TE Vwgh Erkenntnis 1999/9/15 96/03/0101

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Veröffentlicht am 15.09.1999
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §56;
AVG §73 Abs2;
AVG §8;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Sauberer, Dr. Gruber, Dr. Gall und Dr. Handstanger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Böheimer über die Beschwerde des M und der AT in K, vertreten durch Dr. Gerhard Fink und Dr. Peter Bernhart, Rechtsanwälte in 9020 Klagenfurt, Bahnhofstraße 5, gegen den Bescheid des Bundesministers für öffentliche Wirtschaft und Verkehr (nunmehr Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr) vom 30. November 1995 , Zl. 290/893/7-II/2/95, betreffend Zurückweisung eines Devolutionsantrages in einer Angelegenheit des Eisenbahngesetzes, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund (Bundesministerium für Wissenschaft und Verkehr) hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von insgesamt S 12.500,- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Die Beschwerdeführer richteten an das Amt der Kärntner Landesregierung folgendes Schreiben vom 21. Juli 1994:

"Durch nicht Tätigwerden der Behörde fühlen wir uns in unseren generellen Rechten als österreichische Staatsbürger (§ 8 AVG - Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz) und speziell im Hinblick auf die im Eisenbahngesetz zitierten Nachbarschaftsrechte (insbesonders Paragraphe 14 Abs. 3, 19 Abs. 1 und 3, (seit 40 Jahren stillgelegt) 29 Abs. 1 bis 3 und 52 Abs. 2) schwerstens verletzt und beeinträchtigt, daher ersuchen wir um sofortige Erlassung einer Einstellungsverfügung gegenüber der BGV II Klagenfurt, um weitere Rechtsverletzungen hintanzuhalten.

Um Ihnen und uns weitere rechtliche Schritte zu ersparen, bitten wir, uns eine Ausfertigung der Einstellungsverfügung zukommen zu lassen."

Mit Schreiben vom 18. Juli 1995 brachten die Beschwerdeführer einen an den Bundesminister für öffentliche Wirtschaft und Verkehr gerichteten, auf § 73 AVG gestützten Devolutionsantrag ein, weil der Antrag vom 21. Juli 1994 keiner Erledigung zugeführt worden sei.

Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wurde wie folgt abgesprochen:

"Der von M und AT mit Eingabe vom 18.7.1995 gemäß § 73 Abs. 2 AVG gestellte Devolutionsantrag (auf Übergang der Zuständigkeit zur Entscheidung auf die sachlich in Betracht kommende Oberbehörde) wird gemäß § 8 AVG und § 34 Abs. 4 des Eisenbahngesetzes 1957, BGBl. Nr. 60, idgF als unzulässig zurückgewiesen."

In der Begründung dieses Bescheides heißt es, dass "laut Übermittlungsschreibens des LH zu dessen Aktenunterlagen" kein zwingender sachlicher Grund bestehe, über den gegenständlichen, "auf die Anordnung der Einstellung der Sanierungsarbeiten" (an der verfahrensgegenständlichen Anschlussbahn) abzielenden Antrag der Einschreiter bescheidmäßig abzusprechen; von einer Säumnis des Landeshauptmannes gemäß § 73 AVG könne unter diesem Blickwinkel nicht gesprochen werden. Demgegenüber sei die belangte Behörde der Ansicht, dass der Eingabe der Beschwerdeführer "jedenfalls insoweit Relevanz zukommt, als zumindest in Bezug auf die Frage deren Antragslegitimation (Parteistellung) bescheidmäßig abzusprechen ist". Es sei deshalb eine Verletzung der Entscheidungspflicht gemäß § 73 AVG des Landeshauptmannes, als der für die Anschlussbahn gemäß § 12 Abs. 2 Z. 3 Eisenbahngesetz 1957 zuständigen Eisenbahnbehörde, anzunehmen und innerhalb offener Frist vom Bundesminister für öffentliche Wirtschaft und Verkehr eine diesbezügliche Entscheidung zu fällen gewesen.

