TE Bvwg Erkenntnis 2018/11/6 W255 2187601-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 06.11.2018
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Entscheidungsdatum

06.11.2018

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1 Z1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs2
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W255 2187601-1/14E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Ronald EPPEL, MA als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch die ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 23.01.2018, Zl. 811259609-161742536, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 06.07.2018 zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

1. Verfahrensgang:

1.1. Erstes (nicht gegenständliches) Asylverfahren:

1.1.1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) reiste am 20.10.2011 in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am selben Tag den ersten Antrag auf internationalen Schutz.

1.1.2. Mit Bescheid des (damaligen) Bundesasylamtes vom 15.12.2011 wurde der Antrag auf internationalen Schutz des BF vom 20.11.2011 gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen und festgestellt, dass Ungarn für die Prüfung des Antrages auf internationalen Schutzes zuständig sei (Spruchpunkt I.). Gemäß § 61 Abs. 1 FPG wurde die Außerlandesbringung des BF angeordnet und gemäß § 61 Abs 2 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des BF nach Ungarn zulässig sei (Spruchpunkt II.).

1.1.3. Gegen den unter Punkt 1.1.2. genannten Bescheid des (damaligen) Bundesasylamtes erhob der BF fristgerecht Berufung.

1.1.4. Mit Erkenntnis vom 11.01.2012 hob der Asylgerichtshof den unter Punkt 1.1.2. genannten Bescheid des (damaligen) Bundesasylamtes auf.

1.1.5. Mit Bescheid des (damaligen) Bundesasylamtes vom 28.02.2012 wurde der Antrag auf internationalen Schutz des BF vom 20.10.2011 gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen und festgestellt, dass Ungarn für die Prüfung des Antrages auf internationalen Schutzes zuständig sei (Spruchounkt I.). Gemäß § 61 Abs. 1 FPG wurde die Außerlandesbringung des BF angeordnet und gemäß § 61 Abs 2 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des BF nach Ungarn zulässig sei (Spruchpunkt II.).

1.1.6. Gegen den unter Punkt 1.1.5. genannten Bescheid des (damaligen) Bundesasylamtes erhob der BF fristgerecht Berufung.

1.1.7. Mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 24.09.2012 wurde die Berufung des BF gegen den unter Punkt 1.1.5. genannten Bescheid des (damaligen) Bundesasylamtes abgewiesen.

1.2. Zweites (nicht gegenständliches) Asylverfahren:

1.2.1. Am 22.07.2014 stellte der BF den zweiten Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.

1.2.2. Am 22.07.2014 fand vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes der Landespolizeidirektion Niederösterreich die niederschriftliche Erstbefragung des BF statt. Dabei gab der BF an, dass seine alten Fluchtgründe aufrecht bleiben würden. Der BF habe als Hirte gearbeitet und Schafe und Ziegen gehütet. Ihm seien einige Tiere abhandengekommen (10 bis 20 Stück seien von unbekannten Dieben entwendet worden). Daher sei er im Jahr 2011 von den Tierbesitzern bedroht und verfolgt worden. Vor ca. 5 Monaten habe er von einem Freund erfahren, dass die Tierbesitzer seiner Mutter gedroht hätten, dass sie den entstandenen Schaden bezahlen müsse, weil der BF für die Tierbesitzer nicht greifbar wäre.

1.2.3. Am 14.01.2015 wurde der BF von Österreich nach Ungarn überstellt, stellte dort am selben Tag einen Antrag auf internationalen Schutz, entzog sich anschließend dem Verfahren und reiste am 14.02.2015 wieder nach Österreich.

1.3.5. Mit Bescheid des BFA vom 16.08.2015, Zahl 811259609-14813800, wurde der Antrag auf intrernationalen Schutz des BF vom 22.07.2014 gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen und festgestellt, dass Ungarn für die Prüfung des Antrages auf internationalen Schutzes zuständig sei (Spruchpunkt I.). Gemäß § 61 Abs. 1 FPG wurde die Außerlandesbringung des BF angeordnet und gemäß § 61 Abs 2 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des BF nach Ungarn zulässig sei (Spruchpunkt II.).

1.3. Drittes (nicht gegenständliches) Asylverfahren:

1.3.1. Am 18.02.2016 stellte der BF den dritten Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.

1.3.2. Am selben Tag fand vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes der Landespolizeidirektion Niederösterreich die niederschriftliche Erstbefragung des BF statt. Dabei gab der BF an, dass neue Fluchtgründe aufgetreten seien. Er könne "aus rassischen Gründen" nicht nach Afghanistan zurückkehren, da er Hazara und Schiite sei.

1.3.3. Am 17.03.2016 wurde der BF vor dem BFA einvernommen. Dabei gab der BF an, dass er am 14.01.2015 nach Ungarn überstellt worden und einen Monat in Ungarn aufhältig gewesen sei. Dann sei er wieder nach Österreich gereist, da die Lage für Flüchtlinge in Ungarn sehr schlecht sei. Der BF sei am 14.02.2015 wieder in Österreich eingereist und habe bis 18.02.2016 keinen Behördenkontakt gehabt. Er habe von anderen Leuten gehört, dass Österreich für ihn zuständig werden würde, wenn er länger warten würde.

1.3.4. Am 27.07.2016 wurde der BF neuerlich vor dem BFA einvernommen. Dabei gab der BF an, dass er seit über zwei Jahren eine Beziehung mit einer Österreicherin namens XXXX führe. Er habe vor, sie zu heiraten. Er wohne nicht gemeinsam mit ihr und kenne ihre genaue Adresse nicht. Der BF habe viele Deutschkurse besucht. Er sei in keinem Verein tätig. Er wolle nicht nach Ungarn zurückkehren.

1.3.5. Mit Bescheid des BFA vom 09.08.2016, Zahl 811259609-160260843, wurde der Antrag auf intrernationalen Schutz des BF vom 18.02.2016 gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulssig zurückgewiesen und festgestellt, dass Ungarn für die Prüfung des Antrages auf internationalen Schutzes zuständig sei (Spruchounkt I.). Gemäß § 61 Abs. 1 FPG wurde die Außerlandesbringung des BF angeordnet und gemäß § 61 Abs 2 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des BF nach Ungarn zulässig sei (Spruchpunkt II.).

1.4. Viertes (gegenständliches) Asylverfahren:

1.4.1. Der BF stellte am 29.12.2016 den gegenständlichen (vierten) Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.

1.4.2. Am 29.12.2016 fand vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes der Landespolizeidirektion Steiermark die niederschriftliche Erstbefragung des BF statt. Dabei gab der BF im Wesentlichen an, dass sich die Lage in seiner Heimat weiter verschlimmert habe. So weit er wisse, würden Schiiten in Afghanistan überall von den Taliban und den Daesh aus dem Verkehr gezogen, egal ob in XXXX oder XXXX . Eine Rückkehr des BF in seine Heimat sei daher noch unmöglicher geworden. Der BF wisse nicht, wo sich seine Familienangehörigen befinden würden. Daher sei er sich sicher, dass er bei einer Rückkehr nach Afghanistan von den Taliban umgebracht würde. Der BF habe viele Probleme mit den Taliban gehabt, da er Schafhirte gewesen und beschuldigt worden sei, Schafe gestohlen und verkauft zu haben.

