TE Bvwg Erkenntnis 2018/10/31 W192 1436011-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 31.10.2018
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Entscheidungsdatum

31.10.2018

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §52
FPG §55

Spruch

W192 1436011-2/6E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Ruso als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , StA. Georgien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 24.04.2017, Zahl 821549705-170201780, zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird gemäß den §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1, 10 Abs. 1 Z. 3, 57 AsylG 2005 i. d. g. F., § 9 BFA-VG i. d. g. F. und §§ 52, 55 FPG i. d. g. F. als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang

1.1. Der Beschwerdeführer, ein georgischer Staatsangehöriger, stellte nach illegaler Einreise am 25.10.2012 einen ersten Antrag auf internationalen Schutz in Österreich, zu welchem er am Tag der Antragstellung vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes niederschriftlich erstbefragt sowie am 23.05.2013 vor einem Organwalter des Bundesasylamtes niederschriftlich einvernommen wurde. Kurz zusammengefasst brachte der Beschwerdeführer zu seiner Person sowie zu den Gründen seiner Antragstellung auf internationalen Schutz vor, er stamme aus Südossetien, spreche Georgisch sowie ein wenig Russisch, gehöre der georgisch/ossetischen Volksgruppe an und sei ledig. Er habe Georgien Mitte Oktober 2012 gemeinsam mit seinem Bruder und dessen Familie illegal verlassen und sei mit Unterstützung eines Schleppers auf dem Landweg nach Österreich gereist. Die Familie seines Bruders sei bei Bekannten in Georgien verblieben, sein Bruder (BVwG-Zl.: W192 1436012-2) habe ebenfalls einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich gestellt. Ihre Flucht sei durch die gefährliche Lage in ihrer durch russische Soldaten besetzten Heimatregion Ossetien bedingt gewesen. Eine Niederlassung in Zentralgeorgien wäre zu gefährlich gewesen, da die georgische Seite wissen respektive spionieren habe wollen, was dort passiere; gleiches sei auf Seite der Russen der Fall gewesen. Der Beschwerdeführer wüsste nicht, wo er in Zentralgeorgien bleiben sollte, da er dort keine Unterkunft und keinen Flüchtlingsstatus erhalten würde. Er habe bereits im Jahr 2009 um Hilfe gebeten. Seine Eltern würden nach wie vor im Heimatort leben; ihm selbst sei dies nicht möglich gewesen, da er im Jahr 2009 für zwei Monate gefangen gehalten und stark geschlagen worden wäre. Dem Beschwerdeführer wurde seitens des Bundesasylamtes in der Folge vorgehalten, dass es aus Sicht der Behörde keinen Grund für die Annahme gebe, dass diesem in Zentralgeorgien die Ausstellung von Dokumenten im Falle diesbezüglicher Bemühungen seinerseits verweigert werden würde oder dass es ihm unter Berücksichtigung seiner persönlichen Umstände sowie der allgemeinen Versorgungslage nicht möglich sein werde, sich in Zentralgeorgien selbständig eine neue Existenz aufzubauen.

1.2. Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 04.06.2013 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Georgien gemäß §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen (Spruchpunkte I. und II.), gleichzeitig wurde der Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs. 1 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Georgien ausgewiesen (Spruchpunkt III.). Begründend wurde im Wesentlichen festgehalten, dass der Beschwerdeführer seine Angaben zum Fluchtgrund in keiner Weise habe untermauern können und diesem zudem eine zumutbare innerstaatliche Fluchtalternative außerhalb der betroffenen Gebiete Südossetiens offen stünde.

1.3. Mit Eingabe vom 21.06.2013 brachte der Beschwerdeführer gegen diesen Bescheid eine Beschwerde ein. Zur Begründung der Beschwerde wurde im Wesentlichen nochmals ausgeführt, dass der Beschwerdeführer und sein Bruder in Ossetien seitens der russischen Soldaten zu Spionagetätigkeiten aufgefordert und mit dem Umbringen bedroht worden seien. Zudem sei ungeklärt, ob der Beschwerdeführer und sein Bruder die georgische Staatsbürgerschaft besitzen würden.

1.4. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 06.03.2014, Zl. W226 1436011-1/4E, wurde die Beschwerde in Spruchteil A) gemäß §§ 3 Abs. 1 und 8 Abs. 1 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen. Im Übrigen wurde das Verfahren gemäß § 75 Abs. 20 1. Satz, 2. Fall und

2. Satz AsylG 2005 insoweit zur Prüfung der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen. Die Revision wurde in Spruchteil B) gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig erklärt. Eine inhaltlich gleichlautende Entscheidung erging zu Zl. W226 1436012-1/6E im Verfahren des gemeinsam mit ihm eingereisten - damals als Bruder bezeichneten - Angehörigen des Beschwerdeführers.

Das Bundesverwaltungsgericht führte begründend im Wesentlichen aus, die seitens des Beschwerdeführers und seines Bruders in Bezug auf ihre Heimatregion geschilderte Verfolgungssituation erweise sich aufgrund gesteigerter Angaben sowie aufgrund des fehlenden zeitlichen Konnexes zwischen der bezogen auf den Zeitraum 2008/2009 geschilderten Bedrohungen und Aufforderungen zu Spionagetätigkeiten durch russische Soldaten sowie der tatsächlichen Ausreise im Jahr 2012 als nicht glaubhaft. Auch dem Vorbringen, demzufolge der Beschwerdeführer und sein Bruder sich erfolglos bemüht hätten, nach Zentralgeorgien zu flüchten, könne nicht gefolgt werden, zumal aus den Länderinformationen zweifelsfrei hervorginge, dass gerade nach dem Krieg zwischen Russland und Georgien im Jahr 2008 sowie der Besetzung und formalen Anerkennung von Südossetien durch Russland, Binnenflüchtlinge aus Südossetien durch die Zentralregierung in Georgien aufgenommen worden wären und sich die diesbezüglichen Ausführungen des Beschwerdeführers und seines Bruders auch davon unabhängig als nicht nachvollziehbar darstellen würden. Eine Rückkehr nach Zentralgeorgien erweise sich für den Beschwerdeführer und seinen Bruder demnach als möglich.

