TE Bvwg Erkenntnis 2018/10/30 W254 2159484-2

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Veröffentlicht am 30.10.2018
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Entscheidungsdatum

30.10.2018

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
BFA-VG §18 Abs5
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W254 2159484-2/2Z

TEILERKENNTNIS:

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Dr.in Tatjana Cardona als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX, geb. am XXXX, StA. Somalia, vertreten durch Rechtsanwalt Daigneault, gegen Spruchpunkt VI. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 22.09.2018, Zl. 1067918110-150489215, zu Recht:

A)

Gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG wird der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuerkannt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer, ein somalischer Staatsangehöriger, stellte am 11.05.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich. Von 12.05.2015 bis 21.05.2015 befand er sich in stationärer Behandlung in einer Krankenanstalt. Am 29.05.2015 wurde er von einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes niederschriftlich erstbefragt. Dabei gab er insbesondere an, aus XXXX zu stammen und seine Heimat verlassen zu haben, da die Terroristengruppe Al Shabaab seine Eltern und einen seiner Brüder getötet hätte. Den Beschwerdeführer hätten sie rekrutieren wollen, weshalb dieser seine Heimat verlassen habe. Am 3.5.2017 wurde der BF vom BFA niederschriftlich einvernommen. Zusammengefasst gab er an, dass er von der AL Shabaab rekrutiert worden war, in Folge seiner Tuberkulose Erkrankung jedoch nach Hause geschickt wurde. Daraufhin sei er aus seiner Heimat geflohen.

Mit Bescheid vom 09.05.2017 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag des Beschwerdeführers vom 11.05.2015 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 Z 13 AsylG 2005 ab (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Absatz 1 iVm § 2 Absatz 1 Ziffer 13 AsylG wurde der Antrag auf internationalen Schutz des Beschwerdeführers hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Somalia ebenfalls abgewiesen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde diesem gemäß § 57 AsylG nicht erteilt. Gemäß § 10 Absatz 1 Ziffer 3 AsylG iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012 (BFA-VG) idgF, wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Absatz 2 Ziffer 2 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr 100/2005 (FPG) idgF, erlassen. Außerdem wurde gemäß § 52 Abs 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Somalia gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt III.). Gemäß § 55 Absatz 1 bis 3 FPG wurde ausgesprochen, dass die Frist für die freiwillige Ausreise des Beschwerdeführers 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt IV.).

Der BF erhob dagegen fristgerecht Beschwerde. In Erledigung der Beschwerde wurde der bekämpfte Bescheid mit Beschluss vom Bundesverwaltungsgericht vom 22.01.2018, W103 2159484-1/3E behoben und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs.3 VwGVG zur Erlassung eines neuen Bescheides an das BFA zurückverwiesen.

Am 29.08.2018 erfolgte eine neuerliche Einvernahme des BF durch das BFA. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wies den Antrag des Beschwerdeführers am 22.09.2018 mit dem im Spruch genannten Bescheid bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten in Spruchpunkt I. gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 sowie bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Somalia in Spruchpunkt II. gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 leg.cit. ab. Weiters erteilte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 leg.cit. (Spruchpunkt III.), erließ gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 leg.cit. iVm § 9 BFA-VG ihm gegenüber eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG (Spruchpunkt IV.) und stellte gemäß § 52 Abs. 9 leg.cit. fest, dass seine Abschiebung nach Somalia gemäß § 46 leg.cit. zulässig sei (Spruchpunkt V.). Zudem führte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl aus, dass einer Beschwerde gegen diese Entscheidung gemäß § 18 Abs. 1 Z 5 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt werde (Spruchpunkt VI.).

