TE Bvwg Erkenntnis 2018/11/2 I416 2164401-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 02.11.2018
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Entscheidungsdatum

02.11.2018

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §57
AVG §68 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs3 Z1
FPG §55 Abs1a

Spruch

I416 2164401-2/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Alexander BERTIGNOL als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX, StA. Nigeria, vertreten durch MigrantInnenverein St. Marx, Pulverturmgasse 4/2/R01, 1090 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl (BFA), Erstaufnahmestelle Ost (EASt-Ost) vom 29.08.2018, Zl. XXXX, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer stellte am 15.06.2015 einen ersten Antrag auf internationalen Schutz, den er zusammengefasst damit begründete, dass seine Mutter in Nigeria bei einem Bombenanschlag auf eine Kirche getötet worden sei und er niemanden mehr habe, der sich um ihn kümmere.

2. Mit Urteil des Landesgerichtes XXXX wurde der Beschwerdeführer gemäß § 27 Abs. 1 Z 1 8. Fall und Abs. 3 SMG zu einer bedingten Freiheitsstrafe von drei Monaten, unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren, verurteilt. Bei der Strafzumessung mildernd wurden der bisher ordentliche Lebenswandel und das reumütige Geständnis des Beschwerdeführers gewertet.

3. Mit Bescheid vom 26.06.2017, Zl. XXXX, wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Nigeria (Spruchpunkt II.) als unbegründet ab. Zugleich erteilte sie dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass seine Abschiebung nach Nigeria zulässig ist (Spruchpunkt III.). Eine Frist für die freiwillige Ausreise besteht nicht (Spruchpunkt IV.). Zugleich erkannte die belangte Behörde einer Beschwerde gegen diese Entscheidung die aufschiebende Wirkung ab (Spruchpunkt V.).

4. Am 30.06.2017 wurde er vom Landesgericht XXXX, wegen des Vergehens des Widerstandes gegen die Staatsgewalt nach §§ 15, 269 Abs. 1 erster Fall StGB und des Vergehens der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs. 1, 84 Abs. 2 StGB zu einer bedingten Freiheitsstrafe von acht Monaten verurteilt. Als Strafbemessungsgründe wurden mildernd das teilweises Geständnis, das Alter unter 21 Jahren sowie dass es teilweise beim Versuch geblieben ist gewertet. Erschwerend kamen die formal einschlägige Vorstrafe sowie das Zusammentreffen von zwei Vergehen hinzu.

5. Gegen den Bescheid der belangten Behörde erhob der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 12.07.2017 Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht, welche mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 10.04.2018, Zl. I415 2164401-1/10E als unbegründet abgewiesen wurde. Das Erkenntnis erwuchs in Rechtskraft.

6. Am 03.08.2018 wurde der Beschwerdeführer - zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung mit einem Einreiseverbot und zur Sicherung seiner Abschiebung - in Schubhaft genommen.

7. Am 14.08.2018 stellte der Beschwerdeführer aus dem Stande der Schubhaft den gegenständlichen Folgeantrag auf internationalen Schutz. Am selben Tag wurde er von den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes erstbefragt. Zur Frage, was sich seit Rechtskraft des Vorverfahrens mit 13.04.2018 konkret geändert habe, erklärte er: "Meine alten Asylgründe sind aufrecht. Außerdem bin ich homosexuell. Ich habe versucht, die Homosexualität auszuleben. Ich habe in meinem Leben viele Fehler gemacht. Ich möchte ein neues Leben anfangen und einige Korrekturen. Eine der Korrekturen ist mein Geburtsdatum. XXXX Ich wurde von Landsleuten falsch beraten und habe vorher immer eine falsche Identität angegeben."

8. Im Rahmen einer niederschriftlichen Einvernahme durch die belangte Behörde am 24.08.2018 zählte der Beschwerdeführer zunächst die im Erstverfahren vorgebrachten Fluchtgründe auf und erklärte, dass diese weiterhin bestehen. Als neuen Fluchtgrund gab er an, homosexuell zu sein. Dies sei ihm zwar schon vor seiner Ausreise aus Nigeria bewusst gewesen, jedoch habe er bisher Angst gehabt, seine Neigungen zu offenbaren. In Italien und Österreich habe er sexuelle Kontakte zu Männern gehabt. Auf die Frage, weshalb er diesen Fluchtgrund nicht bereits im Erstverfahren angegeben habe, antwortete der Beschwerdeführer, dass er nach wie vor verängstigt sei, weil es viele nigerianische Männer in Österreich gebe und man nie wissen könne, wie diese darauf reagieren. Der Beschwerdeführer fürchte im Falle einer Rückkehr viele Dinge. Seine Eltern seien schon tot und er habe nur eine Schwester. Er wisse nicht, wovon er leben solle. In Nigeria habe es keine Vorfälle wegen seiner Homosexualität gegeben, doch er habe gehört, dass dort die Situation sehr schlecht sei.

9. Mit gegenständlich angefochtenem Bescheid vom 29.08.2018 wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 14.08.2018 hinsichtlich des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und hinsichtlich des Stratus des subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II.) wegen entschiedener Sache nach § 68 Abs. 1 AVG zurück. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Weiters wurde eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt IV.) und festgestellt, dass die Abschiebung nach Nigeria zulässig sei (Spruchpunkt V.). Es wurde keine Frist für eine freiwillige Ausreise gewährt (Spruchpunkt VI.). Gegen den Beschwerdeführer wurde ein auf die Dauer von drei Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VII.)