1.5. Der Beschwerdeführer verfügte ab dem 12.02.2014 über keine aufrechte Wohnsitzmeldung im Bundesgebiet. Das angeführte Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts wurde am 07.03.2014 infolge unbekannten Aufenthalts des Beschwerdeführers durch Hinterlegung im Akt zugestellt. Das an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl gemäß § 75 Abs. 20 AsylG zurückverwiesene Verfahren zur Prüfung einer Rückkehrentscheidung wurde mit Aktenvermerk vom 27.05.2014 gemäß § 24 Abs. 2 AsylG eingestellt.

1.6. Von 01.02.2016 bis 27.06.2016 sowie neuerlich ab dem 13.01.2017 war der Beschwerdeführer im Bundesgebiet obdachlos gemeldet.

2.1. Am 15.02.2017 stellte der Beschwerdeführer den verfahrensgegenständlichen Folgeantrag auf internationalen Schutz. Bei der Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes am Tag der Antragstellung gab der Beschwerdeführer zu den Gründen seiner neuerlichen Antragstellung an, er befinde sich mittlerweile seit vier Jahren in Österreich und habe bislang keine Unterstützung erhalten. Am Vortag habe er von einer Rechtsberatungsorganisation erfahren, dass sein Asylverfahren vor etwa eineinhalb Jahren eingestellt worden wäre. Außerdem habe er im vorangegangenen Verfahren einen unrichtigen Familiennamen angeführt, welchen er nunmehr richtigstelle und durch die Vorlage von Kopien seines Führerscheins belege. Im damaligen Verfahren habe er nicht die volle Wahrheit gesagt; die Wahrheit sei, dass er unschuldig in eine Mordsache verwickelt wäre und aus diesem Grund von der Polizei in Georgien gesucht werde. Die Polizei habe ihn damals täglich aufgesucht und unter Druck gesetzt; auch sei sein Vater, welcher die Polizei rund einen Monat zuvor in diesem Zusammenhang aufgesucht hätte, von der Polizei hinausgeschmissen worden. Seinem Vater sei gesagt worden, dass sie den Beschwerdeführer erwischen und einsperren würden, obwohl er unschuldig sei. Außerdem wohne der Beschwerdeführer in einer Konfliktzone zwischen Georgien und Russland. Im Falle einer Rückkehr befürchte der Beschwerdeführer, dass man ihn umbringen werde und die Familie des Getöteten Blutrache üben werden. Der Mord hätte sich im März 2012 im näher genannten Heimatort des Beschwerdeführers ereignet.

Am 27.03.2017 wurde der Beschwerdeführer nach Zulassung seines Verfahrens niederschriftlich vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl einvernommen. Eingangs legte der Beschwerdeführer zum Nachweis seiner nunmehr richtig gestellten Personalien seinen georgischen Führerschein im Original vor und bestätigte, sich psychisch und physisch zur Durchführung der Einvernahme in der Lage zu fühlen. Der Beschwerdeführer sei ledig, habe keine Kinder und sei gesund; er stünde aufgrund von Hämorrhoiden in ärztlicher Behandlung und nehme Scherzmittel ein, eine lebensgefährliche Erkrankung liege nicht vor. Er stamme aus einem näher angeführten Ort im Bezirk Kaspi und habe dort im Eigentumshaus seines Vaters gelebt. Der Vater und ein Onkel des Beschwerdeführers hielten sich aktuell in Tiflis, ein weiterer Onkel in einer anderen näher bezeichneten Stadt Zentralgeorgiens, auf. Der Beschwerdeführer habe keine wirtschaftlichen Gründe für das Verlassen seiner Heimat gehabt. Der Beschwerdeführer habe sich im Heimatland nie politisch betätigt und keinen Militärdienst abgeleistet. Er gehöre der georgischen Volksgruppe sowie dem orthodoxen Glauben an und habe elf Jahre die Schule besucht. Nach Absolvierung einer diesbezüglichen Ausbildung habe er als Automechaniker gearbeitet, seine wirtschaftliche Situation vor Ausreise würde er als durchschnittlich bezeichnen. Er habe im Herkunftsland oder in Österreich keine strafrechtlichen Delikte begangen und es bestünde kein Haftbefehl gegen seine Person in Georgien. Die Polizei habe ihn in Georgien schlecht behandelt, beleidigt und ihm die Ausfolgung der Niederschrift seiner Einvernahme verweigert.

Zu den Gründen seiner Folgeantragstellung führte der Beschwerdeführer aus, sein Leben sei am 26.03.2012 durcheinandergeraten, als der Mord geschehen wäre. Die Polizei hätte ihn beschuldigt und fast täglich geschlagen, zudem hätten die Familienmitglieder des Getöteten ihn beleidigt. Die Situation sei unerträglich für ihn gewesen. Der Mord an dem namentlich genannten Opfer sei am Morgen des genannten Datums im Heimatort des Beschwerdeführers in dessen Auto durch einen namentlich bezeichneten Täter verübt worden. Eine weitere Person sei verletzt worden. Der Beschwerdeführer sei mit dem Opfer und der weiteren Person im Auto unterwegs gewesen, als sie den Täter getroffen hätten, welcher das Opfer aufgefordert hätte, auszusteigen, was der Beschwerdeführer zu verhindern versucht hätte. Der Täter habe eine Waffe gezogen und gegen den Beschwerdeführer gerichtet. Der Beschwerdeführer habe daraufhin die Tür aufgemacht und dem Täter beim Aussteigen Widerstand geleistet, welcher daraufhin zweimal geschossen hätte, wobei ein Schuss das Opfer und der zweite die weitere Person getroffen hätte. Der Beschwerdeführer habe Angst bekommen und sei davongelaufen; als er nach zwei bis drei Minuten zurückgekommen wäre, sei das Opfer bereits tot gewesen. Der Beschwerdeführer habe dann die Polizei gerufen, welche gemeinsam mit der Rettung eingetroffen wäre. Sie hätten alle zur Polizei müssen; der Beschwerdeführer sei dort einvernommen und verdächtigt worden, den Mord begangen zu haben. Der Täter sei verhaftet und, nachdem gegen ihn zunächst eine zehnjährige Freiheitsstrafe verhängt worden wäre, nach zwei Jahren freigelassen worden. Bei der Gerichtsverhandlung im Mai 2012 sei der Beschwerdeführer nicht dabei gewesen, da er keine Ladung erhalten hätte; über den Vorfall sei medial berichtet worden. Diese Umstände habe er anlässlich seiner ersten Asylantragstellung nicht angeführt, da er Angst gehabt hätte, dass man ihn im Falle der Bekanntgabe seiner tatsächlichen Identität abschieben würde. Der Beschwerdeführer habe keine Beweismittel für sein nunmehriges Vorbringen; er habe versucht, Kontakt zur georgischen Polizei aufzunehmen, doch sei ihm gesagt worden, dass der Mord 2012 gewesen wäre und er jetzt keine Niederschrift bekommen könne. Auch diesbezügliche Bemühungen seines Vaters seinen ergebnislos geblieben. Des Weiteren wohne der Beschwerdeführer in einem Dorf in der Konfliktzone der Grenze Georgien-Ossetien, wo man nicht in Ruhe wohnen könne. Ausschlaggebender Grund seiner Flucht sei jedoch der Mord gewesen; im Fall einer Rückkehr habe er Angst vor den Angehörigen des Getöteten. Er befürchte, entweder selbst getötet oder in die Situation gebracht zu werden, jemanden zu töten. Die zuvor erwähnte weitere Person lebe unverändert in Ossetien und könne aufgrund der erlittenen Verletzung am Knie nicht gut laufen. Der Beschwerdeführer habe nicht die Möglichkeit gehabt, sich in einem anderen Teil Georgiens niederzulassen und könne nicht sagen, was passieren müsste, damit er wieder in sein Heimatland zurückkehren könnte.

