getroffenen Feststellungen im Wesentlichen unverändert dar.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zur Person des Betroffenen, zu seinem sozialen Hintergrund in Afghanistan und zu seinem Leben in Österreich gründen auf den diesbezüglich widerspruchsfreien und folglich glaubhaften Angaben des Betroffenen in den Verfahren über seinen ersten und den zweiten Antrag auf internationalen Schutz.

Die Feststellungen zum ersten Antrag auf internationalen Schutz, zu dessen Erledigung sowie zum damaligen Vorbringen des Betroffenen ergeben sich aus dem Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsverfahrensaktes des BFA und dem hg. Gerichtsakt zum ersten Asylverfahren, GZ W218 2167062-1.

Die Rechtskraft des Erkenntnisses des BVwG vom 25.07.2018, mit welchem die Beschwerde gegen die Abweisung des (ersten) Antrags auf internationalen Schutz vom 18.06.2016 in allen Spruchpunkten als unbegründet abgewiesen wurde, ergibt sich daraus, dass das Erkenntnis am 26.07.2018 zugestellt wurde und unbekämpft blieb. Das Protokoll über die erfolgte Zustellung durch ERV liegt im Akt W218 2167062-1 auf.

Die Feststellungen zum zweiten, gegenständlichen, Antrag auf internationalen Schutz und dem hierzu erstatteten Vorbringen des Betroffenen ergeben sich aus dem Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsverfahrensakts des BFA.

Dass es sich bei den im gegenständlichen Verfahren geltend gemachten Behauptungen und vorgebrachten Rückkehrbefürchtungen des Betroffenen nicht um einen Sachverhalt handelt, der erst nach Beendigung des Verfahrens über den ersten Antrag auf internationalen Schutz am 26.07.2018 verwirklicht wurde, ergibt sich aus den eigenen Angaben des Betroffenen im Verfahren. Dieser gab vor dem BFA selbst an, dass er bereits alles im ersten Verfahren gesagt und keine weiteren Gründe habe. Die zweimaligen Fragen des BFA, ob er den gegenständlichen Antrag auf Asyl ausschließlich aus denselben Gründen stelle, welche er bereits im Vorverfahren vorgebracht habe, bejahte der Betroffene in beiden Einvernahmen ausdrücklich. Zusammengefasst ergibt sich beim Betroffenen im zweiten Asylverfahren das Bild, dass dieser schlicht nicht gewillt ist, Österreich zu verlassen und nach Afghanistan zurückzukehren.

Die Feststellungen zum Privat- und Familienleben des Betroffenen in Österreich gründen ebenfalls auf dessen Angaben in Zusammenschau mit der eigeholten Abfrage aus der Speicherdatenbank des Grundversorgungssystems GVS. Der Betroffene gab bereits im Erstverfahren zu Protokoll, keine Familienangehörigen in Österreich zu haben. Dass sich daran seit Abschluss des Erstverfahrens etwas geändert hätte, wurde weder behauptet noch gibt es hierfür Anhaltspunkte. Hinweise auf das Bestehen eines Familienlebens sind im gesamten Verfahren nicht hervorgekommen. Auch gab der Betroffene im Rahmen des gegenständlichen Verfahrens vor dem BFA ausdrücklich an, dass sich an seinem Privatleben in Österreich nichts geändert habe. Eine finanzielle Abhängigkeit von einer in Österreich lebenden Person verneinte der Betroffene ebenfalls.

Die strafrechtliche Unbescholtenheit ergibt sich aus der eingeholten Strafregisterauskunft.

Die Feststellung zum aktuellen Gesundheitszustand des Betroffenen gründet auf dessen eigenen Angaben in seiner Einvernahme vor dem BFA am 25. und 27.09.2018. Dieser gab hier zu Protokoll, Medikamente wegen seiner Zahnschmerzen zu nehmen, ansonsten aber gesund zu sein. Anhaltspunkte für das Vorliegen einer lebensbedrohlichen Erkrankung des Betroffenen, die einer Rückführung nach Afghanistan entgegenstehen könnte, sind weder im ersten noch im zweiten Asylverfahren hervorgekommen.

Dass die allgemeine Situation in Afghanistan seit rechtskräftigem Abschluss des Vorverfahrens (26.07.2018) im Wesentlichen unverändert geblieben ist und sich die maßgebliche Lage in Afghanistan für den Betroffenen nicht geändert hat, ergibt sich aus den in den Bescheiden des BFA sowie im Erkenntnis des BVwG enthaltenen Feststellungen zu Afghanistan. Das Erkenntnis des BVwG, mit welchem die Beschwerde gegen den Bescheid des BFA vom 27.07.2017 abgewiesen und die Rechtmäßigkeit der Rückkehrentscheidung bestätigt wurde, datiert auf den 25.07.2018. Der Bescheid über die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes wurde am 27.09.2018 - sohin bloß zwei Monate nach rechtskräftiger Beendigung des ersten Asylverfahrens - erlassen und gründet sich auf das Länderinformationsblatt vom 29.06.2018, aktualisiert am 11.09.2018. Die letzten Anschläge in Afghanistan veranlassten eine Aktualisierung der Berichte dahingehend, ergeben jedoch keine wesentliche Lageänderung.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts und zum anwendbaren Recht:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Gemäß § 22 Abs. 10 AsylG 2005 entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes im Rahmen der Überprüfung gemäß § 22 BFA-VG mit Beschluss.

