TE Bvwg Erkenntnis 2018/11/9 W159 2208961-1

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Veröffentlicht am 09.11.2018
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Entscheidungsdatum

09.11.2018

Norm

BFA-VG §18 Abs5
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W159 2208961-1/3E

TEILERKENNTNIS

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Dr. Clemens

KUZMINSKI als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geboren:

XXXX , Staatsangehöriger von Guinea, gegen Spruchpunkt IV. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 25.10.2018,

Zahl: XXXX , zu Recht:

A)

Der Beschwerde wird Folge gegeben und Spruchpunkt IV. ersatzlos behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Artikel 133 Abs. 4 B-VG zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer, ein Staatsbürger von Guinea, gelangte (spätestens) am 18.09.2018 auf dem Luftweg nach Österreich und stellte noch an diesem Tag einen Antrag auf internationalen Schutz. Bei der ebenfalls noch am gleichen Tag erfolgten Erstbefragung nach dem Asylgesetz durch die XXXX , gab der Antragsteller zu seinen Fluchtgründen an, dass er sich 2017 für ein Jahr in Marokko aufgehalten habe und dort studiert habe. Während dieses Aufenthaltes sei er zum Christentum übergetreten. Nach seiner Rückkehr nach Guinea sei er von seiner Familie, die alle Moslems seien, sein Vater sei sogar Muezzin, bedroht worden. Aufgrund dieser Bedrohung hätten ihm einige Mitglieder der evangelischen Kirche geholfen aus dem Land zu fliehen.

Am 10.10.2018 wurde der Antragsteller durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Erstaufnahmestelle Ost, einvernommen. Der Beschwerdeführer gab an, dass er am XXXX in XXXX geboren sei, Staatsangehöriger Guineas sei, ledig sei und keine Kinder habe. Er habe sechs Jahre lang die Grundschule und sechs Jahre lang eine weiterführende Schule besucht und zwei Jahre in Guinea und später in Marokko XXXX studiert. Er sei gesund und arbeitsfähig und gehöre der Volksgruppe Malenke an und sei katholischer Christ. In Guinea habe er nicht gearbeitet, er sei Student gewesen, seine Eltern hätten das Studium finanziert. In Österreich beziehe er Grundversorgung. Seit seiner Ankunft in Österreich habe er keinen Kontakt mehr zu seinen Familienangehörigen, welche in Guinea wohnen würden. Er sei im Juni 2017 in Rabat röm.-kath. getauft worden, er habe aber keinen Vorbereitungskurs besucht. In Marokko habe er mit christlichen Kongolesen zusammengewohnt und habe ihn ein "Bruder" in seinem Haus getauft. In Marokko hätten sich dann Jugendliche ihm gegenüber aggressiv verhalten und habe er von diesen Auseinandersetzungen Narben davongetragen. In den Ferien im Juli 2018 sei er zu seinen Eltern zurückgekehrt. Seine Eltern hätten seine Narben gesehen, hätten ihn gefragt und habe er zugegeben, dass er zum Christentum konvertiert sei. Daraufhin habe sich sein Vater aggressiv gegenüber ihm verhalten und ihm gedroht. Er habe auch gesagt, dass er bei der Predikt verkünden werde, dass er nicht länger sein Sohn sei. Daraufhin sei er in die katholische Kirche in seinem Stadtviertel, geflohen. Er habe sich daraufhin in der Kirche aufgehalten und hätten ihm die Kirchenmitglieder versprochen, dass sie ihm behilflich sein würden, nach Europa zu fliehen. Dem Beschwerdeführer wurden in der Folge einige Fragen zum christlichen Glauben gestellt. Sein Vater habe ihn als "Sohn des Satans" bezeichnet und mit einem Gefäß auf ihn eingeschlagen. Er sei dann von sich aus aus dem Elternhaus geflohen. Der Beschwerdeführer gab dann einerseits an, dass die Art wie ihn sein Vater, der früher Militärangehöriger gewesen sei, gedroht habe, ihn annehmen lassen würde, dass er ihn suchen würde. In der nächsten Frage führte er jedoch auch, dass er nicht annehme, dass sein Vater auf der Suche nach ihm gewesen sei. Er fühle sich aber von seinen Eltern bedroht und fürchte, dass sein Vater ihn auch in anderen Landesteilen finden würde. Sein Problem bestehe lediglich in der Bedrohung seiner Eltern.

Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, vom 25.10.2018, Zl. XXXX wurde unter Spruchteil I. der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen, unter Spruchteil II. dieser Antrag auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Guinea abgewiesen und unter Spruchteil III. ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt, eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass die Abschiebung nach Guinea zulässig sei, unter Spruchteil IV. eine Beschwerde gegen diese Entscheidung die aufschiebende Wirkung aberkannt und festgestellt, dass keine Frist für die freiwillige Ausreise bestehe und unter Spruchteil V. dem Asylwerber aufgetragen, im AIBE BS Schwechat, Stichstraße West 5, 2320 Schwechat Quartier zu nehmen.

In der Begründung des Bescheides wurden die oben bereits im wesentlichen im Inhalt wiedergegebenen Einvernahmen dargestellt und Feststellungen zu Guinea getroffen, welche auch solche zu den Religionen enthalten. Beweiswürdigend wurde insbesondere ausgeführt, dass den Angaben zur Volksgruppe, Religion, den familiären Umständen und dem Gesundheitszustand Glauben geschenkt würde. Weiters sei glaubhaft, dass der Antragsteller mit den guinesischen Behörden keine Probleme gehabt habe, es sei ihm aber nicht möglich gewesen, eine nachvollziehbare Chronologie der angeblich fluchtrelevanten Ereignisse darzustellen. Auch wäre bei Wahrunterstellung des Vorbringens, dass er aufgrund seiner Konversion zum Christentum von seiner Familie verstoßen worden sei, sei dieses für sich selbst genommen nicht asylrelevant. Rechtlich begründend wurde insbesondere ausgeführt, dass der Antragsteller nicht glaubhaft machen habe können, dass ihm im Herkunftsstaat asylrelevante Verfolgung drohe und zu Spruchteil II. wurde insbesondere hervorgehoben, dass er gesund und im arbeitsfähigen Alter sei und seine existentiellen Grundbedürfnisse aus eigener Kraft durch selbstständige Arbeiten sichern könne. Aufgrund der Länderfeststellungen sei davon auszugehen, dass der Herkunftsstaat weder in einen internationalen noch in einem innerstaatlichen Konflikt verwickelt und drohe ihm als Zivilperson auch keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit in Folge willkürlicher Gewalt. Außerdem wäre eine innerstaatliche Fluchtalternative gegeben.

Zu Spruchteil III. wurde zunächst hervorgestrichen, dass kein Familienleben vorliege. Auch eine besondere Integration sei nicht anzunehmen, da er in Österreich über keine privaten Kontakte verfüge und auch nicht Deutsch sprechen würde und sich seine Angehörigen alle im Heimatland befänden. Es sei daher kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen zu erteilen gewesen und die Entscheidung mit einer Rückkehrentscheidung zu verbinden gewesen. Da auch keine Gefährdung im Sinne des § 50 FPG vorliege und einer Abschiebung auch keine Empfehlung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte entgegenstehe, sei eine solche auszusprechen gewesen. Zu Spruchpunkt IV. wurde insbesondere darauf hingewiesen, dass der Asylwerber Verfolgungsgründe nicht vorgebracht habe und ihm bei einer Rückkehr in den Herkunftsstaat keine reale Menschenrechtsverletzung drohe und ihm daher zumutbar sei, den Ausgang des Asylverfahrens im Herkunftsland abzuwarten, sein Interesse an einem weiteren Verbleib in Österreich während des gesamten Asylverfahrens trete hinter das Interesse Österreichs an einer raschen und effektiven Durchsetzung der Rückkehrentscheidung zurück. Wegen Aberkennung der aufschiebenden Wirkung sei auch keine Frist für die freiwillige Ausreise zu gewähren gewesen. Zu Spruchpunkt V. wurde insbesondere ausgeführt, dass der Antragsteller bis zur Rechtskraft der Entscheidung in der oben genannten Unterkunft sich aufzuhalten habe.

