Entscheidungsdatum
09.11.2018Norm
BVergG 2006 §169Spruch
W139 2208701-1/4E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch die Richterin Mag. Kristina HOFER über den Antrag der XXXX , auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung betreffend das Vergabeverfahren "MEDOS - Managed e-Document and Output Service; Aktenzeichen: BCC-512-ProVia IC 9281" der Auftraggeberin ÖBB-Business Competence Center GmbH, Erdberger Lände 40-48, 1030 Wien, vertreten durch Schramm Öhler Rechtsanwälte, 1010 Wien, Bartensteingasse 2, 1010 Wien:
A)
Der Auftraggeberin wird für die Dauer des gegenständlichen Nachprüfungsverfahrens untersagt, im Vergabeverfahren "MEDOS - Managed e-Document and Output Service Aktenzeichen: BCC-512-ProVia IC 9281" die verbliebenen Bieter zur Abgabe von Preisangeboten aufzufordern und Verhandlungen mit den verbliebenen Bietern zu führen.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
Text
BEGRÜNDUNG:
I. Vorbringen der Parteien/Verfahrensgang:
1. Mit Schriftsatz vom 31.10.2018, beim Bundesverwaltungsgericht am selben Tag eingelangt, stellte die Antragstellerin den gegenständlichen Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung, mit welcher ua begehrt wurde, der Auftraggeberin bis zur Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts im Nachprüfungsverfahren zu untersagen, die Bieter zur Abgabe von Preisangeboten aufzufordern und/oder mit Ihnen Verhandlung zu führen und/oder eine Zuschlagsentscheidung zu treffen bzw den Zuschlags zu erteilen, verbunden mit einem Antrag auf Nichtigerklärung der Entscheidung der Auftraggeberin vom 22.10.2018, das Basisangebot der Antragstellerin vom 02.08.2018 auszuscheiden, einem Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung, auf Beiziehung eines technischen Sachverständigen sowie einem Antrag auf Gebührenersatz.
Begründend führte die Antragstellerin zusammengefasst im Wesentlichen Folgendes aus:
Die Auftraggeberin sei Sektorenauftraggeberin und habe ein Verhandlungsverfahren im Oberschwellenbereich nach vorherigem Aufruf zum Wettbewerb zum Abschluss von Rahmenvereinbarungen betreffend die Lieferung bzw Zurverfügungstellung mehrerer Druckgeräte samt damit verbundener Dienstleistungen in zwei Losen eingeleitet. Bis dato seien noch keine Preisangebote, sondern lediglich Teilangebote ("Basisangebote") in Form von Konzepten gelegt worden. Die Antragstellerin habe am 02.08.2018 ein Basisangebot zu Los 1 der Ausschreibung samt Konzept gelegt und Druckgeräte zur Teststellung verfügbar gemacht. Angefochten werde die Entscheidung über das Ausscheiden vom 22.10.2018 des Basisangebotes. Anlässlich der Teststellung sei festgestellt worden, dass zwei technische Muss-Kriterien verfehlt worden wären.
Die Antragstellerin habe ein evidentes Interesse, weiterhin an der Ausschreibung teilzunehmen und sie zu gewinnen, da die ausgeschriebenen Leistungen genau in ihr Geschäftsfeld fallen würden. Im Falle der Auftragserteilung an einen Mitbieter drohe der Verlust des Gewinnes von rund XXXX des Auftragswertes sowie ein im bisherigen Aufwand für die Teilnahme an der Ausschreibung liegender Schaden in der Höhe von rund EUR XXXX . Die Antragstellerin bezeichnete die Rechte, in denen sie sich als verletzt erachte. Im Hinblick auf die erforderlichen Pauschalgebühren für den Nachprüfungs- und den Provisorialantrag werde der Auftragswert auf rund 65 Mio EUR geschätzt.
