Entscheidungsdatum
25.10.2018Norm
AlVG §10Spruch
I404 2205044-1/3E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin MMag. Alexandra JUNKER als Vorsitzende sowie die fachkundigen Laienrichter Franz OPBACHER und Mag. Martin Schaffenrath als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX gegen den Bescheid des Arbeitsmarktservice Innsbruck vom 14.06.2018 betreffend den Verlust des Anspruchs auf Notstandshilfe für den Zeitraum vom 18.05.2018 bis 28.06.2018 gemäß § 10 Abs. 1 iVm § 38 des Arbeitslosenversicherungsgesetzes 1977 (AlVG) nach nichtöffentlicher Sitzung beschlossen:
A)
Der angefochtene Bescheid wird gemäß § 28 Abs. 3 des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes (VwGVG) aufgehoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Arbeitsmarktservice Innsbruck zurückverwiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang und Sachverhalt
1. Herr XXXX (in der Folge: Beschwerdeführer) stellte zuletzt am 21.02.2018 bei der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Innsbruck (in der Folge: belangte Behörde) einen Antrag auf Notstandshilfe und stand in weiterer Folge in Bezug von Notstandshilfe.
2. Am 04.05.2018 wurde dem Beschwerdeführer von der belangten Behörde eine Tätigkeit im Bereich der Hartwarensortierung beim Dienstgeber Verein W zugewiesen.
3. Am 24.05.2018 teilte der Verein W der belangten Behörde mit, dass der Beschwerdeführer am 18.05.2018 ein Bewerbungsgespräch gehabt habe. Im Rahmen dieses Gesprächs habe der Beschwerdeführer erwähnt, dass er in zwei bis drei Monaten ins Ausland gehen werde. Daher habe der Beschwerdeführer eine Absage erhalten, da laut Ansicht des potentiellen Dienstgebers die Perspektive fehle.
4. Am 27.05.2018 teilte der Beschwerdeführer der belangten Behörde mit, dass er auf einen Anruf vom Verein W gewartet habe, in welchem ihm mitgeteilt werde, wann er anfangen könne zu arbeiten. Die ganze letzte Woche habe sich der Verein W jedoch nicht bei ihm gemeldet. Er verstehe nicht, warum der Bezug der Notstandshilfe eingestellt worden sei. Genauso wenig verstehe er, warum der Bezug rückwirkend eingestellt worden sei.
5. Am 13.06.2018 wurde der Beschwerdeführer niederschriftlich zum Gegenstand der Verhandlung "Nichtannahme bzw. Nichtzustandekommen einer zugewiesenen Beschäftigung" einvernommen. Der Beschwerdeführer erklärte nach Belehrung über die Rechtsfolgen nach § 10 AlVG, dass er hinsichtlich der konkret angebotenen Entlohnung, der angebotenen beruflichen Verwendung, der vom Unternehmen geforderten Arbeitszeit, der körperlichen Fähigkeiten, Gesundheit und Sittlichkeit, der täglichen Wegzeit für Hin- und Rückweg, Betreuungspflichten sowie sonstiger Gründe keine Einwendungen habe. Zu den Angaben des Dienstgebers erklärte der Beschwerdeführer, dass sowohl das Gespräch bei Herrn K als auch das Gespräch mit der Sozialpädagogin sehr umfangreich gewesen sei und er auf die Frage, ob er Kinder habe und dafür Unterhaltsrückstände bestünden, gesagt habe, dass er eine Tochter in Russland habe und diese in absehbarer Zeit auch wieder besuchen wolle. Er habe den Eindruck gehabt, dass beide Gespräche sehr gut gelaufen seien und es sei ihm mitgeteilt worden, dass sie sich in den nächsten Tagen bei ihm melden würden. Am 25.05.2018 habe er auf sein eAMS-Konto geschaut und gesehen, dass sein Bezug rückwirkend mit 17.05.2018 eingestellt worden sei. Daraufhin habe er seiner Betreuerin sein Unverständnis darüber in einer Rückmeldung bekundet. Am darauffolgenden Montag habe ihn Herr K angerufen und mitgeteilt, dass ihn das AMS angerufen habe und es ihm leid tue, denn er könne auch einmal etwas vergessen und er würde ihm eine Absage erteilen, weil er keine Perspektive für ihn beim Verein W sehe. Als berücksichtigungswürdige Gründe gab der Beschwerdeführer an, dass von seiner Seite kein Versäumnis und keine Weigerung vorliege, im Gegenteil er sei bereit gewesen, die Tätigkeit jederzeit aufzunehmen. Es seien in den letzten Monaten von ihm ca. 50 Bewerbungen verschickt worden und sämtliche Termine eingehalten worden.
