TE Vfgh Erkenntnis 1997/6/25 B350/97, B351/97, B352/97, B353/97, B354/97

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Veröffentlicht am 25.06.1997
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Index

41 Innere Angelegenheiten
41/02 Staatsbürgerschaft, Paß- und Melderecht, Fremdenrecht

Norm

AufenthaltsG §5 Abs1
EMRK Art8

Leitsatz

Verletzung im Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens durch Versagung einer Aufenthaltsbewilligung wegen nicht gesicherten Lebensunterhaltes infolge Unterlassung der gebotenen Interessenabwägung

Spruch

Die Beschwerdeführer sind durch den jeweils angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens verletzt worden.

Die Bescheide werden aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Inneres) ist schuldig, den Beschwerdeführern zuhanden ihres Rechtsvertreters die mit 22.500 S bestimmten Prozeßkosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. Mit den fünf angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheiden des Bundesministers für Inneres wurden die Anträge einer rumänischen Staatsangehörigen und ihrer vier minderjährigen Kinder auf Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung unter Berufung auf §5 Abs1 und unter Bezugnahme auf §4 Abs3 des Aufenthaltsgesetzes - AufG, BGBl. 466/1992 idF BGBl. 351/1995, abgewiesen. Die belangte Behörde begründete ihre Bescheide damit, daß der Lebensunterhalt der Bewilligungswerber für die Geltungsdauer der Bewilligung nicht gesichert sei. Die Unterhaltsmittel in der Höhe von 11.500 S pro Monat seien als nicht ausreichend zu betrachten, um den Lebensunterhalt der gesamten Familie zu sichern.

Gegen diese Bescheide richtet sich die vorliegende, auf Art144 Abs1 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Achtung des Privat- und Familienlebens (Art8 EMRK) sowie des durch das BVG BGBl. 390/1973 verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander geltend gemacht und die kostenpflichtige Aufhebung der angefochtenen Bescheide begehrt wird.

Der Bundesminister für Inneres als belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt, von der Erstattung einer Gegenschrift jedoch Abstand genommen.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

1. Die angefochtenen, Aufenthaltsbewilligungen nach dem AufG versagenden Bescheide greifen in das durch Art8 EMRK verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens ein.

Ein Eingriff in das durch Art8 EMRK verfassungsgesetzlich garantierte - unter Gesetzesvorbehalt stehende - Recht wäre dann verfassungswidrig, wenn der ihn verfügende Bescheid ohne jede Rechtsgrundlage ergangen wäre, auf einer dem Art8 EMRK widersprechenden Rechtsvorschrift beruhte oder wenn die Behörde bei Erlassung des Bescheides eine verfassungsrechtlich unbedenkliche Rechtsgrundlage in denkunmöglicher Weise angewendet hätte; ein solcher Fall läge nur vor, wenn die Behörde einen so schweren Fehler begangen hätte, daß dieser mit Gesetzlosigkeit auf eine Stufe zu stellen wäre, oder wenn sie der angewendeten Rechtsvorschrift fälschlicherweise einen verfassungswidrigen, insbesondere einen dem Art8 Abs1 EMRK widersprechenden und durch Art8 Abs2 EMRK nicht gedeckten Inhalt unterstellt hätte (vgl. VfSlg. 11638/1988).

2. Wie der Verfassungsgerichtshof im Erkenntnis

VfSlg. 14091/1995 mit näherer Begründung dargelegt hat, ist die Behörde auch bei Anwendung der in §5 Abs1 AufG besonders hervorgehobenen Versagungstatbestände der für die Dauer der Bewilligung nicht gesicherten ortsüblichen Unterkunft oder des nicht gesicherten Lebensunterhaltes in Fällen, in denen durch die Versagung der Bewilligung in das durch Art8 EMRK gewährleistete Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens eingegriffen wird, verhalten, die Notwendigkeit der Versagung der Bewilligung aus den in Art8 Abs2 EMRK umschriebenen öffentlichen Interessen zu prüfen und dabei auch auf die familiären und sonstigen privaten Interessen des Bewilligungswerbers Bedacht zu nehmen.

Die belangte Behörde hat im Beschwerdefall, dem Anträge auf Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung von bereits seit sieben Jahren in Österreich aufhältigen Fremden zugrundelagen (die Erstbeschwerdeführerin geht seit Jänner 1993 einer geregelten Beschäftigung nach, ihre vier Kinder befinden sich in Schulausbildung), das Vorliegen des Versagungstatbestandes des §5 Abs1 AufG, ohne auf die private Interessenlage der Beschwerdeführer näher einzugehen, ausschließlich damit begründet, daß die Unterhaltsmittel nicht dazu ausreichten, um ohne Unterstützung der Sozialhilfeträger auskommen zu können. Sie hat damit die im Sinne des Art8 EMRK gebotene Interessenabwägung in Wahrheit nicht vorgenommen.

Die angefochtenen Bescheide waren aus diesem Grund aufzuheben.

III.        Die Kostenentscheidung

gründet sich auf §88 VerfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von 3.750 S enthalten.

IV.                                 Diese Entscheidung konnte

gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung getroffen werden.

Schlagworte

Aufenthaltsrecht, Privat- und Familienleben

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1997:B350.1997

Dokumentnummer

JFT_10029375_97B00350_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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