TE Bvwg Erkenntnis 2018/11/7 W124 2194369-1

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Veröffentlicht am 07.11.2018
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Entscheidungsdatum

07.11.2018

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55

Spruch

W124 2194369-1/5E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Felseisen als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX alias XXXX , geb. XXXX , StA. Indien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , Zl. XXXX , zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird gemäß §§ 3, 8, 10 Abs. 1 Z 3, 57 AsylG 2005

iVm § 9 BFA-VG sowie §§ 46, 52 Abs. 2 Z 2 und Abs. 9 FPG sowie 55 FPG als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (in der Folge: BF) reiste unrechtmäßig in das Bundesgebiet ein und stellte am XXXX unter dem Namen XXXX einen Antrag auf internationalen Schutz.

2. In der niederschriftlichen Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am XXXX gab er an, er heiße XXXX , stamme aus dem Dorf XXXX , Distrikt XXXX , Bundesstaat Punjab, Indien, sei ledig und gehöre der Religionsgemeinschaft der Sikh sowie der Volksgruppe der Punjabi an. Er habe in XXXX und XXXX zehn Jahre die Grundschule und in XXXX zwei Jahre das College besucht. Der BF spreche Punjabi sowie ein wenig Englisch. Bis XXXX sei er als Landarbeiter tätig gewesen.

Zu seinem Fluchtgrund brachte er vor, er gehöre der Partei Simranjeet Singh Mann an und habe andere Dorfbewohner auf dem Anhänger seines Traktors zu einer Veranstaltung dieser Partei in seinem Dorf gebracht. Die Congress-Partei, sohin die gegnerische Partei, habe die Polizei dort hingeschickt, um die Veranstaltung zu verhindern. Da die Polizei folglich die Veranstaltung unterbrechen habe wollen, sei es zu einem Streit gekommen, bei welchem ein Nachbarsjunge ein Kongressparteimitglied mit seiner Pistole am Bein verletzt habe. Daraufhin sei der BF weggelaufen. Am folgenden Tag sei der Nachbarsjunge von der Polizei verhaftet, geschlagen und ausgefragt worden. Da er auch den Namen des BF genannt habe, sei dieser am darauffolgenden Tag ebenso verhaftet und geschlagen worden. Sein Vater habe gemeinsam mit der Partei Simranjeet Singh Mann interveniert, woraufhin er unter Garantie freigekommen sei. Daraufhin habe er sich bei seinem Onkel versteckt. Als die Polizei erneut zu seinen Eltern gekommen sei und es zwischen ihnen zu einem Streit gekommen sei, bei dem der Vater geschlagen worden sei, habe sich der Vater entschlossen, den BF wegzuschicken, um dessen Leben zu retten.

Bei seiner niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge: Bundesamt) am XXXX gab der BF zu seiner Familie an, seine leibliche Mutter sei bereits verstorben. Sein Vater, seine Stiefmutter und seine Großmutter würden zusammenleben. Auch er habe vor seiner Ausreise bei seinen Eltern im Haus gewohnt. Sein jüngerer Bruder würde bei einem Onkel leben, der selber zwei Töchter und einen Sohn habe. Er habe auch Tanten, die im Punjab leben würden. Die Entfernung zwischen seinem Heimatdorf und deren Wohnort betrage ca. 10 bis 15 km bzw. 30 bis 40 km.

Nach dem College habe er noch ein Jahr eine höhere Ausbildung zum Dieselmechaniker gemacht, sei anschließend aber als Landarbeiter tätig gewesen. Sein Leben in Indien habe so ausgesehen, dass er entweder zuhause oder auf seinem Ackerland gewesen sei. Er habe zwei engere Freunde gehabt, die ihn manchmal am Ackerland, manchmal zuhause besucht hätten.

Die Familie des BF habe ihr Einkommen durch Ackerbau erwirtschaftet, wobei ihre finanzielle Situation mittelmäßig sei. Zuletzt sei er am XXXX an seiner Arbeitsstelle gewesen. In Indien sei er von seinen Eltern unterstützt worden. Die Ausreise hätten sein Vater und sein Onkel je zur Hälfte finanziert. Am XXXX habe er den Entschluss gefasst, Indien zu verlassen. Daraufhin sei er am XXXX mit dem Bus von XXXX nach Delhi gefahren, in der Nacht mit dem Flugzeug nach Moskau weitergereist und sei über den Landweg nach Österreich gekommen.

Mit seinen Eltern habe er etwa alle vier Tage telefonischen Kontakt. Mit seinen übrigen Verwandten sei er via Facebook vernetzt, habe aber derzeit keinen Kontakt mit ihnen. In der EU habe er keine Verwandten.

Der BF sei nicht vorbestraft, sei in seinem Heimatstaat nicht inhaftiert worden und hätte keine Probleme mit Behörden gehabt. Aktuelle staatliche Fahndungsmaßnahmen würden gegen ihn nicht bestehen. Er habe weder aufgrund seines Religionsbekenntnisses noch aufgrund seiner Volksgruppenzugehörigkeit Probleme gehabt. Auch mit Privatpersonen hätte es keine Konflikte gegeben und er würde auch generell an keinen bewaffneten oder gewalttätigen Auseinandersetzungen aktiv teilnehmen. Er sei Mitglied der Partei Simranjit Singh Mann gewesen, während sein Vater, sein Bruder und sein Onkel keiner politischen Partei angehört hätten.

