Entscheidungsdatum
05.11.2018Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3Spruch
W164 2168568-2/5E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Rotraut LEITNER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, ehemals vertreten durch ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe, Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Oberösterreich, vom 06.09.2018, Zl. 1060209209/150353968, zu Recht erkannt:
A)s
Der angefochtene Bescheid wird gemäß § 28 Abs 1, Abs 2 und Abs 5 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) behoben.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF), ein Staatsangehöriger von Afghanistan, stellte am 08.04.2015 nach illegaler Einreise einen Antrag auf internationalen Schutz.
Mit Bescheid vom 03.08.2017, Zl. 1060209209/150353968, wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl diesen Antrag des BF auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005, sowie hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG ab. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde dem BF nicht erteilt und es wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung erlassen. Es wurde festgestellt, dass die Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei.
Gegen diesen Bescheid erhob der BF fristgerecht und zulässig Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. Der BF beantragte, den angefochtenen Beschied zu beheben und ihm den Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, in eventu ihm den Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, in eventu festzustellen, dass die Rückkehrentscheidung für auf Dauer unzulässig sei und die Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung vorliegen würden. Weiters beantragte der BF die Durchführung einer mündlichen Verhandlung.
Mit Urteil des Bezirksgerichts XXXX , XXXX vom 30.01.2017 wurde der BF wegen des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 STGB unter Anwendung des § 5 JGG zu einer Freiheitsstraße von einem Monat verurteilt.
Seiner dagegen erhobenen Berufung hat das Landesgericht XXXX mit Urteil XXXX vom 19.06.2017 insoweit Folge gegeben, als das angefochtene Urteil, welches im Übrigen unberührt blieb, im Strafausspruch dahingehend abgeändert wurde, dass der Ausspruch der zu verhängenden Strafe gem. § 13 JGG für eine Probezeit von zwei Jahren vorbehalten wurde.
Mit Urteil des Landesgerichts XXXX vom 13.02.2018 wurde der BF wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28 Abs1, 5. Fall SMG und wegen des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgift nach § 27 Abs 1 Z 1, 1. Fall und 2. Fall sowie Abs 2 SMG zu einer Freiheitsstrafe von neun Monaten verurteilt.
Mit dem nun angefochtenen Bescheid vom 06.09.2018, Zl. 1060209209/150353968, änderte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl seinen Bescheid vom 03.08.2017, Zl. 1060209209/150353968 unter ausdrücklicher Anwendung des § 68 Abs 2 AVG "im laufenden Beschwerdeverfahren" wie folgt ab:
I. Gem. § 10 Abs 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz, wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs 2 Z 2 FPG erlassen.
II. Gem. § 52 Abs 9 FPG wurde festgestellt, dass die Abschiebung des BF gem. § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei.
III. Gem. §13 Abs 2 Z 1 AsylG wurde ausgesprochen, dass der BF sein Recht zum Aufenthalt im Bundesgebiet ab dem 07.01.2018 verloren habe.
IV. Gem. §53 Abs 1 iVm Abs 3 Z 1 FPG wurde gegen den BF ein auf die Dauer von fünf Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen.
V. Einer Beschwerde gegen "diese Entscheidung über Ihren Antrag auf internationalen Schutz" wurde gemäß § 18 Abs 1 Z 2 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt.
VI. Gem. § 55 Abs 1a FPG wurde ausgesprochen, dass keine Frist für die freiwillige Ausreise bestehe.
Mit Verfahrensanordnung vom 10.09.2018, Zl. 1060209209/150353968, stellte das BFA dem BF die ARGE-Rechtsberatung Volkshilfe Flüchtlings- und MigrantInnenbetreuung, als Rechtsberaterin amtswegig zur Seite. Mit 02.10.2018 wurde die genannte Rechtsberatung vom BF bevollmächtigt.
Gegen den zuletzt genannten Bescheid richtet sich die rechtzeitige und zulässige Beschwerde des BF, vertreten durch die ARGE Rechtsberatung, Diakonie und Volkshilfe, mit der der genannte Bescheid in vollem Umfang angefochten wurde.
Mit 02.11.2018 gab die ARGE Rechtsberatung, Diakonie und Volkshilfe, die Zurücklegung der genannten Vollmacht vom 02.10.2018 bekannt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Zu A)
Gemäß § 68 Abs 2 AVG können Bescheide, aus denen niemandem ein Recht erwachsen ist, sowohl von der Behörde, die den Bescheid erlassen hat, als auch in Ausübung des Aufsichtsrechtes von der sachlich in Betracht kommenden Oberbehörde von Amts wegen aufgehoben oder abgeändert werden.
Voraussetzung für die Anwendbarkeit dieser Bestimmung ist die formelle und materielle Rechtskraft des nun abgeänderten Bescheides:
§ 68 Abs 2 AVG ist unter Berücksichtigung des § 68 Abs 1 AVG zu lesen, wonach ein der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegender Bescheid gegeben sein muss (vgl. Hengstschläger-Lebb, AVG, 4. Teilband, Verlag Manz, § 68 AVG).