In Österreich sei der Beschwerdeführer aktuell obdachlos und erhalte keine Unterstützung. Ein (mit dem gleichen Namen wie im vorangegangenen Verfahren sein angeblicher Bruder bezeichneter) Cousin halte sich als Asylwerber in Österreich auf. Der Beschwerdeführer besuche keine Kurse und sei in keinem Verein und keiner Organisation Mitglied. Er würde in Österreich "schwarz" arbeiten, im Winter würde er Schnee räumen, bei Mäharbeiten und Ladetätigkeiten helfen. Er habe viele österreichische Bekannte.

2.2. Mit dem angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wurde der zweite Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Georgien (Spruchpunkt II.) abgewiesen, ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gem. § 57 AsylG nicht erteilt, gem. § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gem. § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen sowie gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung nach Georgien gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt III.) und gem. § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für seine freiwillige Ausreise zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt (Spruchpunkt IV.).

Die Behörde stellte die Staatsangehörigkeit, Religion und Volksgruppenzugehörigkeit sowie - aufgrund des in Vorlage gebrachten Führerscheins - die Identität des Beschwerdeführers fest. Die von ihm angegebenen Gründe für das Verlassen seines Heimatlandes seien nicht glaubhaft, es könne demnach nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer einer Gefährdung oder Verfolgung in Georgien ausgesetzt gewesen wäre bzw. künftig sein würde. Der nunmehr vorgebrachte Fluchtgrund erweise sich als unglaubwürdig, da kein Grund dafür ersichtlich wäre, weshalb der Beschwerdeführer diesen Sachverhalt im Fall einer tatsächlichen Bedrohungssituation im Rahmen seines ersten Verfahrens unerwähnt lassen und zudem eine falsche Identität führen hätte sollen. Der Beschwerdeführer sei seiner Mitwirkungspflicht in all den Jahren nicht nachgekommen und habe auch im nunmehrigen Verfahren seinen Reisepass entgegen seiner diesbezüglichen Ankündigung nicht vorgelegt. Nicht nachvollziehbar sei, dass der Beschwerdeführer einerseits in der Erstbefragung angeführt hätte, dass die georgische Polizei dem Vater des Beschwerdeführers mitgeteilt hätte, dass sie den Beschwerdeführer erwischen und einsperren würde, in seiner behördlichen Einvernahme jedoch andererseits erwähnt hätte, zuletzt von sich aus mit der georgischen Polizei via Skype Kontakt aufgenommen zu haben; eine Person, welche angebe, polizeilich gesucht zu werden, würde sich nicht so verhalten. Der Beschwerdeführer habe überdies angegeben, dass der tatsächliche Mörder zu einer zehnjährigen Haftstrafe verurteilt worden und nach zwei Jahren aus der Haft entlassen worden wäre. Der Beschwerdeführer selbst habe seinen Ausführungen zufolge keine Ladung zur Gerichtsverhandlung erhalten, was sich angesichts des Umstandes, dass er Augenzeuge gewesen wäre, als nicht plausibel darstelle. Ebensowenig erscheine es glaubwürdig, dass eine wegen Mordes verurteilte Person bereits nach zwei Jahren aus der Haft entlassen werden würde. Die seitens des Beschwerdeführers geäußerte Rückkehrbefürchtung im Sinne einer Furcht vor den Angehörigen des Getöteten erweise sich ebensowenig als glaubhaft, zumal der Beschwerdeführer ins Treffen geführt hätte, dass der tatsächliche Täter längst verurteilt worden wäre. Soweit der Beschwerdeführer sich darüber hinaus drauf berufen hätte, dass sein Heimatort in der Konfliktzone des Grenzgebietes Georgien-Ossetien liegen würde, sei auszuführen, dass es dem Beschwerdeführer - wie auch zuvor seinem Vater - möglich sein würde, in eine andere Region Georgiens zu übersiedeln. Insofern sich der Beschwerdeführer auf Beleidigungen durch die georgische Polizei berufen hätte, sei festzuhalten, dass solche nicht mit Verfolgung von Seiten der Regierung gleichgesetzt werden könnten.