10. Dagegen erhob der Beschwerdeführer durch seine Rechtsvertretung am 28.09.2018 fristgerecht Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht und begründete dies im Wesentlichen mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit, Mangelhaftigkeit des Verfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung. Anders als von der belangten Behörde ausgeführt, habe sich der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt seit Rechtskraft des ersten Asylverfahrens maßgeblich geändert. Der belangten Behörde sei es nicht in einer nachvollziehbaren Weise gelungen, die Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers zu widerlegen. Die vom Beschwerdeführer vorgebrachten Sachverhaltsänderungen sowie die Veränderungen in der Sicherheitslage in Nigeria seit Rechtskraft des Vorverfahrens seien nicht in die Beweiswürdigung eingeflossen und die belangte Behörde habe verabsäumt, auf den konkreten Fall des Beschwerdeführers einzugehen. Das Vorbringen des Beschwerdeführers entspreche der Wahrheit, sei glaubwürdig und substantiiert. Ihm drohe in seiner Heimat asylrelevante Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention. Es bestehe die Gefahr, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Abschiebung in eine existentielle Notlage gerate. Deshalb hätte man ihm subsidiären Schutz gewähren müssen bzw. aufgrund der Schutzwürdigkeit seines Privat- und Familienlebens in Österreich eine Rückkehrentscheidung auf Dauer für unzulässig erklären. Es wurde beantragt, den Asylantrag des Beschwerdeführers inhaltlich zu behandeln; ihm die Flüchtlingseigenschaft zuzusprechen; allenfalls subsidiären Schutz zu gewähren; allenfalls den bekämpften Bescheid aufzuheben und zur Ergänzung des Verfahrens an die 1. Instanz zurückzuverweisen; aufschiebende Wirkung zu gewähren; einen landeskundigen Sachverständigen zu beauftragen, der sich mit der aktuellen Situation in Nigeria befasse; eine mündliche Beschwerdeverhandlung anzuberaumen; allenfalls einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen zu erteilen; allenfalls eine Rückkehrentscheidung auf Dauer für unzulässig zu erklären; allenfalls die Unzulässigkeit der Abschiebung festzustellen; das Einreiseverbot aufzuheben; allenfalls die Dauer des Einreiseverbotes zu verkürzen.

11. Beschwerde und Verwaltungsakt wurden dem Bundesverwaltungsgericht am 02.10.2018 vorgelegt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der unter Punkt I. beschriebene Verfahrensgang wird als Sachverhalt festgestellt. Darüber hinaus werden folgende Feststellungen getroffen:

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Nigeria und somit Drittstaatsangehöriger im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 20b Asylgesetz. Seine Identität steht in Ermangelung identitätsbezeugender Dokumente nicht fest.

Der Beschwerdeführer ist volljährig und leidet weder an einer schweren Krankheit, noch ist er längerfristig pflege- oder rehabilitationsbedürftig. Er ist jung, gesund und arbeitsfähig. Sein Gesundheitszustand steht daher seiner Rückkehr nicht entgegen.

Der Beschwerdeführer verfügt über familiäre Anknüpfungspunkte in Nigeria. In Österreich hat er keine Verwandten und über keine maßgeblichen privaten oder familiären Beziehungen. Er ist für niemanden sorgepflichtig.

Eine besondere Integrationsverfestigung des Beschwerdeführers in Österreich in sprachlicher, beruflicher und kultureller Hinsicht ist nicht feststellbar.

Der Beschwerdeführer geht keiner legalen Beschäftigung nach und ist nicht selbsterhaltungsfähig.

Der Beschwerdeführer ist in Österreich straffällig in Erscheinung getreten.

Mit Urteil des Landesgerichtes XXXX wurde er gemäß § 27 Abs. 1 Z 1

8. Fall und Abs. 3 SMG zu einer bedingten Freiheitsstrafe von drei Monaten verurteilt.

Am 30.06.2017 wurde er vom Landesgericht XXXX, wegen des Vergehens des Widerstandes gegen die Staatsgewalt nach §§ 15, 269 Abs. 1 erster Fall StGB und des Vergehens der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs. 1, 84 Abs. 2 StGB zu einer bedingten Freiheitsstrafe von acht Monaten verurteilt.

Es existieren unter Berücksichtigung aller bekannten Tatsachen keine in der Person des Beschwerdeführers gelegenen Umstände, welche einer Rückkehr nach Nigeria entgegenstehen.

1.2. Zu den Fluchtmotiven des Beschwerdeführers:

Zwischen rechtskräftigem Abschluss des Erstverfahrens und der Zurückweisung des gegenständlichen Folgeantrages auf internationalen Schutz wegen entschiedener Sache mit Bescheid vom 29.08.2018 ist keine wesentliche Änderung der Sach- oder Rechtslage eingetreten.

Der Beschwerdeführer brachte im gegenständlichen Asylverfahren keine entscheidungsrelevanten neuen Fluchtgründe vor, denen zumindest ein glaubhafter Kern innewohnt.

1.3 Zu den Feststellungen zur Lage in Nigeria:

Die individuelle Situation für den Beschwerdeführer hinsichtlich seines Herkunftsstaates Nigeria hat sich nicht in einem Umfang verändert, der auf eine wesentliche Änderung des Sachverhaltes schließen lässt. Auch die Rechtslage blieb, soweit entscheidungsrelevant, unverändert.

Die wesentlichen Feststellungen lauten:

Das politische System Nigerias orientiert sich stark am System der Vereinigten Staaten; in der Verfassungswirklichkeit dominieren der Präsident und die ebenfalls direkt gewählten Gouverneure. Die lange regierende People¿s Democratic Party (PDP) musste nach den Wahlen 2015 erstmals seit 1999 in die Opposition; seither ist die All Progressives¿ Congress (APC) unter Präsident Muhammadu Buhari an der Macht.

In Nigeria herrscht keine Bürgerkriegssituation, allerdings sind der Nordosten, der Middle Belt und das Nigerdelta von Unruhen und Spannungen geprägt. Für einzelne Teile Nigerias besteht eine Reisewarnung, insbesondere aufgrund des hohen Entführungsrisikos.

Im Norden und Nordosten Nigerias hat sich die Sicherheitslage verbessert; in den ländlichen Teilen der Bundesstaaten Borno, Yobe und Adamawa kommt es aber weiterhin zu Anschlägen der Boko Haram. Es gelang den Sicherheitskräften zwar, Boko Haram aus den meisten ihrer Stellungen zu vertreiben, doch war es kaum möglich, die Gebiete vor weiteren Angriffen durch die Islamisten zu schützen. Der nigerianischen Armee wird vorgeworfen, im Kampf gegen Boko Haram zahlreiche Menschenrechtsverletzungen begangen zu haben; die von Präsident Buhari versprochene Untersuchung blieb bisher aber folgenlos.