Zu den Gründen der Rechtswidrigkeit der angefochtenen Entscheidung führte die Antragstellerin zusammengefasst aus:
Gemäß Punkt 45 der Anlage 3a der Ausschreibung sei gefordert, dass die Funktion "Scan to Mail" größenbeschränkbar sei, wobei diese Beschränkung am jeweiligen Gerät bzw über ein Webinterface einstellbar sein solle (Anforderung an die Hardware). Gemäß Punkt
3.14 der Anlage 3b der Ausschreibung allerdings solle dann, wenn aufgrund des Scanvolumens und/oder der Scanqualität eine elektronische Datei zu groß, nämlich größer als die eingestellte Größenbeschränkung geraten würde, die Gesamtdatei automatisch in mehrere kleinere, jeweils unter der Größenbeschränkung liegende Dateien aufgeteilt und verschickt werden (Anforderung an die Steuerungssoftware). Die Ausschreibung sage nichts über das für aufqeteilte Dateien zu verwendende Dateiformat aus. Weder sei ein bestimmtes Dateiformat vorgeschrieben, noch seien bestimmte Dateiformate ausgeschlossen. Es gebe keinen Hinweis darauf, dass etwa PART-Dateien nicht verwendet werden sollen. Gemäß den Informationen in der Ausschreibung verwende die Auftraggeberin für die Handhabung ihrer elektronischen Post ein ganz gewöhnliches MS-Exchange-Server-System. Dessen Funktionalitäten seien in Fachkreisen allgemein bekannt. Dieses E-Mail-System der Auftraggeberin sei derzeit auf eine Mailgrößenbeschränkung von 10 MB pro E-Mail eingestellt.
Die Auftraggeberin vertrete in ihrer Ausscheidensentscheidung (zum Punkt 45/3a) die Ansicht, es müsse nicht nur die Funktion "Scan to Mail" größenbeschränkbar sein, sondern es müsse eine Datei, die die Größenbeschränkung pro E-Mail überschreite, auf mehrere E-Mails aufgeteilt und versendet werden. Damit gehe die Auftraggeberin fehl, denn die Aufteilungsfunktion finde sich inhaltlich nicht in diesem Punkt 45/3a, sondern sei eigentlich eine Softwareanforderung im Punkt 3.14 der Anlage 3b. Mit ihrer Interpretation des Punktes 45/3a vermische sie ihn mit dem Punkt 3.14/3b.
Zu Punkt 3.14 der Anlage 3b (Aufteilung) führe die Auftraggeberin in ihrer Ausscheidensentscheidung aus, dass im Rahmen der Teststellung festgestellt worden sei, dass bei Überschreiten der eingestellten Größenbeschränkung der gescannten Datei kein Mailversand und keine automatische Aufteilung auf mehrere Mails/Dateien erfolgt sei. Das sei jedoch falsch. Richtig sei, dass - wie gewünscht - eine zu große Datei von der Software der Antragstellerin in kleinere Dateien aufgeteilt und an den Mailserver der Auftraggeberin geschickt werde. Richtig sei aber auch, dass dieser Mailserver keine Weiterleitung an den jeweiligen Empfänger vornehme, sondern mit einer Fehlermeldung antworte, was daran liege, dass die aufzuteilende Datei in mehrere Dateien des Dateityps "PART" zerlegt worden sei und der Mailserver der Auftraggeberin diesen Dateityp nicht verarbeite, obwohl dies Stand der Technik sei, bei allen anderen Kunden der Antragstellerin problemlos funktioniere und üblicherweise auch von dem von der Auftraggeberin verwendeten MS-Exchange-Mailserver erwartet werden könne und von der Antragstellerin daher auch so erwartet worden sei.
Die Antragstellerin habe Punkt 3.14/3b der Ausschreibung so verstanden, dass es auf das Dateiformat der zerlegten Datei nicht ankomme, sondern alle gescannten Dateien, unabhängig von ihrem Format (zB "PDF", "TIF", "JPG" etc) aufgeteilt werden können sollen. Anlässlich der Teststellung bzw erst nach der ersten Testung sei jedoch der Eindruck entstanden, als wäre eine Aufteilungsfunktion in Dateien des Formats PDF nicht nur ausreichend, sondern als einzige zulässig bzw gewünscht. Wäre die Ausschreibung konkreter formuliert und/oder hätte die Antragstellerin gewusst, dass der Mailserver der Auftraggeberin überraschenderweise keine üblichen PART-Dateien zulässt, hätte die Antragstellerin eine Softwarelösung für eine Aufteilung in PDF-Dateien erstellt und präsentiert.