Im vorliegenden Fall hat die belangte Behörde einen Bescheid abgeändert, gegen den Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht erhoben worden war: Der BF hatte gegen den Bescheid des BFA vom 03.08.2017, Zl. 1060209209/150353968, mit dem sein Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005, sowie hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen worden war, ihm ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt worden war und gegen ihn eine Rückkehrentscheidung erlassen worden war, fristgerecht und zulässig Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht erhoben. Das BFA hat diese Beschwerde samt dem bezughabenden Akt mit Einlangensdatum 24.08.2017 dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegt.
Die Zuständigkeit zur Entscheidung über eine Asylberechtigung des BF gem. § 3 AsylG, aufgrund seines Antrages auf internationalen Schutz (diese umfasst auch die Frage des Vorliegens eines Asylausschlussgrundes) liegt somit beim Bundesverwaltungsgericht. Das gleiche gilt hinsichtlich der Zuständigkeit zur Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten, sowie für die Zuständigkeit zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung, weiters für die Feststellung, ob eine Abschiebung des BF nach Afghanistan zulässig sei und ob eine Frist für eine freiwillige Ausreise ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung bestehe. Auch eine Aberkennung der aufschiebenden Wirkung gem. § 18 Abs 1 Z 2 BFA-VG - diese Bestimmung umfasst ausschließlich abweisende Entscheidungen über einen Antrag auf internationalen Schutz - fällt aktuell nicht in die Zuständigkeit der belangten Behörde.
Die Spruchpunkte I., II., V. und VI. waren daher aus diesem Grund zu beheben.
Hinsichtlich Spruchpunkt IV. ist auszuführen, dass die Entscheidung über die Dauer eines Einreiseverbotes nicht ohne zu Grunde liegende Rückkehrentscheidung getroffen werden kann. Es bedarf stets einer Rückkehrentscheidung, an die das Einreiseverbot anknüpfen kann. (vgl. Filzwieder/Frank/Kloibmüller/Raschhofer, Asyl- und Fremdenrecht, nwv-Verlag, § 53 FPG mit Verweis auf RV 1078 XXIV GP und RV 2144 XXIV GP). Da die Zuständigkeit zur Erlassung einer allfälligen Rückkehrentscheidung aktuell beim Bundesverwaltungsgericht liegt, erfolgte auch die im angefochtenen Bescheid verfügte Verhängung eines Einreiseverbotes nicht zu Recht. Somit war auch Spruchpunkt IV zu beheben.
Hinsichtlich Spruchpunkt III., ist folgendes auszuführen:
Gemäß § 13 Abs 1 AsylG ist ein Asylwerber, dessen Asylverfahren zugelassen ist, bis zur Erlassung einer durchsetzbaren Entscheidung, bis zur Einstellung oder Gegenstandslosigkeit des Verfahrens oder bis zum Verlust des Aufenthaltsrechtes (Abs. 2) zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt. Ein auf Grund anderer Bundesgesetze bestehendes Aufenthaltsrecht bleibt unberührt.
Zufolge § 13 Abs 2 AsylG verliert ein Asylwerber sein Recht zum Aufenthalt im Bundesgebiet, wenn
1. dieser straffällig geworden ist (§ 2 Abs. 3).
[...]
Zufolge § 13 Abs 3 AsylG kommt einem Asylwerber, der sein Recht auf Aufenthalt im Bundesgebiet gemäß Abs. 2 verloren hat, faktischer Abschiebeschutz (§ 12) zu.
Zufolge § 13 Abs 4 AsylG hat das Bundesamt im verfahrensabschließenden Bescheid über den Verlust des Aufenthaltsrechtes eines Asylwerbers abzusprechen.
§ 13 Abs 4 ASylG stellt somit klar, dass eine Befugnis des BFA zur Beendigung der Aufenthaltsberechtigung eines Asylwerbers an die grundsätzliche Zuständigkeit zur Verfahrensführung und Erlassung eines verfahrensabschließenden Bescheides geknüpft ist. Wie aus den erläuternden Bemerkungen RV 1803 XXIV GP hervorgeht, soll durch die genannte Bestimmung das Auftreten eines Rechtsschutzdefizits vermieden werden (vgl. Filzwieder/Frank/Kloibmüller/Raschhofer, Asyl- und Fremdenrecht, nwv-Verlag, §13 AsylG mit Verweis auf RV 1803 XXIV GP). Daraus ist für den vorliegenden Fall folgendes abzuleiten: Das BFA ist aktuell nicht zuständig über die sich grundsätzlich aus dem AsylG ergebenden Rechte des BF (etwa betreffend die Zuerkennung oder Aberkennung von Asyl bzw. subsidiärem Schutz) abschließend zu entscheiden. Während eines Rechtsmittelverfahrens wie es im hier vorliegenden Fall gegeben ist, ist das BFA daher auch nicht befugt, über den Verlust einer Aufenthaltsberechtigung gem. § 13 Abs 2 AsylG abzusprechen.
Zusammenfassend ergibt sich, dass das BFA zur Erlassung keines Spruchpunktes der angefochtenen Entscheidung zuständig war. Der angefochtene Bescheid war daher im gesamten Umfang zu beheben.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Behebung der Entscheidung, Einreiseverbot aufgehoben,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2018:W164.2168568.2.00Zuletzt aktualisiert am
10.01.2019