Das Nigerdelta (Bundesstaaten Ondo, Edo, Delta, Bayelsa, Rivers, Imo, Abia, Akwa Ibom und Cross River) ist seit Jahren von gewalttätigen Auseinandersetzungen und Spannungen rund um die Verteilung der Einnahmen aus den Öl- und Gasreserven geprägt. Von 2000 bis 2010 agierten in der Region militante Gruppen, die durch ein im Jahr 2009 ins Leben gerufene Amnestieprogramm zunächst beruhigt wurden. Nach dem Auslaufen des Programmes Ende 2015 brachen wieder Unruhen aus, so dass eine weitere Verlängerung beschlossen wurde. Die Lage hat sich seit November 2016 wieder beruhigt, doch bleibt sie volatil. Insbesondere haben Angriffe auf die Ölinfrastrukturen in den letzten zwei Jahren wieder zugenommen. Abgelegene Gebiete im Nigerdelta sind teils auch heute noch unter der Kontrolle separatistischer und krimineller Gruppen.

In Zentralnigeria (Middle Belt bzw. Jos Plateau) kommt es immer wieder zu lokalen Konflikten zwischen ethnischen, sozialen und religiösen Gruppen. Der Middle Belt bildet eine Brücke zwischen dem vorwiegend muslimischen Nordnigeria und dem hauptsächlich christlichen Süden. Der Ursprung dieser Auseinandersetzungen, etwa zwischen (überwiegend muslimischen nomadischen) Hirten und (überwiegend christlichen) Bauern, liegt oft nicht in religiösen Konflikten, entwickelt sich aber häufig dazu.

Die Justiz Nigerias hat ein gewisses Maß an Unabhängigkeit und Professionalität erreicht, doch bleibt sie politischem Einfluss, Korruption und einem Mangel an Ressourcen ausgesetzt. Eine systematisch diskriminierende Strafverfolgung ist nicht erkennbar, doch werden aufgrund der herrschenden Korruption tendenziell Ungebildete und Arme benachteiligt. Das Institut der Pflichtverteidigung gibt es erst in einigen Bundesstaaten. In insgesamt zwölf nördlichen Bundesstaaten wird die Scharia angewendet, Christen steht es aber frei, sich einem staatlichen Gerichtsverfahren zu unterwerfen. Der Polizei, die durch geringe Besoldung und schlechte Ausrüstung eingeschränkt ist, wird oftmals die Armee zur Seite gestellt. Insgesamt ist trotz der zweifelsohne vorhandenen Probleme im Allgemeinen davon auszugehen, dass die nigerianischen Behörden gewillt und fähig sind, Schutz vor nichtstaatlichen Akteuren zu bieten. Problematisch ist aber insbesondere, dass Gefangene häufig Folterung und Misshandlung ausgesetzt sind. Disziplinarrechtliche oder strafrechtliche Folgen hat dies kaum. Die Bedingungen in den Haftanstalten sind hart und lebensbedrohlich. Nigeria hält an der Todesstrafe fest, diese ist seit 2006 de facto ausgesetzt, wobei es in den Jahren 2013 und 2016 in Edo State aber zu einzelnen Hinrichtungen gekommen war. Die Regierung Buharis hat der Korruption den Kampf erklärt, doch mangelt es ihr an effektiven Mechanismen.

Die Menschenrechtssituation in Nigeria hat sich in den letzten 20 Jahren verbessert, schwierig bleiben aber die allgemeinen Lebensbedingungen. Die Versammlungsfreiheit ist verfassungsrechtlich garantiert, wird aber gelegentlich durch das Eingreifen von Sicherheitsorganen bei politisch unliebsamen Versammlungen eingeschränkt. Die politische Opposition kann sich aber grundsätzlich frei betätigen; es gibt auch keine Erkenntnisse über die Verfolgung von Exilpolitikern durch die nigerianische Regierung. Gelegentlich gibt es aber, vor allem bei Gruppen mit sezessionistischen Zielen, Eingriffe seitens der Staatsgewalt. Dabei ist insbesondere die Bewegung im Süden und Südosten Nigerias zu nennen, die einen unabhängigen Staat Biafra fordert. Dafür treten sowohl das Movement for the Actualisation of the Sovereign State of Biafra (MASSOB) und die Indigenous People of Biafra (IPOB) ein. Seit der Verhaftung des Leiters des inzwischen verbotenen Radiosenders "Radio Biafra" im Oktober 2015 kommt es vermehrt zu Demonstrationen von Biafra-Anhänger, gegen die laut verschiedenen Berichten, unter anderem von Amnesty International, von den nigerianischen Sicherheitskräften mit Gewalt vorgegangen worden sein soll.

Im Vielvölkerstaat Nigeria ist Religionsfreiheit einer der Grundpfeiler des Staatswesens. Etwa 50% der Bevölkerung sind Muslime, 40 bis 45% Christen und der Rest Anhänger von Naturreligionen. Im Norden dominieren Muslime, im Süden Christen. Religiöse Diskriminierung ist verboten. In der Praxis bevorzugen die Bundesstaaten aber in der Regel die jeweils durch die lokale Mehrheitsbevölkerung ausgeübte Religion. Insbesondere in den Scharia-Staaten ist die Situation für Christen sehr schwierig. Die Toleranz zwischen den Glaubensgemeinschaften ist nur unzureichend ausgeprägt, mit Ausnahme der Yoruba im Südwesten Nigerias, unter denen auch Ehen zwischen Christen und Muslimen verbreitet sind. Speziell in Zentralnigeria kommt es zu lokalen religiösen Auseinandersetzungen, die auch zahlreiche Todesopfer gefordert haben. In Nigeria gibt es auch noch Anhänger von Naturreligionen ("Juju"); eine Verweigerung der Übernahme einer Rolle als Priester kann schwierig sein, doch wird dies nicht als Affront gegen den Schrein empfunden und sind auch keine Fälle bekannt, in denen dies zu einer Bedrohung geführt hätte. Im Süden Nigerias sind auch Kulte und Geheimgesellschaften vorhanden; insbesondere im Bundesstaat Rivers überschneiden sich Kulte häufig mit Straßenbanden, kriminellen Syndikaten etc. Mafiöse Kulte prägen trotz ihres Verbotes das Leben auf den Universitäten; es wird auch über Menschenopfer berichtet.