Im Falle der Aufteilung in Dateien des Formats "PDF" erhalte der E-Mail Empfänger mehrere Mails mit Teilen der gescannten Vorlage, die dieser selbst zusammenfügen müsse, wofür er eine spezielle - idR kostenpflichtige - Software (zB Adobe Acrobat Pro) benötige. Stand der Technik sei jedoch heute, dass große Dateien in kleinere PART-Dateien aufgeteilt, dem jeweiligen E-Mail-Empfänger zugestellt und durch dessen E-Mail-Programm zB des auch bei der Auftraggeberin verwendeten MS-Outlook - kostenlos - wieder automatisch zusammengefügt würden. Der Vorteil liege darin, dass der Empfänger letztendlich nur eine einzige Datei zur Verfügung habe, die genau der gescannten Vorlage entspreche. Die Auftraggeberin begründet ihre Ausscheidungsentscheidung damit, dass von den Geräten der Antragstellerin keine E-Mails versendet worden wären. Tatsächlich aber habe ihr eigener Mailserver deren Weiterleitunq verweigert. Dies wäre mit einer kleinen Änderung der Einstellungen dieses Mailservers sofort behebbar, man müsste ihm lediglich erlauben, Dateien vom Typ "PART" zu verarbeiten und an E-Mail-Empfänger zuzustellen.
Die Antragstellerin habe im Rahmen der Teststellung und nachfolgenden Stellungnahmen, insbesondere jener vom 16.10.2018 mehrere Möglichkeiten aufgezeigt, wie das von der Auftraggeberin gewünschte Ergebnis trotzdem erreicht werden könne. Einerseits sei angeboten worden, die Aufteilung großer Dateien (in Dateien des Dateityps "PDF") nicht durch die Software, sondern schon vom Gerät selbst, also über die Hardware vornehmen zu lassen. Diese Aufteilung über die Hardware habe bei der ersten Testung wie auch bei der weiteren Testung am 30.10.2018 tadellos funktioniert, allerdings habe sich gezeigt, dass ein Zustellen von durch die Software in PART-Dateien aufgeteilte Dateien vom Mailserver der Auftraggeberin weiterhin blockiert werde. Die Antragstellerin habe daher einen "Workaround" angeboten, bei dem die Software so konfiguriert wird, dass ein Scannen generell über die Hardware erfolge, wodurch die Aufteilungsfunktion (in PDF-Dateien) jedenfalls gewährleistet sei. Weshalb die Auftraggeberin darauf bestehe, die Aufteilung müsse über die Software funktionieren, sei unklar. Alternativ habe die Antragstellerin schon in ihrer Stellungnahme vom 16.10.2018 angeboten, die gescannte Datei dem Benutzer nicht per E-Mail zuzustellen, sondern - ohne Einbindung des Mailservers - in einem Dateiordner abzulegen und dem Benutzer eine E-Mail mit einem individuellen Link auf diesen Dateiordner zukommen zu lassen, womit (nur) dieser Benutzer auf den Dateiordner und die darin gespeicherte gescannte Datei, die er nicht aus mehreren Teilen zusammenfügen müsse, Zugriff erhalte.
Würde die Auftraggeberin ihren Mailserver - wie es ursprünglich zu erwarten gewesen sei und auch das Gegenteil nicht aus der Ausschreibung hervorgehe - richtig konfigurieren, sodass er PART-Dateien zulasse, funktioniere auch die Softwarelösung der Antragstellerin anstandslos. Die Antragstellerin habe in ihrer Stellungnahme vom 16.10.2018 auch darauf hingewiesen, dass zu ihrer Funktion der Mailserver der Auftraggeberin die von der Antragstellerin verwendeten PART-Dateien nicht ablehnen dürfe und dass an der Erstellung einer Softwarelösung, die keine PART-Dateien (sondern PDF-Dateien) verwende, derzeit noch gearbeitet werde und diese allerspätestens bei Vertragsbeginn zur Verfügung stehen werde.