6. Mit dem bekämpften Bescheid vom 14.06.2018 sprach die belangte Behörde aus, dass der Beschwerdeführer den Anspruch auf Notstandshilfe für den Zeitraum 18.05.2018 bis 28.06.2018 verloren hat und eine Nachsicht nicht gewährt wird. Begründend wurde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer mit mehreren kurzen Unterbrechungen seit 29.11.2014 arbeitslos gemeldet sei und Notstandshilfe beziehe. Am 04.05.2018 sei ihm eine zumutbare Transitstelle beim Verein W vermittelt worden. Beim Bewerbungsgespräch habe er angegeben, in 2-3 Monaten ins Ausland zu gehen. Durch sein Verhalten habe er eine mögliche Arbeitsaufnahme vereitelt. Gründe für eine Nachsicht der Rechtsfolgen würden nicht vorliegen bzw. könnten nicht berücksichtigt werden.
7. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer rechtzeitig und zulässig das Rechtsmittel einer Beschwerde. Begründend führte der Beschwerdeführer zusammengefasst aus, dass keine Weigerung, Vereitelung oder Versäumnis vorliege. Es erscheine ihm im Nachhinein so, dass hier ein einziges Fragment der Gespräche bei Herrn K und der Sozialpädagogin herausgepickt worden sei, um ihm unter diesem Deckmantel mit der Begründung der "mangelnden Perspektive" absagen zu können. Des Weiteren habe seine AMS-Betreuerin dies gleich zum Anlass genommen, um seine Bezüge rückwirkend einzustellen. Ihm sei nicht klar, was mangelnde Perspektive bedeute. Dies würde implizieren, dass viele, die eine berufliche Tätigkeit aufnehmen wollen würden und vor hätten, in einem halben Jahr oder in einem Jahr aus welchen Gründen auch immer ins Ausland zu fahren, keine Perspektive hätten. Er ersuche daher seiner Beschwerde stattzugeben. Zum Zwecke seiner Existenzsicherung bitte er um aufschiebende Wirkung und Ausbezahlung der einbehaltenen Leistungen.
8. Mit Schreiben vom 05.09.2018 legte die belangte Behörde die Beschwerde dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor. Im Rahmen einer ergänzenden Stellungnahme führte die belangte Behörde insbesondere aus, dass es aufgrund des Ablaufens der zehnwöchigen Frist für die Erlassung einer möglichen Beschwerdevorentscheidung der belangten Behörde leider nicht möglich gewesen sei, im Rahmen des Beschwerdevorentscheidungsverfahrens den potentiellen Dienstgeber einzuvernehmen. Dies insbesondere hinsichtlich der Frage, ob die Aussage des Beschwerdeführers, wonach er sich in zwei bis drei Monaten ins Ausland begebe, dahingebend zu verstehen sei, dass sich der Beschwerdeführer dauerhaft ins Ausland begebe und daher die Beschäftigung nicht habe aufnehmen wollen. Der Beschwerdeführer habe nämlich gegenüber der belangten Behörde im Rahmen der Niederschrift angegeben, dass es zwar stimme, dass er in absehbarer Zeit wieder seine Tochter in Russland besuchen wolle, er sei jedoch nicht näher darauf eingegangen, ob er dauerhaft im Ausland verweilen wolle.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Rechtliche Beurteilung:
1.1. Zuständigkeit und anzuwendendes Recht
§ 6 BVwGG lautet wie folgt:
Das Bundesverwaltungsgericht entscheidet durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
§ 56 Abs. 2 des Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 (AlVG) in der geltenden Fassung lautet wie folgt:
Über Beschwerden gegen Bescheide einer Geschäftsstelle entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch einen Senat, dem zwei fachkundige Laienrichter angehören, je einer aus dem Kreis der Arbeitgeber und aus dem Kreis der Arbeitnehmer. Die Frist zur Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung durch die Geschäftsstelle beträgt zehn Wochen.
Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.
Die §§ 1, 17 und 58 Abs. 1 und 2 VwGVG lauten wie folgt:
§ 1. Dieses Bundesgesetz regelt das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes.
§ 17. Soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, sind auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
§ 58. (1) Dieses Bundesgesetz tritt mit 1. Jänner 2014 in Kraft.
(2) Entgegenstehende Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht sind, bleiben unberührt.
Spruchpunkt A) Aufhebung und Zurückverweisung
1.2. Die §§ 28 Abs. 1 bis 3 und 31 VwGVG lauten wie folgt:
Erkenntnisse
§ 28. (1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
(2) Über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn
1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder
2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
(3) Liegen die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vor, hat das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.
Beschlüsse
§ 31. (1) Soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist, erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss.
(2) An seine Beschlüsse ist das Verwaltungsgericht insoweit gebunden, als sie nicht nur verfahrensleitend sind.
(3) Auf die Beschlüsse des Verwaltungsgerichtes sind § 29 Abs. 1 zweiter Satz, Abs. 4 und § 30 sinngemäß anzuwenden. Dies gilt nicht für verfahrensleitende Beschlüsse.
Die wesentlichen Bestimmungen des AlVG 1977 lauten wie folgt:
Arbeitswilligkeit
§ 9. (1) Arbeitswillig ist, wer bereit ist, eine durch die regionale Geschäftsstelle oder einen vom Arbeitsmarktservice beauftragten, die Arbeitsvermittlung im Einklang mit den Vorschriften der §§ 2 bis 7 des Arbeitsmarktförderungsgesetzes (AMFG), BGBl. Nr. 31/1969, durchführenden Dienstleister vermittelte zumutbare Beschäftigung in einem Arbeitsverhältnis als Dienstnehmer im Sinn des § 4 Abs. 2 ASVG anzunehmen, sich zum Zwecke beruflicher Ausbildung nach- oder umschulen zu lassen, an einer Maßnahme zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt teilzunehmen, von einer sonst sich bietenden Arbeitsmöglichkeit Gebrauch zu machen und von sich aus alle gebotenen Anstrengungen zur Erlangung einer Beschäftigung zu unternehmen, soweit dies entsprechend den persönlichen Fähigkeiten zumutbar ist.
(2) Eine Beschäftigung ist zumutbar, wenn sie den körperlichen Fähigkeiten der arbeitslosen Person angemessen ist, ihre Gesundheit und Sittlichkeit nicht gefährdet, angemessen entlohnt ist, in einem nicht von Streik oder Aussperrung betroffenen Betrieb erfolgen soll, in angemessener Zeit erreichbar ist oder eine entsprechende Unterkunft am Arbeitsort zur Verfügung steht sowie gesetzliche Betreuungsverpflichtungen eingehalten werden können. Als angemessene Entlohnung gilt grundsätzlich eine zumindest den jeweils anzuwendenden Normen der kollektiven Rechtsgestaltung entsprechende Entlohnung. Die zumutbare tägliche Wegzeit für Hin- und Rückweg beträgt jedenfalls eineinhalb Stunden und bei einer Vollzeitbeschäftigung jedenfalls zwei Stunden. Wesentlich darüber liegende Wegzeiten sind nur unter besonderen Umständen, insbesondere wenn am Wohnort lebende Personen üblicher Weise eine längere Wegzeit zum Arbeitsplatz zurückzulegen haben oder besonders günstige Arbeitsbedingungen geboten werden, zumutbar.