Insgesamt gibt es (je nach Zählweise) mehr als 250 oder 500 Ethnien in Nigeria. Die wichtigsten sind die Hausa/Fulani im Norden, die Yoruba im Südwesten und die Igbo im Südosten. Generell herrscht in Nigeria Bewegungsfreiheit und ist Diskriminierung aufgrund der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Ethnie verboten. Allerdings diskriminieren Gesetze jene ethnischen Gruppen, die am jeweiligen Wohnort nicht eigentlich indigen sind. So werden etwa Angehörige der Volksgruppe Hausa/Fulani im Bundesstaat Plateau diskriminiert.

Generell besteht aufgrund des fehlenden Meldewesens in vielen Fällen die Möglichkeit, Verfolgung durch Umzug in einen anderen Teil des Landes auszuweichen. Dies kann aber mit gravierenden wirtschaftlichen und sozialen Problemen verbunden sein, wenn man sich an einen Ort begibt, in dem keinerlei Verwandtschaft oder Bindung zur Dorfgemeinschaft besteht.

Nigeria verfügt über sehr große Öl- und Gasvorkommen, der Großteil der Bevölkerung ist aber in der Landwirtschaft beschäftigt. Abgesehen vom Norden gibt es keine Lebensmittelknappheit. Mehr als zwei Drittel der Bevölkerung leben in absoluter Armut. Offizielle Arbeitslosenstatistiken gibt es nicht, allerdings gehen verschiedene Studien von einer Arbeitslosigkeit von 80% aus. Die Großfamilie unterstützt beschäftigungslose Angehörige. Es kann allgemein festgestellt werden, dass eine nach Nigeria zurückgeführte Person, die in keinem privaten Verband soziale Sicherheit finden kann, keiner lebensbedrohlichen Situation überantwortet wird und ihre existentiellen Grundbedürfnisse aus selbstständiger Arbeit sichern kann, insbesondere dann, wenn Rückkehrhilfe angeboten wird.

Die medizinische Versorgung ist mit jener in Europa nicht vergleichbar, sie ist vor allem im ländlichen Bereich problematisch. Leistungen der Krankenversicherung kommen nur etwa 10% der Bevölkerung zugute. In den Großstädten ist eine medizinische Grundversorgung zu finden, doch sind die Behandlungskosten selbst zu tragen. Medikamente sind verfügbar, können aber teuer sein.

Besondere Probleme für abgeschobene Asylwerber nach ihrer Rückkehr nach Nigeria sind nicht bekannt. Das "Decree 33", das eine Doppelbestrafung wegen im Ausland begangener Drogendelikte theoretisch ermöglichen würde, wird nach aktueller Berichtslage nicht angewandt.

Eine nach Nigeria zurückkehrende Person, bei welcher keine berücksichtigungswürdigen Gründe vorliegen, wird durch eine Rückkehr nicht automatisch in eine unmenschliche Lage versetzt.

Der Beschwerdeführer erstattete kein substantiiertes Vorbringen hinsichtlich einer ihm drohenden Gefährdung in seinem Herkunftsstaat im Falle seiner Rückkehr und ergaben sich auch amtswegig keine diesbezüglichen Hinweise.

Zusammenfassend wird festgestellt, dass sich die individuelle Situation für den Beschwerdeführer hinsichtlich seines Herkunftsstaates Nigeria nicht in einem Umfang verändert hat, dass von einer wesentlichen Änderung des Sachverhalts auszugehen ist, weshalb festgestellt wird, dass eine Abschiebung des Beschwerdeführers nach Nigeria weder eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeutet noch für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringt.

2. Beweiswürdigung:

Der erkennende Einzelrichter des Bundesverwaltungsgerichtes hat nach dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung über die Beschwerde folgende Erwägungen getroffen:

2.1. Zum Sachverhalt:

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten der belangten Behörde und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes. Einsicht wurde auch genommen in den Gerichtsakt des Bundesverwaltungsgerichtes zu I415 2164401-1 und damit zum Beschwerdeverfahren des vorangegangenen Asylverfahrens. Auskünfte aus dem Strafregister, dem Zentralen Melderegister (ZMR) und der Grundversorgung (GVS) wurden ergänzend zum vorliegenden Akt eingeholt.

Die belangte Behörde hat ein mängelfreies, ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren durchgeführt und in der Begründung des angefochtenen Bescheides die Ergebnisse dieses Verfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammengefasst. Das Bundesverwaltungsgericht verweist daher zunächst auf diese schlüssigen und nachvollziehbaren beweiswürdigenden Ausführungen der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid.

Auch der Beschwerde vermag das Bundesverwaltungsgericht keine neuen Sachverhaltselemente zu entnehmen, die geeignet wären, die von der belangten Behörde getroffene Entscheidung in Frage zu stellen, sodass das Bundesverwaltungsgericht den maßgeblichen Sachverhalt als ausreichend ermittelt und somit entscheidungsreif ansieht und sich der vorgenommenen Beweiswürdigung vollinhaltlich anschließt.

2.2 Zur Person des Beschwerdeführers:

Die Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers und zu seinen persönlichen Verhältnissen in Österreich ergeben sich aus seinen entsprechenden Äußerungen gegenüber dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl und den Sicherheitsorganen. Die entsprechenden Feststellungen im angefochtenen Bescheid blieben unwidersprochen.

Dass der Beschwerdeführer gesund und arbeitsfähig ist ergibt sich daraus, dass sich unter Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen im Verfahren keine Hinweise ergeben haben, dass er an einer schweren körperlichen oder psychischen Krankheit leidet. Laut eigener Angabe befindet er sich derzeit nicht in ärztlicher Behandlung und benötigt auch keine Medikamente. Auch in der Beschwerde wurde nichts Gegenteiliges vorgebracht.

Die Feststellungen betreffend die persönlichen Verhältnisse und die Lebensumstände des Beschwerdeführers in Österreich, sowie dass weder ein schützenswertes Privat- noch Familienleben im Sinne der EMRK, sowohl in zeitlicher Hinsicht als auch in Bezug auf die erforderliche Intensität besteht, ergeben sich aus seinen eigenen Angaben.

