Index
10 VerfassungsrechtNorm
B-VG Art138 Abs1 litaLeitsatz
Zurückweisung eines Antrags auf Entscheidung eines verneinenden Kompetenzkonfliktes zwischen dem Verwaltungsgerichtshof und der Sicherheitsdirektion in Sachen der Ausweisung einer Fremden; kein Kompetenzkonflikt zwischen Verwaltungsbehörde und nachprüfendem VerwaltungsgerichtshofSpruch
Der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe wird abgewiesen.
Der Antrag auf Entscheidung eines verneinenden Kompetenzkonfliktes wird zurückgewiesen.
Begründung
Begründung:
I. 1. Mit Bescheid vom 25. Juli 1996 gab die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Vorarlberg der Berufung der Beschwerdeführerin gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Bregenz vom 18. Juni 1996 keine Folge und bestätigte den erstinstanzlichen Bescheid, mit dem die Beschwerdeführerin gemäß §17 Abs1 Fremdengesetz (FrG) aus dem Bundesgebiet der Republik Österreich ausgewiesen worden war.
In der Begründung wird den Berufungsausführungen, die Beschwerdeführerin sei aufgrund des Assoziationsratsbeschlusses Nr. 1/80 zum Assoziierungsabkommen EWG-Türkei aufenthaltsberechtigt, folgendes entgegnet:
"Wie die Berufungswerberin jedoch nicht bestreitet, wurde ihr lediglich ein Touristensichtvermerk für Österreich ausgestellt und ihr somit nur ein zeitlich befristeter Besuch bei ihrem Ehegatten bewilligt. Sie erhielt jedoch nicht die Genehmigung, zu diesem zu ziehen. Mangels Vorliegens dieser Voraussetzung ist daher auch Art7 des Assoziationsratsbeschlusses auf die Berufungswerberin nicht anzuwenden."
2. Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wies der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 16. April 1997, Zl. 96/21/0758-10 ab.
Unter Verweis auf das Vorerkenntnis vom 2. Oktober 1996, Zl. 96/21/0641, in dem sich der Verwaltungsgerichtshof ausführlich mit der Frage der Aufenthaltsberechtigung aufgrund der Bestimmungen des Assoziierungsabkommen EWG-Türkei und der dazu ergangenen Assoziationsratsbeschlüsse auseinandersetzte, führte der Verwaltungsgerichtshof aus:
"Hingewiesen wird auch darauf, daß das zwischenzeitig ergangene Urteil des Europäischen Gerichtshofes vom 23. Jänner 1997, C-171/95, in der Rechtssache Tetik, keinen Zweifel, der die Einholung einer Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofes erforderlich erscheinen ließe, daran begründen kann, daß die Beschwerdeführerin dem Art7 Abs1 des Assoziationsratsbeschlusses Nr. 1/80 nicht unterliegt. Der Vollständigkeit halber wird bemerkt, daß die Beschwerdeführerin vorliegend nicht einmal behauptet hat, sich in Österreich auf ein Stellengebot bewerben zu wollen oder eine Beschäftigung im Lohn- oder Gehaltsverhältnis eingehen zu wollen.
Damit erweist sich die Ausweisung der Beschwerdeführerin im Grunde der §§17 Abs1 und 19 FrG nicht als rechtswidrig. Sie bestreitet nämlich gar nicht, bloß über einen für drei Monate gültigen Touristensichtvermerk verfügt zu haben. Angesichts der Bedeutung der für die Einreise und den Aufenthalt von Fremden getroffenen Regelungen aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung erweist sich der angefochtene Bescheid auch im Sinne des §19 FrG nicht als rechtswidrig (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 23. November 1995, Zl. 95/18/1353)."
3. Mit seiner nunmehrigen Eingabe stellt die Einschreiterin beim Verfassungsgerichtshof einen auf Art138 Abs1 lita B-VG gestützten Antrag auf Entscheidung eines (verneinenden) Kompetenzkonfliktes zwischen der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Vorarlberg einerseits und dem Verwaltungsgerichtshof andererseits.