1.4.3. Mit Schreiben vom 30.11.2017 führte der BF aus, dass er im Dorf XXXX , Distrikt XXXX , Provinz XXXX , geboren sei. Sein Vater sei vor über 17 Jahren verstorben. Der BF sei Hazara und Schiite. Der BF habe nie eine Schule besucht und sei Analphabet gewesen. Seine Eltern hätten eine kleine Landwirtschaft gehabt, in der der BF seit seinem 7. Lebensjahr arbeiten habe müssen. Der BF habe ua als Schaf- und Ziegenhirte gearbeitet. Im Juli 2011 seien ca. 20 von den 90 Tieren, die er gehütet habe, verschwunden. Die Hälfte dieser Schaf- und Ziegenherde habe dem Dorfvorsteher und Großgrundbesitzer ( XXXX ) gehört. Dieser habe den BF des Diebstahls beschuldigt. Im abgelegenen Heimatdorf des BF habe der Dorfvorsteher mit den Dorfältesten die Rechtsprechung ausgeübt. In diesem Fall sei der Dorfvorsteher gleichzeitig Ankläger, Richter und Geschädigter in einer Person. Es gebe kein rechtsstaatliches Verfahren. Daher habe die Mutter beschlossen, den BF in Sicherheit zu bringen. Nach seiner Flucht seien auch die Angehörigen des BF massiv bedroht, eingeschüchtet und erpresst worden. Daher habe seine Familie das Dorf verlassen müssen. Diese Information sei das letzte Lebenszeichen der Familie gewesen. Seit 2011 bestehe kein Kontakt mehr mit seiner Familie. Im Falle der Rückkehr nach Afghanistgan drohe dem BF Verfolgung aufgrund seiner Volksgruppenzugehörigkeit (Hazara), wobei die afghanische Regierung nicht in der Lage sei, den BF zu schützen.

Der BF legte die folgenden Dokumente vor:

* "Nachholen des Pflichtschulabschlusses" - Teilnahmebestätigung der XXXX vom 22.11.2017 betreffend den Zeitraum vom 27.02.2017 bis 02.02.2018;

* "Im Fordergrund lernen - Basisgruppe" - Teilnahmebestätigung der XXXX vom 02.12.2013 betreffend den Zeitraum vom 14.10.2013 bis 27.11.2013;

* "Im Fordergrund lernen" - Teilnahmebestätigung der XXXX vom 08.05.2014 betreffend den Zeitraum vom 02.12.2013 bis 30.04.2014;

* "Basisbildung Mathematik und Englisch" - Kursteilnahmebestätigung der XXXX vopm 16.06.2014 betreffend den Zeitraum vom 02.09.2013 bis 16.06.2014 und

* Deutschkurs B1.1 - Besuchsbestätigung der XXXX vom 31.03.2014 betreffend den Zeitraum vom 08.01.2014 bis 31.03.2014.

1.4.4. Mit Schreiben vom 06.12.2017 führte der BF aus, dass Afghanistan von einer Welle der Gewalt überrollt werde. Die afghanische Regierung könne ihre Bürger nicht beschützen. In der Heimatprovinz des BF ( XXXX ) würden Hazara und Paschtunen aufeinanderprallen. Hazara würden oft diskriminiert werden.

1.4.5. Am 30.11.2017 wurde der BF vor dem BFA einvernommen. Dabei gab er an, dass er seit 2011 in Österreich aufhältig sei. Er habe Deutschkurse besucht und 2015 mit der externen Hauptschule begonnen. Dann sei er nach Ungarn abgeschoben worden und nach einem Monat wieder nach Österreich zurückgekommen. Der BF habe 2015 bei der ISOP die externe Hauptschule begonnen. Er lebe in Österreich von der Grundversorgung.

Der BF sei im Dorf XXXX , Distrikt XXXX , Distrikt XXXX , aufgewachsen. Zuletzt habe er mit seiner Mutter, drei jüngeren Brüdern und einer älteren Schwester zusammengewohnt. Vor 2 Jahren habe er gehört, dass seine Familie nicht mehr dort wohne. Wo die Familie jetzt wohne, wisse der BF nicht. Er habe dies von seinem Freund XXXX erfahren, der damals im Iran gelebt habe. Die Familie habe in Afghanistan von Arbeiten in der Landwirtschaft gelebt. Der BF habe Schafe und Ziegen gehütet. Es hätten auch weitere Verwandte des BF in Afghanistan gelebt, aber der BF wisse nichts mehr von ihnen. Der BF suche in Österreich um Asyl an, da er in Afghanistan als Hirte gearbeitet habe, 20 bis 30 Schafe aus den Augen verloren habe, die meisten Schafe einem Mann namens XXXX gehört hätten, der geglaubt habe, dass der BF diese Schafe verkauft hätte und der BF Angst gehabt habe, dass der XXXX ihn ins Gefägnis stecken lassen würde. Nach seiner Ankunft in Österreich habe der BF gehört, dass XXXX die Familie des BF aus dem Dorf rausgeworfen habe. Der XXXX habe zum BF damals gesagt, dass er ihn ins Gefängnis stecken oder umbringen würde, wenn der BF das Vieh nicht zurückbringen würde. Im Dorf würde nach wie vor die Gefahr für den BF bestehen. Die Taliban seien dort und würden die Haraza verfolgen. Der BF sei nun schon lange in Österreich. Er sei minderjährig gewesen, als er sein Dorf verlassen habe. Er sei jetzt schon an die österreichische Kultur und die Gesetze gewohnt.

Die Reise nach Österreich habe der BF finanzieren können, da er das Geld hierfür von einem im Iran lebenden Cousin namens XXXX erhalten habe.

Mit Schreiben vom 19.02.2018 gab der BF bekannt, dass XXXX nicht mehr seine Freundin sei.

1.4.6. Das BFA wies den Antrag des BF auf internationalen Schutz mit Bescheid vom 23.01.2018, Zl. 811259609-161742536, bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) und bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 ab (Spruchpunkt II.). Das BFA erteilte dem BF keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen (Spruchpunkt III.)., erließ gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG (Spruchpunkt IV.) und stellte fest, dass die Abschiebung des BF gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt V.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde für die freiwillige Ausreise eine Frist von 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung bestimmt (Spruchpunkt VI.).

1.4.7. Gegen den unter Punkt 1.4.6. genannten Bescheid richtet sich die vom BF fristgerecht erhobene Beschwerde. Darin wiederholte der BF im Wesentlichen, dass er in seinem Heiamtdorf als Hirte tätig gewesen sei, ihm einige Tiere abhandengekommen seien und er eine Verfolgung durch den Eigentümer der Tiere, der gleichzeitig Dorfvorsteher gewesen sei, befürchte. Zudem sei der BF einer Verfolgung aufgrund seiner Volksgruppenzugehörtgkeit (Hazara) ausgesetzt.

1.4.8. Die Beschwerde und der bezughabende Verwaltungsakt langten am 28.02.2018 beim Bundesverwaltungsgericht ein.

1.4.9. Mit Schreiben vom 15.05.2018 wurden dem BF vom Bundesverwaltungsgericht aktuelle Länderfeststellungen betreffend Afghanistan übermittelt.

1.4.10. Am 05.07.2018 langte beim Bundesverwaltungsgericht ein (fälschlich) mit 02.08.2018 datiertes und "Ergänzung zur Beschwerde vom 22.04.2018" betiteltes Schreiben des BF ein. Darin wiederholte er seinen Fluchtgrund (Verfolgung durch den XXXX wegen der abhanden gekommenen Schafe) und die ihm drohende Verfolgung aufgrund seiner Volksgruppenzugehörigkeit (Hazara).

1.4.11. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 06.07.2018 in Anwesenheit einer Dolmetscherin für die Sprache Dari sowie im Beisein des BF und seiner Rechtsvertreterin eine öffentliche mündliche Verhandlung durch. Dabei gab der BF an, dass er in Afghanistan mit seinen Eltern, drei Brüdern und einer Schwester aufgewachsen sei. Sein Vater sei ca. 5 bis 6 Jahre vor der Ausreise des BF aus Afghanistan verstorben, da er krank gewesen sei. Der BF schätze, dass seine Geschwister zwischen 14 und 18 Jahre alt seien. Im Heimatdorf des BF hätten noch ein Onkel väterlicherseits und eine Tante väterlicherseits gelebt. Der BF habe noch weitere Onkel und Tanten, die in anderen Provinzen, z.B. Herat und in Pakistan gelebt hätten. Der BF habe Afghanistan verlassen, da er als Hirte gearbeitet habe und jene Schafe, die er gehüzet habe, einem XXXX gehört hätten, der über viel Einfluss verfügt habe. Eines Tages seien 20 bis 30 Schafe verloren gegangen. Der XXXX habe den BF beschuldigt, die Schafe verkauft zu haben. Der XXXX habe dem BF mit dem Gefängnis gedroht. Der BF habe den Preis für die Schafe nicht bezahlen können. Der BF sei in den Iran geflüchtet. Dort habe die Gefahr bestanden, dass der BF nach Afghanistan abgeschoben werde. Ein im Iran lebender Cousin habe den BF bei der Flucht nach Europa unterstützt. Zudem habe der BF im Iran für ca. 3 bis 4 Monate als Fliesenleger gearbeitet und Geld für die Reise nach Europa gespart.