Der Beschwerdeführer brachte weder vor der belangten Behörde noch in der gegenständlichen Beschwerde konkrete Angaben vor, welche die Annahme eine umfassende Integration in sprachlicher, gesellschaftlicher und beruflicher Hinsicht in Österreich rechtfertigen würden. Alle von Seiten des Beschwerdeführers vorgenommenen integrativen Schritte wurden bereits im Vorverfahren einer Interessensabwägung im Sinne des Art. 8 EMRK unterzogen, weshalb nicht von einer entscheidungswesentlichen Änderung des Sachverhaltes im Sinne einer nachhaltigen Aufenthaltsverfestigung ausgegangen werden kann.

Die Feststellungen zu seinen strafgerichtlichen Verurteilungen ergeben sich aus einer Abfrage des Strafregisters der Republik Österreich vom 03.10.2018.

2.3. Zum Vorbringen des Beschwerdeführers:

Die Feststellungen zu den vom Beschwerdeführer geltend gemachten Fluchtgründen stützen sich auf seine Angaben in den jeweiligen Asylverfahren.

Der Beschwerdeführer hatte im Verfahren zu seinem ersten Antrag auf internationalen Schutz vom 15.05.2015 erklärt, dass seine Mutter in Nigeria bei einem Bombenanschlag auf eine Kirche getötet worden sei und er niemanden mehr habe, der sich um ihn kümmere. Das Bundesverwaltungsgericht kam im rechtskräftigen Erkenntnis vom 10.04.2018, Zl. I415 2164401-1/10E zum Schluss, dass der Antrag unbegründet war.

Am 14.08.2018 stellte der Beschwerdeführer aus dem Stande der Schubhaft einen Folgeantrag auf internationalen Schutz.

Vom Bundesverwaltungsgericht ist im gegenständlichen Verfahren zu prüfen, ob zwischen der Rechtskraft des vorangegangenen Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichtes und der Zurückweisung des gegenständlichen Antrages wegen entschiedener Sache mit Bescheid vom 29.08.2018 eine wesentliche Änderung der Sach- oder Rechtslage eingetreten ist.

Eine solche wesentliche Änderung der Sach- oder Rechtslage ist nicht erkennbar. Bezüglich der weiterhin als Fluchtgrund aufrecht erhaltenen Probleme aus dem Vorverfahren ist anzumerken, dass sich diesbezüglich seit Rechtskraft der erstinstanzlichen Entscheidung keine Änderung ergeben hat und deshalb kein neu entstandener Sachverhalt erkannt werden konnte.

Dass im gegenständlichen zweiten Asylverfahren, dargelegtes Vorbringen, wonach er homosexuell sei, war ihm bereits vor seiner Ausreise aus Nigeria und somit zu einem Zeitpunkt bekannt, als das Verfahren zu seiner ersten Asylantragsstellung noch nicht rechtskräftig abgeschlossen war und hätte er solches bereits in diesem Verfahren vorzubringen gehabt.

Ungeachtet dessen stuft die Behörde die von ihm behauptete Homosexualität im angefochtenen Bescheid als unglaubhaft ein. Dieser Ansicht schließt sich der erkennende Richter an, und zwar aus mehreren Gründen:

Nach allgemeiner Lebenserfahrung ist davon auszugehen, dass ein Asylwerber, der bemüht ist, in einem Land Aufnahme und Schutz zu finden, in der Regel bestrebt ist, alles diesem Wunsch dienliche vorzubringen und zumindest die Kernfluchtgeschichte möglichst passend und gleichbleibend schildert, sodass der Behörde erkennbar ist, welchen massiven Bedrohungen er im Herkunftsland ausgesetzt ist. Während der Beschwerdeführer in seinem ersten Asylverfahren noch einen völlig anderen Fluchtgrund angab, baute er den Sachverhalt im Folgeverfahren dahingehend aus, dass er homosexuell sei.

Es kann in diesem Zusammenhang auch nicht unberücksichtigt bleiben, dass der Beschwerdeführer im Rahmen seines ersten Asylantrages bereits einmal den Rechtsgang zum Bundesverwaltungsgericht genommen hat und im Zuge dessen die angeblich bestehende Homosexualität mit keinem Wort erwähnt hat, obwohl er in der Beschwerde vom Verein Menschenrechte Österreich unterstützt wurde, sowie dass der Beschwerdeführer im gegenständlichen Verfahren eine neue Identität angegeben hat. Die zeugt nach Ansicht des erkennenden Richters, auch von seiner persönlichen Unglaubwürdigkeit, die sich letztlich auch in seinen Angaben dazu wiederspiegelt: "Als ich hier ankam hat man mir in Traiskirchen empfohlen, einen anderen Namen anzugeben. Leute die ich dort kennengelernt habe. Das ist der Grund."

Der VwGH hat darüberhinaus bereits mehrmals ausgesprochen, dass bei gleichbleibenden Verhältnissen im Herkunftsland bei gesteigertem Vorbringen des Asylwerbers die Wertung des Vorbringens als unglaubwürdig schlüssig nachvollzogen werden kann. (VwGH 27.04.2006, 2002/20/0170) Ein spätes, gesteigertes Vorbringen kann aus Sicht des VwGH als unglaubwürdig qualifiziert werden. Denn kein Asylwerber würde wohl eine sich bietende Gelegenheit, zentral entscheidungsrelevantes Vorbringen zu erstatten, ungenützt vorübergehen lassen. (VwGH 07.06.2000, 2000/01/0250)

Der Beschwerdeführer erklärt sein langes Zögern mit der massiven Tabuisierung gerade männlicher Homosexualität in der Westafrikanischen Kultur und mit der Angst, dass andere nigerianische Männer in Österreich davon erfahren könnten. Es wird dabei nicht verkannt, dass aus dem Umstand allein, dass eine Person zögert, intime Aspekte ihres Lebens zu offenbaren und ihre Homosexualität nicht sofort angibt, nicht automatisch auf ihre Unglaubwürdigkeit geschlossen werden kann.