Gegen diesen Bescheid erhob der Antragsteller, vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, Beschwerde verbunden mit einem Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung. Weiters wurde auch die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung beantragt. In der Begründung der Beschwerde wurde zunächst das bisherige Vorbringen wiederholt und darauf hingewiesen, dass der Beschwerdeführer sich einverstanden erklärt habe, sein Vorbringen durch Erhebungen in seinem Herkunftsland zu überprüfen und weiter an der Sachverhaltsermittlung mitzuwirken. Der Beschwerdeführer sei bereit, zu jeder weiteren Frage Stellung zu nehmen. Beim Beschwerdeführer bestehe sehr wohl ein Fluchtgrund im Sinne der GFK. Dieser setze auch nicht voraus, dass der Beschwerdeführer bereits Opfer eines persönlichen Übergriffes gewesen sei. Sollte dem weiteren Vorbringen des Beschwerdeführers keine Asylrelevanz zugebilligt werden, wurde in eventu der Antrag auf Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten gestellt, da die Gefahr bestehe, dass er bei einer Rückkehr nach Guinea in eine ausweglose Lage in einem Klima ständiger Bedrohung durch Gewalt gerate und Verletzungen zahlreicher Menschenrechte ausgesetzt wäre.

Zur Aberkennung der aufschiebenden Wirkung wurde vorgebracht, dass die Bestimmung des § 18 Abs. 2 BFA-VG eine "Kann-Bestimmung" sei und die Behörde bei Durchführung eines entsprechenden Ermittlungsverfahrens zu dem Ergebnis hätte kommen müssen, dass eine Gefahr im Sinne des § 18 Abs. 5 BFA-VG nicht ausgeschlossen werde könne. Bei Nichtzuerkennung der aufschiebenden Wirkung laufe der Beschwerdeführer Gefahr, in den Herkunftsstaat abgeschoben zu werden, ohne dass die von ihm gerügten Rechtsverletzungen berücksichtigt worden wären und ein möglicherweise daraus resultierendes unrichtiges Verfahrensergebnis hätte korrigiert werden können. Dem könne nur durch Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung begegnet werden, sodass er das Ergebnis des Beschwerdeverfahrens einschließlich einer neuerlichen Überprüfung seines Vorbringens in Österreich abwarten dürfe. Dadurch würden auch keine Interessen Dritter oder der Öffentlichkeit in irgendeiner Weise beeinträchtigt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Die obrigen Darlegungen im Verfahrensgang werden zu Feststellungen erhoben.

Der Verfahrensgang und damit die Feststellungen ergeben sich aus dem unbedenklichen und unzweifelhaften Akteninhalt der belangten Behörde.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I 2013/33 idgF, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG), BGBl I Nr. 10/2013 idgF, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Eine derartige Regelung wird in den einschlägigen Normen (VwGVG, BFA-VG, AsylG) nicht getroffen und es liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Die gesetzlichen Bestimmungen im BFA-VG zu Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde lauten wie folgt:

Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde

§ 18. (1) Einer Beschwerde gegen eine abweisende Entscheidung über einen Antrag auf internationalen Schutz kann das Bundesamt die aufschiebende Wirkung aberkennen, wenn

1. der Asylwerber aus einem sicheren Herkunftsstaat (§ 19) stammt,

2. schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass der Asylwerber eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung darstellt,

3. der Asylwerber das Bundesamt über seine wahre Identität, seine Staatsangehörigkeit oder die Echtheit seiner Dokumente trotz Belehrung über die Folgen zu täuschen versucht hat,

4. der Asylwerber Verfolgungsgründe nicht vorgebracht hat,

5. das Vorbringen des Asylwerbers zu seiner Bedrohungssituation offensichtlich nicht den Tatsachen entspricht,

6. gegen den Asylwerber vor Stellung des Antrags auf internationalen Schutz eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung, eine durchsetzbare Ausweisung oder ein durchsetzbares Aufenthaltsverbot erlassen worden ist, oder

7. der Asylwerber sich weigert, trotz Verpflichtung seine Fingerabdrücke abnehmen zu lassen.

Hat das Bundesamt die aufschiebende Wirkung nicht aberkannt, so ist Abs. 2 auf diese Fälle nicht anwendbar. Hat das Bundesamt die aufschiebende Wirkung aberkannt, gilt dies als Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde gegen eine mit der abweisenden Entscheidung über einen Antrag auf internationalen Schutz verbundenen Rückkehrentscheidung.

(2) Die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen eine Rückkehrentscheidung ist vom Bundesamt abzuerkennen, wenn

1. die sofortige Ausreise des Drittstaatsangehörigen im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich ist,

2. der Drittstaatsangehörige einem Einreiseverbot zuwider in das Bundesgebiet zurückgekehrt ist oder

3. Fluchtgefahr besteht.

(3) Bei EWR-Bürgern, Schweizer Bürgern und begünstigten Drittstaatsangehörigen kann die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen ein Aufenthaltsverbot aberkannt werden, wenn deren sofortige Ausreise oder die sofortige Durchsetzbarkeit im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich ist.