Zu seinem Fluchtgrund gab er an, er sei als Parteimitglied der Simranjit Singh Mann Partei politisch aktiv gewesen, bevor er nach Österreich gekommen sei. Am XXXX habe eine Werbeveranstaltung dieser Partei am Dorfplatz in XXXX stattgefunden, im Zuge welcher sich die Partei vorstellen habe wollen. Der BF sei mit dem Traktor zu dieser Veranstaltung gefahren, wobei er am Anhänger 30 bis 40 Personen mitgenommen habe. Insgesamt hätten sich ca. 150 Personen auf dem Platz befunden. Zur Veranstaltung am Dorfplatz seien auch vier bis fünf Mitglieder der Congress-Partei gemeinsam mit 10 bis 15 Polizisten gekommen, um die Veranstaltung zu verhindern. Es sei zu Handgreiflichkeiten mit den Mitgliedern der Kongress-Partei gekommen. Leute hätten versucht, den Streit zu schlichten. Einer der beiden besseren Freunde des BF habe dann einen Revolver gezogen und auf ein Mitglied der Congress-Partei geschossen. Aufgrund des Schusses seien die Leute panisch herumgelaufen und auch der Beschwerdeführer sei die zwei bis drei Kilometer alleine nachhause gelaufen. Am nächsten Tag habe die Polizei den Freund mitgenommen, geschlagen und misshandelt. Auf die Frage, ob er alleine gewesen sei, habe er erklärt, dass der BF auch dabei gewesen sei. Schließlich sei der BF am darauffolgenden Tag in der Früh von der Polizei festgenommen und geschlagen worden. Daraufhin habe er zugegeben, dass er vor Ort gewesen sei, habe aber auch erklärt, dass er mit dem Schuss nichts zu tun gehabt hätte. Mittags sei sein Vater gemeinsam mit Mitgliedern der Simranjit Singh Mann Partei zur Polizei gekommen, woraufhin der BF auf Intervention der Parteivorsitzenden, die aus Amritsar angereist seien, auf Garantie freigekommen sei. Als er zuhause gewesen sei, habe ihn sein Vater zu seinem Onkel mütterlicherseits geschickt, um weitere Probleme zu vermeiden. Dieser Onkel habe ca. 20 km entfernt vom Haus seiner Familie gewohnt.

Die Polizei sei allerdings wieder zu seinen Eltern gekommen, um herauszufinden, wo sich der BF aufhalte. Als seine Eltern auf die Frage der Polizei nicht geantwortet hätten, sei es zu einem Wortgefecht und zu Handgreiflichkeiten gekommen. Die Polizei hätte sie dann mitgenommen und am Abend wieder freigelassen.

Sein Vater habe ihm daraufhin von diesem Vorfall erzählt. Er habe gesagt, dass die Kongressparteimitglieder die Polizei zu ihnen geschickt hätten, um nach dem BF zu fragen. Die Polizei habe gesagt, der Vater solle sagen, wo sein Sohn ist, ansonsten würden sie Anzeige erstatten und der Sohn werde das ganze Leben im Gefängnis verrecken. Aufgrund dieser Erzählung habe sich der BF am XXXX dazu entschlossen, das Land zu verlassen.

Der Vater und der Bruder des BF seien weder Mitglieder der Simranjit Singh Mann Partei, noch hätten sie an der Veranstaltung am XXXX teilgenommen. Die Polizei sei hinter ihm her gewesen und nicht hinter den übrigen Dorfbewohnern, die an der Veranstaltung teilgenommen hätten, da sein Freund, mit dem er die meiste Zeit verbracht habe, den Schuss abgegeben habe.

In der gesamten Provinz sei die Kongresspartei an der Macht. Mitglieder dieser Partei hätten ihn auch an einem anderen Ort, wie beispielsweise Amritsar, gefunden. Es bestehe eine Feindschaft zwischen den Parteien und sie sei auch korrupt. Daher würden die gegnerischen Parteimitglieder im Fall seiner Rückkehr versuchen, ihm etwas anzutun oder ihm etwas anzuhängen.

Im Falle einer verpflichtenden Rückkehr könne der BF nicht mehr in seinem Dorf, aber woanders bei seiner Familie leben. Ein Interesse an einer freiwilligen Ausreise in Österreich bestehe nicht.

Zu seiner Lebenssituation in Österreich brachte der BF vor, er werde im Sikh Tempel in XXXX verpflegt und er schlafe manchmal bei einem Freund, der bereits seit 15 Jahren in Österreich lebe. Diesen habe er über Facebook kennengelernt und manchmal im Sikh Tempel getroffen. Er sei auch an dessen Adresse gemeldet. Finanzielle Unterstützung würde er nicht erhalten. Nahrung würde er im Sikh Tempel sowie von seinem Freund erhalten. Geld habe er nicht. Er sei gesund, arbeitsfähig und würde in Österreich jede Arbeit annehmen. Bisher sei er in Österreich nicht erwerbstätig gewesen. In einem Camp habe er einen Deutschkurs absolviert, wobei er nur ganz wenig Deutsch spreche. In einem Verein oder einer Organisation engagiere er sich nicht. Als sonstigen Grund, der für seinen Verbleib in Österreich spreche, führte er seine Mittellosigkeit an.

Am Ende der Einvernahme wurden dem BF die Quellen und Berichte zur Lage in Indien ausgehändigt und ihm eine Frist für eine etwaige Stellungnahme bis zum XXXX eingeräumt.

3. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom XXXX , Zl. XXXX , wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) sowie bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Indien gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 wurde nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung nach § 52 Abs 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.). Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Indien gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V.). Die Frist zur freiwilligen Ausreise wurde gemäß § 55 FPG mit 2 Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt IV.).

Das Bundesamt stellte fest, dass der volljährige BF Staatsangehöriger von Indien sei. Er sei ledig, habe keine Kinder und sei voll handlungsfähig. An einer schwerwiegenden oder lebensbedrohenden Erkrankung würde er nicht leiden. Im Falle des BF bestehe keine asylrelevante Verfolgung. Im Falle einer Rückkehr nach Indien sei auch keine Bedrohungssituation gegeben. In Österreich habe der BF weder familiäre noch sonstige soziale Anknüpfungspunkte. Seine Familie lebe in Indien.

Beweiswürdigend wurde ausgeführt, das Fluchtvorbringen des BF sei nicht glaubhaft, zumal er nach seinen Ausführungen wegen der Schussabgabe durch seinen Freund von der Polizei festgenommen worden sei, jedoch die bloße Intervention von Parteimitgliedern ausgereicht habe, um wieder freigelassen zu werden. Ferner hätten auch die Personen, welche der BF am Traktor mitgenommen habe, bezeugen könne, dass der BF mit dem Schusswaffengebrauch nichts zu tun gehabt habe. Überdies habe der BF trotz seiner Verfolgung bis zum XXXX auf den Äckern weitergearbeitet, wo er jederzeit aufgegriffen werden hätte können. Zudem sei nicht nachvollziehbar, dass er problemlos mit dem Flugzeug ausreisen habe können, obwohl er von der Polizei gesucht worden sei. Auch bei seinem Onkel hätte ihn die Polizei gefunden, wenn sie ihn wirklich festnehmen hätte wollen. Aus den allgemeinen Länderfeststellungen ergebe sich überdies keine generelle Verfolgung von Mitgliedern der Partei, welcher der BF angehöre. Im Übrigen könne seine Verfolgung ausgeschlossen werden, da ihm bei der von ihm geschilderten Veranstaltung keine maßgebliche Funktion zugekommen sei. Andere Probleme im Herkunftsstaat habe der BF nicht behauptet, weshalb eine gegen ihn gerichtete Verfolgungsgefahr aus Konventionsgründen ausgeschlossen werden könne.