Allerdings deuten im konkreten Fall insbesondere die vagen und auch widersprüchlichen Aussagen des Beschwerdeführers stark auf ein konstruiertes Fluchtvorbringen hin. Das Bundesverwaltungsgericht stimmt aufgrund der unplausiblen, widersprüchlichen und nicht nachvollziehbaren Angaben des Beschwerdeführers der belangten Behörde zu, dass diesem Vorbringen kein glaubhafter Kern innewohnt, weshalb es letztlich als untauglicher Versuch, bei seinem bereits rechtskräftig abgeschlossenen Asylverfahren eine entscheidungsrelevante Sachverhaltsänderung zu belegen, zu qualifizieren ist. Dies insbesondere ausfolgenden Erwägungen:

So hat der Beschwerdeführer bis zu seiner neuerlichen Antragsstellung auf internationalen Schutz stets Beziehungen zu Frauen angegeben. In seiner Einvernahme zur Schubhaftverhängung am 04.08.2018 erklärte der Beschwerdeführer beispielsweise noch, er sei im Jahr 2015 wegen seiner Freundin von Italien nach Österreich gekommen, von der er sich mittlerweile getrennt habe, und dass er nun eine Lebensgefährtin namens XXXX habe, die er seit drei Monaten kenne. Bei seiner Einvernahme am 24.08.2018 erklärte er, er habe seit rund einem Monat eine neue Freundin. Von der belangten Behörde dazu befragt, sagte der Beschwerdeführer: "Jeder Mensch hat im Leben ein Geheimnis, es ist ja nicht so, dass ich nur Frauen habe, aber man will halt nicht alles immer zugeben." In Österreich habe der Beschwerdeführer keinen Freund, da er immer noch Angst habe und führte auf die Frage, ob er in Österreich homosexuelle Beziehungen habe wörtlich unsubstantiiert aus: "Manchmal gehe ich in Clubs und manchmal auch im Zug, wenn ich von Leuten angesprochen werde." Auch auf die Frage nach den homosexuellen Kontakten in Österreich führte er lediglich unsubstantiiert aus: "Ich habe die Namen vergessen."

Der Beschwerdeführer konnte außerdem weder szenetypische Lokale in Österreich angeben, noch konnte er die Namen der spezifischen Internetseiten und Dating Seiten benennen, die er laut eigener Aussage manchmal besuche würde. Auch kannte er die Bedeutung der Regenbogenflagge nicht, die weltweit als das Symbol der LGBT-Bewegung gilt.

Es sollte auch nicht unerwähnt bleiben, dass der Beschwerdeführer, befragt zu seinen Gründen für die neuerliche Asylantragstellung erst auf mehrmalige Nachfrage angab, dass er homosexuell sei. Die Befragung des Beschwerdeführers (VP) durch den Leiter der Amtshandlung (LA) zu den neuen Fluchtgründen im Rahmen der niederschriftlichen Einvernahme am 24.08.2018 stellte sich folgendermaßen dar (im Folgenden ein Auszug aus der Niederschrift):

"LA: Warum stellen Sie neuerlich einen Antrag auf internationalen Schutz?

VP: Weil ich nicht nach Nigeria zurück will. Als ich damals meinen Antrag stellte hat man mir gesagt, dass ich nach Nigeria zurück muss. Ich will das aber nicht. (...)"

(...)

LA: (...) Warum stellen Sie einen neuen Asylantrag?

VP: Weil die Polizistin mir gesagt haben, dass ich nach Nigeria abgeschoben werde.

LA: Aber aus welchem Grund stellen Sie einen neuen Asylantrag?

VP: Ja es gibt viele Gründe. Ich habe meinen Vater verloren als ich 3 Monate alt war und meine Mutter hat mir das erzählt. Ich bin dann in Abuja aufgewachsen. Ich habe das alles in meinem früheren Verfahren und auch in Italien erzählt.

LA: Ihre alten Gründe wurden im Vorigen Verfahren schon entschieden. Gibt es neue Gründe für Ihre Asylantragstellung?

VP: Wissen Sie es gibt im Leben manchmal Momente, dass man sich selbst besser versteht und ich hatte auch dieses Gefühl, dass ich mich für Männer interessiere und mich von Männern angezogen fühle. Das war auch schon in Nigeria, aber in Nigeria ist das ja verboten. Als ich hier her kam hatte ich noch Angst, weil ich nicht wusste, ob man das hier machen darf. Jetzt weiß ich, dass es hier erlaubt ist und deswegen will ich auch hier bleiben."

Insgesamt war es dem Beschwerdeführer trotz eingehender Befragung nicht möglich, persönlich wahrgenommene Details der Handlungsabläufe sowie allenfalls besondere Interaktionen von handelnden Personen ins Treffen zu führen bzw. allenfalls über seine eigene diesbezügliche Gefühlslage zu berichten und so beim Zuhörer den Eindruck zu erwecken, dass er all dies selbst höchstpersönlich durchlebt habe.

Im Gegenteil beschränkte sich der Beschwerdeführer während der gesamten Einvernahme auf eine wortkarge Darlegung einiger weniger Eckpunkte, die Antworten auf die gestellten Fragen waren grundsätzlich kurz - eine detaillierte oder umfassende Erzählung der Ereignisse war ihm im Zuge der gesamten Einvernahme nicht möglich. Obwohl der Beschwerdeführer seitens des BFA aufgefordert wurde, die Wahrheit zu sagen, nichts zu verschweigen und alle zur Begründung des Antrages erforderlichen Anhaltspunkte selbständig und über Nachfrage wahrheitsgemäß darzulegen, beantwortete er die ihm gestellten Fragen in äußerst knapper Weise. Nach allgemeiner Lebenserfahrung ist jedoch davon auszugehen, dass ein Asylwerber, der bemüht ist, in einem Land Aufnahme und Schutz zu finden, in der Regel bestrebt ist, alles diesem Wunsch dienliche vorzubringen und zumindest die Kernfluchtgeschichte möglichst umfassend zu schildern, sodass der Behörde erkennbar ist, welchen massiven Bedrohungen er im Herkunftsland ausgesetzt ist. Die knappen, vagen und inhaltsleeren Angaben des Beschwerdeführers waren jedoch nicht geeignet, eine derart schwere Verfolgung glaubhaft zu machen, die ihn dazu getrieben hätten, eine neuerlichen Antrag auf internationalen Schutz zu stellen.