Zur Begründung seines Antrages verweist der Einschreiter im wesentlichen darauf, sowohl die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Vorarlberg als auch der Verwaltungsgerichtshof hätten sich geweigert, unmittelbar anwendbares, vorrangiges Gemeinschaftsrecht anzuwenden. Sie hätten allein unter Anwendung österreichischen Rechts entschieden, ohne die von der Einschreiterin aufgeworfenen Fragen dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften zur Vorabentscheidung gemäß Art177 EGV vorzulegen.
Die Einschreiterin beantragt abschließend das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16. April 1997, Zl. 96/21/0758-10, wegen Verletzung der Zuständigkeitsordnung aufzuheben, dem Verwaltungsgerichtshof eine neuerliche Entscheidung in der Sache aufzutragen und den Bund zu verpflichten, der Antragstellerin den Eingabenaufwand zu ersetzen.
II. 1. Gemäß Art138 Abs1 lita erkennt der Verfassungsgerichtshof über Kompetenzkonflikte zwischen Gerichten und Verwaltungsbehörden.
Nach der zitierten Verfassungsbestimmung iVm §46 Abs1 VerfGG 1953 besteht ein verneinender Kompetenzkonflikt ua. dann, wenn ein Gericht und eine Verwaltungsbehörde die Zuständigkeit in der selben Sache, und zwar entweder das Gericht oder die Verwaltungsbehörde zu Unrecht, verneint haben (s. etwa VfGH 14.3.1996, KI-4/94).
Der Verwaltungsgerichtshof ist als "Gericht" iSd. Art138 Abs1 lita B-VG zu qualifizieren. Ein Kompetenzkonflikt zwischen einer in letzter Instanz entscheidenden Verwaltungsbehörde und dem mittels einer Beschwerde gemäß Art131 B-VG gegen den letztinstanzlichen Bescheid angerufenen Verwaltungsgerichtshof ist jedoch schon deshalb ausgeschlossen, weil die Bundesverfassung zur Sicherung der Gesetzmäßigkeit der gesamten öffentlichen Verwaltung (Art129 B-VG) die Überprüfung eines letztinstanzlichen Bescheides durch den Verwaltungsgerichtshof - und damit die Entscheidung einer Verwaltungsbehörde und die Nachprüfung dieser Entscheidung durch ein Gericht - ausdrücklich vorsieht.
Dazu kommt im vorliegenden Fall noch, daß weder die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Vorarlberg noch der Verwaltungsgerichtshof ihre Zuständigkeit zur Entscheidung über den Gegenstand des betreffenden Verwaltungsverfahrens, nämlich die Ausweisung gemäß §17 Abs1 FrG, verneint haben.
2. Da somit die von der Einschreiterin beabsichtigte Rechtsverfolgung vor dem Verfassungsgerichtshof offenbar aussichtslos erscheint, mußte ihr unter einem mit dem Antrag auf Entscheidung eines verneinenden Kompetenzkonflikts gestellter Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe - eingeschränkt auf die Befreiung von der Entrichtung der Gebühren - als unbegründet abgewiesen werden (§63 Abs1 ZPO iVm §35 Abs1 VerfGG 1953).
Aus den unter Punkt 1. angeführten Gründen war der Antrag auf Entscheidung eines verneinenden Kompetenzkonfliktes zurückzuweisen.
3. Bei diesem Ergebnis erübrigte sich eine Entscheidung über den zugleich mit dem Antrag auf Entscheidung eines Kompetenzkonflikts gestellten Antrag, "eine einstweilige Anordnung oder Feststellung nach, allenfalls 'analog', Art186 EGV dahingehend zu erlassen, daß die Antragstellerin bis zur Entscheidung über die vorliegende Eingabe in Österreich aufenthaltsberechtigt ist und die kompetenzrechtlich bekämpfte Ausweisung so lange nicht vollstreckt werden darf".
III. Diese Beschlüsse konnten
kraft §72 Abs1 ZPO (iVm §35 Abs1 VerfGG 1953) und §19 Abs3 Z2 lita VerfGG 1953 ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung gefaßt werden.
Schlagworte
VfGH / Kompetenzkonflikt, Fremdenrecht, VfGH / VerfahrenshilfeEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1997:KI14.1997Dokumentnummer
JFT_10029375_97K0I014_00