Aus dem Vorbringen des BF seien auch keine Anhaltspunkte für das Bestehen außergewöhnlicher Umstände in Bezug auf seine Person oder eine landesweite allgemeine extreme Gefährdungslage ersichtlich, weshalb nicht davon ausgegangen werde, dass er im Fall seiner Rückkehr in eine existenzbedrohende Situation geraten würde. Er sei ein mobiler, junger, gesunder und arbeitsfähiger Mensch und komme aus einem Staat, in welchem die Grundversorgung der Bevölkerung gewährleistet sei. Er verfüge über eine zehnjährige Schulausbildung, eine zweijährige Collegeausbildung sowie eine einjährige höhere Ausbildung zum Dieselmechaniker und habe als Landarbeiter gearbeitet. Zudem habe er selbst die finanzielle Situation der Familie als "Mittelklasse" bezeichnet und angegeben, er könne bei seiner Rückkehr bei Familienangehörigen leben. Insgesamt ist nicht anzunehmen, dass er einem Personenkreis angehöre, der sich im Hinblick auf seine individuelle Versorgungslage als qualifiziert schutzbedürftiger erweist als die übrige Bevölkerung. Aus den allgemeinen Länderfeststellungen gehe hervor, dass er in der Lage sein werde, in Indien Erwerbsmöglichkeiten zu finden und ein adäquates Leben zu führen. Zum Länderinformationsblatt habe er keine Stellungnahme abgegeben.

Rechtlich wurde zu Spruchpunkt I. ausgeführt, dass er keine asylrelevanten Verfolgungsgründe glaubhaft dartun habe können. Aus dem Ermittlungsverfahren hätten sich auch keine sonstigen Anhaltspunkte für eine Verfolgung aus Konventionsgründen ergeben. Zu Spruchpunkt II. wurde festgehalten, dass sich - wie aus der Beweiswürdigung ersichtlich - keine begründeten Anhaltspunkte dafür ergeben hätten, dass der BF durch seine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Indien in seinen nach Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder dem Protokoll Nr. 6 zur EMRK gewährleisteten Rechten verletzt werde. Die Voraussetzungen des § 57 AsylG 2005 würden nicht vorliegen (Spruchpunkt III). Zum Privat- und Familienleben des BF (Spruchpunkt IV.) wurde zusammengefasst ausgeführt, dass entscheidungserhebliche integrative Anknüpfungspunkte im österreichischen Bundesgebiet, welche zu einem Überwiegen seiner privaten Interessen an einem Verbleib im österreichischen Bundesgebiet gegenüber den öffentlichen Interessen an seiner Rückkehr in den Herkunftsstaat nicht erkannt werden hätten können. Anhaltspunkte, dass eine Abschiebung gemäß § 50 FPG unzulässig sei, hätten sich nicht ergeben (Spruchpunkt V.). Die Frist zur freiwilligen Ausreise sei mit 14 Tagen festzusetzen gewesen, zumal keine berücksichtigungswürdigen Umstände hervorgekommen seien, welche eine längere Frist erforderlich gemacht hätten.

4. Mit Verfahrensanordnung vom XXXX wurde dem BF gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG die XXXX als Rechtsberater zur Seite gestellt.

5. Mit der gegen diese Entscheidung fristgerecht erhobenen Beschwerde wurde der Bescheid vollinhaltlich wegen der Verletzung von Verfahrensvorschriften, mangelhafter Beweiswürdigung sowie unrichtiger rechtlicher Beurteilung angefochten und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt. Beiliegend wurde eine ACCORD-Anfrage vom 21.09.2016 zur Lage der Sikhs übermittelt.

Der BF führte nach Wiederholung des Verfahrensgangs sowie seines Vorbringens begründend aus, der bisher erhobene Sachverhalt stelle keine ausreichende Entscheidungsgrundlage dar und habe das Bundesamt sohin seine Ermittlungspflicht verletzt. Die Beweiswürdigung sei unschlüssig und basiere auf einer mangelhaften Sachverhaltsermittlung. Die Argumentation der Behörde, wonach die bloße Intervention der Partei gereicht hätte, um die Entlassung des BF aus dem Gefängnis zu bewirken, sei aktenwidrig. Vielmehr hätten die Parteivorsitzenden eine Garantie für ihn abgeben müssen. Zum Vorhalt, wonach der BF im Fall einer tatsächlichen Verfolgung nicht weiterhin auf den Äckern gearbeitet hätte, wurde ausgeführt, er habe bloß einige Male dort heimlich gearbeitet. Zum Vorhalt der Behörde, genug Personen hätten bezeugen können, dass der BF nichts mit dem Gebrauch der Schusswaffe zu tun gehabt hätte, wurde auf die Länderfeststellungen des Bundesamtes zur Korruption verwiesen, wonach Behörden im Punjab besondere Befugnisse hätten. Demnach könnten sie auch ohne Haftbefehl Personen suchen und inhaftieren. Dies stehe auch der Schlussfolgerung entgegen, dass eine Ausreise mit Reisepass kaum möglich wäre, würde der BF tatsächlich von der Polizei gesucht werden. Zumal er sich bei den Verwandten seiner Stiefmutter und nicht seinen leiblichen Verwandten versteckt habe, hätte ihn die Polizei nicht finden können. Die Familienmitglieder der zu Schaden gekommenen Partei hätten Interesse an der Bestrafung des BF gehabt, weshalb es irrelevant sei, dass er nur innerhalb der Partei in seinem Dorf eine wichtige Position innegehabt hätte. Zudem stehe ihm als Sikh außerhalb seiner Herkunftsregion keine innerstaatliche Fluchtalternative offen. Eine konkrete Auseinandersetzung mit der Lage der Sikhs hätte zudem ergeben, dass der BF auch aufgrund seiner Religionszugehörigkeit verfolgt werde.