(4) Der Beschwerde gegen eine Ausweisung gemäß § 66 FPG darf die aufschiebende Wirkung nicht aberkannt werden.

(5) Das Bundesverwaltungsgericht hat der Beschwerde, der die aufschiebende Wirkung vom Bundesamt aberkannt wurde, binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde von Amts wegen die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK, Art. 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. In der Beschwerde gegen den in der Hauptsache ergangenen Bescheid sind die Gründe, auf die sich die Behauptung des Vorliegens einer realen Gefahr oder einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit gemäß Satz 1 stützt, genau zu bezeichnen. § 38 VwGG gilt.

(6) Ein Ablauf der Frist nach Abs. 5 steht der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nicht entgegen.

(7) Die §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG sind in den Fällen der Abs. 1 bis 6 nicht anwendbar."

Der VwGH hat zu § 18 Abs. 5 BFA-VG in der Fassung vor dem FrÄG 2017 in ständiger Rechtsprechung entschieden, dass dieser das BVwG dazu verpflichtet, über eine Beschwerde gegen die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung bzw. gegen einen derartigen trennbaren Spruchteil eines Bescheides des BFA binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde mit (Teil-)Erkenntnis zu entscheiden und zwar sowohl über die Zuerkennung als auch die Nichtzuerkennung der aufschiebenden Wirkung (VwGH 13.09.2016, Fr 2016/01/0014;

19.06.2017, Fr 2017/19/0023; 30.06.2917, Fr 2017/18/0026;

20.09.2017, Ra 2017/19/0284; 19.10.2017, Ra 2017/18/0278;

29.11.2017, Ro 2017/18/0002; 13.12.2017, Ro 2017/19/0003).

Das Bundesverwaltungsgericht deutet § 18 Abs. 5 BFA-VG in der Fassung des FrÄG 2017 so, dass es bei Vorliegen einer Beschwerde in der Hauptsache auch von einer Beschwerde gegen den Spruchpunkt über die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung auszugehen hat und dass es (im Sinne der vorzitierten Judikatur des VwGH) diese - sowohl im Fall der Bestätigung dieser Aberkennung als auch im Fall einer Abänderung iSd. Zuerkennung aufschiebender Wirkung - innerhalb der einwöchigen Entscheidungsfrist mit Erkenntnis zu erledigen hat (vgl. dazu näher BVwG 10.04.2018, W230 2190973-1, mwN).

Einer Auslegung, wonach nur mehr die Zuerkennung aufschiebender Wirkung innerhalb einer Woche erfolgen müsste, eine förmliche Bestätigung der Aberkennung hingegen durch formlosen Aktenvermerk ersetzt werden dürfte (und allenfalls erst mit Fristsetzungsantrag herbeigeführt werden müsste) kann hier nicht gefolgt werden (anderer Auffassung: Eberhard/Ranacher/Weinhandl, ZfV 2018, 99; Urban in Filzwieser/Taucher [Hrsg.], Asyl- und Fremdenrecht - Jahrbuch 2018, 138 ff.).

Gegen eine solche Auslegung spräche gegen die in Art. 47 GRC grundgelegte Waffengleichheit zwischen der Behörde und dem Beschwerdeführer (dazu mwN bereits BVwG 26.11.2014, I402 2014142-1 sowie die ausdrückliche Betonung der Waffengleichheit [égalité des armes] in Rn 61 des zu einschlägigen Fragen der Asylverfahrensrichtlinie ergangenen Urteils des EuGH vom 19.06.2018, Rs. C-181/16, Gnandi). Es besteht keine Waffengleichheit, wenn im Kontext des Streits um die aufschiebende Wirkung - also bei für beide Seiten herrschender Gefahr im Verzug - eine Partei im Unterliegensfall sofort eine Entscheidung erhält, die sie mit Revision beim VwGH anfechten kann, während die andere Partei im Unterliegensfall erst einen Fristsetzungsantrag einlegen müsste, um allenfalls eine Entscheidung zu erlangen, die sie mit Revision anfechten könnte (siehe auch BVwG vom 21.08.2018 W230 2203544-1/5E).