Mit Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 10.10.2018 zu G 186/2018 ua. wurden verwaltungsgerichtliche Normanfechtungsanträge zur Überprüfung von ua. § 22 Abs. 10 dritter, vierter und fünfter Satz AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100 idF BGBl. I Nr. 68/2013, sowie gegen § 22 BFA-VG, BGBl. I Nr. 87/2012 idF BGBl. I Nr. 68/2013 abgewiesen, im Übrigen wurden die Anträge zurückgewiesen.

3.2. Zu Spruchpunkt A): Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes:

3.2.1. Maßgebliche Rechtsgrundlagen:

§ 12a AsylG 2005 lautet auszugsweise:

"Faktischer Abschiebeschutz bei Folgeanträgen

§ 12a. (1) Hat der Fremde einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) nach einer zurückweisenden Entscheidung gemäß §§ 4a oder 5 oder nach jeder weiteren, einer zurückweisenden Entscheidung gemäß §§ 4a oder 5 folgenden, zurückweisenden Entscheidung gemäß § 68 Abs. 1 AVG gestellt, kommt ihm ein faktischer Abschiebeschutz nicht zu, wenn

1. gegen ihn eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG oder eine Ausweisung gemäß § 66 FPG erlassen wurde,

2. kein Fall des § 19 Abs. 2 BFA-VG vorliegt und

3. im Fall des § 5 eine Zuständigkeit des anderen Staates weiterhin besteht oder dieser die Zuständigkeit weiterhin oder neuerlich anerkennt und sich seit der Entscheidung gemäß § 5 die Umstände im zuständigen anderen Staat im Hinblick auf Art. 3 EMRK nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit maßgeblich verschlechtert haben, und

4. eine Abschiebung unter Berücksichtigung des Art. 8 EMRK (§ 9 Abs. 1bis 2 BFA-VG) weiterhin zulässig ist.

(2) Hat der Fremde einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) gestellt und liegt kein Fall des Abs. 1 vor, kann das Bundesamt den faktischen Abschiebeschutz des Fremden aufheben, wenn

1. gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG oder eine Ausweisung gemäß § 66 FPG besteht,

2. der Antrag voraussichtlich zurückzuweisen ist, weil keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhalts eingetreten ist, und

3. die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten und für ihn als Zivilperson keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

...

(6) Rückkehrentscheidungen gemäß § 52 FPG bleiben 18 Monate ab der Ausreise des Fremden aufrecht, es sei denn es wurde ein darüber hinausgehender Zeitraum gemäß § 53 Abs. 2 und 3 FPG festgesetzt. Anordnungen zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG und Ausweisungen gemäß § 66 FPG bleiben 18 Monate ab der Ausreise des Fremden aufrecht. Dies gilt nicht für Aufenthaltsverbote gemäß § 67 FPG, die über einen darüber hinausgehenden Zeitraum festgesetzt werden."

§ 22 Abs. 10 AsylG 2005 lautet:

"Entscheidungen des Bundesamtes über die Aufhebung des Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 ergehen mündlich in Bescheidform. Die Beurkundung gemäß § 62 Abs. 2 AVG gilt auch als schriftliche Ausfertigung gemäß § 62 Abs. 3 AVG. Die Verwaltungsakten sind dem Bundesverwaltungsgericht unverzüglich zur Überprüfung gemäß § 22 BFA-VG zu übermitteln. Diese gilt als Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht; dies ist in der Rechtsmittelbelehrung anzugeben. Über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes hat das Bundesverwaltungsgericht im Rahmen der Überprüfung gemäß § 22 BFA-VG mit Beschluss zu entscheiden."

§ 22 BFA-VG lautet:

"§ 22. (1) Eine Entscheidung des Bundesamtes, mit der der faktische Abschiebeschutz eines Fremden aufgehoben wurde (§ 12a Abs. 2 AsylG 2005), ist vom Bundesverwaltungsgericht unverzüglich einer Überprüfung zu unterziehen. Das Verfahren ist ohne Abhaltung einer mündlichen Verhandlung zu entscheiden. § 20 gilt sinngemäß. § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG ist nicht anzuwenden.