Der Beschwerdeführer berichtete auch nicht von sich aus über die Geschehnisse im Rahmen einer schlüssigen Wiedergabe, so wie eben Menschen berichten, welche das Erzählte tatsächlich erlebt haben. Diese Feststellung kann insofern getroffen werden, als es aus der Praxis des Bundesverwaltungsgerichts notorisch ist, dass detailreiche Aussagen mit Realkennzeichen in der Regel für die Glaubwürdigkeit des entsprechenden Vortrages sprechen. Hier ergibt sich also in der Gesamtschau mit den anderen Ausführungen zur Beweiswürdigung ein wesentliches Indiz für die mangelnde Glaubwürdigkeit des zentralen Asylvorbringens des Beschwerdeführers, an dem auch der vom Beschwerdeführer im Rahmen seiner Beschwerde ins Treffen geführte Bildungsgrad nichts zu ändern vermag. Es kann in diesem Zusammenhang auch nicht als Aufgabe des BFA gesehen werden, seine ungenauen Angaben bzw. Andeutungen durch mehrmaliges Nachfragen zu konkretisieren, sondern liegt es am Beschwerdeführer ein detailliertes und stimmiges Vorbringen zu erstatten, um die nötige Glaubwürdigkeit zu erlangen.

Ein weiteres Indiz dafür, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers nicht der Wahrheit entspricht, ist die Tatsache, dass der neuerliche Antrag erst gestellt wurde, als der Beschwerdeführer bereits in Schubhaft war und seine Abschiebung unmittelbar bevorstand.

Insofern liegt nach Ansicht des erkennenden Richters das Argument, dass der Beschwerdeführer mit dem Folgenantrag den Versuch unternommen hat, seinen Aufenthalt im Bundesgebiet zu verlängern, wesentlich näher, als dass er es tatsächlich aus Scham bzw. Angst nicht geschafft hätte, sich während seines Erstverfahrens auf internationalen Schutz zu öffnen und seine angebliche Homosexualität vorzubringen.

In der Zusammenschau ist sohin den Ausführungen der belangten Behörde beizutreten, dass der Beschwerdeführer keine glaubhaften Fluchtgründe und sohin keinen neuen entscheidungserheblichen Sachverhalt vorgebracht hat.

Im Übrigen ist der Vollständigkeit halber darauf zu verweisen, dass - wie in der rechtlichen Würdigung darzulegen sein wird - mit der Behauptung einer seit mindestens 2014 manifesten Homosexualität des Beschwerdeführers im Rahmen des gegenständlichen Folgeantrags selbst bei hypothetischer Wahrunterstellung nichts zu gewinnen wäre.

Der Beschwerdeführer bestreitet den von der belangten Behörde festgestellten Sachverhalt nicht substantiiert und erstattete in der Beschwerde auch kein konkretes sachverhaltsbezogenes Vorbringen, sodass das Bundesverwaltungsgericht den maßgeblichen Sachverhalt als ausreichend ermittelt ansieht und sich der von der belangten Behörde vorgenommenen, nachvollziehbaren Beweiswürdigung vollumfänglich anschließt.

Das Bundesverwaltungsgericht kommt daher zum Schluss, dass der Beschwerdeführer im gegenständlichen Folgeverfahren keine entscheidungsrelevanten neuen Fluchtgründe vorbrachte. Dass sich die Situation in Nigeria seit der rechtskräftigen Vorentscheidung maßgeblich geändert hätte, wurde zwar vom Beschwerdeführer behauptet, allerdings geht die Beschwerde überhaupt nicht darauf ein, inwiefern eine Änderung eingetreten sei und entspricht eine solche auch nicht dem Amtswissen des Bundesverwaltungsgerichtes. Wenn der Beschwerdeführer geltend macht, dass sich die belangte Behörde ausführlicher mit der politische Situation in Nigeria in Zusammenhang mit der behaupteten Homosexualität des Beschwerdeführers befassen hätte sollen, ist dem entgegenzuhalten, dass dieses Vorbringen ins Leere geht, weil dem diesbezüglichen Vorbringen des Beschwerdeführers ohnehin kein glaubhafter Kern innewohnt. In diesem Zusammenhang ist insbesondere auch darauf zu verweisen, dass zwischen den zwei Asylverfahren nur wenige Monate liegen. Es ist daher insgesamt weder eine Änderung der Rechts- noch der Sachlage erkennbar.

Wenn in der Beschwerde darüberhinaus unsubstantiiert angeführt wird, dass die Asylrelevanz seines Vorbringens festzustellen sei, da er deutlich angegeben habe, worin die gegen ihn gerichtete Verfolgung bestehen würde und dass die heimatlichen Behörden ihm den Schutz verweigert hätten, so ist dem entgegenzuhalten, dass die Behörde aufgrund seiner Angaben in seinen Einvernahmen schlüssig und nachvollziehbar ausgeführt hat, warum sie ihm die Glaubwürdigkeit hinsichtlich seines nunmehrigen Vorbringens abgesprochen hat, wobei auch seitens der Rechtsvertretung im Beschwerdeschriftsatz keine substantiierte Auseinandersetzung mit der seitens der belangten Behörde vorgenommenen Beweiswürdigung erfolgte bzw. nicht substantiiert aufgezeigt wurde, warum es sich im gegenständlichen Fall entgegen der Ansicht der belangten Behörde um keine "entschiedene Sache" handle.

Bei Folgeanträgen sind die Asylbehörden auch dafür zuständig, mögliche Sachverhaltsänderungen in Bezug auf den subsidiären Schutzstatus des Antragstellers einer Prüfung zu unterziehen (vgl. VwGH 15.05.2012, 2012/18/0041). Eine Änderung der Situation in Nigeria in den letzten Monaten wurde aber - wie bereits ausgeführt - auch in der Beschwerde nicht behauptet und entspricht dies nicht dem Amtswissen des Bundesverwaltungsgerichtes. Es sind auch keine wesentlichen in der Person des Beschwerdeführers liegenden neuen Sachverhaltselemente bekannt geworden, etwa eine schwere Erkrankung oder ein sonstiger auf seine Person bezogener außergewöhnlicher Umstand, welcher eine neuerliche umfassende Refoulementprüfung notwendig erscheinen ließe. Der Beschwerdeführer gab im gegenständlichen Verfahren an, gesund zu sein.