Der Beschwerdeführer sei ledig und kinderlos, er leide an keinen schwerwiegenden Erkrankungen, verfüge über Schulbildung sowie Berufserfahrung als Automechaniker und habe verwandtschaftliche Anknüpfungspunkte ein Georgien. Der Beschwerdeführer würde nach einer Rückkehr in keine existentielle Notlage geraten. Dem Beschwerdeführer sei es nicht gelungen, darzulegen, dass seine individuelle Lebenssituation schlechter zu werten wäre, als jene des Durchschnitts seiner Mitbürger. Dem Beschwerdeführer werde eine Bestreitung seines Lebensunterhalts wie bereits vor seiner Ausreise möglich sein. Aufgrund der vorliegenden Berichte sei von einer gewährleisteten Grundversorgung in Georgien auszugehen, ebensowenig ließe sich aus der allgemeinen politischen und wirtschaftlichen Situation die Annahme ableiten, dass der Beschwerdeführer im Fall einer Rückkehr nach Georgien - einem sicheren Herkunftsstaat - der realen Gefahr einer Verletzung von Art. 2, 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention unterliegen würde.

Die Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung nach § 57 AsylG seien nicht gegeben. Der Beschwerdeführer verfüge über keine familiären Anknüpfungspunkte in Österreich, sei hier nicht berufstätig, lebe von der Grundversorgung und habe keinen Deutschkurs besucht.

Der Bescheid wurde dem Beschwerdeführer am 08.05.2017 anlässlich einer Vorsprache bei einer Polizeiinspektion im Rahmen seiner Meldeverpflichtung gemäß § 13 Abs. 2 BFA-VG ausgehändigt.

2.3. Gegen diesen Bescheid brachte der Beschwerdeführer durch seine nunmehrige Rechtsvertretung mit Schriftsatz vom 19.05.2017 fristgerecht Beschwerde ein. Begründend wurde zunächst im Hinblick auf die Rechtzeitigkeit der Beschwerde ausgeführt, dass der Bescheid einem näher bezeichneten Stadtpolizeikommando am 26.04.2017 elektronisch zugestellt und dem Beschwerdeführer im Rahmen seiner Meldeverpflichtung gemäß § 13 Abs. 2 BFA-VG am 08.05.2017 tatsächlich ausgehändigt worden sei. Nach Auskunft des BFA ginge die Behörde davon aus, dass der Bescheid dem Beschwerdeführer am 26.04.2017 durch persönliche Übernahme zugestellt worden sei. Bei der Polizeiinspektion handle es sich jedoch nicht im eine Zustelladresse iSd § 2 Z 3 ZustG, eine elektronische Zustelladresse habe der Beschwerdeführer in seinem Verfahren ebensowenig wie einen Ort für die Zustellung im Sinne von § 2 Z 4 ZustG angegeben, weshalb als Zustelladresse die Abgabestelle gelte. Somit hätte die Zustellung an die Adresse der Obdachlosenmeldung erfolgen müssen, bei welcher es sich um eine Abgabestelle iSd Zustellgesetzes handle. Die Zustellung sei daher mangelhaft gewesen und gelte iSd § 7 ZustG in dem Zeitpunkt dennoch bewirkt, in dem das Dokument dem Empfänger tatsächlich zugekommen wäre, weshalb die Beschwerdefrist am 08.05.2017 zu laufen beginne. Zur Beschwerdebegründung wurde sodann ausgeführt, der Beschwerdeführer werde in Georgien zu Unrecht des Mordes beschuldigt und von der Polizei gesucht. Weiters fürchte er, dass Angehörige des Getöteten Rache an ihm ausüben wollen; die Polizei weigere sich, ihm Akteneinsicht zu gewähren. Außerdem stamme er aus einem Dorf an der Grenze Ossetien-Georgien. Aus den Länderberichten ergebe sich, dass sich Abchasien und Südossetien nicht unter der Kontrolle der Regierung in Tiflis befänden, sondern dass dort russische Soldaten stationiert wären. Die Bewegung der örtlichen Bevölkerung werde beschränkt, genauso wie deren Rechte, am politischen Prozess teilzuhaben. Der Beschwerdeführer könne sich demnach keinen Schutz vor der Familie des Getöteten erwarten. Außerdem ergebe sich, dass das georgische Strafrecht eine Verurteilungsrate von 99% aufweise, mitunter wegen konstruierten Straftaten, sowie hohe Haftstrafen vorsehe. Dem Beschwerdeführer würde in Georgien daher wahrscheinlich ein unfaires Verfahren bevorstehen, in welchem er zu Unrecht verurteilt würde. Im Fall einer Rückkehr würde ihm daher die Gefahr der Verletzung von Art. 2 und 3 EMRK sowohl von Seiten der Sicherheitsbehörden als auch von Seiten der Verwandten des Getöteten drohen. Die Behörde habe die Anforderungen an ein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren verletzt und das Verfahren dadurch mit Mangelhaftigkeit belastet. Bei richtiger rechtlicher Beurteilung hätte die Behörde zum Ergebnis gelangen müssen, dass dem Beschwerdeführer internationaler Schutz zu gewähren sei.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der volljährige Beschwerdeführer führt die im Spruch (erst)angeführten Personalien, ist Staatsangehöriger von Georgien, Angehöriger der georgischen Volksgruppe sowie der orthodoxen Glaubensrichtung. Er stammt aus einer im Bezirk Kaspi liegenden Ortschaft nahe der Grenze zum Konfliktgebiet Südossetien, hat im Herkunftsstaat elf Jahre lang die Schule besucht und im Anschluss, nach Absolvierung einer entsprechenden Berufsausbildung, als Automechaniker gearbeitet. Der Beschwerdeführer hat seinen Herkunftsstaat im Oktober 2012 gemeinsam mit dem nunmehrigen Beschwerdeführer zu W192 1436012-2 (welcher anlässlich seines ersten Verfahrens als der Bruder des Beschwerdeführers, im nunmehrigen Verfahren jedoch als dessen Cousin bezeichnet wurde) verlassen und ist auf dem Landweg schlepperunterstützt nach Österreich gereist.

Der Beschwerdeführer hat nach illegaler Einreise am 25.10.2012 einen ersten Antrag auf internationalen Schutz im Bundesgebiet gestellt, welcher mit Bescheid des damaligen Bundesasylamtes sowohl in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch hinsichtlich der Gewährung subsidiären Schutzes unter gleichzeitiger Verfügung seiner Ausweisung nach Georgien abgewiesen worden war. Eine dagegen eingebrachte Beschwerde wurde mit rechtskräftigem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 06.03.2014, Zl. W226 1436011-1/4E, gemäß §§ 3, 8 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen, unter einem wurde das Verfahren zur Prüfung einer Rückkehrentscheidung gemäß der anzuwendenden Übergangsbestimmung des § 75 Abs. 20 AsylG an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.