...
§ 10. (1) Wenn die arbeitslose Person
1. sich weigert, eine ihr von der regionalen Geschäftsstelle oder einen vom Arbeitsmarktservice beauftragten, die Arbeitsvermittlung im Einklang mit den Vorschriften der §§ 2 bis 7 AMFG durchführenden Dienstleister zugewiesene zumutbare Beschäftigung anzunehmen oder die Annahme einer solchen Beschäftigung vereitelt, oder
2. sich ohne wichtigen Grund weigert, einem Auftrag zur Nach(Um)schulung zu entsprechen oder durch ihr Verschulden den Erfolg der Nach(Um)schulung vereitelt, oder
3. ohne wichtigen Grund die Teilnahme an einer Maßnahme zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt verweigert oder den Erfolg der Maßnahme vereitelt, oder
4. auf Aufforderung durch die regionale Geschäftsstelle nicht bereit oder in der Lage ist, ausreichende Anstrengungen zur Erlangung einer Beschäftigung nachzuweisen,
so verliert sie für die Dauer der Weigerung, mindestens jedoch für die Dauer der auf die Pflichtverletzung gemäß Z 1 bis 4 folgenden sechs Wochen, den Anspruch auf Arbeitslosengeld. Die Mindestdauer des Anspruchsverlustes erhöht sich mit jeder weiteren Pflichtverletzung gemäß Z 1 bis 4 um weitere zwei Wochen auf acht Wochen. Die Erhöhung der Mindestdauer des Anspruchsverlustes gilt jeweils bis zum Erwerb einer neuen Anwartschaft. Die Zeiten des Anspruchsverlustes verlängern sich um die in ihnen liegenden Zeiträume, während derer Krankengeld bezogen wurde.
(2) Hat sich die arbeitslose Person auf einen durch unwahre Angaben über Umfang und Ausmaß von Teilzeitbeschäftigungen begründeten besonderen Entgeltschutz nach Teilzeitbeschäftigungen berufen, so erhöht sich die Mindestdauer des Anspruchsverlustes nach Abs. 1 um weitere zwei Wochen.
(3) Der Verlust des Anspruches gemäß Abs. 1 ist in berücksichtigungswürdigen Fällen wie zB bei Aufnahme einer anderen Beschäftigung nach Anhörung des Regionalbeirates ganz oder teilweise nachzusehen.
(4) Wer, ohne dadurch den Erfolg der Schulungsmaßnahme zu gefährden, tageweise nicht an einer Schulungsmaßnahme teilnimmt, verliert den Anspruch auf Arbeitslosengeld für Tage des Fernbleibens, außer wenn dieses durch zwingende Gründe gerechtfertigt ist.
Allgemeine Bestimmungen
§ 38. Soweit in diesem Abschnitt nichts anderes bestimmt ist, sind auf die Notstandshilfe die Bestimmungen des Abschnittes 1 sinngemäß anzuwenden.
1.3. Der Verwaltungsgerichtshof hat die Voraussetzungen, unter denen das Verwaltungsgericht von der in § 28 Abs. 3 VwGVG festgelegten Befugnis zur Aufhebung und Zurückverweisung Gebrauch machen darf, im Erkenntnis vom 26.06.2014, Ro 2014/03/0063, näher präzisiert.
