TE Vwgh Erkenntnis 1999/9/15 98/03/0101

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Veröffentlicht am 15.09.1999
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Index

L92053 Altenheime Pflegeheime Sozialhilfe Niederösterreich;
L92103 Behindertenhilfe Pflegegeld Rehabilitation Niederösterreich;
L92603 Blindenbeihilfe Niederösterreich;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §37;
AVG §52;
SHG NÖ 1974 §17;
VersorgungsV orthopädische NÖ 1974 §1 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Sauberer, Dr. Gruber, Dr. Gall und Dr. Handstanger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Böheimer, über die Beschwerde des J C in F, vertreten durch Dr. Ronald Rödler, Rechtsanwalt in

2460 Bruck/Leitha, Kirchengasse 17, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 12. November 1997, Zl. GS5-F-30.747/12-97, betreffend Sozialhilfe nach dem NÖ Sozialhilfegesetz, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Niederösterreich ist schuldig, dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid der belangten Behörde wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf Gewährung eines Kostenzuschusses für den Ankauf eines sogenannten "Gesundheitsbettes" gemäß § 17 des NÖ Sozialhilfegesetzes 1974, LGBl. 9200-13 (im Folgenden: NÖ SHG), iVm der Verordnung über Art und Umfang der Versorgung mit Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, LGBl. 9200/4-2, abgewiesen.

Die belangte Behörde führte zur Begründung des angefochtenen Bescheides im Wesentlichen aus, der Beschwerdeführer habe zunächst unter Vorlage eines Kostenvoranschlages der Möbel-Handelsgesellschaft KIKA die Gewährung eines Zuschusses für den Ankauf eines Gesundheitsbettes und in der Folge, nach Ankauf eines derartiges Gesundheitsbettes bei der Firma Michelfeit, welches S 27.000,-- gekostet habe und am 19. August 1997 geliefert worden sei, unter Vorlage der Rechnung einen Zuschuss für dieses Bett beantragt. Nach der aufgrund des § 17 Abs. 2 NÖ SHG anzuwendenden Verordnung über Art und Umfang der Versorgung mit Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln seien hier die entsprechenden Hilfsmittel und Körperersatzstücke angeführt, mit denen behinderte Menschen im Rahmen der Hilfe nach § 17 NÖ SHG auf Antrag ausgestattet würden. Bei dem im Lieferschein der Lieferfirma Michelfeit beschriebenen Bett handle es sich um kein orthopädisches Hilfsmittel zum Ausgleich der Funktionsstörung des Stütz- und Bewegungsapparates im Sinne des § 1 Z. 2 oder ein Hilfsmittel im Sinne der Z. 3 der genannten Verordnung. Es handle sich bei dem geschilderten Bett insbesondere nicht um ein spezielles Hilfsmittel für behinderte Menschen, wie z.B. einen Rollstuhl oder dergleichen. Es sei durchaus möglich, dass dieses Bett wirbelsäulengerechtes Schlafen ermögliche, jedoch sei es sicher nicht speziell auf eine Behinderung ausgerichtet, wie dies bei einem Hilfsmittel im Sinne des § 17 NÖ SHG der Fall sein müsse. Überhaupt könnten Möbel, daher auch Betten nicht als Hilfsmittel im Sinne des § 17 NÖ SHG betrachtet werden. Die vom Beschwerdeführer beantragte Beiziehung eines Sachverständigen habe sich erübrigt, weil "eben" das gegenständliche Bett kein orthopädisches Hilfsmittel sei, für das ein Kostenzuschuss in Betracht komme. Ob der Beschwerdeführer in einer finanziellen Notlage sei, sei nicht im gegenständlichen Verfahren, sondern erst bei der Berechnung des dem Hilfeempfänger zumutbaren Kostenbeitrages zu berücksichtigen.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der der Beschwerdeführer die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und beantragte in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die belangte Behörde hat im angefochtenen Bescheid zwar keine detaillierten Feststellungen über den Gesundheits- bzw. Leidenszustand des Beschwerdeführers getroffen, aus dem Akteninhalt ist jedoch ersichtlich, worauf der Beschwerdeführer auch in seinem Antrag auf Gewährung eines Kostenzuschusses für das "Gesundheitsbett" vom 18. März 1997 hinweist, dass er ein Wirbelsäulenleiden hat, das u.a. Grundlage des Bescheides des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 25. Mai 1992 war, mit welchem festgestellt wurde, dass der Beschwerdeführer ab 25. November 1991 dem Kreis der begünstigten Behinderten im Sinne der §§ 2 und 14 des Behinderteneinstellungsgesetzes angehört, wobei der Grad der Behinderung aufgrund der festgestellten Gesundheitsschädigungen mit 50 v.H. eingeschätzt wurde. Die belangte Behörde hat im angefochtenen Bescheid im Einzelnen auch keine Feststellungen zu dem vom Beschwerdeführer angeschafften Bett, für welches er einen Zuschuss gewährt haben möchte, getroffen. Aus dem in der Begründung des angefochtenen Bescheides erwähnten Lieferschein ("Rechnung-Lieferschein" vom 19. August 1997), welchen der Beschwerdeführer der belangten Behörde vorgelegt hatte, ist ersichtlich, dass es sich um ein "Stolleneinzelbett" in Eiche Natur furniert 100 x 210 cm mit einer "Fortiflex II KF" Liegefläche 100 x 210 cm mit Kopf- und Fußhochsteller und Schulterabsenkung sowie mit einer Latex Medizinal Natur-Matratze handelt.