Der Beschwerdeführer hat ab 12.02.2014 über keine aufrechte Wohnsitzmeldung im Bundesgebiet verfügt und sich dem Verfahren zur Prüfung einer Rückkehrentscheidung entzogen, weshalb dieses durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 27.02.2014 eingestellt worden war. Im Anschluss war der Beschwerdeführer von 01.02.2016 bis 27.06.2016 sowie neuerlich ab 13.01.2017 im Bundesgebiet als obdachlos gemeldet.

Am 15.02.2017 stellte er den gegenständlichen Folgeantrag auf internationalen Schutz.

Der Beschwerdeführer hat den Herkunftsstaat verlassen, um in Europa bessere Lebensbedingungen vorzufinden. Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer unschuldig des Mordes bezichtigt und aus diesem Grund von der georgischen Polizei gesucht respektive von Angehörigen des Ermordeten bedroht wird. Es kann auch sonst nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr nach Georgien aus Gründen der Rasse, der Religion, der Nationalität, der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Ansichten von staatlicher Seite oder von Seiten Dritter bedroht wäre.

Es besteht für den Beschwerdeführer als alleinstehenden gesunden leistungsfähigen Mann im berufsfähigen Alter ohne festgestellten besonderen Schutzbedarf im Falle einer Rückkehr nach Georgien keine reale Bedrohungssituation für das Leben oder die körperliche Unversehrtheit; ihm steht die Möglichkeit offen, sich in einem unter Kontrolle der georgischen Regierung stehenden Landesteil, etwa der Hauptstadt Tiflis, niederzulassen. Der Beschwerdeführer leidet an keinen schwerwiegenden Erkrankungen; er wurde in Österreich aufgrund von Hämorrhoiden behandelt, darüber hinaus ist er gesund. Dieser liefe auch nicht Gefahr, grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft nicht befriedigen zu können und in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten. In Zentralgeorgien halten sich aktuell der Vater und zwei Onkeln des Beschwerdeführers auf.

Mit Urteil eines österreichischen Bezirksgerichts vom 04.12.2013 wurde der Beschwerdeführer wegen § 127 StGB rechtskräftig zu einer, ihm unter Setzung einer dreijährigen Probezeit bedingt nachgesehenen, einmonatigen Freiheitsstrafe verurteilt.

Der Beschwerdeführer ist seinen Angaben zufolge seit seiner ersten Antragstellung im Oktober 2012 durchgehend im Bundesgebiet aufhältig, bezieht aktuell keine Leistungen aus der Grundversorgung, geht keiner legalen Erwerbstätigkeit nach und ist obdachlos gemeldet. Der Beschwerdeführer hat sich keine nachgewiesenen Deutschkenntnisse angeeignet, er hat keine sonstigen Ausbildungen absolviert, gehört keinem Verein an und engagiert sich nicht ehrenamtlich. Der Beschwerdeführer hat im Bundesgebiet - mit Ausnahme seines gemeinsam mit ihm eingereisten Angehörigen und dessen Familie, welche sich derzeit im offenen Asylverfahren befinden und zu denen kein persönliches oder finanzielles Abhängigkeitsverhältnis vorliegt - keine Familienangehörigen oder sonstigen engen sozialen Bindungen.

1.2. Zur Lage im Herkunftsstaat:

...

KI vom 13.4.2017, Präsidentschaftswahlen in Südossetien (relevant für Abschnitt 2/ Politische Lage)

Bei den Präsidentschaftswahlen in Südossetien am 9.4.2017 gewann der bisherige Parlamentsvorsitzende, Anatoly Bibilov mit 54,8% Prozent (PEC 12.4.2017). Der bisherige Amtsinhaber, Leonid Tibilov, der seitens Moskau unterstützt wurde, erhielt 30% (RFE/RL 11.4.2017; vgl. EN 12.4.2017). Analysten sahen nebst der schlechten Wirtschaftslage die Parteinahme des Kremels und die wachsende Präsenz russischer Offizieller im südossetischen Staatsapparat als Hauptursache für die Niederlage Tibilovs (EN 12.4.2017). Gleichwohl verfolgt der Sieger Bibilov im Unterschied zu Tibilov, der seine Politik der Interessenslage Russlands anpasste, eine möglichst schnelle Aufnahme in den russischen Staatsverband und folglich die Vereinigung mit Nordossetien. Hierfür schlug er bereits ein Referendum bis Ende 2017 vor (RFE/RL 11.4.2017. Die Europäische Union und USA verurteilten die Wahlen als unzulässig (EN 12.4.2017).

Quellen:

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EN - EurasiaNet.org (12.4.2017): South Ossetia: Voters Opt Against the Kremlin Favorite, http://www.eurasianet.org/node/83221, Zugriff 13.4.2017

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RFE/RL - Radio Free Europe/ Radio Liberty (11.4.2017): South Ossetia's Bibilov Wins Election, Puts Moscow In A Bind, http://www.rferl.org/a/south-ossetia-bibilov-victory-presidential-election/28424108.html, Zugriff 13.4.2017

-

PEC - [südossetische Nachrichtenagentur]: Anatoly Bibilov won the presidential election with 54.8% of votes - the CEC, http://cominf.org/en/node/1166511548, Zugriff 13.7.2017

KI vom 30.3.2017, Visafreiheit (relevant für Abschnitt 19/ Bewegungsfreiheit)

Für Georgien ist am 28.3.2017 der visumfreie Reiseverkehr mit der Europäischen Union in Kraft getreten. Nach den neuen Regeln dürfen georgische Bürger die Länder des Schengen-Abkommens bis zu 90 Tage ohne ein Visum besuchen. Vorangegangen waren mehrjährige Verhandlungen (DW 28.3.2017). Die Einreise georgischer Staatsbürger in die Europäische Union ist auch nach der neuen Regelung an bestimmte Auflagen gebunden, wie an das Vorhandensein eines biometrischen Passes und den Nachweis ausreichender finanzieller Mittel für den Aufenthalt im Mitgliedstaat der EU, nachgewiesen etwa durch Kreditkarten oder Bargeld (GS o.D.).