Anhand dieser Stellungnahme wäre die Auftraggeberin angehalten gewesen, die Aufteilungsfunktion am Gerät erneut zu testen und/oder ihren Mailserver passend zu konfigurieren, habe dies aber offenbar unterlassen und stattdessen sogleich ihre Ausscheidungsentscheidung getroffen. Bei der weiteren Testung am 30.10.2018 habe sich gezeigt, dass die Aufteilungsfunktion (über die Hardware) einwandfrei funktioniere. Auch am Funktionieren des angebotenen "Workarounds" über die Software würden keine Zweifel bestehen. Das Problem liege weiterhin beim Mailserver der Auftraggeberin.
Die angeführten Ausscheidungsgründe seien nicht vorhanden, sondern konstruiert bzw von der Auftraggeberin selbst verursacht. Sie habe bei der Testung der Geräte die gewünschte Aufteilungsfunktion nicht ausreichend geprüft bzw falsch beurteilt; sie habe überdies ihren Mailserver ungünstig und insbesondere unüblich konfiguriert und es ferner unterlassen, die Ausschreibung hierzu klar zu formulieren. Dennoch habe die Antragstellerin mehrere Möglichkeiten aufgezeigt, die gewünschten Ergebnisse erbringen zu können. Und sie arbeite an einer Lösung, die die Anforderungen, wie sie von der Auftraggeberin offenbar verstanden und von ihr schon von Beginn an in der Ausschreibung erklärt werden hätten sollen, vollständig erfülle. Selbst wenn (oder weil) die Ausschreibung undeutlich formuliert sei und wesentliche Punkte ausspare, entspreche das Basisangebot der Antragstellerin der Ausschreibungsunterlage und insbesondere den praktischen Anforderungen der Auftraggeberin. Es hätte daher nicht ausgeschieden werden dürfen.
Zum Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung wurde ausgeführt, dass mit einer Weiterführung des Vergabeverfahrens ohne die Antragstellerin und Zuschlagserteilung an einen Mitbieter unumkehrbare Tatsachen geschaffen würden. Würde die Antragstellerin infolge der Ausscheidensentscheidung die Frist zur Abgabe eines Preisangebotes versäumen, würde sie nicht an den Verhandlungen teilnehmen können und hätte keine Chance auf den Zuschlag. Im Falle der Stattgabe des gegenständlichen Nachprüfungsantrages wäre die Antragstellerin auch zur Abgabe eines Preisangebotes berechtigt, dieses würde aber nachträglich erfolgen müssen und daher wäre die Gleichbehandlung der Bieter nicht gegeben.
2. Am 05.11.2018 erteilte die Auftraggeberin allgemeine Auskünfte zum Vergabeverfahren. Zur beantragten Erlassung der einstweiligen Verfügung führte die Auftraggeberin aus, dass ein Interesse der Antragstellerin, die Fortführung des Vergabeverfahrens zu untersagen, nicht bestehen könne, zumal die Antragstellerin die Möglichkeit habe, die ihr mitzuteilende Zuschlagsentscheidung zu bekämpfen. In ständiger Rechtsprechung werde daher vertreten, dass bei Vorliegen lediglich einer Ausscheidensentscheidung die Erlassung einer einstweiligen Verfügung grundsätzlich nicht in Betracht komme, weil der Antragstellerin ein Schaden durch die Zuschlagserteilung nicht unmittelbar drohe.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Sachverhalt:
Aufgrund der vorgelegten Stellungnahmen, der Bezug nehmenden Beilagen sowie der Unterlagen des Vergabeverfahrens wird vorerst im Rahmen des Provisorialverfahrens folgender entscheidungserheblicher Sachverhalt festgestellt:
Auftraggeberin ist die ÖBB-Business Competence Center GmbH (ÖBB BCC-GmbH). Diese steht zu 100% im Eigentum der Österreichische Bundesbahnen-Holding Aktiengesellschaftist (ÖBB-Holding AG) und ist ua für sämtliche Einkaufsagenden des ÖBB-Konzerns zentral zuständig. Im Juli 2017 schrieb sie die verfahrensgegenständliche Leistung "MEDOS - Managed e-Document and Output Service Aktenzeichen:
BCC-512-ProVia IC 9281" in einem Verhandlungsverfahren nach vorherigem Aufruf zum Wettbewerb mit dem Ziel des Abschlusses einer Rahmenvereinbarung mit einem Unternehmer für eine achtjährige Laufzeit im Oberschwellenbereich nach dem Bestbieterprinzip in zwei Losen aus (CPV-Code: 30232100).
