Entscheidungsdatum
06.11.2018Norm
AsylG 2005 §2 Abs1 Z17Spruch
W170 2143420-2/27E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Thomas MARTH über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Syrien, vertreten durch Verein Menschenrechte Österreich, gegen Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 24.11.2017, Zl. 1074815303-150726505, zu Recht:
A) Der Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt I. gemäß § 28 Abs. 2
Verwaltungsgerichts-verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 33/2013 in der Fassung BGBl. I Nr. 57/2018, in Verbindung mit § 3 Abs. 1 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 in der Fassung BGBl. I Nr. 56/2018, stattgegeben und XXXX der Status der Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 3 Abs. 4 leg.cit kommt XXXX eine befristete Aufenthaltsberechtigung als Asylberechtigte für drei Jahre zu. Gemäß § 3 Abs. 5 leg.cit. wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930 in der Fassung BGBl. I Nr. 22/2018, nicht zulässig.
Text
BEGRÜNDUNG:
I. Verfahrensgang:
1. XXXX (in Folge: beschwerdeführende Partei) stellte am 24.6.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.
2. Im Rahmen des Administrativverfahrens brachte die beschwerdeführende Partei, die zwar syrische Staatsangehörige aber bis 2011 nur während Urlauben in Syrien gewesen sei und in Saudi Arabien gelebt habe, im Wesentlichen vor, sie werde in Syrien als regimekritische Journalistin bzw. Person mit einer oppositionell-politischen Gesinnung verfolgt.
3. Nach Durchführung des oben dargestellten Ermittlungsverfahrens wurde der gegenständliche Antrag der beschwerdeführenden Partei mit Bescheid vom 24.11.2016, erlassen am 29.11.2016, Zl. 1074815303-150726505, hinsichtlich der Zuerkennung des "Status des Asylberechtigten" abgewiesen. Unter einem wurde dieser der "Status des subsidiär Schutzberechtigten" zuerkannt und eine befristete Aufenthaltsberechtigung erteilt.
4. Nach entsprechender, am 22.12.2016 bei der Behörde eingebrachter, Beschwerde wurde Spruchpunkt I. des unter 3. bezeichneten Bescheides mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 23.02.2017, Zl. W170 2143420-1/6E, behoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt zurückverwiesen.
5. Nach Durchführung einer weiteren Einvernahme wurde der gegenständliche Antrag der beschwerdeführenden Partei mit im Spruch bezeichneten Bescheid vom 24.11.2017, erlassen am 29.11.2017, Zl. 1074815303-150726505, hinsichtlich der Zuerkennung des "Status des Asylberechtigten" abgewiesen. Unter einem wurde dieser abermals und unter Verletzung der Rechtskraft des unter 3. dargestellten Bescheides der "Status des subsidiär Schutzberechtigten" zuerkannt und eine befristete Aufenthaltsberechtigung erteilt.
Begründend wurde ausgeführt, es habe nicht festgestellt werden können, dass der beschwerdeführenden Partei wegen deren Tätigkeit als Journalistin eine Verfolgung oder Bedrohung drohe oder sie einer anderen Verfolgung in Syrien ausgesetzt sein würde.
6. Mit am 27.12.2017 bei der Behörde eingelangtem Schriftsatz wurde abermals Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des im Spruch bezeichneten Bescheides erhoben.
Begründend wurde ausgeführt, dass die beschwerdeführende Partei wegen ihrer Tätigkeit als Journalistin sowie wegen ihrer Teilnahme an in Bezug auf Syrien regimekritischen Demonstrationen in Jordanien und wegen verschiedener Assad-kritischer Videos auf Youtube im Falle der Rückkehr nach Syrien Verfolgung befürchte.
7. Die Beschwerde wurde samt den bezugnehmenden Verwaltungsakten am 29.12.2016 dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegt.
Dieses führte weitere Ermittlungen und wurde am 23.10.2018 eine mündliche Verhandlung durchgeführt, zu der kein Vertreter der belangten Behörde, wohl aber die beschwerdeführende Partei erschien.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat über die rechtzeitige und zulässige Beschwerde erwogen:
1. Feststellungen:
1. XXXX ist eine volljährige, syrische Staatsangehörige, deren Identität feststeht und die in Österreich unbescholten ist.