Der BF habe seit seiner Flucht aus Afghanistan nicht mehr mit seinen Familienangehörigen gesprochen. Es gebe in seinem Heimatdorf keine Telefonverbindung. Er habe nur vor ca. 2 bis 3 Jahren gehört, dass seine Familie aus dem Dorf verscheucht worden sei. Ein Freund vom BF, der im Iran lebe, habe dem BF davon erzählt. Die Familie dieses Freundes lebe im Heimatdorf des BF und habe davon berichtet. Abgesehen vom XXXX habe der BF Probleme mit den Taliban gehabt. Er habe wegen der Präsenz der Taliban in anderen Orten seines Heimatlandes nicht in einem anderen Ort leben können.

Der BF sei in Österreich gut integriert. Er habe die Sprache gelernt und sei in die Schule gegangen. Er kenne die Gesetze und habe die Kultur gelernt. Er habe Freunde, die wie eine Familie an seiner Seite gestanden seien. Der BF habe in Österreich eine Deutschprüfung auf B1 Niveau abgeschlossen. Er habe 2014 einen Vorbereitungskurs für den Pflichtschulabschluss besucht und 2015 die Schule fortgesetzt. 2015 sei er nach Ungarn abgeschoben worden und 2017 habe er die Schule fortgesetzt. 2012 und 2013 habe er Deutschkurse auf A1 bis B1 Niveau besucht. Die Prüfung auf B1 Niveau habe er 2018 gemacht. Seit seinem Pflichtschulabschluss im Februar 2018 sei er auf der Arbeitssuche. Er habe viele Bewerbungen weggeschickt und die Zusage für ein Aufnahmegespräch für eine Stelle als Mechaniker erhalten. Er habe vor 3 bis 4 Wochen einen Aufnahmetest gehabt und nun solle er warten, bis man sich bei ihm melden werde. Der BF spiele mit Freunden oft Volleyball und helfe einer alten Dame im Garten. Er habe in Österreich bisher nicht gearbeitet, nur als Dolmetscher bei der Caritas ausgeholfen und zwar für einen Monat lang, ca. zweimal pro Woche. Sonst habe er sich nicht ehrenamtlich engagiert. Der BF habe keine Verwandten in Österreich. Er habe vor allem Freunde von der Schule. Frau XXXX , die ihm in seinen Asylverfahren unterstützt habe, sei für ihn eine Dame, die ihm helfe, so wie eine Rechtsberaterin von der Caritas. Der BF habe von 2014 bis 2017 eine Beziehung mit einer Frau gehabt. Diese Beziehung sei zu Ende gegangen, da es die Frau genervt habe. Der BF sei abgeschoben worden und habe nicht Arbeiten gehen dürfen. Derzeit habe er keine Beziehung zu einer Frau. Der BF wohne privat mit zwei afghanischen Freunden, denen in Österreich der Status der Asylberechtigten zuerkannt worden sei, zusammen. Die Miete werde von seinen Freunden übernommen. Der BF erhalte EUR 200,- monatlich von der Caritas. Der BF sei nicht Mitglied in einem Verein in Österreich. Der BF besuche derzeit keinen Deutschkurs, da er das Geld hierfür nicht habe.

Der BF wäre im Falle der Rückkehr in Afghanistan einer Gefährdung ausgesetzt, da er Hazara sei und im Westen gelebt habe. Der BF habe früher gebetet und bete nun nicht mehr. Er sei in seinem Glauben nicht so streng. Er zähle sich zwar zu den Muslimen, halte sich aber nicht an die religiösen Vorschriften. Er habe auch eine Freundin gehabt, mit der er außerehelichen Geschlechtsverkehr gehabt habe.

Der BF legte die folgenden Dokumente vor:

* Zeugnis der XXXX vom 16.02.2018 über die Pflichtschulabschlussprüfung;

* ÖSD Zertifikat Deutsch Österreich B1 vom 18.05.2018;

* Empfehlungsschreiben einer Privatperson vom 03.07.2018;

* Referenzschreiben einer Privatperson vom 02.07.2018;

* "Im Fordergrund lernen" - Teilnahmebestätigung der XXXX vom 08.05.2014 betreffend den Zeitraum vom 02.12.2013 bis 30.04.2014;

* "Im Fordergrund lernen - Basisgruppe" - Teilnahmebestätigung der XXXX vom 02.12.2013 betreffend den Zeitraum vom 14.10.2013 bis 27.11.2013;

* "Basisbildung Mathematik und Englisch" - Kursteilnahmebestätigung der XXXX vopm 16.06.2014 betreffend den Zeitraum vom 02.09.2013 bis 16.06.2014;

* Deutschkurs B1.1 - Besuchsbestätigung der XXXX vom 31.03.2014 betreffend den Zeitraum vom 08.01.2014 bis 31.03.2014;

* Deutschkurs A2.2 - Besuchsbestätigung der XXXX vom 18.12.2013 betreffend den Zeitraum vom 07.10.2013 bis 18.12.2013;

* Deutschkurs A2.2 - Besuchsbestätigung der XXXX vom 05.09.2013 betreffend den Zeitraum vom 05.08.2013 bis 05.09.2013;

* Deutschkurs A1 - Besuchsbestätigung des XXXX , vom 01.10.2012;

* Deutschkurs A2 - Besuchsbestätigung der XXXX vom 13.12.2012 betreffend den Zeitraum vom 03.09.2012 bis 13.12.2012;

* Deutschkurs Jugend A - Besuchsbestätigung der XXXX vom 05.08.2012 betreffend den Zeitraum vom 06.08.2012 bis 06.09.2012;

* Übersichtsliste Bewerbungen und

* Drei ausgewählte Bewerbungsschriebnen für Lehrstellen als Metalltechniker, KFZ-Technikerund Restaurantfachmann.

1.4.12. Mit Schreiben vom 16.07.2018 nahm der BF zu dem vom Bundesverwaltungsgericht im Rahmen der Verhandlung vom 16.07.2018 ins Verfahren eingebrachten aktualisierten Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 29.06.2018 Stellung und brachte insbesondere vor, dass eine innerstaatliche Fluchtalternative nach Kabul nicht in Frage komme.

1.4.13. Mit Schreiben vom 15.10.2018 wurden dem BF vom Bundesverwaltungsgericht aktuelle Länderfeststellungen betreffend Afghanistan übermittelt (Aktualisierte Fassung des Länderinformationsblattes der Staatendokumentation vom 11.09.2018, UNHCR Richtlinien vom 30.08.2018 und zwei Anfragebeantwortungen von ACCORD und Staatendokumentation zur Situation in den Städten Herat und Mazar-e Sharif) und dem BF die Möglichkeit eingeräumt, hierzu Stellung zu nehmen. Der BF nahm von dieser Möglichkeit nicht Gebrauch.

2. Feststellungen:

Der entscheidungsrelevante Sachverhalt steht fest. Auf Grundlage der vier durch den BF in Österreich erhobenen Anträge auf internationalen Schutz, der Erstbefragungen sowie Einvernahmen des BF durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes sowie des (damaligen) Bundesasylamtes, des (nunmehrigen) Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, der Beschwerde gegen den im Spruch genannten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, der im Verfahren vorgelegten Dokumente, der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht vom 06.07.2018, das Zentrale Melderegister, das Fremdeninformationssystem, das Strafregister und das Grundversorgungs-Informationssystem werden folgende Feststellungen getroffen und der Entscheidung zugrunde gelegt:

2.1. Zur Person des BF:

2.1.1. Der BF führt den Namen XXXX und ist am XXXX im Dorf XXXX , Distrikt XXXX , Provinz XXXX , geboren und aufgewachsen.

2.1.2. Der BF ist Staatsangehöriger der Islamischen Republik Afghanistan, Angehöriger der Volksgruppe der Hazara und schiitischer Muslim. Die Muttersprache des BF ist Dari.

2.1.3. Der BF wuchs gemeinsam mit seinen Eltern, drei jüngeren Brüdern und einer Schwester auf. Er besuchte in seinem Herkunftsstaat nie die Schule.

2.1.4. Der Lebensunterhalt der Familie des BF wurde durch Tätigkeiten in der Landwirtschaft gesichert. Der BF war als Schaf- und Ziegenhirte tätig.

2.1.5. Die Mutter, drei Brüder, eine Schwester, ein Onkel väterlicherseits und eine Tante väterlicherseits des BF leben nach wie vor im Heimatdorf des BF. Weitere Verwandte des BF leben ebenso in Afghanistan, unter anderem in der Provinz XXXX . Ein Cousin des BF lebt im Iran. Es kann nicht festgestellt werden, ob und wann der Vater des BF verstorben ist.

2.1.6. Der BF ist gesund. Der BF ist im erwerbsfähigen Alter und arbeitsfähig. Er ist ledig und hat keine Kinder.

2.1.7. Der BF verließ Afghanistan ca. im Juli 2011, reiste in den Iran, wo er vier Monate als Fliesenleger arbeitete und reiste durch Ungarn nach Österreich, wo er am 20.11.2011 den ersten von vier Anträgen auf internationalen Schutz stellte.

2.1.8. Der erste, zweite und dritte Antrag des BF auf internationalen Schutz in Österreich wurde jeweils rechtskräftig wegen Zuständigkeit Ungarns zurückgewiesn.

2.1.9. Der BF hält sich seit 20.11.2011 mit einer einmonatigen Unterbrechung vom 14.01.2015 bis 14.02.2015 in Österreich auf. Am 14.01.2015 wurde der BF von Österreich nach Ungarn überstellt. Der BF stellte am 14.01.2015 in Ungarn einen Antrag auf internationalen Schutz und entzog sich dem Verfahren, indem er am 14.02.2015 wieder nach Österreich reiste.

2.2. Zur Integration des BF in Österreich:

2.2.1. Der BF besuchte von 06.08.2012 bis 06.09.2012 und von 03.09.2012 bis 13.12.2012 Deutschkurse "Jugend A und A/2". Der BF besuchte von 05.08.2013 bis 05.09.2013 und von 07.10.2013 bis 18.12.2013 Deutschkurse auf A2 Niveau. Der BF besuchte von 02.09.2013 bis 16.06.2014 einen Kurs "Basisbildung Mathematik und Englisch". Der BF besuchte von 14.10.2013 bis 27.11.2013 und von 02.12.2013 bis 30.04.2014 einen Kurs "Im Fordergrund lernen". Der BF besuchte von 08.01.2014 bis 31.03.2014 einen Deutschkurs auf B1.1 Niveau.

2.2.2. Der BF absolvierte am 16.02.2018 mit Erfolg den Pflichtschulabschluss in Österreich. Der BF bestand am 08.05.2018 die Deutschprüfung auf B1 Niveau. Der BF besucht derzeit keinen Deutschkurs.

2.2.3. Der BF ist bisher keiner bezahlten Erwerbstätigkeit nachgegangen. Der BF versandte zwischen März und Mai 2018 mehr als 20 Bewerbungen für Lehrstellen als KFZ-Techniker, Metalltechniker und Restaurantfachmann.

2.2.4. Der BF hat sich seit seiner Einreise in Österreich bisher einmal einen Monat lang (zweimal pro Woche) als Dolmetscher bei der Caritas, darüber hinaus aber nicht ehrenamtlich betätigt.

2.2.5. Der BF wird von zwei Privatpersonen und einer Kursleiterin als freundlich, höflich, wissbegierig beschrieben.

2.2.6. Der BF hat keine Verwandten oder sonstigen nahen Angehörigen in Österreich. Er führte von 2014 bis 2017 eine Beziehung mit einer Österreicherin, die von dieser beendet wurde. Der BF teilte nie den gemeinsamen Wohnsitz mit seiner Ex-Freundin.

2.2.7. Der BF wohnt gemeinsam mit zwei Freunden, beides afghanische Staatsangehörige, denen in Österreich der Status der Asylberechtigten zuerkannt wurde, in einer Privatwohnung. Er bezieht seit 21.10.2011 mit einer Unterbrechung von 12.01.2015 bis 26.02.2016 Leistungen aus der Grundversorgung. Er verfügt nicht über den eigenen Lebensbedarf deckende finanzielle Mittel.

2.2.8. Der BF ist nicht Mitglied in einem Verein.

2.2.9. Der BF verfügt über keine weiteren als den unter 2.2.1. bis 2.2.8. dargestellten familiären und sozialen Bindungen in Österreich.

2.2.10. Der BF ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten.

2.3. Zu den Fluchtgründen des BF und einer Rückkehr nach Afghanistan:

2.3.1. Der BF verdiente sich seinen Lebensunterhalt in Afghanistan als Hirte von Schafen und Ziegen. Eines Tages kamen dem BF 20 bis 30 Schafe abhanden. Der Eigentümer der Schafe forderte den BF auf, den Schaden zu bezahlen und drohte ihm mit Gefängnis. Der BF verließ Afghanistan aus Angst vor diesem Mann (" XXXX ").

2.3.2. Der BF war in Afghanistan keiner konkret gegen ihn gerichteten Verfolgung durch die Taliban ausgesetzt und wäre im Falle der Rückkehr nach Afghanistan keiner konkret gegen ihn gerichteten Verfolgung durch die Taliban ausgesetzt.

2.3.3. Der BF war in Afghanistan keiner konkret gegen ihn gerichteten Verfolgung aufgrund seiner Volksgruppenzugehörigkeit (Hazara) ausgesetzt und wäre im Falle der Rückkehr nach Afghanistan keiner konkret gegen ihn gerichteten Verfolgung aufgrund seiner Volksgruppenzugehörigkeit (Hazara) ausgesetzt.

2.3.4. Der BF wurde in seinem Herkunftsstaat niemals inhaftiert und hatte mit den Behörden seines Herkunftsstaates weder auf Grund seiner Rasse, Nationalität, seines Religionsbekenntnisses oder seiner Volksgruppenzugehörigkeit noch sonst irgendwelche Probleme. Der BF war nie politisch tätig und gehörte nie einer politischen Partei an.

2.3.5. Der BF verfügt nicht über eine "westliche" Lebensausrichtung, die der konservativ-islamischen Gesellschaftsordnung widerspricht, oder lebt eine solche nach Außen hin erkennbar aus. Der BF ist im Falle der Rückkehr nach Afghanistan keiner Gefährdung aufgrund einer behaupteten "westlichen" Lebensausrichtung ausgesetzt.

2.3.6. Der BF betrachtet sich als nicht strenggläubigen sunnitischen Muslim, der nicht alle Vorschriften des Islam streng einhält und beispielsweise Alkohol trinkt und Schweinefleisch isst.

2.3.7. Im Falle der Rückkehr in seine Heimatprovinz XXXX würde dem BF ein Eingriff in eine körperliche Unversehrtheit drohen.

2.3.8. Dem BF droht im Falle der Rückkehr nach XXXX oder XXXX kein Eingriff in seine körperliche Unversehrtheit.

Der BF läuft nicht Gefahr, im Falle der Rückkehr nach XXXX oder XXXX , grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft nicht befriedigen zu können und in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten.

Die Familie des BF, insbesondere jene Verwandten, die in der Provinz XXXX leben, wären bei seiner Rückkehr in der Lage, ihn wirtschaftlich zu unterstützen, sollte dies notwendig sein.

2.3.9. Der BF ist volljährig, anpassungsfähig, mobil, arbeitsfähig und hat keine Kinder. Er verfügt über familiäre Unterstützung in Afghanistan und vom Iran aus. Im Falle der Rückkehr nach XXXX oder XXXX läuft der BF nicht Gefahr, aufgrund seines derzeitigen Gesundheitszustandes in einen unmittelbar lebensbedrohlichen Zustand zu geraten oder sich seine Gesundheit in einem lebensbedrohlichen Ausmaß verschlechtern würde. Es sind auch sonst keine Hinweise hervorgekommen, dass allenfalls andere körperliche oder psychische Erkrankungen einer Rückführung des BF in den Herkunftsstaat entgegenstehen würden.

2.3.10. Der BF kann die Städte Herat und Mazar-e Sharif von Österreich aus sicher mit dem Flugzeug erreichen.

2.4. Zur maßgeblichen Situation in Afghanistan:

Aufgrund der im Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht in das Verfahren eingeführten aktuellen Erkenntnisquellen werden folgende entscheidungsrelevante Feststellungen zum Herkunftsstaat des BF getroffen:

2.4.1. Auszug aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation mit Stand vom 11.09.2018:

1. Neueste Ereignisse - Integrierte Kurzinformationen

KI vom 11.9.2018, Angriffe des Islamischen Staates (IS/ISKP) in Kabul, Anschläge in Nangarhar und Aktivitäten der Taliban in den Provinzen Sar-i Pul und Jawzjan (relevant für Abschnitt 3 / Sicherheitslage)

Anschläge in Nangarhar 11.9.2018

Am 11.9.2018 kamen nach einem Selbstmordanschlag während einer Demostration im Distrikt Mohamad Dara der Provinz Nangarhar mindestens acht Menschen ums Leben und weitere 35 wurden verletzt (Tolonews 11.9.2018; vgl. TWP 11.9.2018, RFE/RL 11.9.2018). Kurz zuvor wurde am Vormittag des 11.9.2018 ein Anschlag mit zwei Bomben vor der Mädchenschule "Malika Omaira" in Jalalabad verübt, bei dem ein Schüler einer nahegelegenen Jungenschule ums Leben kam und weitere vier Schüler verletzt wurden, statt (RFE/RL 11.9.2018; AFP 11.9.2018). Davor gab es vor der Mädchenschule "Biba Hawa" im naheligenden Distrikt Behsud eine weitere Explosion, die keine Opfer forderte, weil die Schülerinnen noch nicht zum Unterricht erschienen waren (AFP 11.9.2018).

Weder die Taliban noch der IS/ISKP bekannten sich zu den Anschlägen, obwohl beide Gruppierungen in der Provinz Nangarhar aktiv sind (AFP 11.9.2018; vgl. RFE/RL 11.9.2018, TWP 11.9.2018).

Kämpfe in den Provinzen Sar-e Pul und Jawzjan 11.9.2018

Am Montag, dem 10.9.2018, eroberten die Taliban die Hauptstadt des Kham Aab Distrikts in der Provinz Jawzjan nachdem es zu schweren Zusammenstößen zwischen den Taliban und den afghanischen Sicherheitskräften gekommen war (Tolonews 10.9.2018a; Tolonews 10.9.2018b). Sowohl die afghanischen Streitkräfte als auch die Taliban erlitten Verluste (Khaama Press 10.9.2018a).

Am Sonntag, dem 9.9.2018, starteten die Taliban eine Offensive zur Eroberung der Hauptstadt der Provinz Sar-i Pul, wo nach wie vor u.a. mit Einsatz der Luftwaffe gekämpft wird (Tolonews 10.9.2018b; vgl. FAZ 10.9.2018). Quellen zufolge haben die Taliban das Gebiet Balghali im Zentrum der Provinzhauptstadt eingenommen und unter ihre Kontrolle gebracht (FAZ 10.9.2018). Sar-i-Pul-Stadt gehört zu den zehn Provinzhauptstädten, die Quellen zufolge das höchste Risiko tragen, von den Taliban eingenommen zu werden. Dazu zählen auch Farah-Stadt, Faizabad in Badakhshan, Ghazni-Stadt, Tarinkot in Uruzgan, Kunduz-Stadt, Maimana in Faryab und Pul-i-Khumri in Baghlan (LWJ 10.9.2018; vgl. LWJ 30.8.2018). Weiteren Quellen zufolge sind auch die Städte Lashkar Gar in Helmand und Gardez in Paktia von einer Kontrollübernahme durch die Taliban bedroht (LWJ 10.9.2018).

IS-Angriff während Massoud-Festzug in Kabul 9.9.2018

Bei einem Selbstmordanschlag im Kabuler Stadtteil Taimani kamen am 9.9.2018 mindestens sieben Menschen ums Leben und ungefähr 24 weitere wurden verletzt. Der Anschlag, zu dem sich der Islamische Staat (IS/ISKP) bekannte, fand während eines Festzugs zu Ehren des verstorbenen Mudschahedin-Kämpfers Ahmad Shah Massoud statt (AJ 10.9.2018; vgl. Khaama Press 10.9.2018b).

IS-Angriff auf Sportverein in Kabul 5.9.2018

Am Mittwoch, dem 5.9.2018, kamen bei einem Doppelanschlag auf einen Wrestling-Klub im Kabuler Distrikt Dasht-e Barchi mindestens 20 Personen ums Leben und ungefähr 70 weitere wurden verletzt (AJ 6.9.2018; vgl. CNN 6.9.2018, TG 5.9.2018). Zuerst sprengte sich innerhalb des Sportvereins ein Attentäter in die Luft, kurz darauf explodierte eine Autobombe in der sich vor dem Klub versammelnden Menge (SO 5.9.2018) Der Islamische Staat (IS/ISKP) bekannte sich zum Anschlag (RFE/RL 5.9.2018).

KI vom 22.08.2018, Angriffe des Islamischen Staates (IS/ISKP) in Kabul und Paktia und Aktivitäten der Taliban in Ghazni, Baghlan, Faryab und Kunduz zwischen 22.7.2018 und 20.8.2018; (relevant für Abschnitt 3 / Sicherheitslage)

Entführung auf der Takhar-Kunduz-Autobahn 20.8.2018

Am 20.8.2018 entführten die Taliban 170 Passagiere dreier Busse, die über die Takhar-Kunduz-Autobahn auf der Reise nach Kabul waren (Tolonews 20.8.2018; vgl. IFQ 20.8.2018). Quellen zufolge wurden die Entführten in das Dorf Nikpe der Provinz Kunduz gebracht, wo es zu Kämpfen zwischen den afghanischen Sicherheitskräften und den Aufständischen kam. Es wurden insgesamt 149 Personen freigelassen, während sich die restlichen 21 weiterhin in der Gewalt der Taliban befinden (IFQ 20.8.2018). Grund für die Entführung war die Suche nach Mitgliedern der afghanischen Sicherheitskräfte bzw. Beamten (IFQ 20.8.2018; vgl. BBC 20.8.2018). Die Entführung erfolgte nach dem von Präsident Ashraf Ghani angekündigten Waffenstillstand, der vom 20.8.2018 bis 19.11.2018 gehen sollte und jedoch von den Taliban zurückgewiesen wurde (Reuters 20.8.2018; vgl. Tolonews 19.8.2018).

IS-Angriff auf die Mawoud Akademie in Kabul 15.8.2018

Ein Selbstmordattentäter sprengte sich am Nachmittag des 15.8.2018 in einem privaten Bildungszentrum im Kabuler Distrikt Dasht-e Barchi, dessen Bewohner mehrheitlich Schiiten sind, in die Luft (NZZ 16.8.2018; vgl. BBC 15.8.2018, Repubblica 15.8.2018). Die Detonation hatte 34 Tote und 56 Verletzte zur Folge (Reuters 16.8.2018a; vgl. NZZ 16.8.2018, Repubblica 15.8.2018). Die Mehrheit der Opfer waren Studentinnen und Studenten, die sich an der Mawoud Akademie für die Universitätsaufnahmeprüfungen vorbereiteten (Reuters 16.8.2018b; vgl. RFE/RL 17.8.2018). Der Islamische Staat (IS) bekannte sich zum Vorfall (RFE/RL 17.8.2018; vgl. Reuters 16.8.2018b).