Der georgische Innenminister, Giorgi Mghebrishvili, kündigte am 27.3.2017 an, dass die georgischen Grenzbeamten georgische Reisende in den Schengenraum detailliert befragen werden, um einen Missbrauch des Visaregimes und folglich dessen mögliche Suspendierung durch die EU zu verhindern. Bei Überschreitung des Aufenthaltes, der auf 90 Tage innerhalb von 180 Tagen beschränkt ist, würden laut Innenminister die EU-Mitgliedsstaaten proaktiv informiert werden. Überdies gab Mghebrishvili bekannt, dass Georgien am 4.4.2017 ein Partnerschaftsabkommen mit EUROPOL unterzeichnen werde (Civil.ge 28.3.2017).

Quellen:

* Civil.ge (28.3.2017): Government Speaks on Safeguards against Visa-Waiver Abuse, http://www.civil.ge/eng/article.php?id=29970, Zugriff 30.3.2017

* DW - Deutsche Welle (28.3.2017): Georgier dürfen ohne Visum in die EU reisen,

http://www.dw.com/de/georgier-d%C3%BCrfen-ohne-visum-in-die-eu-reisen/a-38164800, Zugriff 30.3.2017

* GS - Georgienseite (o.D.): Visafreiheit für georgische Staatsangehörige,

http://www.georgienseite.de/startseite/magazin-georgien-nachrichten-bilder-galerien/georgien-nachrichten-news-tbilissi-magazin/informationen-der-deutschen-botschaft/, Zugriff 30.3.2017

Politische Lage

In Georgien leben mit Stand 1.1.2016 laut georgischem Statistikamt 3,72 Mio. Menschen. 2014 waren es noch rund 4,49 Mio. Menschen auf

69.700 km² (GeoStat 2017).

Georgien ist eine demokratische Republik. Das politische System hat sich durch die Verfassungsreform 2013 von einer semi-präsidentiellen zu einer parlamentarischen Demokratie gewandelt, (AA 11.2016a). Staatspräsident ist seit 17.11.2013 Giorgi Margvelashvili (RFE/RL 17.11.2013). Regierungschef ist seit dem überraschenden Rücktritt von Irakli Garibaschwili Giorgi Kvirikashvili (seit 29.12.2015) (RFE/RL 29.12.2015). Beide gehören der Partei bzw. dem Parteienbündnis "Georgischer Traum" an.

Georgien besitzt ein Einkammerparlament mit 150 Sitzen, das durch eine Kombination aus Verhältnis- und Mehrheitswahlrecht für vier Jahre gewählt wird. Am 8.10. und 30.10.2016 fanden Parlamentswahlen in Georgien statt. Die bislang regierende Partei, "Georgischer Traum", sicherte sich die Verfassungsmehrheit, indem sie 115 der 150 Sitze im Parlament gewann. Die "Vereinigte Nationale Bewegung" (UNM) des Expräsidenten Mikheil Saakashvili errang 27 und die "Allianz der Patrioten Georgiens" (APG) sechs Sitze (RFE/RL 1.11.2016). Mit der APG, die im ersten Wahlgang am 8.10.2016 knapp die Fünf-Prozent-Hürde schaffte, ist erstmals eine pro-russische Partei im Parlament vertreten. In der notwendigen Stichwahl am 30.10.2016 in 50 Wahlkreisen, die nach dem Mehrheitswahlrecht bestimmt werden, gewann der "Georgische Traum" 48 Wahlkreise (Standard 31.10.2016). Die übrigen zwei Sitze gingen jeweils an einen unabhängigen Kandidaten und einen Vertreter der "Partei der Industriellen" (VK 31.10.2016).

Die Wahlbeobachtungsmission der OSZE bewertete gemeinsam mit anderen internationalen Beobachtern die Stichwahl als kompetitiv und in einer Weise administriert, die die Rechte der Kandidaten und Wähler respektierte. Allerdings wurde das Prinzip der Transparenz sowie das Recht auf angemessene Rechtsmittel bei der Untersuchung und Beurteilung von Disputen durch die Wahlkommissionen und Gerichte oft nicht respektiert (OSCE/ODIHR u.a. 30.10.2016). Transparency International - Georgia beurteilte den Wahlgang als ruhig. Obgleich 70 relativ ernsthafte prozedurale Verstöße festgestellt wurden, hatten diese keinen entscheidenden Einfluss auf den Wahlausgang (TI-G 31.10.2016).

Die Opposition warf dem Regierungslager Wahlmanipulationen vor. Unter anderem sollen Wähler unter Druck gesetzt und Stimmen gekauft worden (Standard 31.10.2016, vgl. CK 31.10.2016).

Bei der Präsidentschaftswahl im Oktober 2013 konnte sich der Kandidat von "Georgischer Traum", Georgi Margwelaschwili, mit klarer Mehrheit bereits im ersten Wahldurchgang gegen den Wunschkandidaten des amtierenden Präsidenten Michail Saakaschwili (Vereinte Nationale Bewegung), durchsetzen. Saakaschwili, zuletzt umstritten, durfte nach zwei Amtszeiten laut Verfassung nicht mehr zur Wahl antreten. Diese Wahl brachte den ersten demokratischen Machtwechsel an der georgischen Staatsspitze seit dem Zerfall der Sowjetunion (FAZ 27.10.2013).

Die Regierungspartei "Georgischer Traum" sicherte sich infolge eines überwältigenden Sieges bei den Gemeinderatswahlen im Sommer 2014 die Kontrolle über die lokalen Selbstverwaltungskörperschaften. Medien und Nichtregierungsorganisationen (NGOs) berichteten, dass es im Vorwahlkampf angeblich Druck auf oppositionelle Kandidaten gab, ihre Kandidatur zurückzuziehen. Überdies sei es zu Störungen von Versammlungen der Opposition und zu etlichen Vorfällen von Gewalt gegen Wahlaktivisten gekommen. Obschon diese den Behörden bekannt waren, blieb eine amtliche Verfolgung aus (HRW 29.1.2015).