2. Das Bundesverwaltungsgericht hat im unbekämpft gebliebenen Beschluss vom 23.02.2017, Zl. W170 2143420-1/6E, festgestellt, dass regimekritischen Journalisten in Syrien Verfolgung auf Grund ihrer (allenfalls unterstellten) politischen Gesinnung durch das syrische Regime droht. Diesbezüglich ist eine Änderung der Tatsachenlage nicht erkennbar.
Darüber hinaus besteht auch bei regimekritischen Äußerungen in sozialen Medien die hinreichende Wahrscheinlichkeit einer Wahrnehmung und im Falle der Rückkehr einer Sanktionierung durch die syrischen Sicherheitsbehörden.
3. XXXX hatte bis dato keinen festen Wohnsitz in Syrien, sie hat sich bisher nur einige Tage in Aleppo bei weitschichtigen Verwandten aufgehalten. XXXX könnte sicher und legal nur über den Flughafen von Damaskus nach Syrien einreisen, dieser ist in der Hand des syrischen Regimes.
4. XXXX ist nicht mehr im Besitz ihres syrischen Reisepasses, dieser wurde ihr in Österreich gestohlen; sie hat diesen Diebstahl den Behörden angezeigt. Eine Kopie des Reisepasses befindet sich im Akt der belangten Behörde.
5. XXXX hat auf Youtube unter dem Namen XXXX Gedichte veröffentlich, in denen sie Präsident Assad als Schwein bezeichnet, der viel Geld habe und Kinder töte. Er sei der Prinz von Eseln, alle die mit ihm seien, seien Esel. Er habe Häuser von Menschen, die nach Freiheit streben, zerstört und werde als Sklave und als Schmutz bleiben. Ihn sollen die Hunde, die Tiere und die Esel treten und Kamele auf ihn urinieren.
XXXX hat auf Youtube unter dem Namen XXXX als Journalistin über ein Kind berichtet, das vor Assad geflüchtet sei und Verbrennungen erlitten habe; weiters hat sie auf Youtube als Interviewte angegeben, nunmehr mit dem Kugelschreiber zu kämpfen und dass sie der Revolution gedient habe. In diesem Interview wird der Vater der XXXX als Moslembruder bezeichnet, XXXX gibt an, dass ihr Vater vom Regime ins Exil geschickt worden sei und sie hinsichtlich des Vaters bei Syrien-Urlauben vom Geheimdienst einvernommen wurde. Sie erklärt in diesem Interview ihre Sympathie für die syrische Revolution und dass sie in Jordanien an gegen das syrische Regime gerichteten "Revolutionsangelegenheiten" mitwirke und Berichte über Syrien veröffentliche.
Der Name XXXX ist der Sippenname der XXXX , dieser ist im arabischen Raum weit verbreitet und können die syrischen Behörden XXXX der Sippe der XXXX zuordnen und sie somit mit dem Namen XXXX in Verbindung bringen.
6. XXXX hat nach dem Jahr 2011 bis zu ihrer Ausreise im Jahr 2013 in Jordanien an in Bezug auf Syrien regimekritischen Demonstrationen vor der syrischen Botschaft teilgenommen und dabei insoweit eine hervorragende Stellung eingenommen, als sie mit einem Mikrofon zu den Demonstranten gesprochen und Assad dabei insoweit beschimpft hat, als das Volk auf ihn spuke und nur Gott ihn bestrafen könne.
7. Es finden sich keine Hinweise auf Asylausschluss- oder -endigungsgründe in Bezug auf XXXX .
2. Beweiswürdigung:
1. Hinsichtlich der Feststellungen zu 1.1. ist auf die im Akt aufliegende Kopie des Reisepasses der beschwerdeführenden Partei, die diesbezüglich erfolgte Dokumentenuntersuchung und die in das Verfahren eingeführte Strafregisterauskunft zu verweisen.