(2) Die Aufhebung des Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 und eine aufrechte Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG oder eine Ausweisung gemäß § 66 FPG sind mit der Erlassung der Entscheidung gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 durchsetzbar. Mit der Durchführung der die Rückkehrentscheidung oder Ausweisung umsetzenden Abschiebung gemäß § 46 FPG ist bis zum Ablauf des dritten Arbeitstages ab Einlangen der gemäß § 22 Abs. 10 AsylG 2005 zu übermittelnden Verwaltungsakten bei der zuständigen Gerichtsabteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuzuwarten. Das Bundesverwaltungsgericht hat das Bundesamt unverzüglich vom Einlangen der Verwaltungsakte bei der zuständigen Gerichtsabteilung und von der im Rahmen der Überprüfung gemäß Abs. 1 getroffenen Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes zu verständigen.

(3) Über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes im Rahmen der Überprüfung gemäß Abs. 1 hat das Bundesverwaltungsgericht binnen acht Wochen zu entscheiden."

3.2.2. Daraus folgt für das gegenständliche Verfahren:

Das Verfahren über den ersten Antrag des Betroffenen auf internationalen Schutz vom 18.06.2016 wurde mit Bescheid des BFA vom 27.07.2017 und Abweisung der dagegen erhobenen Beschwerde durch das BVwG am 26.07.2018 rechtskräftig abgeschlossen. Beim Antrag des Betroffenen auf internationalen Schutz vom 17.09.2018 handelt es sich somit um einen Folgeantrag iSd § 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005.

Der Bescheid vom 27.07.2017 ist mit wirksamer Zustellung des abweisenden Erkenntnisses des BVwG vom 25.07.2018 am 26.07.2018 in Rechtskraft erwachsen. Es liegt somit kein Fall des § 12a Abs. 1 AsylG 2005 vor.

Die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG des BFA vom 27.07.2017 wurde somit ebenfalls am 26.07.2018 rechtskräftig. Laut seinen eigenen Angaben vor dem BFA war der Betroffene seit seinem ersten Asylverfahren durchgehend in Österreich aufhältig und hat daher seit der rechtskräftigen Erlassung der Rückkehrentscheidung das Bundesgebiet nicht verlassen. Die Zulässigkeit der Abschiebung ist weiterhin aufrecht.

Eine Prognoseentscheidung ergibt, dass der Antrag des Betroffenen auf internationalen Schutz vom 17.09.2018 voraussichtlich zurückzuweisen sein wird, weil keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhalts eingetreten ist: Eine Sachverhaltsänderung wurde weder behauptet noch ergibt sich eine solche aus der Aktenlage. Die behauptete Angst des Betroffenen vor den Taliban war bereits Gegenstand des ersten, rechtskräftig abgeschlossenen, Asylverfahrens. Bei den im gegenständlichen Verfahren geltend gemachten Rückkehrbefürchtungen des Betroffenen handelt es sich insgesamt nicht um einen Sachverhalt, der erst nach Beendigung des Verfahrens über den ersten Antrag auf internationalen Schutz am 26.07.2018 verwirklicht wurde. Aus den Länderberichten ergibt sich zudem, dass auch im Hinblick auf die allgemeine Situation im Herkunftsstaat des Betroffenen keine maßgebliche Änderung der Lage im Vergleich zum vorangegangenen Bescheid vom 27.07.2017 bzw. dem Erkenntnis des BVwG vom 25.07.2018 eingetreten ist. Eine Sachentscheidung über den Folgeantrag selbst ist nicht Gegenstand dieses Verfahrens.

Ein auf das AsylG 2005 gestützter Antrag auf internationalen Schutz ist nicht bloß auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, sondern hilfsweise - für den Fall der Nichtzuerkennung dieses Status - auch auf die Gewährung von subsidiärem Schutz gerichtet. Dies wirkt sich ebenso bei der Prüfung eines Folgeantrages nach dem AsylG 2005 aus: Asylbehörden sind verpflichtet, Sachverhaltsänderungen nicht nur in Bezug auf den Asylstatus, sondern auch auf den subsidiären Schutzstatus zu prüfen (vgl. VfGH 29.06.2011, U1533/10; VwGH 19.2.2009, 2008/01/0344 mwN). Auch diesbezüglich wurden keine entscheidungswesentlichen Sachverhaltsänderungen vorgebracht.

Im vorliegenden Fall gibt es auch keine Anhaltspunkte dafür, dass die Abschiebung des Betroffenen nach Afghanistan eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder 13 zur EMRK darstellen würde. Eine Gefährdung iSd Protokolle Nr. 6 oder 13 zur EMRK wurde vom Betroffenen zu keiner Zeit vorgebracht. Bereits im ersten Verfahrensgang wurde festgehalten, dass der Betroffene bei einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat keiner realen Gefahr einer Verletzung der Art. 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention ausgesetzt wäre oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes besteht (§ 50 FPG). Auch im Folgeverfahren sind keine Risiken für den Betroffenen im Sinne von § 12a Abs. 2 Z 3 AsylG 2005 hervorgekommen oder substantiiert behauptet worden.