Aufgrund der Verfolgung durch den Staat sowie aufgrund der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe hätte ihm der Status des Asylberechtigten zuerkannt werden müssen. Eine Abschiebung nach Indien würde eine unmenschliche und erniedrigende Behandlung des BF iSd Art. 3 EMRK darstellen, weshalb in eventu der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen wäre. Im Übrigen sei eine Rückkehrentscheidung unzulässig, da die Interessen des BF am Verbleib im Bundesgebiet überwiegen würden, zumal er unbescholten sei und keine staatlichen Leistungen beziehe. Zudem wolle er einen Deutschkurs besuchen und eine Arbeit finden.

6. Am XXXX langte die Beschwerdevorlage beim Bundesverwaltungsgericht ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1 Zur Person des BF

Der 24-jährige Beschwerdeführer ist indischer Staatsangehöriger, stammt aus der Provinz Punjab und gehört der Volksgruppe der Punjabi sowie der Religionsgemeinschaft der Sikh an. Er spricht Punjabi und ein wenig Englisch. In Indien besuchte er zehn Jahre lang die Grundschule und zwei Jahre das College. Nachdem er eine einjährige Ausbildung zum Dieselmechaniker absolvierte, war er in Indien als Landarbeiter tätig. In seinem Herkunftsort leben sein Vater, seine Stiefmutter sowie seine Großmutter gemeinsam in einem Haus. Sein jüngerer Bruder lebt bei einem Onkel. Auch die Tanten des BF leben in der Provinz Punjab. Der BF pflegt regelmäßigen Kontakt zu seinen Eltern. Mit seinen übrigen Verwandten hat er keinen Kontakt, jedoch besteht die Möglichkeit, diese via Facebook zu kontaktieren.

Am XXXX stellte er nach unrechtmäßiger Einreise in das Bundesgebiet einen Antrag auf internationalen Schutz.

1.2 Zu seinen Fluchtgründen:

Es kann nicht festgestellt werden, dass der BF aus einem der von ihm genannten Gründen - konkret wegen der Verfolgung durch die Polizei oder die Congress Partei aufgrund der Teilnahme an einer Veranstaltung der Partei Simranjeet Singh Mann - seinen Herkunftsstaat verlassen hat oder ihm aus diesen Gründen im Fall seiner Rückkehr eine Gefahr oder Verfolgung drohen würde.

Es kann zudem nicht festgestellt werden, dass der BF im Falle einer Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Indien in seinem Recht auf Leben gefährdet wird, der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen oder von der Todesstrafe bedroht wird oder für den BF als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts mit sich bringen würde.

Im Fall seiner Rückkehr nach Indien verfügt der BF über die Möglichkeit, außerhalb seines Heimatdorfes bei Familienangehörigen zu leben.

1.3 Zum Privat- und Familienleben in Österreich

In Österreich ist der BF unbescholten. Er verfügt über keine nennenswerten Deutschkenntnisse und war bisher im Bundesgebiet nicht erwerbstätig. Leistungen aus der Grundversorgung bezieht er nicht. Der BF ist sohin nicht selbsterhaltungsfähig. Vom Sikh Tempel in XXXX erhält er Verpflegung. Zudem stellt ihm ein Freund gelegentlich eine Schlafmöglichkeit zur Verfügung und gibt ihm Nahrungsmittel. Es können keine Anhaltspunkte für die Annahme einer außergewöhnlichen Integration des BF in Österreich in sprachlicher, sozialer und beruflicher Hinsicht festgestellt werden.

1.4 Zur Lage im Herkunftsstaat

1.4.1 Kurzinforamtionen

KI vom 11.4.2017: Acht Tote und über 200 Verletzten bei Demonstrationen bei Wahl in Srinagar, Kaschmir (Abschnitt 1/Relevant für Abschnitt 3.1)

Im Zuge einer Nachwahl zur Besetzung eines freien Sitzes im indischen Unterhaus, kam es am Sonntag, dem 9.4.2017, in Srinagar, Kaschmir, zu Zusammenstößen zwischen separatistischen, die Wahl boykottierenden Demonstranten und den indischen Sicherheitskräften. Während des Konflikts wurden acht Demonstranten getötet und über 200 Personen, Demonstranten und Sicherheitsbeamte, verletzt (Reuters 10.4.2017).

Am Montag den 10.4.2017 verhängte die indische Polizei eine Ausgangssperre für die Bevölkerung mehrerer Gebiete Kaschmirs, errichtete Straßensperren und schränkte den Verkehr ein (Reuters 10.4.2017).

Die Wahlbeteiligung lag bei nur 7% (Times of India 11.4.2017). Eine zweite Nachwahl, ursprünglich geplant für den 12.4.2017 in Anantnag, wurde in Anbetracht der aktuellen Lage auf den 25.5.2017 verschoben (Reuters 10.4.2017).

Indien beschuldigt Pakistan die Separatisten zu unterstützen, was in Islamabad bestritten wird (Reuters 10.4.2017).

Bei einem weiteren Vorfall am Montag sind vier mutmaßliche Kämpfer erschossen worden, als sie versuchten die umstrittene Grenze von Pakistan kommend, in der Nähe des Keran-Sektors zu infiltrieren (Reuters 10.4.2017).

Da sich seit der Tötung des einflussreichen Separatistenkämpfers Burhan Wani im Juli 2016, die Spannungen in der Region erhöht haben (BBC 10.4.2017), und es seither in Kaschmir wiederholt zu gewalttätigen Protesten kam, in deren Verlauf bisher 84 Zivilisten getötet und über 12.000 Zivilisten und Sicherheitskräfte verletzt wurden (Reuters 10.4.2017), sind vorsorglich etwa 20.000 zusätzliche indische Truppen in die Region entsandt worden (BBC 10.4.2017).