Danach hat die meritorische Entscheidungspflicht des Verwaltungsgerichts Vorrang und bildet die Zurückverweisungsmöglichkeit eine Ausnahme, deren Inanspruchnahme begründungspflichtig ist und die strikt auf den ihr gesetzlich zugewiesenen Raum zu beschränken ist. Zur Aufhebung und Zurückverweisung ist das Verwaltungsgericht bei "krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken" befugt, was insbesondere dann der Fall ist, wenn die Verwaltungsbehörde "jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen", "lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt" oder "bloß ansatzweise ermittelt" hat oder wenn Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Behörde "Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (etwa im Sinn einer ‚Delegierung' der Entscheidung)".
1.4. Im gegenständlichen Verfahren wurde ausgesprochen, dass der Beschwerdeführer gemäß § 10 AlVG seinen Anspruch auf Notstandshilfe für den Zeitraum von 18.05.2018 bis 28.06.2018 verloren hat und Nachsicht nicht erteilt wird. In der Begründung ist im Wesentlichen ausgeführt, dass der Beschwerdeführer im Bewerbungsgespräch angeben habe, dass er in 2-3 Monaten ins Ausland gehe. Durch sein Verhalten habe er eine mögliche Arbeitsaufnahme vereitelt.
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sind die Bestimmungen der §§ 9 und 10 AlVG Ausdruck des dem gesamten Arbeitslosenversicherungsrecht zu Grunde liegenden Gesetzeszweckes, den arbeitslos gewordenen Versicherten, der trotz Arbeitsfähigkeit und Arbeitswilligkeit nach Beendigung seines Beschäftigungsverhältnisses keine Beschäftigung gefunden hat, möglichst wieder durch Vermittlung in eine ihm zumutbare Beschäftigung einzugliedern und ihn so in die Lage zu versetzen, seinen Lebensunterhalt ohne Zuhilfenahme öffentlicher Mittel zu bestreiten. Wer eine Leistung der Versichertengemeinschaft der Arbeitslosenversicherung in Anspruch nimmt, muss sich daher darauf einstellen, eine ihm angebotene zumutbare Beschäftigung anzunehmen, dh bezogen auf eben diesen Arbeitsplatz arbeitswillig zu sein (vgl. zB das Erkenntnis des VwGH vom 28.01.2015 2013/08/0176).
Um sich in Bezug auf eine von der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice vermittelte bzw. eine sonst sich bietende zumutbare Beschäftigung arbeitswillig zu zeigen, bedarf es grundsätzlich einerseits eines auf die Erlangung dieses Arbeitsplatzes ausgerichteten, unverzüglich zu entfaltenden aktiven Handelns des Arbeitslosen und andererseits auch der Unterlassung jedes Verhaltens, welches objektiv geeignet ist, das Zustandekommen des konkret angebotenen Beschäftigungsverhältnisses zu verhindern. Das Nichtzustandekommen eines die Arbeitslosigkeit beendenden zumutbaren Beschäftigungsverhältnisses kann vom Arbeitslosen - abgesehen vom Fall der ausdrücklichen Weigerung, eine angebotene Beschäftigung anzunehmen - somit auf zwei Wegen verschuldet, die Annahme der Beschäftigung also auf zwei Wegen vereitelt werden:
Nämlich dadurch, dass der Arbeitslose ein auf die Erlangung des Arbeitsplatzes ausgerichtetes Handeln erst gar nicht entfaltet (etwa durch Unterlassen der Vereinbarung eines Vorstellungstermins oder Nichtantritt der Arbeit), oder dadurch, dass er den Erfolg seiner (nach außen zu Tage getretenen) Bemühungen durch ein Verhalten, welches nach allgemeiner Erfahrung geeignet ist, den potentiellen Dienstgeber von der Einstellung des Arbeitslosen abzubringen, zunichtemacht.