Kämpfe in den Provinzen Ghazni, Baghlan und Faryab

Am Donnerstag, dem 9.8.2018, starteten die Taliban eine Offensive zur Eroberung der Hauptstadt Ghaznis, einer strategisch bedeutenden Provinz, die sich auf der Achse Kabul-Kandahar befindet (Repubblica 13.8.2018; vgl. ANSA 13.8.2018, CBS 14.8.2018). Nach fünftägigen Zusammenstößen zwischen den afghanischen Sicherheitskräften und den Aufständischen konnten letztere zurückgedrängt werden (AB 15.8.2018; vgl. Xinhua 15.8.2018). Während der Kämpfe kamen ca. 100 Mitglieder der Sicherheitskräfte ums Leben und eine unbekannte Anzahl Zivilisten und Taliban (DS 13.8.2018; vgl. ANSA 13.8.2018).

Am 15.8.2018 verübten die Taliban einen Angriff auf einen Militärposten in der nördlichen Provinz Baghlan, wobei ca. 40 Sicherheitskräfte getötet wurden (AJ 15.8.2018; vgl. Repubblica 15.8.2018, BZ 15.8.2018).

Auch im Distrikt Ghormach der Provinz Faryab wurde gekämpft: Die Taliban griffen zwischen 12.8.2018 und 13.8.2018 einen Stützpunkt des afghanischen Militärs, bekannt als Camp Chinaya, an und töteten ca. 17 Mitglieder der Sicherheitskräfte (ANSA 14.8.2018; vgl. CBS 14.8.2018, Tolonews 12.8.2018). Quellen zufolge kapitulierten die Sicherheitskräfte nach dreitägigen Kämpfen und ergaben sich den Aufständischen (CBS 14.8.2018; vgl. ANSA 14.8.2018).

IS-Angriff auf schiitische Moschee in Gardez-Stadt in Paktia 3.8.2018

Am Freitag, dem 3.8.2018, kamen bei einem Selbstmordanschlag innerhalb der schiitischen Moschee Khawaja Hassan in Gardez-Stadt in der Provinz Paktia, 39 Personen ums Leben und weitere 80 wurden verletzt (SI 4.8.2018; vgl. Reuters 3.8.2018, FAZ 3.8.2018). Der Islamische Staat (IS) bekannte sich zum Anschlag (SI 4.8.2018).

IS-Angriff vor dem Flughafen in Kabul 22.7.2018

Am Sonntag, dem 22.7.2018, fand ein Selbstmordanschlag vor dem Haupteingangstor des Kabuler Flughafens statt. Der Attentäter sprengte sich in die Luft, kurz nachdem der afghanische Vizepräsident Rashid Dostum von einem einjährigen Aufenthalt in der Türkei nach Afghanistan zurückgekehrt und mit seinem Konvoi vom Flughafen abgefahren war (AJ 23.7.2018; vgl. Reuters 23.7.2018). Es kamen ca. 23 Personen ums Leben und 107 wurden verletzt (ZO 15.8.2018; vgl. France24). Der Islamische Staat (IS) reklamierte den Anschlag für sich (AJ 23.7.2018; vgl. Reuters 23.7.2018).

2. Sicherheitslage

Wegen einer Serie von öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffen in städtischen Zentren, die von regierungsfeindlichen Elementen ausgeführt wurden, erklärten die Vereinten Nationen (UN) im Februar 2018 die Sicherheitslage für sehr instabil (UNGASC 27.2.2018).

Für das Jahr 2017 registrierte die Nichtregierungsorganisation INSO (International NGO Safety Organisation) landesweit 29.824 sicherheitsrelevante Vorfälle. Im Jahresvergleich wurden von INSO 2016 landesweit 28.838 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert und für das Jahr 2015 25.288. Zu sicherheitsrelevanten Vorfällen zählt INSO Drohungen, Überfälle, direkter Beschuss, Entführungen, Vorfälle mit IEDs (Sprengfallen/ Unkonventionelle Spreng- oder Brandvorrichtung - USBV) und andere Arten von Vorfällen (INSO o.D.).

[...]

Für das Jahr 2017 registrierte die UN insgesamt 23.744 sicherheitsrelevante Vorfälle in Afghanistan (UNGASC 27.2.2018); für das gesamte Jahr 2016 waren es 23.712 (UNGASC 9.3.2017). Landesweit wurden für das Jahr 2015 insgesamt 22.634 sicherheitsrelevanter Vorfälle registriert (UNGASC 15.3.2016).

Im Jahr 2017 waren auch weiterhin bewaffnete Zusammenstöße Hauptursache (63%) aller registrierten sicherheitsrelevanten Vorfälle, gefolgt von IEDs (Sprengfallen/ Unkonventionelle Spreng- oder Brandvorrichtung - USBV) und Luftangriffen. Für das gesamte Jahr 2017 wurden 14.998 bewaffnete Zusammenstöße registriert (2016: 14.977 bewaffnete Zusammenstöße) (USDOD 12.2017). Im August 2017 stuften die Vereinten Nationen (UN) Afghanistan, das bisher als "Post-Konflikt-Land" galt, wieder als "Konfliktland" ein; dies bedeute nicht, dass kein Fortschritt stattgefunden habe, jedoch bedrohe der aktuelle Konflikt die Nachhaltigkeit der erreichten Leistungen (UNGASC 10.8.2017).

Die Zahl der Luftangriffe hat sich im Vergleich zum Jahr 2016 um 67% erhöht, die gezielter Tötungen um 6%. Ferner hat sich die Zahl der Selbstmordattentate um 50% erhöht. Östlichen Regionen hatten die höchste Anzahl an Vorfällen zu verzeichnen, gefolgt von südlichen Regionen. Diese beiden Regionen zusammen waren von 55% aller sicherheitsrelevanten Vorfälle betroffen (UNGASC 27.2.2018). Für den Berichtszeitraum 15.12.2017 - 15.2.2018 kann im Vergleich zum selben Berichtszeitraum des Jahres 2016, ein Rückgang (-6%) an sicherheitsrelevanten Vorfällen verzeichnet werden (UNGASC 27.2.2018).

Afghanistan ist nach wie vor mit einem aus dem Ausland unterstützten und widerstandsfähigen Aufstand konfrontiert. Nichtsdestotrotz haben die afghanischen Sicherheitskräfte ihre Entschlossenheit und wachsenden Fähigkeiten im Kampf gegen den von den Taliban geführten Aufstand gezeigt. So behält die afghanische Regierung auch weiterhin Kontrolle über Kabul, größere Bevölkerungszentren, die wichtigsten Verkehrsrouten und den Großteil der Distriktzentren (USDOD 12.2017). Zwar umkämpften die Taliban Distriktzentren, sie konnten aber keine Provinzhauptstädte (bis auf Farah-Stadt; vgl. AAN 6.6.2018) bedrohen - ein signifikanter Meilenstein für die ANDSF (USDOD 12.2017; vgl. UNGASC 27.2.2018); diesen Meilenstein schrieben afghanische und internationale Sicherheitsbeamte den intensiven Luftangriffen durch die afghanische Nationalarmee und der Luftwaffe sowie verstärkter Nachtrazzien durch afghanische Spezialeinheiten zu (UNGASC 27.2.2018).

Die von den Aufständischen ausgeübten öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffe in städtischen Zentren beeinträchtigten die öffentliche Moral und drohten das Vertrauen in die Regierung zu untergraben. Trotz dieser Gewaltserie in städtischen Regionen war im Winter landesweit ein Rückgang an Talibanangriffen zu verzeichnen (UNGASC 27.2.2018). Historisch gesehen gehen die Angriffe der Taliban im Winter jedoch immer zurück, wenngleich sie ihre Angriffe im Herbst und Winter nicht gänzlich einstellen. Mit Einzug des Frühlings beschleunigen die Aufständischen ihr Operationstempo wieder. Der Rückgang der Vorfälle im letzten Quartal 2017 war also im Einklang mit vorangegangenen Schemata (LIGM 15.2.2018).

2.1. Anschläge bzw. Angriffe und Anschläge auf hochrangige Ziele

Die Taliban und weitere aufständische Gruppierungen wie der Islamische Staat (IS) verübten auch weiterhin "high-profile"-Angriffe, speziell im Bereich der Hauptstadt, mit dem Ziel, eine Medienwirksamkeit zu erlangen und damit ein Gefühl der Unsicherheit hervorzurufen und so die Legitimität der afghanischen Regierung zu untergraben (USDOD 12.2017; vgl. SBS 28.2.2018, NZZ 21.3.2018, UNGASC 27.2.2018). Möglicherweise sehen Aufständische Angriffe auf die Hauptstadt als einen effektiven Weg, um das Vertrauen der Bevölkerung in die Regierung zu untergraben, anstatt zu versuchen, Territorium in ländlichen Gebieten zu erobern und zu halten (BBC 21.3.2018).