In der Folge wird in der Begründung des angefochtenen Bescheides dargelegt, welche Gründe "zur Zurückweisung des Devolutionsantrages laut obigem Bescheidspruch" geführt hätten. Die Beschwerdeführer hätten in ihren Eingaben Beeinträchtigungen durch Immissionen geltend gemacht. Offenbar befürchteten sie Einwirkungen durch Lärm oder Erschütterungen. Betreffend Immissionen im eisenbahnrechtlichen Baugenehmigungsverfahren hätten nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes jedoch Einwendungen von Eigentümern betroffener Liegenschaften keine Verletzung der den Parteien nach dem Eisenbahngesetz 1957 gewährleisteten subjektiv-öffentlichen Rechte zum Inhalt, sondern - allenfalls - zivilrechtliche Ansprüche. Allfällige Wahrnehmungen hinsichtlich Immissionen zum Schutz des Lebens oder der Gesundheit habe die Eisenbahnbehörde selbst (von Amts wegen) zu beachten. Weiters könne einen Antrag nach § 73 AVG nur eine Partei des Verwaltungsverfahrens stellen. Parteirechte kämen aber hier nicht zum Tragen und es habe auch ein Baugenehmigungsverfahren für die bloßen Sanierungsmaßnahmen nicht stattgefunden. Sohin sei der Devolutionsantrag schon von vornherein mangels des Rechtes zur Einbringung desselben als unzulässig zurückzuweisen gewesen. Im Übrigen bedürften die gegenständlichen Sanierungsmaßnahmen nach § 14 Abs. 3 Eisenbahngesetz 1957 keiner eisenbahnrechtlichen Baugenehmigung.

Der Verfassungsgerichtshof lehnte die Behandlung der gegen diesen Bescheid zunächst vor ihm erhobenen Beschwerde mit Beschluss vom 6. März 1996, B 144/96-3, ab; antragsgemäß wurde die Beschwerde gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach § 73 Abs. 1 AVG (in der Fassung vor BGBl. I Nr. 158/1998) sind die Behörde oder der unabhängige Verwaltungssenat verpflichtet, wenn in den Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmt ist, über Anträge von Parteien (§ 8) und Berufungen ohne unnötigen Aufschub spätestens aber sechs Monate nach deren Einlangen den Bescheid zu erlassen.

Wird der Bescheid der Partei nicht innerhalb dieser Frist zugestellt, so geht nach § 73 Abs. 2 leg. cit. auf ihren schriftlichen Antrag die Zuständigkeit zur Entscheidung auf die sachlich in Betracht kommende Oberbehörde, wenn aber gegen die ausständige Entscheidung die Berufung an den unabhängigen Verwaltungssenat vorgesehen ist, auf diesen über. Ein solcher Antrag ist unmittelbar bei der Oberbehörde (beim unabhängigen Verwaltungssenat) einzubringen. Der Antrag ist abzuweisen, wenn die Verzögerung nicht ausschließlich auf ein Verschulden der Behörde zurückzuführen ist.

Die belangte Behörde hat, wie sich aus dem Spruch des angefochtenen Bescheides (und auch im Zusammenhang mit dessen Begründung) klar ergibt, den Devolutionsantrag vom 18. Juli 1995 - und nicht den Antrag vom 21. Juli 1994 - "zurückgewiesen". Sie begründete dies einerseits mit den mangelnden Parteirechten der Beschwerdeführer in einem eisenbahnrechtlichen Baugenehmigungsverfahren für die gegenständliche Anschlussbahn, andererseits damit, dass ein solches Baugenehmigungsverfahren nicht stattgefunden bzw. gar nicht stattzufinden habe.

Im Grunde des § 73 AVG tritt der Übergang der Entscheidungszuständigkeit nicht ein, wenn eine der gesetzlichen Voraussetzungen hiefür fehlt. Hierüber hat die Oberbehörde (der unabhängige Verwaltungssenat) bescheidförmig - durch einen (verfahrensrechtlichen) Bescheid (Zurückweisung) - abzusprechen. Einem solchen kommt feststellende Bedeutung zu, nämlich darüber, dass die Entscheidungszuständigkeit nicht auf die Oberbehörde übergegangen ist (vgl. Walter/Thienel, Die österreichischen Verwaltungsverfahrensgesetze, I. Band 2, Anm. 13 zu § 73 AVG).