Quellen:

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BBC (10.4.2017): Kashmir violence: Eight killed in clashes during by-election, http://bbc.in/2oo04gV, Zugriff 11.4.2017

-

Reuters (10.4.2017): India clamps down on Kashmir transport after poll violence kills 8,

http://in.reuters.com/article/india-kashmir-idINKBN17B06F, Zugriff 11.4.2017

-

Times of India (11.4.2017): Lack of pre-emptive policing led to low voter turnout in Kashmir

http://timesofindia.indiatimes.com/india/lack-of-pre-emptive-policing-led-to-low-voter-turnout-in-kashmir/articleshow/58118340.cms, Zugriff 11.4.2017

1.4.2 Politische Lage

Indien ist mit über 1,2 Milliarden Menschen und einer multireligiösen und multiethnischen Gesellschaft die bevölkerungsreichste Demokratie der Welt (CIA Factbook 12.12.2016; vgl. auch: AA 16.8.2016, BBC 27.9.2016). Die - auch sprachliche - Vielfalt Indiens wird auch in seinem föderalen politischen System reflektiert, in welchem die Macht von der Zentralregierung und den Bundesstaaten geteilt wird (BBC 27.9.2016). Die Zentralregierung hat deutlich größere Kompetenzen als die Regierungen der Bundesstaaten (AA 9.2016a). Im Einklang mit der Verfassung haben die Bundesstaaten und Unionsterritorien ein hohes Maß an Autonomie und tragen die Hauptverantwortung für Recht und Ordnung (USDOS 13.4.2016). Die Hauptstadt New Delhi hat einen besonderen Rechtsstatus (AA 9.2016a).

Die Gewaltenteilung zwischen Parlament und Regierung entspricht britischem Muster (AA 16.8.2016), der Grundsatz der Gewaltenteilung von Legislative, Exekutive und Judikative ist durchgesetzt (AA 9.2016a). Die Unabhängigkeit der Gerichtsbarkeit, die über einen dreistufigen Instanzenzug verfügt, ist verfassungsmäßig garantiert (AA 16.8.2016). Das oberste Gericht in New Delhi steht an der Spitze der Judikative (GIZ 11.2016). Die Entscheidungen der staatlichen Verwaltung (Bürokratie, Militär, Polizei) unterliegen überdies der Kontrolle durch die freie Presse des Landes, die nicht nur in den landesweiten Amtssprachen Hindi und Englisch, sondern auch in vielen der Regionalsprachen publiziert wird. Indien hat zudem eine lebendige Zivilgesellschaft (AA 9.2016a).

Indien ist eine parlamentarische Demokratie und verfügt über ein Mehrparteiensystem und ein Zweikammerparlament (USDOS 13.4.2016). Die Legislative besteht aus einer Volkskammer (Lok Sabha) und einer Staatenkammer (Rajya Sabha). Darüber hinaus gibt es Parlamente auf Bundesstaatsebene (AA 16.8.2016).

Der Präsident ist das Staatsoberhaupt und wird von einem Wahlausschuss gewählt, während der Premierminister Leiter der Regierung ist (USDOS 13.4.2016). Das Präsidentenamt bringt vor allem repräsentative Aufgaben mit sich, im Krisenfall verfügt der Präsident aber über weitreichende Befugnisse. Seit Juli 2012 ist Präsident Pranab Kumar Mukherjee indisches Staatsoberhaupt (AA 9.2016a). Das wichtigste Amt innerhalb der Exekutive bekleidet aber der Premierminister (GIZ 11.2016).

Wahlen zum Unterhaus finden nach einfachem Mehrheitswahlrecht ("first-past-the-post") alle fünf Jahre statt, zuletzt im April/Mai 2014 mit knapp 830 Millionen Wahlberechtigten (AA 16.8.2016). Dabei standen sich drei große Parteienbündnisse gegenüber: Die United Progressive Alliance (UPA) unter Führung der Kongresspartei, die National Democratic Alliance (NDA) unter Führung der Bharatiya Janata Party (BJP - Indische Volkspartei) und die so genannte Dritte Front, die aus elf Regional- und Linksparteien besteht sowie die aus einem Teil der India-Against-Corruption-Bewegung hervorgegangene Aam Aadmi Party (AAP) (GIZ 11.2016; vgl. auch: FAZ 16.5.2014). Abgesehen von kleineren Störungen, verliefen die Wahlen korrekt und frei (AA 16.8.2016).

Als deutlicher Sieger mit 336 von 543 Sitzen löste das Parteienbündnis NDA (AA 16.8.2016), mit der hindu-nationalistischen BJP (AA 9.2016a) als stärkster Partei (282 Sitze), den Kongress an der Regierung ab (AA 16.8.2016). Die seit 2004 regierende Kongress-geführte Koalition unter Manmohan Singh erlitt hingegen große Verluste, womit Sonia Gandhi und Sohn Rahul nun auf die Oppositionsbank rücken (Eurasisches Magazin 24.5.2014; vgl. auch:

FAZ 16.5.2014, GIZ 11.2016). Die AAP, die 2013 bei der Wahl in Delhi 28 von 70 Sitzen erringen konnte, errang landesweit nun nur vier Sitze (GIZ 11.2016; vgl. auch: FAZ 16.5.2014). Der BJP Spitzenkandidat, der bisherige Ministerpräsident von Gujarat, Narendra Modi, wurde zum Premierminister gewählt (AA 16.8.2016) und steht seit 16.5.2014 (GIZ 11.2016) einem 65-köpfigen Kabinett vor (AA 16.8.2016).

Die seit 2014 im Amt befindliche neue Regierung will nicht nur den marktwirtschaftlichen Kurs fortsetzen, sondern ihn noch intensivieren, indem bürokratische Hemmnisse beseitigt und der Protektionismus verringert werden soll. Ausländische Investoren sollen verstärkt aktiv werden (GIZ 12.2016).