Die Entscheidung über die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung ist nicht als Entscheidung in der Sache selbst zu werten; vielmehr handelt es sich dabei um eine der Sachentscheidung vorgelagerte (einstweilige) Verfügung, die nicht geeignet ist, den Ausgang des Verfahrens vorwegzunehmen. Es ist in diesem Zusammenhang daher lediglich darauf abzustellen, ob es - im Sinne einer Grobprüfung - von vornherein ausgeschlossen erscheint, dass die Angaben der beschwerdeführenden Parteien als "vertretbare Behauptungen" zu qualifizieren sind, die in den Schutzbereich der hier relevanten Bestimmungen der EMRK reichen.

Im vorliegenden Fall kann eine Entscheidung über die dem Bundesverwaltungsgericht vorliegende Beschwerde innerhalb der relativ kurzen Frist des § 18 Abs. 5 BFA-VG nicht getroffen werden. Der Beschwerdeführer macht ein reales Risiko einer Verletzung der hier zu berücksichtigenden Konventionsbestimmungen insbesondere Art. 2, 3 und 8 EMRK geltend. Bei einer Grobprüfung dieses Vorbringens kann nicht ausgeschlossen werden, dass es sich dabei um "vertretbare Behauptungen" handelt.

Darüber hinaus hat der Beschwerdeführer in seiner Beschwerde den Sachverhalt (und die Beweiswürdigung) nicht bloß unsubstantiiert bestritten, sondern diesbezüglich ein konkretes und substantiiertes Vorbringen erstattet. Außerdem enthält das Vorbringen aufklärungsbedürftige Widersprüche.

Dazu führt der Verwaltungsgerichtshof hinsichtlich der Verhandlungspflicht nach § 21 Absatz 7 BFA-VG in ständiger Judikatur wie folgt aus:

Der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt muss von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben worden sein und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des BVwG immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweisen. Die Verwaltungsbehörde muss die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in ihrer Entscheidung in gesetzmäßiger Weise offen gelegt haben und das BVwG die tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung teilen. In der Beschwerde darf kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinausgehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten des von der Verwaltungsbehörde festgestellten Sachverhaltes eben außer Betracht bleiben kann wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA-VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt. Auf verfahrensrechtlich festgelegte Besonderheiten ist bei der Beurteilung Bedacht zu nehmen (vgl. etwa das Erkenntnis vom 08. September 2015, Ra 2014/01/022, mwN und viele andere mehr).

Vor dem Hintergrund dieser Judikatur und des Beschwerdevorbringens erscheint im vorliegenden Fall eine mündliche Beschwerdeverhandlung erforderlich. Dies wäre jedoch bei einem sofortigen Vollzug der angefochtenen Entscheidung nicht möglich, da die Beschwerdeverhandlung die Anwesenheit des Beschwerdeführers regelmäßig voraussetzt (BVwG vom 18.07.2018, W159 2200982-1/3Z u. v.a.m.).

Der EuGH entschied mit seinem Urteil vom 19.06.2018, C-181/16, Gnandi gg. Belgien, dass die Mitgliedstaaten nach der Ablehnung eines Antrags auf internationalen Schutz eine Rückkehrentscheidung erlassen dürfen, sofern sie das Rückkehrverfahren aussetzen, bis über den Rechtsbehelf gegen die Ablehnung entschieden wurde:

Im Ausgangsverfahren hatte ein togolesischer Staatsangehöriger 2011 in Belgien internationalen Schutz beantragt. Dieser Antrag war im Jahr 2014 von der zuständigen Behörde abgelehnt worden, wobei der Antragsteller angewiesen worden war, das Staatsgebiet zu verlassen. Er legte einen Rechtsbehelf gegen die Ablehnung seines Antrages auf internationalen Schutz ein und beantragte zugleich die Nichtigerklärung der Anweisung, das Staatsgebiet zu verlassen. Der Rechtsbehelf gegen die Anweisung, das Staatsgebiet zu verlassen, wurde beim belgischen Conseil d'État (Staatsrat) anhängig.