Die Anzahl der öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffe hatte sich von 1.6. - 20.11.2017 im Gegensatz zum Vergleichszeitraum des Vorjahres erhöht (USDOD 12.2017). In den ersten Monaten des Jahres 2018 wurden verstärkt Angriffe bzw. Anschläge durch die Taliban und den IS in verschiedenen Teilen Kabuls ausgeführt (AJ 24.2.2018; vgl. Slate 22.4.2018). Als Antwort auf die zunehmenden Angriffe wurden Luftangriffe und Sicherheitsoperationen verstärkt, wodurch Aufständische in einigen Gegenden zurückgedrängt wurden (BBC 21.3.2018); auch wurden in der Hauptstadt verstärkt Spezialoperationen durchgeführt, wie auch die Bemühungen der US-Amerikaner, Terroristen zu identifizieren und zu lokalisieren (WSJ 21.3.2018).

Landesweit haben Aufständische, inklusive der Taliban und des IS, in den Monaten vor Jänner 2018 ihre Angriffe auf afghanische Truppen und Polizisten intensiviert (TG 29.1.2018; vgl. BBC 29.1.2018); auch hat die Gewalt Aufständischer gegenüber Mitarbeiter/innen von Hilfsorganisationen in den letzten Jahren zugenommen (The Guardian 24.1.2018). Die Taliban verstärken ihre Operationen, um ausländische Kräfte zu vertreiben; der IS hingegen versucht, seinen relativ kleinen Einflussbereich zu erweitern. Die Hauptstadt Kabul ist in diesem Falle für beide Gruppierungen interessant (AP 30.1.2018).

Angriffe auf afghanische Sicherheitskräfte und Zusammenstöße zwischen diesen und den Taliban finden weiterhin statt (AJ 22.5.2018; AD 20.5.2018).

Registriert wurde auch eine Steigerung öffentlichkeitswirksamer gewalttätiger Vorfälle (UNGASC 27.2.2018), von denen zur Veranschaulichung hier auszugsweise einige Beispiele wiedergegeben werden sollen (Anmerkung der Staatendokumentation: Die folgende Liste enthält öffentlichkeitswirksame (high-profile) Vorfälle sowie Angriffe bzw. Anschläge auf hochrangige Ziele und erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit).

* Selbstmordanschlag vor dem Ministerium für ländliche Rehabilitation und Entwicklung (MRRD) in Kabul: Am 11.6.2018 wurden bei einem Selbstmordanschlag vor dem Eingangstor des MRRD zwölf Menschen getötet und 30 weitere verletzt. Quellen zufolge waren Frauen, Kinder und Mitarbeiter des Ministeriums unter den Opfern (AJ 11.6.2018). Der Islamische Staat (IS) bekannte sich zum Angriff (Reuters 11.6.2018; Gandhara 11.6.2018).

* Angriff auf das afghanische Innenministerium (MoI) in Kabul: Am 30.5.2018 griffen bewaffnete Männer den Sitz des MoI in Kabul an, nachdem vor dem Eingangstor des Gebäudes ein mit Sprengstoff geladenes Fahrzeug explodiert war. Bei dem Vorfall kam ein Polizist ums Leben. Die Angreifer konnten nach einem zweistündigen Gefecht von den Sicherheitskräften getötet werden. Der Islamische Staat (IS) bekannte sich zum Angriff (CNN 30.5.2018; vgl. Gandhara 30.5.2018)

* Angriff auf Polizeistützpunkte in Ghazni: Bei Taliban-Anschlägen auf verschiedene Polizeistützpunkte in der afghanischen Provinz Ghazni am 21.5.2018 kamen mindestens 14 Polizisten ums Leben (AJ 22.5.2018).

* Angriff auf Regierungsbüro in Jalalabad: Nach einem Angriff auf die Finanzbehörde der Provinz Nangarhar in Jalalabad kamen am 13.5.2018 mindestens zehn Personen, darunter auch Zivilisten, ums Leben und 40 weitere wurden verletzt (Pajhwok 13.5.2018; vgl. Tolonews 13.5.2018). Die Angreifer wurden von den Sicherheitskräften getötet (AJ 13.5.2018). Quellen zufolge bekannte sich der Islamische Staat (IS) zum Angriff (AJ 13.5.2018).

* Angriff auf Polizeireviere in Kabul: Am 9.5.2018 griffen bewaffnete Männer jeweils ein Polizeirevier in Dasht-e-Barchi und Shar-i-Naw an und verursachten den Tod von zwei Polizisten und verwundeten sechs Zivilisten. Auch wurden Quellen zufolge zwei Attentäter von den Sicherheitskräften getötet (Pajhwok 9.5.2018). Der IS bekannte sich zum Angriff (Pajhwok 9.5.2018; vgl. Tolonews 9.5.2018).

* Selbstmordangriff in Kandahar: Bei einem Selbstmordanschlag auf einen Konvoi der NATO-Truppen in Haji Abdullah Khan im Distrikt Daman der Provinz Kandahar sind am 30.4.2018 elf Kinder ums Leben gekommen und 16 weitere Menschen verletzt worden; unter den Verletzten befanden sich u.a. rumänische Soldaten (Tolonews 30.4.2018b; vgl. APN 30.4.2018b, Focus 30.4.2018, IM 30.4.2018). Weder der IS noch die Taliban reklamierten den Anschlag für sich (Spiegel 30.4.2018; vgl. Tolonews 30.4.2018b).

* Doppelanschlag in Kabul: Am 30.4.2018 fand im Bezirk Shash Derak in der Hauptstadt Kabul ein Doppelanschlag statt, bei dem Selbstmordattentäter zwei Explosionen verübten (AJ 30.4.2018; vgl. APN 30.4.2018a). Die erste Detonation erfolgte in der Nähe des Sitzes des afghanischen Geheimdienstes (NDS) und wurde von einem Selbstmordattentäter auf einem Motorrad verübt; dabei wurden zwischen drei und fünf Menschen getötet und zwischen sechs und elf weitere verletzt (DZ 30.4.2018; vgl. APN 30.4.2018b); Quellen zufolge handelte es sich dabei um Zivilisten (Focus 30.4.2018). Die zweite Detonation ging von einem weiteren Selbstmordattentäter aus, der sich, als Reporter getarnt, unter die am Anschlagsort versammelten Journalisten, Sanitäter und Polizisten gemischt hatte (DZ 30.4.2018; vgl. APN 30.4.2018b, Pajhwok 30.4.2018, Tolonews 30.4.2018a). Dabei kamen u.a. zehn Journalisten ums Leben, die bei afghanischen sowie internationalen Medien tätig waren (TI 1.5.2018; vgl. AJ 30.4.2018, APN 30.4.2018a,). Bei den beiden Anschlägen sind Quellen zufolge zwischen 25 und 29 Personen ums Leben gekommen und 49 verletzt worden (AJ 30.4.2018; vgl. APN 30.4.2018a, DZ 30.4.2018, Tolonews 30.4.2018a). Der IS bekannte sich zu beiden Angriffen (DZ 30.4.2018; vgl. APN 30.4.2018a). Quellen zufolge sind Geheimdienstmitarbeiter das Ziel des Angriffes gewesen (DZ 30.4.2018; vgl. APN 30.4.2018a).

* Angriff auf die Marshal Fahim Militärakademie: Am 29.1.2018 attackierten fünf bewaffnete Angreifer einen militärischen Außenposten in der Nähe der Marshal Fahim Militärakademie (auch bekannt als Verteidigungsakademie), die in einem westlichen Außendistrikt der Hauptstadt liegt. Bei dem Vorfall wurden mindestens elf Soldaten getötet und 15 weitere verletzt, bevor die vier Angreifer getötet und ein weiterer gefasst werden konnten. Der IS bekannte sich zu dem Vorfall (Reuters 29.1.2018; vgl. NYT 28.1.2018).