Unter Premierminister Modi betreibt Indien eine aktivere Außenpolitik als zuvor. Die frühere Strategie der "strategischen Autonomie" wird zunehmend durch eine Politik "multipler Partnerschaften" mit allen wichtigen Ländern in der Welt überlagert. Wichtigstes Ziel der indischen Außenpolitik ist die Schaffung eines friedlichen und stabilen globalen Umfelds für die wirtschaftliche Entwicklung des Landes und die Profilierung als aufstrebende Großmacht (AA 9.2016b). Ein ständiger Sitz im VN-Sicherheitsrat ist dabei weiterhin ein strategisches Ziel (GIZ 12.2016). Gleichzeitig strebt Indien eine stärkere regionale Verflechtung mit seinen Nachbarn an. Indien ist Dialogpartner der südostasiatischen Staatengemeinschaft (Association of Southeast Asian Nations - ASEAN) und Mitglied im "ASEAN Regional Forum" (ARF). Auch bilateral hat Indien in den letzten Monaten seine Initiativen in den Nachbarländern verstärkt. Überdies nimmt Indien am East Asia Summit und seit 2007 auch am Asia-Europe Meeting (ASEM) teil. In der BRICS-Staatengruppe (Brasilien, Russland, Indien, China, Südafrika) hat Indien im Februar 2016 von Russland den diesjährigen Vorsitz übernommen. Bei ihrem Treffen in Ufa im Juli 2015 beschloss die Shanghai Cooperation Organisation (SCO), Indien und Pakistan nach Abschluss der Beitrittsprozeduren als Vollmitglieder aufzunehmen (AA 9.2016b).

Die Beziehungen zum gleichfalls nuklear gerüsteten Nachbarn Pakistan haben sich jüngst erneut zugespitzt. In den Jahrzehnten seit der Unabhängigkeit haben sich wiederholt Phasen des Dialogs und der Spannungen bis hin zur kriegerischen Auseinandersetzung abgelöst.

Größtes Hindernis für eine Verbesserung der Beziehungen ist weiterhin das Kaschmirproblem (AA 9.2016b).

Indien ist durch das Nuklearabkommen mit den USA ein Durchbruch gelungen. Obwohl es sich bis heute weigert, dem Atomwaffensperrvertrag beizutreten, bedeutet das Abkommen Zugang zu Nukleartechnologie. Ebenfalls positiv hat sich das Verhältnis Indiens zu China entwickelt. Zwar sind die strittigen Grenzfragen noch nicht geklärt, aber es wurden vertrauensbildende Maßnahmen vereinbart, um zumindest in dieser Frage keinen Konflikt mehr herauf zu beschwören. Auch ist man an einer weiteren Steigerung des bilateralen Handels interessiert, der sich binnen eines Jahrzehnts mehr als verzehnfacht hat (GIZ 12.2016).

Die Beziehungen zu Bangladesch sind von besonderer Natur, teilen die beiden Staaten doch eine über 4.000 km lange Grenze, kontrolliert Indien die Oberläufe der wichtigsten Flüsse Bangladeschs, und war Indien maßgeblich an der Entstehung Bangladeschs beteiligt. Schwierige Fragen wie Transit, Grenzverlauf, ungeregelter Grenzübertritt und Migration, Wasserverteilung und Schmuggel werden in regelmäßigen Regierungsgesprächen erörtert. Die Beziehungen des Landes zur EU sind vor allem in wirtschaftlicher Hinsicht von besonderer Bedeutung. Die EU ist der größte Handels- und Investitionspartner Indiens. Der Warenhandel in beide Richtungen hat sich faktisch stetig ausgeweitet (GIZ 12.2016).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (16.8.2016): Bericht zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Indien

-

AA - Auswärtiges Amt (9.2016a): Indien, Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/sid_AC539C62A8F3AE6159C84F7909652AC5/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Indien/Innenpolitik_node.html, Zugriff 5.12.2016

-

AA - Auswärtiges Amt (9.2016b): Indien, Außenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/sid_F210BC76845F7B2BE813A33858992D23/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Indien/Aussenpolitik_node.html, Zugriff 29.12.2016

-

BBC - British Broadcasting Corporation (27.9.2016): India country profile - Overview,

http://www.bbc.co.uk/news/world-south-asia-12557384, Zugriff 5.12.2016

-

CIA - Central Intelligence Agency (15.11.2016): The World Factbook

-

India,

https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/in.html, Zugriff 9.1.2017

-

Eurasisches Magazin (24.5.2014): Wohin geht die größte Demokratie der Erde?,

http://www.eurasischesmagazin.de/artikel/Indien-nach-den-Wahlen-eine-Analyse/14017, Zugriff 4.1.2017

-

FAZ - Frankfurter Allgemeine Zeitung (16.5.2014): Modi ist Mann der Stunde,

http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/fruehaufsteher/wahlentscheid-in-indien-modi-ist-der-mann-der-stunde-12941572.html, Zugriff 4.1.2017

-

GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (12.2016): Indien,

http://liportal.giz.de/indien/geschichte-staat.html, Zugriff 5.12.2016

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GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmBH (11.2016): Indien, Wirtschaftssystem und Wirtschaftspolitik, http://liportal.giz.de/indien/wirtschaft-entwicklung/, Zugriff 5.12.2016

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USDOS - US Department of State (13.4.2016): Country Report on Human Rights Practices 2015 - India, http://www.ecoi.net/local_link/322482/461959_de.html, Zugriff 5.12.2016

1.4.3 Sicherheitslage

Indien ist reich an Spannungen entlang von Ethnien, Religionen, Kasten und auch Lebensperspektiven. Widersprüche, Gegensätze oder Konflikte entladen sich in den gesellschaftlichen Arenen und werden von der Politik aufgegriffen, verarbeitet und teilweise instrumentalisiert (GIZ 11.2016). Blutige Terroranschläge haben in den vergangenen Jahren in Indiens Millionen-Metropolen wiederholt Todesopfer gefordert (Eurasisches Magazin 24.5.2014). Die Spannungen im Nordosten des Landes gehen genauso weiter wie die Auseinandersetzung mit den Naxaliten (GIZ 11.2016). Das staatliche Gewaltmonopol wird gebietsweise von den Aktivitäten der "Naxaliten" in Frage gestellt (AA 16.8.2016).

Terroristische Anschläge in den vergangenen Jahren (Dezember 2010 in Varanasi, Juli 2011

Mumbai, September 2011 New Delhi und Agra, April 2013 in Bangalore, Mai 2014 Chennai und Dezember 2014 Bangalore) und insbesondere die Anschläge in Mumbai im November 2008 haben die Regierung unter Druck gesetzt. Von den Anschlägen der letzten Jahre wurden nur wenige restlos aufgeklärt und die als Reaktion auf diese Vorfälle angekündigten Reformvorhaben zur Verbesserung der indischen Sicherheitsarchitektur wurden nicht konsequent umgesetzt (AA 24.4.2015). Das South Asia Terrorism Portal verzeichnet in einer Aufstellung für das Jahr 2011 1.073 Todesopfer durch terrorismusrelevante Gewalt, für das Jahr 2012 803, für das Jahr 2013 885, für das Jahr 2014 976 für das Jahr 2015 722 und für das Jahr 2016 835 [Anmerkung: die angeführten Zahlen beinhalten Zivilisten, Sicherheitskräfte und Terroristen] (SATP 9.1.2017).