In seiner Begründung zu Spruchpunkt VI. des angefochtenen Bescheides führte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl formelhaft aus, dass für den Beschwerdeführer bei der Rückkehr in seinen Herkunftsstaat keine reale Gefahr einer Menschenrechtsverletzung gegeben sei. Die sofortige Umsetzung der aufenthaltsbeenden Maßnahme sei im Interesse eines geordneten Fremdenwesens geboten. Es sei ihm zumutbar, den Ausgang des Asylverfahrens im Herkunftsstaat abzuwarten.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die fristgerecht beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl eingelangte Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht, in der der Beschwerdeführer u.a. ausführt, dass er im Falle einer Rückkehr aufgrund der Zwangsrekrutierung durch die Al Shabaab und der noch nicht bewältigenden Hungerlage in seinen Herkunftsstaat einer Art. 2 und Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt wäre. Eine IFA nach Mogadischu stünde ihm nicht offen. Der von der Behörde herangezogene Grund des § 18 Abs. 1 Z 5 BFA-VG bestünde zudem nicht.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Zu A) Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung:

II.1. Gemäß § 18 Abs. 1 BFA-VG kann das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl einer Beschwerde gegen eine abweisende Entscheidung über einen Antrag auf internationalen Schutz die aufschiebende Wirkung aberkennen, wenn

1. der Asylwerber aus einem sicheren Herkunftsstaat (§ 19) stammt,

2. schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass der Asylwerber eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung darstellt,

3. der Asylwerber das Bundesamt über seine wahre Identität, seine Staatsangehörigkeit oder die Echtheit seiner Dokumente trotz Belehrung über die Folgen zu täuschen versucht hat,

4. der Asylwerber Verfolgungsgründe nicht vorgebracht hat,

5. das Vorbringen des Asylwerbers zu seiner Bedrohungssituation offensichtlich nicht den Tatsachen entspricht,

6. gegen den Asylwerber vor Stellung des Antrags auf internationalen Schutz eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung, eine durchsetzbare Ausweisung oder ein durchsetzbares Aufenthaltsverbot erlassen worden ist, oder

7. der Asylwerber sich weigert, trotz Verpflichtung seine Fingerabdrücke abnehmen zu lassen.

Hat das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl einer Beschwerde die aufschiebende Wirkung aberkannt, gilt dies als Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde gegen eine mit der abweisenden Entscheidung über einen Antrag auf internationalen Schutz verbundenen Rückkehrentscheidung (§ 18 Abs. 1 BFA-VG).

Nach § 18 Abs. 5 BFA-VG hat das Bundesverwaltungsgericht der Beschwerde, der die aufschiebende Wirkung vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl aberkannt wurde, binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde von Amts wegen die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK, Art. 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. In der Beschwerde gegen den in der Hauptsache ergangenen Bescheid sind die Gründe, auf die sich die Behauptung des Vorliegens einer realen Gefahr oder einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit gemäß § 18 Abs. 5 erster Satz leg.cit. stützt, genau zu bezeichnen.

Ein Ablauf der Frist nach § 18 Abs. 5 BFA-VG steht der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nicht entgegen (§ 18 Abs. 6 leg.cit.).

II.2. Der Gesetzgeber novellierte § 18 BFA-VG zuletzt mit BGBl. I Nr. 145/2017 entsprechend der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, die zum Regelungsregime der aufschiebenden Wirkung in Asylrechtssachen gemäß dieser Bestimmung (in der vorangehenden Fassung) ergangen war:

In seinem Erkenntnis vom 20.09.2017, Ra 2017/19/0284 mwN, hielt der Verwaltungsgerichtshof hierzu fest, dass das Bundesverwaltungsgericht gemäß § 18 Abs. 5 erster Satz BFA-VG idF BGBl. I Nr. 70/2015 der Beschwerde die aufschiebende Wirkung unter den dort genannten Voraussetzungen zuzuerkennen habe. Ein gesonderter Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung sei in § 18 Abs. 5 leg.cit. nicht vorgesehen. Im Rahmen des § 18 leg.cit. könne sich ein Beschwerdeführer in seiner Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht gegen den Ausspruch des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl über die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 18 Abs. 1 leg.cit. wenden. § 18 Abs. 5 leg.cit. sei - als lex specialis zu § 13 Abs. 5 VwGVG - nur so zu lesen, dass das Bundesverwaltungsgericht über eine Beschwerde gegen die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung nach § 18 Abs. 1 BFA-VG idF BGBl. I Nr. 70/2015 (bzw. gegen einen derartigen trennbaren Spruchteil eines Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl) gemäß § 18 Abs. 5 leg.cit. binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde zu entscheiden habe. Schließlich hielt der Verwaltungsgerichtshof auch fest, dass eine Entscheidung über den die aufschiebende Wirkung aberkennenden Spruchpunkt des angefochtenen Bescheides in Form eines (Teil-)Erkenntnisses zu erfolgen habe (vgl. auch VwGH 19.10.2017, Ra 2017/18/0278; 19.06.2017, Fr 2017/19/0023; 13.09.2016, Fr 2016/01/0014).