2. Hinsichtlich der ersten Feststellung zu 1.2. ist auf die unbedenkliche Aktenlage, hinsichtlich der zweiten und der dritten Feststellung insbesondere auf das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 25.1.2018, letzte Kurzinformation eingefügt am 24.8.2018. Dieses führt aus, dass die zahlreichen syrischen Sicherheitsbehörden autonom und ohne klar definierte Grenzen zwischen ihren Aufgabenbereichen arbeiten würden und es vier Hauptzweige der Sicherheits- und Nachrichtendienste, nämlich den Militärischen Nachrichtendienst, den Luftwaffennachrichtendienst und das Direktorat für Politische Sicherheit gebe, die dem Innenministerium unterstehen würden während das Allgemeine Nachrichtendienstdirektorat eine alleinstehende Organisation sei und direkt dem Präsidenten unterstehe. Diese vier Dienste würden unabhängig voneinander und größtenteils außerhalb des Justizsystems arbeiten, einzelne Staatsbürger überwachen und oppositionelle Stimmen innerhalb Syriens unterdrücken.
Weiters ist dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 25.1.2018, letzte Kurzinformation eingefügt am 24.8.2018, zu entnehmen, dass aus Berichten hervorgehe, dass die Regierung bestimmte Aktivitäten von im Ausland lebenden Syrern als Ausdruck einer oppositionellen Einstellung betrachte, darunter Anträge auf Asyl, Teilnahme an regierungskritischen Protesten, Kontakte zu Oppositionsgruppen oder andere Ausdrucksformen der Kritik an der Regierung, einschließlich über soziale Medien. Die syrische Regierung habe Interesse an politischen Aktivitäten von Syrern im Ausland, auch deshalb, um oppositionelle Alternativen zum gegenwärtigen Regime zu unterbinden. Die Regierung überwache Aktivitäten dieser Art im Ausland, auch in Österreich. Dass die syrische Regierung Kenntnis von solchen Aktivitäten habe, sei wahrscheinlich, und sie habe die Möglichkeit, ihr diesbezügliches Wissen zu nutzen, wenn sich dazu die Gelegenheit ergebe. Eine Überwachung von exilpolitischen Aktivitäten passiere hauptsächlich an Orten mit einer größeren syrischen Gemeinde, weil sich dort eher Informanten der Regierung befinden könnten. Eine Gefährdung eines Rückkehrers im Falle von exilpolitischer Aktivität hänge jedoch von den Aktivitäten selbst, dem Profil der Person und von zahlreichen anderen Faktoren, wie dem familiären Hintergrund und den Ressourcen ab, die der Regierung zur Verfügung stünden.
Daher ist nicht zu erkennen, dass sich die Tatsachenlage seit dem unter 1.2. genannten Beschluss geändert hat und ist darüber hinaus bereits ausreichend, sich in sozialen Medien regimekritisch zu äußern, um dem Regime aufzufallen.
Diese sich aus den der belangten Behörde bereits bekannten Beweismittel - auch wenn das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation nunmehr aktualisiert wurde - und sich aus der Rechtskraftwirkung des unter 1.2. genannten Beschlusses ergebenden Tatsachen hätte die Behörde bereits erkennen können; sie hat hiezu in der Beweiswürdigung, nachdem sie die Aktivitäten der beschwerdeführenden Partei in den sozialen Medien zusammengefasst hat, nur ausgeführt, dass davon auszugehen sei, dass die beschwerdeführende Partei nach so vielen Jahren aufgrund der Tätigkeit des verstorbenen Vaters keine Sanktionen der syrischen Regierung mehr zu befürchten habe, da auch bereits bei den Familienurlauben in Syrien zwar Einvernahmen und Verschiebungen der Ausreise erfolgt seien, aber einer Rückkehr ins Ausland immer möglich gewesen sie. Auch hätten sich - so die Behörde weiter - aus dem amtswegigen Ermittlungsverfahren bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen keine Hinweise auf das Bestehen einer relevanten Gefahr im Falle der Rückkehr in den Heimatstaat ergeben. Dies wird aber weder durch die Nennung oder Darstellung "sämtlicher bekannter Tatsachen" nachvollziehbar gemacht - es bleibt also bei einer formelhaften Begründung - noch bedenkt die Behörde, dass die Familienurlaube der beschwerdeführenden Partei alle vor 2011 und somit vor ihren Aktivitäten in den sozialen Netzwerken stattgefunden haben. Daher ist die Beweiswürdigung der belangten Behörde nicht überprüfbar oder nachvollziehbar und bedarf daher in weiterer Folge keiner Beachtung.