Ein schützenswertes Privat- oder Familienleben wurde seit Beendigung des Vorverfahrens auch nicht begründet. Es kann nicht von einer entscheidungswesentlichen Änderung des Sachverhaltes im Sinne einer nachhaltigen Aufenthaltsverfestigung ausgegangen werden.

2.4 Zu den Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat

Die Situation in Nigeria wäre nur dann einer näheren Prüfung zu unterziehen, wenn sie sich seit der rechtskräftigen Vorentscheidung maßgeblich geändert hätte. Dies wurde zwar vom Beschwerdeführer, jedoch lediglich unsubstantiiert unter Heranziehung der von der belangen Behörde der Entscheidung zugrunde gelegten Länderfeststellungen, behauptet, ohne auch nur ansatzweise anzuführen, worin die seiner Ansicht nach gravierenden Veränderungen seit der letzten Entscheidung bestehen würden und entspricht dies auch nicht dem Amtswissen des Bundesverwaltungsgerichtes.

Die Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat beruhen auf dem aktuellen Länderinformationsbericht der Staatendokumentation für Nigeria vom 07.08.2017 samt den dort publizierten Quellen und Nachweisen Dieser Länderinformationsbericht stützt sich auf Berichte verschiedener ausländischer Behörden, etwa die allgemein anerkannten Berichte des Deutschen Auswärtigen Amtes, als auch jene von Nichtregierungsorganisationen, wie bspw. Open Doors, sowie Berichte von allgemein anerkannten unabhängigen Nachrichtenorganisationen.

Die Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat in Nigeria ergeben sich insbesondere aus den folgenden Meldungen und Berichten:

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AA - Auswärtiges Amt (21.11.2016): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria

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AA - Auswärtiges Amt (4.2017a): Nigeria - Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Nigeria/Innenpolitik_node.html, Zugriff 6.7.2017

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AA - Auswärtiges Amt (4.2017c): Nigeria - Wirtschaft, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Nigeria/Wirtschaft_node.html, Zugriff 26.7.2017

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AA - Auswärtiges Amt (24.7.2017): Nigeria - Reise- und Sicherheitshinweise (Teilreisewarnung), http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Laenderinformationen/00-SiHi/NigeriaSicherheit.html, Zugriff 24.7.2017

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AI - Amnesty International (6.2017): Submission To The United Nations Committee On The Elimination Of Discrimination Against Women,

https://www.ecoi.net/file_upload/1930_1500389874_int-cedaw-ngo-nga-27623-e.pdf, Zugriff 28.7.2017

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AI - Amnesty International (24.2.2016): Amnesty International Report 2015/16 - The State of the World's Human Rights - Nigeria, http://www.ecoi.net/local_link/319680/458848_de.html, Zugriff 28.7.2017

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AI - Amnesty International (24.11.2016): Sicherheitskräfte töten mindestens 150 friedliche Demonstrierende, https://www.amnesty.de/2016/11/22/nigeria-sicherheitskraefte-toeten-mindestens-150-friedliche-demonstrierende, Zugriff 13.6.2017

-

BMEIA - Außenministerium (24.7.2017): Reiseinformationen - Nigeria,

http://www.bmeia.gv.at/aussenministerium/buergerservice/reiseinformation/a-z-laender/nigeria-de.html, Zugriff 24.7.2017

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BS - Bertelsmann Stiftung (2016): BTI 2016 - Nigeria Country Report,

https://www.bti-project.org/fileadmin/files/BTI/Downloads/Reports/2016/pdf/BTI_2016_Nigeria.pdf, Zugriff 6.7.2017

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EASO - European Asylum Support Office (6.2017): EASO Country of Origin Information Report Nigeria Country Focus, http://www.ecoi.net/file_upload/90_1496729214_easo-country-focus-nigeria-june2017.pdf, Zugriff 21.6.2017

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FFP - Fund for Peace (10.12.2012): Beyond Terror and Militants:

Assessing Conflict in Nigeria,

http://www.fundforpeace.org/global/library/cungr1215-unlocknigeria-12e.pdf, Zugriff 21.6.2017

-

FH - Freedom House (1.2017): Freedom in the World 2017 - Nigeria, https://www.ecoi.net/local_link/341818/485138_de.html, Zugriff 26.7.2017

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FH - Freedom House (2.6.2017): Freedom in the World 2017 - Nigeria, http://www.refworld.org/docid/5936a4663.html, Zugriff 12.6.2017

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GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (7.2017a): Nigeria - Geschichte und Staat, http://liportal.giz.de/nigeria/geschichte-staat.html, Zugriff 2.8.2017

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GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (4.2017b): Nigeria - Ge-sellschaft, http://liportal.giz.de/nigeria/gesellschaft.html, Zugriff 13.6.2017

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IOM - International Organization for Migration (8.2014): Nigeria - Country Fact Sheet,

https://milo.bamf.de/milop/livelink.exe/fetch/2000/702450/698578/704870/698704/8628861/17247436/17297905/Nigeria_-_Country_Fact_Sheet_2014%2C_deutsch.pdf?nodeid=17298000&vernum=-2, Zugriff 21.6.2017

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ÖBA - Österreichische Botschaft Abuja (9.2016): Asylländerbericht Nigeria

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OD - Open Doors (2017): Nigeria, https://www.opendoors.de/christenverfolgung/weltverfolgungsindex/laenderprofile/2017/nigeria, Zugriff 14.6.2017

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SBM - SBM Intel (7.1.2017): A Look at Nigeria's Security Situation,

http://sbmintel.com/wp-content/uploads/2016/03/201701_Security-report.pdf, Zugriff 24.7.2017

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UKHO - United Kingdom Home Office (8.2016b): Country Information and Guidance Ni-geria: Women fearing gender-based harm or violence, https://www.gov.uk/government/uploads/system/uploads/attachment_data/file/595734/CIG_-_Nigeria_-_Women.pdf, Zugriff 12.6.2017

-

USCIRF - United States Commission on International Religious Freedom (26.4.2017): Nigeria,

https://www.ecoi.net/file_upload/5250_1494486149_nigeria-2017.pdf, Zugriff 7.7.2017

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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