Die Außerlandesschaffung eines Fremden in den Herkunftsstaat kann auch dann eine Verletzung von Art. 3 EMRK bedeuten, wenn der Betroffene dort keine Lebensgrundlage vorfindet, also die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz (bezogen auf den Einzelfall) nicht gedeckt werden können. Nach der auf der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte beruhenden Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist eine solche Situation nur unter exzeptionellen Umständen anzunehmen (vgl. VwGH 08.09.2016, Ra 2016/20/0063). Das Vorliegen solch exzeptioneller Umstände ist vor dem Hintergrund der Feststellungen jedenfalls zu verneinen.

Darüber hinaus ist auf die Rechtsprechung der Höchstgerichte zu verweisen, wonach es grundsätzlich der abschiebungsgefährdeten Person obliegt, mit geeigneten Beweisen gewichtige Gründe für die Annahme eines Risikos nachzuweisen, dass ihr im Falle der Durchführung einer Rückführungsmaßnahme eine dem Art. 3 EMRK widersprechende Behandlung drohen würde (vgl. VwGH 05.10.2016, Ra 2016/19/0158, mit Verweis auf das Urteil des EGMR vom 05.09.2013, I gegen Schweden, Appl. 61.204/09 mwH).

Es sind auch keine erheblichen in der Person des Betroffenen liegenden neuen Sachverhaltselemente bekannt geworden, die eine umfassende Refoulementprüfung für notwendig erscheinen lassen würden. Der Betroffene gab in diesem Zusammenhang selbst an, gesund zu sein.

Ebenso wenig sind Umstände bekannt geworden, die nahelegen würden, dass bezogen auf den Betroffenen ein "reales Risiko" einer gegen Art. 2 oder 3 EMRK erschlossenen Behandlung bzw. der Todesstrafe besteht. Der Betroffene hat auch solche Umstände weder in der Erstbefragung noch in der Einvernahme durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl vorgebracht.

Im Hinblick auf Art. 8 EMRK hat der Betroffene bereits im ersten Asylverfahren angegeben, in Österreich keine Familie oder familienähnliche Lebensgemeinschaft zu haben. Gegenteiliges wurde auch im gegenständlichen Verfahren nicht behauptet. Dass sich an seinem Privatleben in Österreich etwas geändert hätte, verneinte er ebenfalls. Eine besondere Aufenthaltsverfestigung kann angesichts seines knapp zweijährigen Aufenthalts, der seit rechtskräftigem Abschluss des Erstverfahrens unrechtmäßig ist, nicht angenommen werden. Es kann daher auch keine Verletzung seines Rechts auf Privat- oder Familienleben durch eine Abschiebung festgestellt werden.

Entsprechend den obigen Ausführungen stellt - nach einer Grobprüfung des Aktes - die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Betroffenen in seinen Herkunftsstaat für ihn somit keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 und 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur EMRK dar bzw. ist ein Eingriff in allfällig bestehende Rechte nach Art. 8 EMRK gerechtfertigt. Es besteht für ihn als Zivilperson auch keine ernsthafte Bedrohung seines Lebens und seiner Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes.

Da somit alle Voraussetzungen des § 12a Abs. 2 AsylG 2005 erfüllt sind, ist spruchgemäß festzustellen, dass die mit mündlich verkündetem Bescheid vom 27.09.2018 ausgesprochene Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes rechtmäßig war.

Gemäß § 22 Abs. 1 BFA-VG war ohne Abhaltung einer mündlichen Verhandlung zu entscheiden.

Soweit das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im Protokoll der niederschriftlichen Einvernahme vom 27.09.2018 schriftlich festgehalten hat, dass der Betroffene gegen den mündlich verkündeten Bescheid vom 27.09.2018 Beschwerde erheben wolle, ist auszuführen, dass bereits die Vorlage der Akten gemäß § 22 Abs. 10 AsylG 2005 als Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht gilt und eine gesonderte Beschwerde aus Eigenem gegen den Bescheid, mit dem der faktische Abschiebeschutz aberkannt wurde, nicht zulässig ist (vgl. RV 330 BlgNR 24. GP 21; vgl. dazu VfSlg. 19.215/2017).

Zu Spruchpunkt B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 des VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des VwGH ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

aufrechte Rückkehrentscheidung, faktischer Abschiebeschutz -
Aufhebung rechtmäßig, Folgeantrag

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W210.2167062.2.00

Zuletzt aktualisiert am

10.01.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten