Entscheidungsdatum
31.10.2018Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3Spruch
I403 2202753-1/5E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin MMag. Birgit ERTL als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX, StA. Irak, vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 22.06.2018, Zl. 1096391401 - 151853080/BMI-BFA_NOE_RD, zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
Der Beschwerdeführer, ein irakischer Staatsbürger, stellte am 21.11.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Bei der am 24.11.2015 stattfindenden Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab er an, er sei im Mai 2015 im Irak von Unbekannten entführt, festgehalten und gefoltert worden. Sein Onkel habe 50 Millionen Dinar Lösegeld bezahlt, ehe man den Beschwerdeführer nach 13 Tagen freigelassen hätte. Im Anschluss habe der Beschwerdeführer sofort die Flucht ergriffen. Überdies sei bereits der Vater des Beschwerdeführers im Jahr 2005 entführt worden, der Beschwerdeführer habe seit diesem Zeitpunkt nichts mehr von ihm gehört.
Der Beschwerdeführer wurde am 14.12.2017 niederschriftlich durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) einvernommen. Zu seinen Fluchtgründen befragt führte er hierbei an, er habe im Irak auf einer Tankstelle gearbeitet. Im Jahr 2014 seien vermehrt Militärautos zur Tankstelle gekommen und hätten getankt, ohne zu bezahlen. So hätte der Beschwerdeführer stets für die Tankfüllungen aus eigener Tasche aufkommen müssen. Als der Beschwerdeführer eine maskierte Person des Militärs ansprach und sagte, das würde so nicht gehen, sagte dieser nur, der Beschwerdeführer werde schon sehen. Am 18.05.2015 gegen Mitternacht sei das Haus des Beschwerdeführers von maskierten Personen in Militärbekleidung gestürmt worden. Die Personen hätten den Beschwerdeführer in weiterer Folge zu einem Auto geführt, wo ein Mann den Beschwerdeführer angesehen und gesagt habe, "das ist derjenige". Im Anschluss hätten die Männer dem Beschwerdeführer sein T-Shirt über den Kopf gezogen, diesen in das Auto gesetzt und seien stundenlang gefahren. Sie hätten den Beschwerdeführer an einen Ort gebracht, wo sie ihn in weiterer Folge tagelang in einem Zimmer festgehalten und gefoltert hätten, wobei die Augen des Beschwerdeführers stets verbunden gewesen seien. Nach mehreren Tagen der Folter und der expliziten Drohung eines Mannes, dass der Beschwerdeführer heute "abgeschlachtet werde", sei der Beschwerdeführer wiederum zu einem Auto verbracht worden. Nach 2 bis 3 Stunden Fahrt hätte man den Beschwerdeführer aus dem Auto auf die Straße geworfen. Der Beschwerdeführer habe zunächst das Bewusstsein verloren. Als er wieder aufgewacht sei, sei sein Onkel väterlicherseits gekommen und hätte ihn in ein Spital gebracht, wo der Beschwerdeführer unter dem Namen seines Bruders angemeldet worden sei. Der Onkel habe ihm in weiterer Folge erklärt, dass die Entführer eine Spezialeinheit der Regierung gewesen seien, und der Beschwerdeführer diesen öfters keinen Treibstoff gegeben habe. Der Onkel habe 50.000 Dollar Lösegeld für die Freilassung des Beschwerdeführers bezahlt. Er müsse jedoch unter dem Namen seines Bruders im Spital verweilen, da überdies ein gerichtlicher Festnahmeauftrag gegen den Beschwerdeführer erlassen worden sei. Diese Verfolgung würde jedoch von einer anderen Gruppierung ausgehen als von jener, welche den Beschwerdeführer entführt hätte. In der Zeit, in welcher der Beschwerdeführer im Spital gewesen sei, sei überdies mehrfach sein Haus "von der Behörde gestürmt" worden.
Mit dem angefochtenen Bescheid des BFA vom 22.06.2018 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm§ 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG wurde der Antrag auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Irak abgewiesen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG 2005 erlassen (Spruchpunkt IV.). Es wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG in den Irak zulässig ist (Spruchpunkt V.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde die Frist für die freiwillige Ausreise mit 2 Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt VI.).
Gegen diesen Bescheid wurde fristgerecht mit Schreiben vom 18.07.2018 in vollem Umfang Beschwerde erhoben. Es wurde vorgebracht, der Bescheid sei rechtswidrig aufgrund mangelhafter bzw. unrichtiger Begründung sowie infolge der Verletzung von Verfahrensvorschriften. Im Irak würden nach wie vor staatliche Stellen für zahlreiche Menschenrechtsverletzungen verantwortlich zeichnen, insofern würde das Vorbringen des Beschwerdeführers auch im aktuellen Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zum Irak seine Deckung finden. Überdies würde die seitens des BFA erlassene Rückkehrentscheidung gegen den Beschwerdeführer diesen in seinem Grundrecht auf Achtung des Privat- und Familienlebens verletzen, zumal der Beschwerdeführer sich seit drei Jahren in Österreich aufhalten würde, um eine gute Integration bemüht sei und sich überdies, neben einem bereits etablierten Freundeskreis, auch sein Bruder und seine Schwester in Österreich aufhalten würden. Es wurde beantragt, das Bundesverwaltungsgericht möge den angefochtenen Bescheid dahingehend abändern, dass dem Antrag auf internationalen Schutz Folge gegeben und dem Beschwerdeführer der Statuts des Asylberechtigten zuerkannt wird; in eventu den angefochtenen Bescheid dahingehend abändern, dass dem Beschwerdeführer der Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Irak zuerkannt wird; die erlassene Rückkehrentscheidung für unzulässig erklären und in eventu dem Beschwerdeführer einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen erteilen; in eventu den angefochtenen Bescheid ersatzlos beheben und zur neuerlichen Verhandlung an das BFA zurückverweisen; eine öffentlich-mündliche Verhandlung anberaumen.
Beschwerde und Bezug habender Akt wurden dem Bundesverwaltungsgericht am 06.08.2018 vorgelegt und der Gerichtsabteilung L507 der Kammer L zugewiesen. Aufgrund einer Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses vom 25.09.2018 wurde der Akt der Gerichtsabteilung I403 der Kammer I neu zugewiesen und dieser am 04.10.2018 vorgelegt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:
Der volljährige Beschwerdeführer ist ohne entsprechenden Sichtvermerk in das Bundesgebiet eingereist und hält sich seit November 2015 in Österreich auf. Er ist Staatsangehöriger des Irak, gehört der Volksgruppe der Araber an und ist sunnitischer Moslem. Seine Identität steht fest.
Der Beschwerdeführer ist in Bagdad geboren und aufgewachsen. Er hat 4 Jahre die Grundschule besucht und hat als Angestellter auf einer Tankstelle gearbeitet. Er ist gesund und erwerbsfähig.
Der Beschwerdeführer ist ledig und kinderlos. Ein Bruder des Beschwerdeführers (IFA: XXXX) ist als Asylwerber sowie eine Schwester (IFA: XXXX) als anerkannter Flüchtling in Österreich aufhältig. Es bestehen jedoch keine sozialen oder finanziellen Abhängigkeitsverhältnisse. Insbesondere besteht kein gemeinsamer Wohnsitz.
Die Beschwerdeführer hat diverse Freiwilligen-Tätigkeiten übernommen und Kurse absolviert. Er kann kein Deutsch-Zertifikat vorweisen und bestreitet seinen Lebensunterhalt über die Grundversorgung.
Der Beschwerdeführer ist strafrechtlich unbescholten.
1.2. Zu den Fluchtmotiven des Beschwerdeführers:
Aufgrund des Vorbringens des Beschwerdeführers konnte nicht festgestellt werden, dass dieser im Irak einer Verfolgung durch staatliche Behörden ausgesetzt ist. Es ist nicht glaubhaft, dass er entführt und gefoltert worden ist oder dass aktuell ein Haftbefehl gegen ihn besteht.
Es sind keine Gründe ersichtlich, warum es dem Beschwerdeführer nicht zumutbar wäre, in seine Heimatstadt Bagdad zurückzukehren. Er ist in einem erwerbsfähigen Alter, gesund und hat zudem jahrelange Berufserfahrung als Angestellter einer Tankstelle.
Es wird festgestellt, dass der Beschwerdeführer im Fall seiner Rückkehr in den Irak mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit keiner asylrelevanten Verfolgung und keiner wie auch immer gearteten existentiellen Bedrohung ausgesetzt sein wird.
1.3. Zur Situation im Irak:
Auf Basis des Länderinformationsblattes der Staatendokumentation zum Irak vom 24.08.2017, aktualisiert am 18.05.2018, ist zur allgemeinen Sicherheitslage festzuhalten:
Die allgemeine Sicherheitslage im Irak war seit Oktober 2016 von bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen den irakischen Sicherheitskräften und ihren Verbündeten, im Genaueren nichtstaatlichen bewaffneten Milizen, z.B. den sogenannten Peshmerga der kurdischen Regionalregierung sowie ausländischen Militärkräften auf der einen Seite und den bewaffneten Milizen der Terrororganisation Islamischer Staat (IS) auf der anderen Seite geprägt. Der IS versuchte durch vereinzelte Selbstmordanschläge in Bagdad und anderen Städten im Südirak und im Zentralirak seine - wenn auch mittlerweile stark eingeschränkte - Fähigkeit, die allgemeine Sicherheitslage zu destabilisieren, zu demonstrieren.
Anfang Juli 2017 erklärte der irakische Premierminister Haider AL-ABADI die Stadt Mossul für vom IS befreit, im Dezember 2017 gab er bekannt, dass der IS besiegt sei.
Die Sicherheitslage im Großraum Bagdad ist im Wesentlichen nicht unmittelbar beeinträchtigt durch die genannten Ereignisse. Im Laufe der Jahre 2016 und 2017 kam es jedoch im Stadtgebiet von Bagdad zu mehreren Anschlägen bzw. Selbstmordattentaten auf öffentliche Einrichtungen oder Plätze mit einer teils erheblichen Zahl an zivilen Opfern, die sich, ausgehend vom Bekenntnis des - als sunnitisch zu bezeichnenden - IS, gegen staatliche Sicherheitsorgane oder gegen schiitische Wohnviertel und Städte richteten um dort ein Klima der Angst sowie religiöse Ressentiments zu erzeugen und staatliche Sicherheitskräfte vor Ort zu binden. Für den Großraum Bagdad sind im Gefolge der nunmehrigen Vertreibung des IS aus seinem früheren Herrschaftsgebiet darüber hinaus keine außergewöhnlichen sicherheitsrelevanten Ereignisse bzw. Entwicklungen bekannt geworden.
Offiziell ist nach wie vor das ca. 70.000 Mitglieder umfassende und sich aus Soldaten aus der regulären Armee, der Militärpolizei, der normalen Polizei und den Geheimdiensten zusammensetzende "Baghdad Operations Command" (BOC) für die Sicherheit in der Stadt zuständig. Seitdem der IS im Juli 2017 zurückgedrängt wurde, nahmen die auf Bagdad gerichteten Anschläge kontinuierlich ab. Dennoch kommt es immer wieder zu Selbstmordanschlägen, vor allem in schiitisch dominierten Viertel, wie Sadr City, Shula und Hay Al-Amel als auch an Checkpoints und bei militärischen Einrichtungen. Bagdad erlebte im Jahr 2017 einen Rückgang der Gewalt. Diese Entwicklung wird vor allem der Boc zugeschrieben.
Die Acht-Millionenmetropole Bagdad hat eine höhere Kriminalitätsrate als jede andere Stadt des Landes. Hauptverantwortlich dafür sind der schwache staatliche Sicherheitsapparat sowie die schwache Exekutive. Seit dem Krieg gegen den IS verblieb in Bagdad aufgrund von Militäreinsätzen in anderen Teilen des Landes phasenweise nur eine geringe Zahl an Sicherheitspersonal. Da große Teile der Armee im Sommer 2014 abtrünnig wurden, sind zum Wiederaufbau der Armee mehrere Jahre nötig. Gleichzeitig erschienen bewaffnete Gruppen, vor allem Milizen mit Verbindungen zu den 'Popular Mobilization Forces' (PMF), auf der Bildfläche, mit divergierenden Einflüssen auf die Stabilität der Stadt. Der Zusammenbruch der Armee führte zusätzlich zu einem verstärkten Zugang und zu einer größeren Verfügbarkeit von Waffen und Munition. Dazu kommt die Korruption, die in allen Einrichtungen des Sicherheitsapparates und der Exekutive herrscht. Trotz dieser Probleme gibt es aktuell eine Verbesserung der Situation, die sich auch auf die Meinung der Bewohner über den irakischen Gesetzesvollstreckungsapparat auswirkt. Obwohl konfessionell bedingte Gewalt in Bagdad existiert, ist die Stadt nicht in gleichem Ausmaß in die Spirale der konfessionellen Gewalt des Bürgerkriegs der Jahre 2006-2007 geraten. Stattdessen kommt es zu einem Anstieg der Banden-bedingten Gewalt (Bandenkriege), die meist finanziell motiviert sind, in Kombination mit Rivalitäten zwischen Sicherheitskräften/-akteuren.
Kidnappings und Entführungen kommen überall in Bagdad vor, unterscheiden sich aber in Häufigkeit und Art der Opfer. Man kann generell zwischen finanziell motivierten Entführungen und denen, die politisch oder persönlich motiviert sind, unterscheiden. Während erstere von kriminellen Gangs begangen werden, werden die politisch oder persönlich motivierten von bewaffneten Gruppen oder Individuen ausgeführt. Geschätzte 65-75 Prozent können als kriminelle Akte kategorisiert werden, während zwischen einem Viertel und einem Drittel als politisch oder als Folge von persönlichen Auseinandersetzungen gesehen werden können. Die zentralen und relativ wohlhabenden Bezirke Karkh und Rusafa zeigen die höchsten Zahlen an Kidnappings und sind für etwa die Hälfte der dokumentierten Fälle des gesamten Gouvernements verantwortlich.
Berichten zufolge setzen schiitische Milizen Kidnappings und Erpressungen als einkommensgenerierende Aktivitäten ein. Während es sich dabei um einen kriminellen Akt handelt, kann zusätzlich auch ein politisches oder religiöses Motiv dahinterstehen. Milizen haben z. B. Mitglieder anderer Gruppen entführt und verschleppt. Opfer der von den Gruppen durchgeführten Kidnappings sind tendenziell eher Sunniten als Schiiten. Es ist auch häufig, dass Milizen Kidnappings in Gegenden, die nicht unter ihrer eigenen Kontrolle stehen, ausführen, etwa um ihre Reputation in den von ihnen kontrollierten Gebieten nicht aufs Spiel zu setzen. Da es zu Protesten in der Bevölkerung kam, und zu Forderungen an den Staat, Maßnahmen zu ergreifen, wurde in den letzten zwei Jahren das Thema Kidnappings in der Öffentlichkeit diskutiert. Immer wieder kam es zu Wellen von Entführungen, die gegen bestimmte Professionen und Gruppen der Gesellschaft gerichtet waren.
Die Fälle von Entführungen haben Regierung und Sicherheitsdienste gezwungen, sich aktiver diesem Problem zu widmen. In vergangenen Jahren, sowie auch in den Jahren 2006-2007, war die Exekutive beinahe gänzlich außerstande, mit dieser Art der Gewalt umzugehen. Heute spricht Premierminister Abadi, der sich manchmal persönlich in Fälle involviert, lautstark über die Bedenken der Bevölkerung, und unternimmt Schritte, um die Kapazitäten der Gesetzesvollstreckung auszuweiten.
Schießereien mit Handfeuerwaffen sind in und rund um die Provinz Bagdad verbreitet, wobei dabei insbesondere die Bezirke Karkh, Rusafa und Adhamiya und dabei insbesondere auch Zivilisten betroffen sind. Hingegen betreffen Vorfälle mit Handfeuerwaffen im ‚Bagdad Belt' üblicherweise Sicherheitsdienste wie die Iraqi Security Forces (ISF) und Mitglieder von sunnitischen und schiitischen Milizen, und finden meistens bei Kontrollpunkten statt. Dies kann man in Abu Ghraib, Mahmudiya und Tarmiya beobachten. Diese Gebiete verzeichnen auch eine große Anzahl an Schießereien in Verbindung mit stammesbezogenen Auseinandersetzungen.
Konfessionalismus und Diskriminierung sind weiterhin ein weit verbreitetes Phänomen in Bagdad, wenn sie auch nicht dasselbe Ausmaß an Gewalt erreicht haben, der während des konfessionellen Krieges in den Jahren 2006-2007 dokumentiert wurde. Entgegen der Erwartungen hat die Ausbreitung des IS ab 2014 zu einem geringeren Ausmaß an Gewalt geführt als während des konfessionellen Krieges 2006-2007. Terrorattacken des IS in Bagdad führen zu Vergeltungsmaßnahmen gegen sunnitische Zivilisten, die vorwiegend von schiitischen Milizen begangen werden. Diese beinhalten Kidnappings, Ermordungen sowie ungesetzlichen Freiheitsentzug. Dennoch ist der offensichtlichere Konfessionalismus - bei dem sunnitische Bewohner Kontrollpunkte nicht passieren konnten ohne namentlich aufgerufen zu werden und manchmal schikaniert oder festgenommen wurden - heute relativ selten.
Die älteren und größeren [überwiegend schiitischen] Milizen sind jene, die vorwiegend als aktive Gruppen einen Teil der Sicherheitskräfte der Stadt repräsentieren. Sunnitische Milizen kommen in der Stadt Bagdad nicht vor, aber sehr wohl in manchen Teilen des 'Bagdad-Belt', besonders in den Bezirken, die an Anbar und das Gouvernement Salah al-Din grenzen, inklusive Taji, Tarmiya und Abu Ghraib. Auf lokaler Ebene agieren PMF-Einheiten parallel und oft im Konflikt mit den ISF. Bewaffnete Konflikte zwischen ISF und PMUs, wenn auch selten, wurden im Gouvernement Bagdad beobachtet. Während die PMF weitläufig von der schiitischen Bevölkerung unterstützt werden, wurden sie beschuldigt, Menschenrechtsverletzungen gegen sunnitische Zivilisten in Gebieten begangen zu haben, die vom IS zurückerobert wurden, - wie von diversen Organisationen wie z.B. Human Rights Watch, Amnesty International und Minority Rights Group dokumentiert wurde. Berichterstattung dieser Art tendiert dazu, sich auf die Gouvernements zu konzentrieren, in denen in den letzten zwei Jahren Militäreinsätze stattgefunden haben - wie in etwa in Anbar, Ninewa und Salah al-Din - sowie auf Gebiete, in denen außer Frage steht, dass Milizen ungestraft agierten. Aufgrund dessen werden Menschenrechtsverletzungen innerhalb des Gouvernements Bagdad nicht so eingehend verfolgt.
Im Folgenden werden einige Beispiele der wichtigsten PMF-Milizen aufgezählt, die in Bagdad operieren: Badr-Organisation, Asaib Ahl al-Haq, Saraya al-Salam, Saraya al-Khorasani, Kataib Hizbullah.
Die zielgerichtete Gewalt gegen sunnitische Araber hat in Bagdad ebenso wie in anderen von der Regierung kontrollierten Gebieten des Irak seit 2014 zugenommen. Auch gewaltsame Vertreibungen von Sunniten aus mehrheitlich von Schiiten bewohnten Vierteln Bagdads kamen laut dem Leiter des Sicherheitskomitees des Provinzrates Bagdad vor. Zum Teil würde es dabei weniger um konfessionell motivierten Hass gehen, sondern darum, die Grundstücke der vertriebenen Familien übernehmen zu können. Laut Berichten begehen die PMF-Milizen in Bagdad immer wieder Kidnappings und Morde an der sunnitischen Bevölkerung (die nicht untersucht werden), oder sie sprechen Drohungen dieser gegenüber aus. Laut dem Parlamentsmitglied Abdul Karim Abtan langen bezüglich der Welle von konfessionell motivierten Entführungen und Morden fast täglich Berichte ein; er beschuldigt die Polizei, die Vorfälle zu ignorieren und den Milizen zu erlauben, straffrei zu agieren. Viele Familien waren in Bagdad durch den konfessionellen Konflikt dazu gezwungen, ihre Häuser zu verlassen und sie siedelten sich zunehmend entlang konfessioneller Grenzen wieder an. Somit sind separate sunnitische und schiitische Viertel entstanden. Bagdad ist weiterhin entlang konfessioneller Linien gespalten. Hinweise auf eine etwaig religiös motivierte Bürgerkriegssituation finden sich in den Länderberichten aber nicht.
2. Beweiswürdigung:
2.1. Zum Sachverhalt:
Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurden im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweise erhoben durch die Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde unter zentraler Berücksichtigung der niederschriftlichen Angaben des Beschwerdeführers vor dieser und den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes, in den bekämpften Bescheid und in den Beschwerdeschriftsatz sowie in das aktuelle "Länderinformationsblatt der Staatendokumentation" zum Irak. Auskünfte aus dem Strafregister, dem Zentralen Melderegister (ZMR) sowie der Grundversorgung (GVS) wurden ergänzend zum vorliegenden Akt eingeholt.
2.2. Zur Person des Beschwerdeführers:
Die Feststellungen hinsichtlich der Lebensumstände, der Familienverhältnisse, des Gesundheitszustandes sowie der Arbeitsfähigkeit des Beschwerdeführers gründen sich auf dessen diesbezüglich glaubhafte Angaben vor der belangten Behörde (Protokoll vom 14.12.2017).
Die Identität des Beschwerdeführers steht aufgrund seines im Original vorgelegten, irakischen Reisepasses mit der Nr. XXXX fest.
Die Feststellung, dass kein gemeinsamer Wohnsitz des Beschwerdeführers mit seinen in Österreich lebenden Geschwistern besteht, ergibt sich aus einer Abfrage im zentralen Melderegister der Republik Österreich vom 29.10.2018.
Die Teilnahme des Beschwerdeführers an einem "Werte- und Orientierungskurs" sowie am Kursmodul "Sicherheit & Polizei" des österreichischen Integrationsfonds ergibt sich aufgrund der vorgelegten Teilnahmebestätigungen. Zudem wurden folgende Unterlagen zu seiner Integration in Vorlage gebracht: Bestätigung über den Leumund des Beschwerdeführers durch das XXXX vom 08.05.2018; Nachweis über freiwillige Tätigkeiten des Beschwerdeführers (Mithilfe bei Veranstaltungen, bei Flohmärkten, handwerkliche Tätigkeiten, Nachbarschaftshilfe) vom XXXX vom 16.04.2018 sowie vom 27.06.2018; Bestätigung über eine ehrenamtliche Mitarbeit bei der Organisation XXXX vom Mai 2018.
Die Feststellung über die strafgerichtliche Unbescholtenheit des Beschwerdeführers ergibt sich aus einer Abfrage des Strafregisters der Republik Österreich vom 29.10.2018.
2.3. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:
Der Beschwerdeführer hatte, auf das Wesentlichste zusammengefasst, vorgebracht, von einer Spezialeinheit der irakischen Regierung entführt, festgehalten sowie gefoltert worden zu sein, da er diesen verweigert hätte, deren Militärfahrzeuge ohne Bezahlung an einer Tankstelle, bei welcher der Beschwerdeführer angestellt gewesen sei, zu betanken. Gegen eine Lösegeldzahlung durch seinen Onkel sei der Beschwerdeführer freigelassen worden. Nunmehr werde er darüber hinaus durch eine "andere Gruppierung" im Irak per Haftbefehl gesucht.