Am 27.6.2014 unterzeichneten die EU und Georgien ein Assoziierungsabkommen. Das Abkommen soll Georgien in den Binnenmarkt integrieren, wobei die Prioritäten in der Zusammenarbeit in Bereichen wie Außen- und Sicherheitspolitik sowie Justiz und Sicherheit liegen. Russland sah sich hierdurch veranlasst, seinen Druck auf die Regierung in Tiflis zu erhöhen. Am 24. November 2014 unterzeichneten Russland und das abtrünnige georgische Gebiet Abchasien eine Vereinbarung über eine "strategische Partnerschaft", mit der Moskau seine militärische und wirtschaftliche Kontrolle in Abchasien erheblich ausweitete (EP 5.12.2014).

Die EU würdigte im Juni 2016 im Rahmen ihrer Globalen Strategie zur Europäischen Außen- und Sicherheitspolitik die Rolle Georgiens als friedliche und stabile Demokratie in der Region. Am 1.7.2016 trat das Assoziierungsabkommen zwischen der EU und Georgien in Kraft, wodurch laut der EU die politische Assoziierung und wirtschaftliche Integration zwischen Georgien und der Union merkbar gestärkt werden. Georgien hat seine Demokratie und Rechtsstaatlichkeit konsolidiert und die Respektierung der Menschenrechte, der Grundfreiheiten sowie der Anti-Diskriminierung gestärkt (EC 25.11.2016).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (11.2016a): Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Georgien/Innenpolitik_node.html, Zugriff 20.3.2017

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CK - Caucasian Knot (31.10.2016): In Georgia, "UNM" Party claims mass violations at elections,

http://www.eng.kavkaz-uzel.eu/articles/37376/, Zugriff 21.2.2017

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Der Standard (31.10.2016): Regierungspartei kann Georgien im Alleingang regieren,

http://derstandard.at/2000046738001/Wahlsieg-von-Regierungspartei-in-Georgien-in-zweiter-Runde-bestaetigt, Zugriff 21.2.2017

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EC - European Commission (25.11.2016): Association Implementation Report on Georgia [SWD (2016) 423 final], https://eeas.europa.eu/sites/eeas/files/1_en_jswd_georgia.pdf, Zugriff 21.2.2017

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EP - Europäisches Parlament (5.12.2014): Assoziierungsabkommen EU-Georgien,

http://www.europarl.europa.eu/EPRS/EPRS-AaG-542175-EU-Georgia-Association-Agreement-DE.pdf, Zugriff 21.2.2017

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FAZ - Frankfurter Allgemeine Zeitung (27.10.2013): Georgi Margwelaschwili gewinnt mit klarer Mehrheit, http://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/europa/praesidentschaftswahl-in-georgien-georgi-margwelaschwili-gewinnt-mit-klarer-mehrheit-12636443.html, Zugriff 21.2.2017

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HRW - Human Rights Watch (29.1.2015): World Report 2015 - Georgia, http://www.ecoi.net/local_link/295489/430521_de.html, Zugriff 21.2.2017

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RFE/RL - Radio Free Europe/Radio Liberty (1.11.2016): Georgia's Ruling Party Wins Constitutional Majority, http://www.rferl.org/a/georgia-elections-second-round-georgian-dream-super-majority/28085474.html, Zugriff 21.2.2017

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Sicherheitslage

Die Lage in Georgien ist - mit Ausnahme der Konfliktgebiete Abchasien und Südossetien - insgesamt ruhig. Beide genannte Gebiete befinden sich nicht unter der Kontrolle der Regierung in Tiflis. In den Gebieten und an ihren Verwaltungsgrenzen sind russische Truppen stationiert (AA 20.3.2017a).

Im Zuge der Auflösung der UdSSR erhöhten sich die Spannungen innerhalb Georgiens in den Gebieten Abchasien und Südossetien, als der autonome Status der Provinzen von georgischen Nationalisten in Frage gestellt wurde. Nach der georgischen Unabhängigkeit führten heftige Auseinandersetzungen mit der Zentralregierung 1992 zu Unabhängigkeitserklärungen Südossetiens und Abchasiens, die aber von der internationalen Gemeinschaft nicht anerkannt wurden. Der Einfluss des nördlichen Nachbarlandes wuchs kontinuierlich, unter anderem durch Ausgabe russischer Pässe an die abchasische und südossetische Bevölkerung. Nach zahlreichen blutigen Zwischenfällen und Provokationen aller Seiten eskalierte der Konflikt um Südossetien am 7. August 2008 nach einem Vorstoß georgischer Truppen in die südossetische Hauptstadt Tskhinvali zu einem georgisch-russischen Krieg, der nach fünf Tagen durch einen von der EU vermittelten Waffenstillstand beendet wurde. Am 26. August 2008 erkannte Russland Abchasien und Südossetien, einseitig und unter Verletzung des völkerrechtlichen Prinzips der territorialen Integrität Georgiens, als unabhängige Staaten an und schloss wenig später mit diesen Freundschaftsverträge ab, die auch die Stationierung russischer Truppen in den Gebieten vorsehen. Infolge des Krieges wurden nach Schätzungen internationaler Hilfsorganisationen bis zu 138.000 Personen vorübergehend zu Vertriebenen und Flüchtlingen. Etwa 30.000 Georgier aus Südossetien konnten bis heute nicht in ihre Heimat zurückkehren. Die zivile EU-Beobachtermission EUMM nahm Anfang Oktober 2008 in Georgien ihre Arbeit auf. Das OSZE-Mandat lief Ende 2008 aus, UNOMIG endete im Juni 2009. EUMM ist damit die einzige verbliebene internationale Präsenz zur Stabilisierung in Georgien (AA 11.2016b).

Ein wichtiges diplomatisches Instrument zur Deeskalation des Konflikts sind die sogenannten "Geneva International Discussions - GID" (Genfer Internationale Gespräche). Diese finden seit 2008 unter Beteiligung der involvierten Konfliktparteien unter dem gemeinsamen Vorsitz von Vertretern der Vereinten Nationen, der Europäischen Union und der OSZE statt. Aus den Genfer Gesprächen resultierte der "Incident Prevention and Response Mechanism (IPRM)" sowie die Involvierung der EUMM, sodass die lokalen Sicherheitsbehörden der Konfliktparteien vor Ort in Kontakt treten können bzw. ihnen die Möglichkeit zum Dialog eröffnet wird (OSCE 6.11.2014).