3. Dass die beschwerdeführende Partei bisher keinen festen Wohnsitz in Syrien hatte und sich nur einige Tage in Aleppo bei weitschichtigen Verwandten aufgehalten hat, ergibt sich aus ihren diesbezüglich glaubhaften Ausführungen vor dem Bundesverwaltungsgericht. Dass die beschwerdeführende Partei sicher und legal nur über den Flughafen von Damaskus nach Syrien einreisen und dieser ist in der Hand des syrischen Regimes ist, ergibt sich aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 25.1.2018, letzte Kurzinformation eingefügt am 24.8.2018, das nur die Einreisemodalitäten am Flughafen beschreibt und keine anderen Grenzübergänge bezeichnet, über die die sichere und legale Einreise nach Syrien möglich wäre. Trotz Vorhalts des Länderinformationsblatts der Staatendokumentation vom 25.1.2018, letzte Kurzinformation eingefügt am 24.8.2018, in der mündlichen Verhandlung hat die belangte Behörde weder behauptet, dass es solche Grenzübergänge gibt noch einen entsprechenden Beweisantrag gestellt. Auch dem Bescheid ist diesbezüglich nichts anderes zu entnehmen.
4. Die Feststellungen zu 1.4. ergeben sich aus der Aktenlage, insbesondere aus der vorgelegten Diebstahlsanzeige und dem Umstand, dass sich keinerlei Hinweise gefunden haben, die die Vermutung nahelegen, dass die beschwerdeführende Partei dieses Diebstahl vorgetäuscht hat, was eine gerichtlich strafbare Handlung darstellen würde; dass sich eine Kopie des Reisepasses im Akt des Bundesamtes findet, ergibt sich aus der Aktenlage.
5. Die Feststellungen zu 1.5. ergeben sich aus der Aktenlage, insbesondere aus der von der belangten Behörde aufgenommenen Niederschrift vom 24.10.2017 und der Beweisaufnahme in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht.
6. Die Feststellungen zu 1.6. ergeben sich aus der Beweisaufnahme in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht, insbesondere aus dem vorgespielten und übersetzten Video, das die oben beschriebene, herausragende Teilnahme der beschwerdeführenden Partei an in Bezug auf Syrien regimekritischen Demonstrationen glaubhaft macht, sowie den diesbezüglich glaubhaften Angaben der beschwerdeführenden Partei. Der Inhalt der Äußerungen ergibt sich aus der in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht direkt durchgeführten Übersetzung durch den anwesenden Dolmetscher.
7. Die Feststellungen zu 1.7. gründen sich auf die Aktenlage.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A)
1. Gemäß § 3 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 in der Fassung BGBl. I Nr. 56/2018 (in Folge: AsylG), ist Asylwerbern auf Antrag der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft gemacht wurde, dass diesen im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955 in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974 (in Folge: GFK), droht und dem Fremden keine innerstaatliche Fluchtalternative gemäß § 11 AsylG offen steht und dieser auch keinen Asylausschlussgrund gemäß § 6 AsylG gesetzt hat.
Gemäß § 2 Abs. 1 Z 17 AsylG ist unter Herkunftsstaat der Staat, dessen Staatsangehörigkeit der Fremde besitzt, oder - im Falle der Staatenlosigkeit - der Staat seines früheren gewöhnlichen Aufenthaltes zu verstehen. Dies ist im vorliegenden Fall zweifellos Syrien.
2. Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK, droht einer Person, die sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb des Herkunftsstaates befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; ebenso droht entsprechende Verfolgung einer Person, die staatenlos ist und sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes ihres gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in den Herkunftsstaat zurückzukehren. Es ist auszuführen, dass § 3 Abs. 1 AsylG auf den Flüchtlingsbegriff (drohende Verfolgung im Herkunftsstaat) im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z. 2 GFK verweist. Danach ist entscheidend, ob glaubhaft ist, dass den Fremden in ihrem Herkunftsstaat Verfolgung droht. Dies ist dann der Fall, wenn sich eine mit Vernunft begabte Person in der konkreten Situation der Asylwerber unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat fürchten würde (VwGH 24.06.2010, 2007/01/1199). Weiters setzt die Annahme einer begründeten Furcht vor Verfolgung nicht voraus, dass der Asylwerber vor seiner Ausreise eine individuell gegen ihn gerichtete bereits erlitten haben müsste oder ihm zumindest eine solche bereits konkret angedroht worden wäre; eine derartige Befürchtung ist auch dann gerechtfertigt, wenn die Verhältnisse im Heimatland des Asylwerbers dergestalt sind, dass die Angst vor der vorgebrachten, drohenden Verfolgung objektiv nachvollziehbar ist (siehe VwGH 25.01.1996, 95/19/0008, wenn auch zum Asylgesetz 1991, BGBl. Nr. 8/1992 aufgehoben durch BGBl. I Nr. 76/1997, jedoch unter Bezugnahme auf den Flüchtlingsbegriff der GFK).
3. Gemäß § 3 Abs. 2 AsylG kann die Verfolgung auch auf Ereignissen beruhen, die eingetreten sind, nachdem der Fremde seinen Herkunftsstaat verlassen hat (objektive Nachfluchtgründe) oder auf Aktivitäten des Fremden beruhen, die dieser seit Verlassen des Herkunftsstaates gesetzt hat, die insbesondere Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind (subjektive Nachfluchtgründe).
Daher ist auch relevant, ob der beschwerdeführenden Partei im Falle der Rückkehr nach Syrien wegen Umständen, die bei oder nach der Ausreise eingetreten sind, Verfolgung droht.
4. Die beschwerdeführende Partei hat glaubhaft gemacht bzw. bewiesen, dass sie in sozialen Medien gegen das syrische Regime aufgetreten ist und den syrischen Diktator Assad beschimpft hat; weiters hat sie glaubhaft gemacht bzw. bewiesen, dass sie in Jordanien ab dem Jahr 2011 an exilpolitischen, gegen das syrische Regime gerichtete Demonstrationen teilgenommen hat.
Es ist festgestellt worden, dass regimekritischen Journalisten in Syrien Verfolgung auf Grund ihrer (allenfalls unterstellten) politischen Gesinnung durch das syrische Regime droht und darüber hinaus auch bei regimekritischen Äußerungen in sozialen Medien die hinreichende Wahrscheinlichkeit einer Wahrnehmung und im Falle der Rückkehr einer Sanktionierung durch die syrischen Sicherheitsbehörden besteht.
Unzweifelhaft droht daher der beschwerdeführenden Partei in Syrien wegen ihrer Äußerungen, die jedenfalls als politisch zu betrachten sind, eine Verfolgung durch die Sicherheitsbehörden, insbesondere bei der Einreise nach Syrien, aber nicht nur dann.
Daher droht der beschwerdeführenden Partei eine Verfolgung durch staatliche Stellen des Herkunftsstaates wegen ihrer politischen Gesinnung; Asylausschluss- oder -endigungsgründe sind nicht zu sehen.
5. Somit ist in Stattgebung der Beschwerde hinsichtlich Spruchpunkt I. des verfahrensgegenständlichen Bescheides der beschwerdeführenden Partei der Status der Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 3 Abs. 4 leg.cit kommt dieser daher eine befristete Aufenthaltsberechtigung als Asylberechtigte für drei Jahre zu und gemäß § 3 Abs. 5 leg.cit. wird festgestellt, dass dieser damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985, BGBl. Nr. 10/1985 in der Fassung BGBl. I Nr. 24/2017, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Das Bundesverwaltungsgericht hat die für die Lösung des Falles relevante Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes unter A) dargestellt und ist dieser gefolgt; es ist daher keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung zu erkennen.
Schlagworte
Asylgewährung, asylrechtlich relevante Verfolgung, befristeteEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2018:W170.2143420.2.01Zuletzt aktualisiert am
08.01.2019