Im angefochtenen Bescheid kam das BFA zum Schluss, dass dieses Vorbringen nicht glaubhaft sei; das Bundesverwaltungsgericht muss sich dieser Feststellung aus den folgenden Erwägungen anschließen:
Wenngleich die polizeiliche Erstbefragung eines Fremden insbesondere der Ermittlung von dessen Identität sowie Reiseroute dient, ist es auf dem Boden des § 19 Abs. 1 AsylG 2005 nicht verwehrt, im Rahmen beweiswürdigender Überlegungen Widersprüche und Ungereimtheiten in den Angaben in der Erstbefragung zu späteren Angaben einzubeziehen (VwGH, Erkenntnis vom 8. September 2015, Ra 2015/18/0090 oder auch Beschluss vom 10. November 2015, Ra 2015/19/0189 bzw. Beschluss vom 02.01.2017, Ra 2016/18/0323 und zuletzt VwGH, Beschluss vom 17. Mai 2018, Ra 2018/20/0168).
Sofern der Beschwerdeführer in seiner Erstbefragung noch davon spricht, im Mai 2015 "von Unbekannten" entführt worden zu sein (Protokoll vom 24.11.2015, S 5), gibt er in seiner Einvernahme vor dem BFA explizit an, dass es sich bei den Entführern um eine "Spezialeinheit der Regierung" gehandelt habe (Protokoll vom 14.12.2017, S 6). Erstmalig brachte der Beschwerdeführer in seiner Einvernahme vor dem BFA überdies vor, dass er nunmehr durch eine andere Gruppierung im Irak per Haftbefehl gesucht werde (Protokoll vom 14.12.2017, S 6). Dieses Vorbringen fand in seiner Erstbefragung keinerlei Erwähnung.
Auch was die angebliche Lösegeldforderung der Entführer betrifft, so weichen die Angaben des Beschwerdeführers in seiner Erstbefragung von jenen in seiner Einvernahme vor der belangten Behörde ab. Während der Beschwerdeführer in seiner Erstbefragung angibt, sein Onkel habe 50 Millionen Dinar Lösegeld (umgerechnet ca. 40.000 Dollar) für ihn bezahlt (Protokoll vom 24.11.2015, S 5), führt er in seiner Niederschrift vor der belangten Behörde hingegen an, die Gruppierung hätte zunächst 100.000 Dollar an Lösegeld gefordert, nach Verhandlungen sei es schließlich zu einer Zahlung von 50.000 Dollar gekommen (Protokoll vom 14.12.2017, S 6).
Überdies gab der Beschwerdeführer im Rahmen seiner Erstbefragung ausdrücklich an, "sofort nach seiner Freilassung" die Flucht ergriffen zu haben (Protokoll vom 24.11.2015, S 5), während er im Gegensatz dazu in seiner Einvernahme vor der belangten Behörde vorbringt, nach seiner Freilassung zunächst 2 Monate im Spital verbracht und sich im Anschluss bei Verwandten versteckt zu haben, ehe er etwa "ein halbes Jahr nach seiner Freilassung" die Flucht aus dem Irak ergriffen hätte (Protokoll vom 14.12.2017, S 6).
Auch was die Dauer seiner Anhaltung durch die Entführer betrifft, ergeben sich Zweifel an der Glaubhaftigkeit seines Vorbringens. Während der Beschwerdeführer in seiner Erstbefragung ausdrücklich angibt, nach 13 Tagen wieder freigelassen worden zu sein (Protokoll vom 24.11.2015, S 5), lassen die Schilderung hinsichtlich seiner Entführung vor dem BFA auf einen wesentlich kürzeren Zeitraum von ca. 5 Tagen schließen (der Beschwerdeführer schildert die Vorfälle von seiner Entführung bis zu seiner Freilassung wiederholt mit dem Passus "am nächsten Tag"), wenngleich der Beschwerdeführer keine explizite Dauer mehr nennt (Protokoll vom 14.12.2017, S 6).
Dem BFA ist dahingehend zuzustimmen, dass dem Vorbringen des Beschwerdeführers nach einem Abgleich seiner Angaben in der Einvernahme vor dem BFA mit jenen in seiner Erstbefragung, sowohl aufgrund des geänderten als auch - im Hinblick auf den angeblich gegen ihn bestehenden Haftbefehl - erweiterten Fluchtvorbringens, die Glaubhaftigkeit abzusprechen ist.
Doch auch die Angaben des Beschwerdeführers im Zuge seiner Einvernahme vor dem BFA am 17.12.2017 sind, für sich alleine betrachtet, nicht stringent und schlüssig.
Wie im angefochtenen Bescheid bereits aufgezeigt, erscheint es weder nachvollziehbar, dass ein Tankstellenangestellter aus eigener Tasche die Betankungen der Militärfahrzeuge bezahlen muss, ohne Unterstützung von seinem Vorgesetzten zu erfahren, noch, dass der Beschwerdeführer als einfacher Angestellter als einzige Person der Tankstelle Repressionen seitens der militärischen Gruppierung ausgesetzt ist (Protokoll vom 14.12.2017, S 7). Auch der seitens des Beschwerdeführers vorgebrachte zeitliche Konnex zwischen der Betankung der Militärfahrzeuge im Jahr 2014 sowie seiner angeblichen Entführung im Mai 2015, erweist sich, wie ebenfalls vom BFA aufgezeigt, als gänzlich unschlüssig (Protokoll vom 14.12.2017, S 5).
Weiters erscheint widersprüchlich, dass der Beschwerdeführer einerseits in seiner Einvernahme hinsichtlich seiner Entführung vorbringt, seine Augen seien durchgehend verbunden gewesen, er jedoch andererseits in der Lage ist, zeitlich orientierte Angaben zu seiner Festhaltung zu machen ("am nächsten Tag", "in der Nacht nahmen sie mich mit", Protokoll vom 14.12.2017, S 6). Später in der Einvernahme gibt er hingegen wieder explizit an: "Ich konnte nicht sehen ob es Tag oder Nacht war" (Protokoll vom 14.12.2017, S 7).
Zuletzt verweist das BFA richtigerweise auf die widersprüchliche Angabe des Bruders des Beschwerdeführers (IFA: XXXX) in dessen Asylverfahren, in welchem dieser angibt, der Beschwerdeführer sei im Jahr 2012 entführt worden.
All diesen beweiswürdigenden Erwägungen tritt der Beschwerdeführer in seiner Beschwerde nicht substantiiert entgegen. Es wird lediglich sein bereits bekanntes Fluchtvorbringen wiederholt sowie das, ohnedies dem angefochtenen Bescheid zugrunde gelegte, Länderinformationsblatt zum Irak auszugsweise zitiert.
Insgesamt muss aufgrund dieser vielfachen Widersprüche und Unstimmigkeiten davon ausgegangen werden, dass der Beschwerdeführer in Bezug auf die Gründe seiner Flucht nicht die Wahrheit sagt. Es ist ihm nicht gelungen, seine Fluchtgründe glaubhaft zu machen.
Ebenso ist es ihm nicht gelungen, darzulegen, dass er im Falle einer Rückkehr in den Irak in eine existenzbedrohende Notlage käme. Er ist gesund und erwerbsfähig und hat überdies Berufserfahrung als Tankstellenangestellter. Eine Rückkehr nach Bagdad erscheint ihm durchaus zumutbar.
2.4. Zu den Länderfeststellungen:
Zu den zur Feststellung der asyl- und abschiebungsrelevanten Lage im Herkunftsstaat ausgewählten Quellen im angefochtenen Bescheid wird angeführt, dass es sich hierbei um eine ausgewogene Auswahl verschiedener Quellen, sowohl staatlichen als auch nicht-staatlichen Ursprungs handelt, welche es ermöglichen, sich ein möglichst umfassendes Bild von der Lage im Herkunftsstaat zu machen. Zur Aussagekraft der einzelnen Quellen wird angeführt, dass zwar in nationalen Quellen rechtsstaatlich-demokratisch strukturierter Staaten, von denen der Staat der Veröffentlichung davon ausgehen muss, dass sie den Behörden jenes Staates, über den berichtet wird, zur Kenntnis gelangen, diplomatische Zurückhaltung geübt wird, wenn es um kritische Sachverhalte geht, doch andererseits sind gerade diese Quellen aufgrund der nationalen Vorschriften vielfach zu besonderer Objektivität verpflichtet, weshalb diesen Quellen keine einseitige Parteinahme unterstellt werden kann. Zudem werden auch Quellen verschiedener Menschenrechtsorganisationen herangezogen, welche oftmals das gegenteilige Verhalten aufweisen und so gemeinsam mit den staatlich-diplomatischen Quellen ein abgerundetes Bild ergeben. Bei Berücksichtigung dieser Überlegungen hinsichtlich des Inhaltes der Quellen, ihrer Natur und der Intention der Verfasser handelt es sich nach Ansicht der erkennenden Richterin bei den Feststellungen im angefochtenen Bescheid um ausreichend ausgewogenes und aktuelles Material (vgl. VwGH, 07.06.2000, Zl. 99/01/0210).
Angesichts der Seriosität und Plausibilität der angeführten Erkenntnisquellen sowie dem Umstand, dass diese Berichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängigen Quellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wissentliche Widersprüche darbieten, besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln.
Im Beschwerdeschriftsatz wird, abgesehen von einem Bericht auf der Website "Spiegel Online" über mehrere Tote im Zuge von Protesten im Irak, welcher keinerlei Bezug zum individuellen Vorbringen des Beschwerdeführers aufweist, ebenfalls aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zum Irak zitiert, sodass ein Widerspruch zu den Länderfeststellungen im angefochtenen Bescheid auszuschließen ist.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A) Abweisung der Beschwerde
3.1. Zum Status der Asylberechtigten (Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheids):
Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG ist einem Fremden, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht wegen Drittstaatsicherheit oder Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1, Abschnitt A, Z. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention droht und keiner der in Art. 1 Abschnitt C oder F der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Endigungs- oder Ausschlussgründe vorliegt.
Flüchtling im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich in Folge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.
Wie in der Beweiswürdigung unter Punkt 2.3. bereits dargelegt, konnte der Beschwerdeführer im gegenständlichen Verfahren keine begründete Furcht vor einer asylrelevanten Verfolgung glaubhaft machen. Es kann nicht festgestellt werden, dass er durch eine Spezialeinheit der Regierung im Irak entführt sowie gefoltert worden ist, ehe man in gegen Bezahlung einer Lösegeldforderung freigelassen hat, sowie, dass aktuell ein Haftbefehl im Irak gegen ihn besteht. Sein entsprechendes Vorbringen ist nicht glaubhaft.
Eine sonstige Bedrohung oder Verfolgung wurde weder von Seiten des Beschwerdeführers behauptet noch war eine solche für das Bundesverwaltungsgericht erkennbar.
Daher ist festzustellen, dass dem Beschwerdeführer im Herkunftsstaat Irak keine Verfolgung iSd Art 1 Abschnitt A Z 2 GFK droht und der Ausspruch in Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides zu bestätigen ist.
3.2. Zum Status des subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides):
Gemäß § 8 Abs. 1 Ziffer 1 AsylG 2005 idgF ist der Status des subsidiär Schutzberechtigten einem Fremden zuzuerkennen, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. Gemäß § 8 Abs. 2 leg. cit. ist die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs. 1 mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 oder der Aberkennung des Status des Asylberechtigten nach § 7 zu verbinden.
Es kann auf Basis der Länderfeststellungen nicht davon ausgegangen werden, dass generell jeder im Falle einer Rückkehr in den Irak mit existentiellen Nöten konfrontiert ist. Trotz der aktuell schwierigen Situation in Bagdad ist eine Rückkehr dorthin nicht automatisch mit einer Verletzung der in Art. 2 und 3 EMRK geschützten Rechte verbunden.
Die bloße Möglichkeit einer durch die Lebensumstände bedingten Verletzung des Art. 3 EMRK ist nicht ausreichend (vgl. u.a. VwGH 06.11.2009, Zl. 2008/19/0174). Vielmehr ist es zur Begründung einer drohenden Verletzung von Art. 3 EMRK notwendig, detailliert und konkret darzulegen, warum solche exzeptionellen Umstände vorliegen (vgl. VwGH 21.08.2001, Zl. 200/01/0443 und zuletzt VwGH, 25.05.2016, Ra 2016/19-0036-5). Derartige Umstände wurden vom Beschwerdeführer nicht dargelegt, zumal er gesund und in einem erwerbsfähigen Alter ist. Er verfügt auch über Berufserfahrung als Angestellter auf einer Tankstelle.
Die Beschwerde war daher auch hinsichtlich des Spruchpunktes II. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG abzuweisen.
3.3. Zur Nichterteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 (Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides):
Vorab ist darauf hinzuweisen, dass die belangte Behörde unter Zitierung des § 57 AsylG 2005 zwar ausgesprochen hat, dass ein Aufenthaltstitel "aus berücksichtigungswürdigen Gründen" gemäß § 57 AslG 2005 nicht erteilt werde, dass sich aus der Begründung des angefochtenen Bescheides jedoch unzweifelhaft ergibt, dass die belangte Behörde tatsächlich rechtsrichtig über eine "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" gemäß § 57 AsylG 2005 abgesprochen und eine solche nicht erteilt hat.
Gemäß § 58 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 hat das Bundesamt die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 von Amts wegen zu prüfen, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird. Die formellen Voraussetzungen des § 57 AsylG 2005 sind allerdings nicht gegeben und werden in der Beschwerde auch nicht behauptet. Eine Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz war dem Beschwerdeführer daher nicht zuzuerkennen.
Die Beschwerde war daher auch hinsichtlich des Spruchpunktes III. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG abzuweisen.
3.4. Zur Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheides):
Gemäß § 58 Abs. 2 AsylG 2005 hat das Bundesamt einen Aufenthaltstitel gemäß § 55 AsylG 2005 von Amts wegen zu erteilen, wenn eine Rückkehrentscheidung rechtskräftig auf Dauer unzulässig erklärt wurde. Es ist daher zu prüfen, ob eine Rückkehrentscheidung auf Basis des § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG für unzulässig zu erklären ist.
Im gegenständlichen Fall verfügt der Beschwerdeführer über ein iSd Art. 8 EMRK geschütztes Familienleben in Österreich, da sich sein Bruder als erstinstanzlich negativ beschiedener Asylwerber (IFA: XXXX) sowie seine Schwester als anerkannter Flüchtling, wobei deren Fluchtvorbringen keinerlei Bezug zum Vorbringen des Beschwerdeführers aufweist (IFA: XXXX), ebenfalls in Österreich aufhalten. Es besteht jedoch kein gemeinsamer Wohnsitz, auch sind keinerlei gegenseitige soziale oder finanzielle Abhängigkeiten ersichtlich.
Unter Berücksichtigung der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. etwa Erkenntnis vom 26.06.2007, 2007/01/0479 zu einem dreijährigen Aufenthalt im Bundesgebiet oder auch Erkenntnis vom 15.12.2015, Ra 2015/19/0247 zu einem zweijährigem Aufenthalt in Verbindung mit dem Umstand, dass der Beschwerdeführer mit einer österreichischen Staatsbürgerin verheiratet war), des Verfassungsgerichtshofes (29.11.2007, B 1958/07-9, wonach im Fall eines sich seit zwei Jahren im Bundesgebiet aufhältigen Berufungswerbers die Behandlung der Beschwerde wegen Verletzung des Art. 8 EMRK abgelehnt wurde; ebenso 26.04.2010, U 493/10-5 im Falle eines fünfjährigen Aufenthaltes) und des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (siehe etwa EGMR, 08.04.2008, Nnyanzi v. UK, 21878/06) muss angesichts der kurzen Dauer des Inlandsaufenthaltes von drei Jahren davon ausgegangen werden, dass das öffentliche Interesse an der Beendigung des Aufenthaltes des Beschwerdeführers das Interesse an der Achtung seines Privat- und Familienlebens überwiegt.
Es liegen auch keine Aspekte einer außerordentlichen Integration vor; der Beschwerdeführer hat zwar diverse ehrenamtliche Tätigkeiten übernommen sowie Kurse besucht, eine nachhaltige Integration am Arbeitsmarkt ergibt sich daraus aber nicht. Er kann kein Deutsch-Zertifikat vorweisen und bestreitet seinen Lebensunterhalt über die Grundversorgung. Insbesondere angesichts der erst dreijährigen Aufenthaltsdauer sowie des Umstandes, dass zu seinen Angehörigen in Österreich keinerlei soziale sowie finanzielle Abhängigkeiten bestehen bzw. der Aufenthalt seines Bruders in Österreich angesichts des Umstandes, dass dessen Antrag auf internationalen Schutz erstinstanzlich negativ entschieden wurde und sich aktuell in Beschwerde befindet, ohnedies ungewiss ist, kann nicht davon ausgegangen werden, dass seine privaten Interessen an einem Verbleib im Bundesgebiet die öffentlichen Interessen an einer Aufenthaltsbeendigung überwiegen.
Es sind - unter der Schwelle des Art. 2 und 3 EMRK - aber auch die Verhältnisse im Herkunftsstaat unter dem Gesichtspunkt des Privatlebens zu berücksichtigen, so sind etwa Schwierigkeiten beim Beschäftigungszugang oder auch Behandlungsmöglichkeiten bei medizinischen Problemen bzw. eine etwaigen wegen der dort herrschenden Verhältnisse bewirkte maßgebliche Verschlechterung psychischer Probleme auch in die bei der Erlassung der Rückkehrentscheidung vorzunehmende Interessensabwägung nach § 9 BFA-VG miteinzubeziehen (vgl. dazu VwGH, 16.12.2015, Ra 2015/21/0119). Eine diesbezüglich besonders zu berücksichtigende Situation liegt aber nicht vor; beim Beschwerdeführer sind keine besonderen Vulnerabilitäten gegeben.
Hinsichtlich seiner strafrechtlichen Unbescholtenheit ist auszuführen, dass dies nach Judikatur weder eine Stärkung der persönlichen Interessen noch eine Schwächung der öffentlichen Interessen darstellt (VwGH 21.01.1999, 98/18/0420), da der VwGH davon ausgeht, dass es von einem Fremden, welcher sich im Bundesgebiet aufhält als selbstverständlich anzunehmen ist, dass er die geltenden Rechtsvorschriften einhält.
Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes ergibt sich daher, dass die im angefochtenen Bescheid angeordnete Rückkehrentscheidung keinen ungerechtfertigten Eingriff in das durch Art. 8 EMRK gewährleistete Recht auf Privat- und Familienleben darstellt.
Die Beschwerde war daher auch hinsichtlich des Spruchpunktes IV. gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG abzuweisen.
3.5. Zur Zulässigkeit der Abschiebung (Spruchpunkt V. des angefochtenen Bescheides):
Mit angefochtenem Bescheid wurde zudem festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers in den Irak zulässig ist. Diesbezüglich ist darauf zu verweisen, dass ein inhaltliches Auseinanderfallen der Entscheidungen nach § 8 Abs. 1 AsylG (zur Frage der Gewährung von subsidiärem Schutz) und nach § 52 Abs. 9 FPG (zur Frage der Zulässigkeit der Abschiebung) ausgeschlossen ist, was es verunmöglicht, die Frage der Zulässigkeit der Abschiebung in den Herkunftsstaat im Rahmen der von Amts wegen zu treffenden Feststellung nach § 52 Abs. 9 FPG neu aufzurollen und entgegen der getroffenen Entscheidung über die Versagung von Asyl und subsidiärem Schutz anders zu beurteilen (vgl. dazu etwa VwGH, 16.12.2015, Ra 2015/21/0119 und auch die Beschlüsse vom 19.02.2015, Ra 2015/21/0005 und vom 30.06.2015, Ra 2015/21/0059 - 0062).
Die Beschwerde war daher auch hinsichtlich des Spruchpunktes V. gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG abzuweisen.
3.6. Zur Frist für die freiwillige Ausreise (Spruchpunkt VI. des angefochtenen Bescheids):
Im angefochtenen Bescheid wurde gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgelegt. Dass besondere Umstände, die der Beschwerdeführer bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hätte, die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen würden, wurde nicht vorgebracht.
Die Beschwerde war daher auch hinsichtlich des Spruchpunktes VI. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG abzuweisen.
4. Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung
Gemäß § 21 Abs 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht.
Eine mündliche Verhandlung kann unterbleiben, wenn der für die rechtliche Beurteilung entscheidungsrelevante Sachverhalt von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben wurde und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweist. Ferner muss die Verwaltungsbehörde die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in gesetzmäßiger Weise offen gelegt haben und das Bundesverwaltungsgericht diese tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung in seiner Entscheidung teilen. Auch darf im Rahmen der Beschwerde kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinausgehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten ebenso außer Betracht zu bleiben hat, wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA-VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt (VwGH 28.05.2014, 2014/20/0017). Eine mündliche Verhandlung ist bei konkretem sachverhaltsbezogenem Vorbringen des Revisionswerbers vor dem VwG durchzuführen (VwGH 30.06.2015, Ra 2015/06/0050, mwN). Eine mündliche Verhandlung ist ebenfalls durchzuführen zur mündlichen Erörterung von nach der Aktenlage strittigen Rechtsfragen zwischen den Parteien und dem Gericht (VwGH 30.09.2015, Ra 2015/06/0007, mwN) sowie auch vor einer ergänzenden Beweiswürdigung durch das VwG (VwGH 16.02.2017, Ra 2016/05/0038). § 21 Abs 7 BFA-VG 2014 erlaubt andererseits das Unterbleiben einer Verhandlung, wenn - wie im vorliegenden Fall - deren Durchführung in der Beschwerde ausdrücklich beantragt wurde, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint (VwGH 23.11.2016, Ra 2016/04/0085; 22.01.2015, Ra 2014/21/0052 ua). Diese Regelung steht im Einklang mit Art 47 Abs 2 GRC (VwGH 25.02.2016, Ra 2016/21/0022).
Die vorgenannten Kriterien treffen in diesem Fall zu. Der Sachverhalt ist durch die belangte Behörde vollständig erhoben und weist - aufgrund des Umstandes, dass zwischen der Entscheidung durch die belangte Behörde und jener durch das Bundesverwaltungsgericht nur etwa vier Monate liegen - die gebotene Aktualität auf. Der Beweiswürdigung durch die belangte Behörde hat sich das Bundesverwaltungsgericht zur Gänze angeschlossen. Das Beschwerdevorbringen erwies sich, wie unter der "Beweiswürdigung" ausgeführt, als unsubstantiiert. Es lagen keine strittigen Sachverhalts- oder Rechtsfragen vor und es waren auch keine Beweise aufzunehmen. Daher konnte aufgrund der Aktenlage entschieden werden.
Die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte sohin gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG iVm § 24 VwGVG unterbleiben.
Zu B) (Un)Zulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.
Schlagworte
Beweiswürdigung, erpresserische Entführung, Glaubwürdigkeit,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2018:I403.2202753.1.00Zuletzt aktualisiert am
10.01.2019