Konfliktregionen sind Jammu und Kashmir, die nordöstlichen Regionen und der maoistische Gürtel. In Jharkhand und Bihar setzten sich die Angriffe von maoistischen Rebellen auf Sicherheitskräfte und Infrastruktur fort. In Punjab kam es bis zuletzt durch gewaltbereite Regierungsgegner immer wieder zu Ermordungen und Bombenanschlägen. Neben den islamistischen Terroristen tragen die Naxaliten (maoistische Untergrundkämpfer) zur Destabilisierung des Landes bei. Von Chattisgarh aus kämpfen sie in vielen Unionsstaaten (von Bihar im Norden bis Andrah Pradesh im Süden) mit Waffengewalt gegen staatliche Einrichtungen. Im Nordosten des Landes führen zahlreiche Separatistengruppen einen Kampf gegen die Staatsgewalt und fordern entweder Unabhängigkeit oder mehr Autonomie (United Liberation Front Assom, National Liberation Front Tripura, National Socialist Council Nagaland, Manipur People's Liberation Front etc.). Der gegen Minderheiten wie Moslems und Christen gerichtete Hindu-Radikalismus wird selten von offizieller Seite in die Kategorie Terror eingestuft, vielmehr als "communal violence" bezeichnet (ÖB 12.2016).

Gegen militante Gruppierungen, die meist für die Unabhängigkeit bestimmter Regionen eintreten und/oder radikalen Auffassungen anhängen, geht die Regierung mit großer Härte und Konsequenz vor. Sofern solche Gruppen der Gewalt abschwören, sind in der Regel Verhandlungen über ihre Forderungen möglich. Gewaltlose Unabhängigkeitsgruppen können sich politisch frei betätigen (AA 16.8.2016).

Pakistan und Indien

Pakistan erkennt weder den Beitritt Jammu und Kaschmirs zur indischen Union im Jahre 1947 noch die seit dem ersten Krieg im gleichen Jahr bestehende de-facto-Aufteilung der Region auf beide Staaten an. Indien hingegen vertritt den Standpunkt, dass die Zugehörigkeit Jammu und Kaschmirs in seiner Gesamtheit zu Indien nicht zur Disposition steht (AA 9.2016b). Seit 1947 gab es bereits drei Kriege, davon zwei aufgrund des umstrittenen Kaschmirgebiets. Friedensgespräche, die 2004 begannen, wurden trotz Spannungen wegen der Kaschmirregion und sich immer wieder ereignenden schweren Bombenaschlägen bis zu den von Islamisten durchgeführten Anschlägen in Mumbai 2008, fortgesetzt (BBC 27.9.2016).

Indien wirft Pakistan vor, Infiltrationen von Terroristen auf indisches Staatsgebiet zumindest zu dulden, wenn nicht zu befördern. Größere Terroranschläge in Indien in den Jahren 2001 und 2008 und der jüngste terroristische Angriff auf eine Militärbasis im indischen Teil Kaschmirs hatten die Spannungen in den bilateralen Beziehungen erheblich verschärft. Indien reagierte auf den Anschlag, bei dem 18 indische Soldaten ums Leben kamen, mit einer begrenzten Militäroperation ("surgical strike") im pakistanisch kontrollierten Teil Kaschmirs, die sich nach indischen Angaben gegen eine bevorstehende terroristische Infiltration richtete. In der Folge kommt es immer wieder zu Schusswechseln zwischen Truppenteilen Indiens und Pakistans an der Waffenstillstandslinie in Kaschmir. Indien sieht Pakistan in der Verantwortung für die terroristischen Bedrohungen an seiner Nordwestgrenze und erhöht den Druck auf den Nachbarn, um wirksame pakistanische Maßnahmen gegen den Terrorismus zu erreichen (AA 9.2016b). Bei einem Treffen in New York Ende September 2013 vereinbarten die Premierminister Singh und Sharif lediglich, den Waffenstillstand künftig besser einhalten zu wollen (GIZ 11.2016a). Der von 2014-2015 Hoffnung gebende Dialogprozess zwischen beiden Seiten ist über die aktuellen Entwicklungen zum Stillstand gekommen. Noch am Weihnachtstag 2015 hatte Premierminister Modi seinem pakistanischen Amtskollegen einen Überraschungsbesuch abgestattet und damit kurzzeitig Hoffnungen auf eine Entspannung aufkeimen lassen (AA 9.2016b).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (24.4.2015): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Indien

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AA - Auswärtiges Amt (16.8.2016): Bericht zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Indien

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AA - Auswärtiges Amt (9.2016b): Indien - Außenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/sid_09493FC61FD08185D486477F8D93E1EE/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Indien/Aussenpolitik_node.html, Zugriff 5.12.2016

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BBC - British Broadcasting Corporation (27.9.2016): India country profile - Overview,

http://www.bbc.co.uk/news/world-south-asia-12557384, Zugriff 5.12.2016

-

Eurasisches Magazin (24.5.2014): Wohin geht die größte Demokratie der Erde?,

http://www.eurasischesmagazin.de/artikel/Indien-nach-den-Wahlen-eine-Analyse/14017, Zugriff 5.12.2016

-

GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (11.2016a): Indien,

http://liportal.giz.de/indien/geschichte-staat.html, Zugriff 5.12.2016

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ÖB - Österreichische Botschaft New Delhi (12.2016):

Asylländerbericht Indien

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SATP - South Asia Terrorism Portal (9.1.2017): Data Sheet - India Fatalities: 1994-2016,

http://www.satp.org/satporgtp/countries/india/database/indiafatalities.htm, Zugriff 9.1.2017

1.4.3.1 Punjab

Laut Angaben des indischen Innenministeriums zu den Zahlen der Volkszählung im Jahr 2011 leben von den 21 Mio. Sikhs 16 Millionen. im Punjab (MoHA o.D.) und bilden dort die Mehrheit (USDOS 10.8.2016).

Der Terrorismus im Punjab ist Ende der 1990er Jahre nahezu zum Erliegen gekommen. Die meisten hochkarätigen Mitglieder der verschiedenen militanten Gruppen haben den Punjab verlassen und operieren aus anderen Unionsstaaten oder Pakistan. Finanzielle Unterstützung erhalten sie auch von Sikh-Exilgruppierungen im westlichen Ausland (ÖB 12.2016). Nichtstaatliche Kräfte, darunter organisierte Aufständische und Terroristen, begehen jedoch zahlreiche Morde und Bombenanschläge im Punjab und Konfliktregionen wie etwa Jammu und Kaschmir (USDOS 13.4.2016). Im Juli 2015 griffen Mitglieder einer bewaffneten Gruppe eine Polizeiwache und einen Busbahnhof in Gurdaspur im Bundesstaat Punjab an und töteten drei Zivilpersonen und vier Polizisten. 15 Personen wurden verletzt (USDOS 2.7.2016; vgl. auch: AI 24.2.2016). Es handelte sich dabei um den ersten größeren Anschlag seit den Aktivitäten militanter Sikhs in 1980er und 1990er Jahren (USDOS 2.7.2016).

Im Oktober 2015 gab es in fünf Distrikten des Punjab weitverbreitete und gewalttätige Proteste der Sikhs gegen die Regierung in Punjab. Dabei hat die Polizei auf Protestanten geschossen und zwei Personen getötet sowie 80 Personen verletzt. Grund der Proteste waren Berichte, laut denen unbekannte Täter das heilige Buch der Sikhs entweiht hätten. Die Polizei hat ein Duzend Protestanten wegen versuchten Mordes, Beschädigung öffentlichen Eigentums und des Tragens von illegalen Waffen festgenommen. Was die Aufarbeitung der Gewaltausbrüche im Jahr 1984, bei denen 3.000 Menschen, darunter hauptsächlich Sikhs, ums Leben gekommen seien betrifft, so kommen Gerichtsverfahren nur langsam voran. Zivilgesellschaftliche Aktivisten und Interessensverbände der Sikhs zeigen sich weiterhin besorgt, dass die Regierung die Verantwortlichen noch nicht zur Rechenschaft ziehen konnte (USDOS 10.8.2016).

Der illegale Waffen- und Drogenhandel von Pakistan in den indischen Punjab hat sich in letzter Zeit verdreifacht. Im Mai 2007 wurden dem indischen Geheimdienst Pläne der ISI bekannt, die gemeinsam mit BKI und anderen militanten Sikh- Gruppierungen Anschläge auf Städte im Punjab (Jalandhar, Ludhiana, Pathankot) beabsichtigten. Die Sicherheitsbehörden im Punjab konnten bislang die aufkeimende Wiederbelebung der militanten Sikh-Bewegung erfolgreich neutralisieren (ÖB 12.2016). In Jammu und Kaschmir, im Punjab und in Manipur haben die Behörden besondere Befugnisse ohne Haftbefehl Personen zu suchen und zu inhaftieren (USDOS 13.4.2016; vgl. auch:

BBC 20.10.2015). Menschenrechtsberichten zufolge kommt es im Punjab regelmäßig zu Fällen von Menschenrechtsverletzungen insbesondere der Sicherheitsbehörden (extralegale Tötungen, willkürliche Festnahmen, Folter in Polizeigewahrsam, Todesfolge von Folter etc.) (ÖB 12.2016). Ehrenmorde stellen vor allem in den nördlichen Bundesstaaten Haryana und Punjab weiterhin ein Problem dar. Menschenrechtsorganisationen schätzen, dass bis zu 10% aller Tötungen in diesen Staaten sogenannte Ehrenmorde sind (USDOS 13.4.2016).

Die Staatliche Menschenrechtskommission im Punjab hat in einer Reihe von schweren Menschenrechtsverletzungen durch die Sicherheitskräfte (Folter, Folter mit Todesfolge, extra-legale Tötungen etc.) interveniert. In vielen Fällen wurde die Behörde zu Kompensationszahlungen verpflichtet. Die Menschenrechtskommission erhält täglich 200-300 Beschwerden über Menschenrechtsverletzung und ist in ihrer Kapazität überfordert. Oft sind Unterkastige oder Kastenlose Opfer der polizeilichen Willkür (ÖB 12.2016).

Die Zugehörigkeit zur Sikh-Religion ist kein Kriterium für polizeiliche Willkürakte. Die Sikhs, 60% der Bevölkerung des Punjabs, stellen im Punjab einen erheblichen Teil der Beamten, Richter, Soldaten und Sicherheitskräfte. Auch hochrangige Positionen stehen ihnen offen (ÖB 12.2016).

In Indien ist die Bewegungs- und Niederlassungsfreiheit rechtlich garantiert und praktisch von den Behörden auch respektiert; in manchen Grenzgebieten sind allerdings Sonderaufenthaltsgenehmigungen notwendig. Sikhs aus dem Punjab haben die Möglichkeit sich in anderen Landesteilen niederzulassen, Sikh-Gemeinden gibt es im ganzen Land verstreut. Sikhs können ihre Religion in allen Landesteilen ohne Einschränkung ausüben. Aktive Mitglieder von verbotenen militanten Sikh-Gruppierungen, wie Babbar Khalsa International müssen mit polizeilicher Verfolgung rechnen (ÖB 12.2016).

Quellen:

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AI - Amnesty International (24.2.2016): Amnesty International Report 2015/16 - The State of the World's Human Rights - India, http://www.ecoi.net/local_link/319831/466697_de.html, Zugriff 5.1.2017

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BBC - British Broadcasting Corporation (20.10.2015): Why are Indian Sikhs angry?,

http://www.bbc.com/news/world-asia-india-34578463, Zugriff 5.1.2017

-

MoHA - Government of India, Ministry of Home Affairs, Office of the Registrar General & Census Commissioner, India (o.D.): C-1 Population By Religious Community, http://www.censusindia.gov.in/2011census/C-01.html, Zugriff 5.1.2017

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ÖB - Ös

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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