Abchasien und Südossetien bleiben außerhalb der Kontrolle der Zentralregierung und werden von mehreren tausend russischen Truppen und Grenzpolizisten unterstützt. Russische Grenzschutzbeamte beschränken die Bewegung der örtlichen Bevölkerung. Die Behörden beschränken die Rechte, vor allem von ethnischen Georgiern, am politischen Prozess teilzuhaben, in Eigentumsfragen oder bei der Registrierung von Unternehmen. Überdies ist die Reisefreiheit eingeschränkt. Die südossetischen Behörden verweigern den meisten ethnischen Georgien, die während und nach dem Krieg von 2008 vertrieben wurden, nach Südossetien zurückzukehren. Die Behörden erlauben den meisten internationalen Organisationen keinen regelmäßigen Zugang zu Südossetien, um humanitäre Hilfe zu leisten. Die Russische "Grenzziehung" der administrativen Grenzen der besetzten Gebiete setzte sich während des Jahres fort, trennte die Bewohner aus ihren Gemeinden und untergrub ihren Lebensunterhalt (USDOS 3.3.2017).

Die Vereinten Nationen zeigten sich Ende Jänner 2017 besorgt darüber, dass die angekündigten Schließungen von Grenzübertrittsstellen seitens der abchasischen Behörden negative Konsequenzen für die Bevölkerung beidseits der administrativen Grenze haben werden. Für die Menschen in Abchasien wird es schwieriger sein, auf grundlegende Dienstleistungen wie Gesundheitswesen und Bildung in Georgien zurückzugreifen und an Wirtschaftsaktivitäten und gesellschaftlichen Veranstaltungen jenseits der Grenze teilzunehmen. Auch wird der Zugang zu Schulbildung für Kinder mit georgischer Muttersprache, die aus Abchasien kommend die Grenze nach Georgien überqueren, behindert (UN 26.1.2017).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (20.3.2017a): Georgien, Reise- und Sicherheitshinweise,

http://www.auswaertiges-amt.de/sid_8108DEE44ECFAF67827A2F89BA2ACDB3/DE/Laenderinformationen/00-SiHi/Nodes/GeorgienSicherheit_node.html, Zugriff 20.3.2017

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AA - Auswärtiges Amt (11.2016b): Staatsaufbau/Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Georgien/Innenpolitik_node.html, Zugriff 20.3.2017

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OSCE - Organization for Security and Co-operation in Europe (6.11.2014): Geneva International Discussions remain unique and indispensable forum, Co-chairs tell OSCE Permanent Council, http://www.osce.org/cio/126442, Zugriff 21.2.2017

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UN - United Nations in Georgia (27.1.2017): Statement of Niels Scott, Resident Coordinator, on behalf of the United Nations Country Team regarding announced closure of crossing points along the Inguri River,

http://www.ungeorgia.ge/eng/news_center/media_releases?info_id=507, Zugriff 22.2.2017

-

USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016,

http://www.ecoi.net/local_link/337143/466903_en.html, 17.3.2017

1.1. Regionale Problemzone: Südossetien

Das Gebiet Südossetien gehört völkerrechtlich zu Georgien, steht seit 1993 aber nicht mehr unter dem Einfluss der georgischen Regierung. Die Lage in Südossetien ist weiterhin unsicher. Nach den Waffenstillstandsvereinbarungen seit dem Krieg 2008 ist die Verwaltungsgrenze zu Südossetien Sperrgebiet. Ein Zutritt wird von georgischen Sicherheitskräften verhindert. Es besteht in diesem Gebiet darüber hinaus eine erhöhte Gefahr durch Minen und nicht explodierte Munition. Südossetien ist für den internationalen Reiseverkehr gesperrt. Ein Grenzübertritt von Russland nach Südossetien und umgekehrt (Roki-Tunnel) ist nach georgischen Gesetzen illegal (AA 20.3.2017a).

2008 schuf Russland nach einem Fünf-Tage-Krieg gegen Georgien Fakten, indem es nebst Abchasien auch Südossetien als unabhängigen Staat anerkannte und dessen Existenz bis heute mit einer starken Militärpräsenz sichert. Der 2008 geschlossene Waffenstillstand ist fragil. Immer wieder kommt es an den Verwaltungsgrenzen zu Zwischenfällen. Auch verschob das weltweit überwiegend nicht anerkannte Regime Südossetiens mehrmals seine "Staatsgrenze" weiter in georgisches Gebiet hinein. Unklar ist auch das Schicksal von bis zu 130.000 Georgiern, die aus Südossetien fliehen mussten und denen eine Rückkehr in ihre beschlagnahmten bzw. zerstörten Häuser vom de-facto-Regime in Tskhinvali, der Hauptstadt Südossetiens, verweigert wird. Die meisten dieser Binnenflüchtlinge leben bis heute in Flüchtlingssiedlungen nahe ihrer alten Heimat. Die meisten Südossetier sind mittlerweile russische Staatsbürger und der de-facto-Präsident Südossetiens, Leonid Tibilov, fordert gar eine Aufnahme des Gebietes in den russischen Staatsverband (FNS 8.4.2016).

Südossetiens Außenbeziehungen waren im Laufe des Jahres 2015 ein wichtiges Thema der öffentlichen Diskussion. Im Parlament Südossetiens prallten Gegner und Befürworter einer engeren Bindung an Russland aufeinander. Im März 2015 unterzeichnete Südossetiens De-facto-Präsident, Leonid Tibilov, einen umfassenden bilateralen Vertrag über die Allianz bzw. die Integration Südossetiens in die Russische Föderation. Die russischen Hilfsleistungen machen fast zur Gänze den südossetischen Staatshaushalt aus. Fiskale Prozesse und entsprechende Entscheidungen sind größtenteils intransparent. Die Medien werden fast vollständig von der Regierung kontrolliert. Während vor 2008 es so gut wie keine Demonstrationen gegen die Regierung gab, hat sich die Situation deutlich verändert. Es fanden regelmäßig Proteste gegen den schleppenden Wiederaufbau und die Korruption st

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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