Darauf aber, dass die Zurückweisung des Devolutionsantrages etwa deshalb erfolgt sei, weil der Unterbehörde eine Entscheidungszuständigkeit gar nicht zugekommen sei, stellte die belangte Behörde gerade nicht ab. Die in diese Richtung gehende, von der Unterbehörde vertretene Rechtsauffassung wurde vielmehr von der belangten Behörde verworfen und offenkundig ein Übergang der Entscheidungszuständigkeit (auf die Oberbehörde) als gegeben angenommen. Wenn sie daher - ungeachtet dieser, ihrer eigenen Auffassung - den Devolutionsantrag zurückwies, verkannte sie schon damit die Rechtslage.

Sie verkannte damit aber auch, dass im Ergebnis der Antrag vom 21. Juli 1994 auf "sofortige Erlassung einer Einstellungsverfügung" (hinsichtlich der Bauarbeiten an der gegenständlichen Anschlussbahn) unerledigt blieb. Wie der Verwaltungsgerichtshof im Beschluss eines verstärkten Senates vom 15. Dezember 1977, Slg. Nr. 9458/A, jedoch ausgesprochen hat, hat jede Partei des Verwaltungsverfahrens Anspruch auf Erlassung eines Bescheides, wenn ein Antrag (oder eine Berufung) offen ist. Dieser Anspruch ist auch dann gegeben, wenn die Voraussetzungen für die Zurückweisung des Antrages (oder der Berufung) vorliegen. In diesem Fall hat sie den Anspruch auf Erlassung eines Bescheides betreffend die Zurückweisung ihres Antrages (oder ihrer Berufung); auch im Streit um Parteistellung und Antragsbefugnis besteht, insoweit diese zur Entscheidung stehen, Parteistellung und entsprechende Entscheidungspflicht.

Die belangte Behörde verkannte also auch insofern die Rechtslage, als über den dem Verwaltungsgeschehen zugrundeliegenden Antrag auf "sofortige Erlassung einer Einstellungsverfügung" jedenfalls abzusprechen war, und sei es auch nur in Form einer Zurückweisung dieses Antrages, wobei den Beschwerdeführern, wie bereits gesagt, im Streit über die Antragsbefugnis über einen solchen Antrag insoweit (und anders als die belangte Behörde meint) Parteistellung zukommt. Der Devolutionsantrag vom 18. Juli 1995 war daher zulässig.

Es ist schließlich noch darauf hinzuweisen, dass dem angefochtenen Bescheid auch insoweit feststellender Charakter zukommt, als unter Hinweis auf § 8 AVG und § 34 Abs. 4 Eisenbahngesetz 1957 die Parteistellung der Beschwerdeführer in einem (allfälligen) eisenbahnrechtlichen Baugenehmigungsverfahren verneint wird. Über die strittige Parteistellung kann aber nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes mit Feststellungsbescheid nur während der Anhängigkeit des Verfahrens entschieden werden (vgl. etwa den Beschluss vom 10. Mai 1961, Slg. Nr. 5567/A, das Erkenntnis vom 16. November 1973, Slg. Nr. 8498/A, und den Beschluss vom 26. Mai 1993, Zl. 92/03/0208). Davon, dass ein eisenbahnrechtliches Baugenehmigungsverfahren anhängig wäre, geht selbst die belangte Behörde nicht aus. Sie meint sogar, dass ein solches Verfahren nicht durchzuführen sei.

Der angefochtene Bescheid war daher schon aus diesen Gründen wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil im Falle der Abtretung einer Beschwerde gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem im verwaltungsgerichtlichen Verfahren obsiegenden Beschwerdeführer kein Ersatz der Stempelgebühren zusteht, die er im vorangegangenen Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof zu entrichten hatte.

Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.

Wien, am 15. September 1999

Schlagworte

Anspruch auf bescheidmäßige Erledigung und auf Zustellung, Recht der Behörde zur Bescheiderlassung Feststellungsbescheide Parteibegriff Parteistellung strittige Rechtsnachfolger Zustellung Parteistellung Parteienantrag

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1996030101.X00

Im RIS seit

25.01.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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