Dieser beschloss, dem EuGH die Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen, ob die Richtlinie 2008/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16.12.2008 über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger, ABl. 2008, L 348, 98, in Verbindung mit der Richtlinie 2005/85/EG des Rates vom 01.12.2005 über Mindestnormen für Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Zuerkennung und Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft, ABl. 2005, L 326, 13, sowie im Licht des Grundsatzes der Nichtzurückweisung und des Rechts auf einen wirksamen Rechtsbehelf (vgl. Art. 18, 19 Abs. 2 und 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union) dem entgegenstehe, dass gegen eine Person, die internationalen Schutz beantragt habe, nach der Ablehnung ihres Antrags auf internationalen Schutz durch die in erster Instanz für dessen Prüfung zuständige Behörde und somit vor Ausschöpfung der ihr gegen eine solche Ablehnung zur Verfügung stehenden gerichtlichen Rechtsbehelfe eine Rückkehrentscheidung erlassen werde.

Der EuGH hielt in seinem Urteil fest, dass eine Person, die internationalen Schutz beantragt habe, nach der Ablehnung ihres Antrages auf internationalen Schutz durch die zuständige Behörde in den Anwendungsbereich der Rückführungsrichtlinie falle.

In der Entscheidung des BVwG, vom 26.07.2018, W237 2201315-1/3E und andere, die von einer absoluten Bindung an die erwähnte Entscheidung des EuGH ausgeht, wurde jedoch zugestanden, dass die dem Urteil zugrundeliegende belgische Rechtslage mit der österreichischen Rechtslage nicht vergleichbar ist.

In der Entscheidung des BVwG, vom 21.08.2018, W237 2203544-1/5E wird hingegen die Auffassung vertreten, dass der Ansicht, dass eine Aberkennung der aufschiebenden Wirkung bereits generell aufgrund des Urteils des EuGH, vom 09.06.2018, C-181/16 Gnandi, Belgien unzulässig wäre, nicht gefolgt werden könne, zumal dieses Urteil für die Auslegung von Artikel 46 Absatz 6 der Richtlinie 2013/32/EU nicht einschlägig sei. Der letzterwähnten Entscheidung ist ein Fall zugrunde gelegen, in dem der Beschwerdeführer gravierend straffällig war und damit "eine Gefahr für die Nationale Sicherheit oder die Öffentliche Ordnung darstelle"; damit ist er mit dem vorliegenden Fall des unbescholtenen Beschwerdeführers jedoch nicht vergleichbar.

Weiteres wird in der Entscheidung des BVwG vom 29.08.2018 W230 3203544-1/5E ausgeführt, dass aus der Rechtsprechung des EuGH auch sonst nichts abzuleiten sei, dass die Unionsrechtslage dem gebotenen Suspensiv-Effekt von asylrechtlichen Rechtsmitteln als "absolut" einstuft. Viel mehr ist eine Interessensabwägung vorzunehmen (VwGH vom 28.04.2015 Ra 2014/18/0146).

Wie oben ausgeführt kann eine Entscheidung über die vorliegende Beschwerde, in der vertretbare Behauptungen über eine Verletzung der Konventionsbestimmungen insbesondere Artikel 2 und 3 EMRK geltend gemacht werden in analoger Anwendung der Kriterien des § 18 Abs. 5 BFA-VG innerhalb der einwöchigen Entscheidungsfrist nicht getroffen werden und ist in der Anwendung der oben wiedergegeben ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes im vorliegenden Fall die Durchführung der mündlichen Beschwerdeverhandlung unumgänglich. Eine solche würde jedoch bei sofortiger Umsetzung angefochtenen Entscheidung verunmöglicht, da die Beschwerdeverhandlung regelmäßig die Anwesenheit die Beschwerdeführers voraussetzt und würde damit überdies ein effizienter gerichtlicher Rechtsschutz verhindert. Insofern kommt dem Urteil des Europäischen Gerichtshofes vom 19.06.2018 C-181/16 Gnandi gegen Belgien Indizwirkung zu.

Durch die Behebung des angefochtenen Spruchteils IV. kommt der Beschwerde somit aufschiebende Wirkung zu.

Eine mündliche Verhandlung entfiel, weil über eine Beschwerde gegen die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung ohne weiteres Verfahren und unverzüglich zu entscheiden ist (VwGH 09.06.2015, Ra 2015/08/0049).

Zu B) Zulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist zulässig, weil die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, weil - soweit ersichtlich - Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 18 BFA-VG idF des FrÄG 2017 fehlt (offen lassend zB VwGH 30.04.2018, Fr 2018/01/0006).

Schlagworte

aufschiebende Wirkung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W159.2208961.1.00

Zuletzt aktualisiert am

11.01.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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