Die belangte Behörde gelangte offensichtlich zu dem Ergebnis, dass dieses Bett keinesfalls unter die in § 1 der Verordnung über Art und Umfang der Versorgung mit Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, LGBl. 9200/4, angeführten Hilfsmitteln fallen könne. Darin kann ihr aber nicht gefolgt werden.

Die hier maßgeblichen Bestimmungen des § 17 NÖ SHG lauten wie folgt:

"(1) Die orthopädische Versorgung umfasst die Ausstattung mit Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln sowie deren Instandsetzung oder Ersatz, wenn sie unbrauchbar geworden oder verloren gegangen sind, wenn hiedurch die Leistungsfähigkeit des behinderten Menschen erhöht oder die Folgen seines Leidens oder Gebrechens erleichtert werden.

(2) Die Landesregierung hat durch Verordnung nähere Bestimmungen über Art und Umfang der Versorgung mit Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln zu erlassen."

§ 1 Abs. 1 der genannten Verordnung der niederösterreichischen Landesregierung lautet auszugsweise:

"(1) Die Hilfe der orthopädischen Versorgung von Behinderten ist durch die Ausstattung mit

1.

Körperersatzstücken zum Ausgleich des Fehlens von Körperteilen,

2.

orthopädischen Hilfsmitteln zum Ausgleich der Funktionsstörungen des Stütz- und Bewegungsapparates und

3.

anderen Hilfsmitteln zum Ausgleich anderer durch Leiden oder Gebrechen bedingter Mängel, wie zum Beispiel

a)

Schreibmaschinen für Blinde, Ohnhänder und solche Behinderte, die wegen Art und Schwere ihrer Behinderung auf eine Schreibmaschine angewiesen sind,

b)

Verständigungsgeräte für Taubblinde,

c)

Blindenschrift-Bogenmaschinen,

d)

Blindenuhren mit Zubehör, Blindenweckuhren,

e)

Tonbandgeräte mit Zubehör für Blinde,

f)

Blindenführhunde mit Zubehör,

g)

Weckuhren für Hörgeschädigte,

h)

besondere Bedienungseinrichtungen und Zusatzgeräte für Kraftfahrzeuge, wenn der Behinderte wegen Art und Schwere seiner Behinderung auf ein Kraftfahrzeug angewiesen ist,

zu gewähren."

In ihrer Allgemeinheit, dass Möbel, daher auch Betten, nicht als Hilfsmittel im Sinne des § 17 NÖ SHG betrachtet werden können, trifft die Rechtsauffassung der belangten Behörde nicht zu. Es kann nämlich nicht ausgeschlossen werden, dass das vom Beschwerdeführer angeschaffte Bett zum Ausgleich von Funktionsstörungen des Stütz- und Bewegungsapparates des Beschwerdeführers bzw. zum Ausgleich anderer durch sein Leiden bedingter Mängel geeignet ist.

Zur Prüfung der für die Entscheidung über diese Frage erforderlichen Umstände hat der - im Verwaltungsverfahren nicht rechtsanwaltlich vertretene - Beschwerdeführer unter Hinweis auf seine Behinderung die Beiziehung eines Sachverständigen beantragt. Angesichts dieses Umstandes wirkt es sich auch nicht zum Nachteil des Beschwerdeführers aus, dass das von ihm (erst) im verwaltungsgerichtlichen Verfahren vorgelegte Schreiben des Facharztes für Orthopädie und orthopädische Chirurgie sowie gerichtlich beeideten Sachverständigen Dr. R. vom 28. November 1997, worin darauf verwiesen wird, dass die Anschaffung eines Gesundheitsbettes mit verstellbarem Lattenrost und Latex-Matratze orthopädisch indiziert sei, erst nach Zustellung des angefochtenen Bescheides (25. November 1997) abgefasst wurde.

Die belangte Behörde, welche die Einholung eines Sachverständigengutachtens ablehnte, verkannte die Rechtslage: Die Frage, ob das gegenständliche Bett zum Ausgleich der Funktionsstörungen des Stütz- und Bewegungsapparates (§ 1 Abs. 1 Z. 2 der Verordnung LGBl. 9200/4-2) oder zum Ausgleich anderer durch Leiden oder Gebrechen bedingter Mängel (§ 1 Abs. 1 Z. 3 dieser Verordnung) geeignet ist, ist eine Fachfrage, die auf Grund des zu ihrer Beantwortung erforderlichen Fachwissens ohne Beiziehung eines medizinischen Sachverständigen aus dem Fachgebiet der Orthopädie nicht beantwortet werden kann.

Da die belangte Behörde, ausgehend von ihrer unrichtigen Rechtsansicht, die Einholung dieses Sachverständigengutachtens als entbehrlich ansah, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit, er war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Das Mehrbegehen betreffend den Ersatz von S 2.500,-- an Umsatzsteuer war abzuweisen, weil ein Kostenersatz unter diesem Titel neben dem Ersatz des pauschalierten Schriftsatzaufwandes nicht zusteht.

Wien, am 15. September 1999

Schlagworte

Sachverständiger Erfordernis der Beiziehung Arzt

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1998030101.X00

Im RIS seit

13.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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