* Bombenangriff mit einem Fahrzeug in Kabul: Am 27.1.2018 tötete ein Selbstmordattentäter der Taliban mehr als 100 Menschen und verletzte mindestens 235 weitere (Reuters 27.1.2018; vgl. TG 28.1.2018). Eine Bombe - versteckt in einem Rettungswagen - detonierte in einem schwer gesicherten Bereich der afghanischen Hauptstadt (TG 27.1.2018; vgl. TG 28.1.2018) - dem sogenannten Regierungs- und Diplomatenviertel (Reuters 27.1.2018).

* Angriff auf eine internationale Organisation (Save the Children - SCI) in Jalalabad: Am 24.1.2018 brachte ein Selbstmordattentäter ein mit Sprengstoff beladenes Fahrzeug am Gelände der Nichtregierungsorganisation (NGO) Save The Children in der Provinzhauptstadt Jalalabad zur Explosion. Mindestens zwei Menschen wurden getötet und zwölf weitere verletzt; der IS bekannte sich zu diesem Vorfall (BBC 24.1.2018; vgl. Reuters 24.1.2018, TG 24.1.2018).

* Angriff auf das Hotel Intercontinental in Kabul: Am 20.1.2018 griffen fünf bewaffnete Männer das Luxushotel Intercontinental in Kabul an. Der Angriff wurde von afghanischen Truppen abgewehrt, nachdem die ganze Nacht um die Kontrolle über das Gebäude gekämpft worden war (BBC 21.1.2018; vgl. DW 21.1.2018). Dabei wurden mindestens 14 Ausländer/innen und vier Afghan/innen getötet. Zehn weitere Personen wurden verletzt, einschließlich sechs Mitglieder der Sicherheitskräfte (NYT 21.1.2018). 160 Menschen konnten gerettet werden (BBC 21.1.2018). Alle fünf Angreifer wurden von den Sicherheitskräften getötet (Reuters 20.1.2018). Die Taliban bekannten sich zu dem Angriff (DW 21.1.2018).

* Selbstmordattentat mit einem mit Sprengstoff beladenen Tanklaster:

Am 31.5.2017 kamen bei einem Selbstmordattentat im hochgesicherten Diplomatenviertel Kabuls mehr als 150 Menschen ums Leben, mindestens 300 weitere wurden schwer verletzt (FAZ 6.6.2017; vgl. AJ 31.5.2017, BBC 31.5.2017; UN News Centre 31.5.2017). Der IS bekannte sich zu diesem Vorfall (FN 7.6.2017).

2.2. Angriffe gegen Gläubige und Kultstätten

Registriert wurde eine steigende Anzahl der Angriffe gegen Glaubensstätten, religiöse Führer sowie Gläubige; 499 zivile Opfer (202 Tote und 297 Verletzte) waren im Rahmen von 38 Angriffen im Jahr 2017 zu verzeichnen. Die Anzahl dieser Art Vorfälle hat sich im Gegensatz zum Jahr 2016 (377 zivile Opfer, 86 Tote und 291 Verletzte bei 12 Vorfällen) verdreifacht, während die Anzahl ziviler Opfer um 32% gestiegen ist (UNAMA 2.2018). Auch verzeichnete die UN in den Jahren 2016 und 2017 Tötungen, Entführungen, Bedrohungen und Einschüchterungen von religiösen Personen - hauptsächlich durch regierungsfeindliche Elemente. Religiösen Führern ist es nämlich möglich, durch ihre Predigten öffentliche Standpunkte zu verändern, wodurch sie zum Ziel von regierungsfeindlichen Elementen werden (UNAMA 7.11.2017). Ein Großteil der zivilen Opfer waren schiitische Muslime. Die Angriffe wurden von regierungsfeindlichen Elementen durchgeführt - hauptsächlich dem IS (UNAMA 7.11.2017; vgl. UNAMA 2.2018). Es wurden aber auch Angriffe auf sunnitische Moscheen und religiöse Führer ausgeführt (TG 20.10.2017; vgl. UNAMA 7.11.2017).

Diese serienartigen und gewalttätigen Angriffe gegen religiöse Ziele, haben die afghanische Regierung veranlasst, neue Maßnahmen zu ergreifen, um Gebetsstätten zu beschützen: landesweit wurden 2.500 Menschen rekrutiert und bewaffnet, um 600 Moscheen und Tempel vor Angriffen zu schützen (UNGASC 20.12.2017).

Zur Veranschaulichung werden im Folgenden auszugsweise einige Beispiele von Anschlägen gegen Gläubige und Glaubensstätten wiedergegeben (Anmerkung der Staatendokumentation: Die folgende Liste erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit):

* Angriff auf Treffen der Religionsgelehrten in Kabul: Am 4.6.2018 fand während einer loya jirga zwischen mehr als 2.000 afghanischen Religionsgelehrten, die durch eine Fatwa zur Beendigung der Gewalt aufriefen, ein Selbstmordanschlag statt. Bei dem Angriff kamen 14 Personen ums Leben und weitere wurden verletzt (Tolonews 7.6.2018; vgl. Reuters 5.6.2018). Quellen zufolge bekannte sich der IS zum Angriff (Reuters 5.6.2018; vgl. RFE/RL 5.6.2018).

* Angriff auf Kricket-Stadion in Jalalabad: Am 18.5.2018, einem Tag nach Anfang des Fastenmonats Ramadan, kamen bei einem Angriff während eines Kricket-Matchs in der Provinzhauptstadt Nangarhars Jalalabad mindestens acht Personen ums Leben und mindestens 43 wurden verletzt (TRT 19.5.2018; vgl. Tolonews 19.5.2018, TG 20.5.2018). Quellen zufolge waren das direkte Ziel dieses Angriffes zivile Zuschauer des Matchs (TG 20.5.2018; RFE/RL 19.5.2018), dennoch befanden sich auch Amtspersonen unter den Opfern (TNI 19.5.2018). Quellen zufolge bekannte sich keine regierungsfeindliche Gruppierung zum Angriff (RFE/RL 19.5.2018); die Taliban dementierten ihre Beteiligung an dem Anschlag (Tolonews 19.5.2018; vgl. TG 20.5.2018) .

* Selbstmordanschlag während Nowruz-Feierlichkeiten: Am 21.3.2018 (Nowruz-Fest; persisches Neujahr) kam es zu einem Selbstmordangriff in der Nähe des schiitischen Kart-e Sakhi-Schreins, der von vielen afghanischen Gemeinschaften - insbesondere auch der schiitischen Minderheit - verehrt wird. Sie ist ein zentraler Ort, an dem das Neujahrsgebet in Kabul abgehalten wird. Viele junge Menschen, die tanzten, sangen und feierten, befanden sich unter den 31 getöteten; 65 weitere wurden verletzt (BBC 21.3.2018). Die Feierlichkeiten zu Nowruz dauern in Afghanistan mehrere Tage und erreichen ihren Höhepunkt am 21. März (NZZ 21.3.2018). Der IS bekannte sich auf seiner Propaganda Website Amaq zu dem Vorfall (RFE/RL 21.3.2018).

* Angriffe auf Moscheen: Am 20.10.2017 fanden sowohl in Kabul, als auch in der Provinz Ghor Angriffe auf Moscheen statt: während des Freitagsgebets detonierte ein Selbstmordattentäter seine Sprengstoffweste in der schiitischen Moschee, Imam Zaman, in Kabul. Dabei tötete er mindestens 30 Menschen und verletzte 45 weitere. Am selben Tag, ebenso während des Freitagsgebetes, griff ein Selbstmordattentäter eine sunnitische Moschee in Ghor an und tötete 33 Menschen (Telegraph 20.10.2017; vgl. TG 20.10.2017).

* Tötungen in Kandahar: Im Oktober 2017 bekannten sich die afghanischen Taliban zu der Tötung zweier religiöser Persönlichkeiten in der Provinz Kandahar. Die Tötungen legitimierten die Taliban, indem sie die Getöteten als Spione der Regierung bezeichneten (UNAMA 7.11.2017).

* Angriff auf schiitische Moschee: Am 2.8.2017 s

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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