Die Entscheidung über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung ist nicht als Entscheidung in der Sache selbst zu werten, vielmehr handelt es sich bei dieser um eine der Sachentscheidung vorgelagerte (einstweilige) Verfügung, die nicht geeignet ist, den Ausgang des Verfahrens vorwegzunehmen. Es ist in diesem Zusammenhang daher lediglich darauf abzustellen, ob es - im Sinne einer Grobprüfung - von vornherein ausgeschlossen scheint, dass die Angaben des Beschwerdeführers als "vertretbare Behauptungen" zu qualifizieren sind, die in den Schutzbereich der hier relevanten Bestimmungen der EMRK reichen.

Im vorliegenden Fall kann eine meritorische Entscheidung über die dem Bundesverwaltungsgericht vorliegende Beschwerde innerhalb der relativ kurzen Frist des § 18 Abs. 5 BFA-VG nicht getroffen werden. Der Beschwerdeführer macht mit seinen Ausführungen, sowohl in seinen Einvernahmen vor dem Bundesamt, als auch in seiner Beschwerde, ein reales Risiko einer Verletzung der hier zu berücksichtigenden Konventionsbestimmungen geltend. Der Beschwerdeführer bringt vor, dass die Al Shabaab ihn zwangsrekrutiert habe. Eine Verfolgung durch die Al Shabaab kann gemäß § 3 AsylG einen Asylgrund (Verfolgung wegen unterstellter politischer Gesinnung) darstellen. Bei einer Grobprüfung dieses Vorbringens kann, ohne mündliche Verhandlung, nicht ausgeschlossen werden, dass es sich dabei um "vertretbare Behauptungen" im Sinne der oben angeführten Darlegungen handelt, sodass bereits aus diesem Grund die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen ist. Darüber hinaus macht der BF geltend, dass er einem Minderheiten Clan angehört und dass die Hungerlage in Somalia noch nicht bewältigt ist und seine Familienangehörigen sich nicht mehr in Mogadischu bzw. XXXX aufhalten.

In Zusammenschau mit der von ihm geltend gemachten Gefahren (Bedrohung durch die Al Shabaab, wirtschaftliche Lage Somalias, keine sozialen Anknüpfungspunkte) kann eine Verletzung des Beschwerdeführers in den nach Art. 2 und 3 EMRK gewährleisteten Rechten daher nicht von vornherein ausgeschlossen werden. Die dem erkennenden Gericht zum derzeitigen Entscheidungszeitpunkt zur Verfügung stehende Aktenlage bietet noch keine ausreichende Grundlage, eine Verletzung der dem Beschwerdeführer durch Art. 2 EMRK und 3 EMRK garantierten Rechte mit der in diesem Zusammenhang erforderlichen Sicherheit auszuschließen.

Ob eine entsprechende reale Gefahr vorliegt, wird erst durch eine Überprüfung der Glaubhaftigkeit der Aussagen des Beschwerdeführers unter Berücksichtigung des im Entscheidungszeitpunkt aktuellen Berichtsmaterials zur Lage in Somalia nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu beurteilen sein.

Somit ist der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Das Bundesverwaltungsgericht betont ausdrücklich, dass in der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung keinerlei Vorentscheidung der Beschwerde in der Sache liegt.

Soweit sich die Beschwerde gegen die übrigen Spruchpunkte des angefochtenen Bescheides richtet, wird darüber nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung entschieden werden.

Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung zur Beurteilung der Frage der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG entfallen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

aufschiebende Wirkung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W254.2159484.2.00

Zuletzt aktualisiert am

09.01.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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