Im gegenständlichen Fall hat der potentielle Dienstgeber Verein W der belangten Behörde mitgeteilt, dass der Beschwerdeführer aufgrund seiner Aussage, dass er in zwei bis drei Monaten ins Ausland gehen werde, nicht eingestellt worden sei, da die Perspektive fehle. Der Beschwerdeführer gab dazu gegenüber der belangten Behörde an, dass er im Rahmen des Vorstellungsgespräches mitgeteilt habe, dass er in absehbarer Zeit wieder seine Tochter in Russland besuchen wolle. Er sei jedenfalls arbeitswillig.
In der Folge hat die belangte Behörde keinerlei Ermittlungen dahingehend getätigt, ob das Verhalten des Beschwerdeführers im Rahmen des Vorstellungsgespräches als Vereitelungshandlung zu qualifizieren ist. Dies wäre aber notwendig gewesen, zumal dies aus den Angaben des potentiellen Dienstgebers nicht abgeleitet werden kann.
Auch aus dem sonstigen Akteninhalt kann nicht geschlossen werden kann, ob der Beschwerdeführer ein Verhalten an den Tag legte, welches als Vereitelungshandlung qualifiziert werden kann.
Bei der Beurteilung, ob ein bestimmtes Verhalten eines Vermittelten als Vereitelung im Sinn des § 10 Abs. 1 AlVG zu qualifizieren ist, kommt es darauf an, ob dieses Verhalten für das Nichtzustandekommen des Beschäftigungsverhältnisses ursächlich war. Ist die Kausalität zwischen dem Verhalten des Vermittelten und dem Nichtzustandekommen des Beschäftigungsverhältnisses zu bejahen, dann muss geprüft werden, ob der Vermittelte vorsätzlich gehandelt hat, wobei bedingter Vorsatz (dolus eventualis) genügt. Ein bloß fahrlässiges Handeln, also die Außerachtlassung der gehörigen Sorgfalt, reicht zur Verwirklichung des Tatbestandes nicht hin. Die Behörde wird sich in der Folge auch damit auseinanderzusetzen haben, ob der Beschwerdeführer zumindest bedingt vorsätzlich das Zustandekommen der Beschäftigung vereitelt hat.
1.5. Im vorliegenden Fall liegt daher nach Ansicht des erkennenden Senates ein mangelhaft ermittelter Sachverhalt vor, zumal zu der wesentlichen Frage des Vorliegens einer Vereitelungshandlung, keine Ermittlungen getätigt wurden und auch aus dem vorgelegten Akt der belangten Behörde eine solche Überprüfung nicht durchgeführt werden kann. Die belangte Behörde hätte jedenfalls nicht ohne weitere Ermittlungen den Verlust der Notstandshilfe feststellen dürfen.
1.6. Die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Bundesverwaltungsgericht selbst ist nicht im Interesse der Raschheit gelegen, weil nichts darauf hindeutet, dass die erforderliche Feststellung durch das Bundesverwaltungsgericht selbst, verglichen mit der Feststellung durch die belangte Behörde nach Zurückverweisung mit einem Zeitgewinn verbunden wäre. Es liegt auch kein Anhaltspunkt dafür vor, dass die Feststellung durch das Bundesverwaltungsgericht selbst im Vergleich zur Feststellung durch die Verwaltungsbehörde mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden wäre. Aufgrund dieser Ausführungen liegen daher alle Voraussetzungen des § 28 Abs. 3 VwGVG vor und war daher der Bescheid der belangten Behörde aufzuheben und zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Arbeitsmarktservice zurückverwiesen.
1.7. Gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG kann eine Verhandlung entfallen, wenn der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist, oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist.
Weil bereits auf Grund der Aktenlage feststand, dass der angefochtene Bescheid zu beheben war, konnte eine mündliche Verhandlung gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG unterbleiben.
Zu Spruchpunkt B)
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG im vorliegenden Fall nicht zulässig weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, abhängt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht als uneinheitlich zu beurteilen und es liegen auch keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Ermittlungspflicht, Kassation, mangelnde Sachverhaltsfeststellung,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2018:I404.2205044.1.00Zuletzt aktualisiert am
09.01.2019