Die Aufforderung zur Abgabe eines Teilnahmeantrages sowie die Aufforderung zur Angebotsabgabe vom 13.06.2018 blieben unangefochten. Die Antragstellerin beteiligte sich an diesem Vergabeverfahren mit der Legung eines Erstangebotes zu Los 1.
Bei den von der Antragstellerin angebotenen Geräten wurde in der Folge eine Teststellung gemäß Anlage 9 Pkt 5 (Bewertungsschema MEDOS LOS 1) der Ausschreibungsunterlagen durchgeführt.
Am 22.10.2018 wurde der Antragstellerin über die elektronische Beschaffungsplattform www.provia.at mitgeteilt, dass ihr Angebot vom 02.08.2018 in Los 1 gemäß den einschlägigen Vorschriften des Bundesvergabegesetzes und den bestandsfesten Ausschreibungsbedingungen auszuscheiden sei. Es habe sich bei der Teststellung herausgestellt, dass die angebotenen Produkte Muss-Anforderungen der bestandsfesten Ausschreibungsunterlagen (Anlage 3a, 3b) nicht erfüllen würden.
Mit Schriftsatz vom 31.10.2018, beim Bundesverwaltungsgericht am selben Tag eingelangt, brachte die Antragstellerin den gegenständlichen Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung verbunden mit einem Nachprüfungsantrag gegen die Ausscheidensentscheidung ein. Die Antragstellerin entrichtete eine Pauschalgebühr in der Höhe von EUR 6.480,00 für die beantragte Erlassung einer einstweiligen Verfügung.
Es wurde weder eine Rahmenvereinbarung abgeschlossen bzw ein Zuschlag erteilt noch wurde eine Widerrufsentscheidung bekanntgegeben oder der Widerruf erklärt.
2. Rechtliche Beurteilung:
Zu A)
2.1.Anzuwendendes Recht
Am 21.08.2018 ist das Bundesvergabegesetz 2018, BGBl I, Nr 65/2018, in Kraft getreten. Dessen § 376 lautet auszugsweise:
§ 376. (1) Dieses Bundesgesetz tritt mit Ausnahme der Einträge im Inhaltsverzeichnis zu den §§ 62, 66, 232, 237, 367 und 368 und der §§ 54 Abs. 2, 62 samt Überschrift, 66 samt Überschrift, 223 Abs. 2, 232 samt Überschrift, 237 samt Überschrift, 367 samt Überschrift, 368 samt Überschrift und des 2. Abschnittes von Anhang VIII samt Überschrift mit dem der Kundmachung folgenden Tag in Kraft. Zugleich tritt das Bundesvergabegesetz 2006 - BVergG 2006, BGBl. I Nr. 17/2006, außer Kraft.
(2) ...
(3) ...
(4) Für das Inkrafttreten der durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 65/2018 neu gefassten Bestimmungen gilt Folgendes: Die im Zeitpunkt des In- bzw. Außerkrafttretens gemäß Abs. 1 und 2 bereits eingeleiteten Vergabeverfahren sind nach der zum Zeitpunkt der Einleitung des jeweiligen Vergabeverfahrens geltenden Rechtslage zu Ende zu führen. Die im Zeitpunkt des In- bzw. Außerkrafttretens gemäß Abs. 1 und 2 beim Bundesverwaltungsgericht anhängigen Verfahren sind vom Bundesverwaltungsgericht nach der zum Zeitpunkt der Einleitung des jeweiligen Vergabeverfahrens geltenden Rechtslage fortzuführen. Hinsichtlich der Vergabeverfahren, die zum Zeitpunkt gemäß Abs. 1 und 2 bereits beendet sind, richtet sich die Durchführung von Feststellungsverfahren nach der zum Zeitpunkt der Einleitung des jeweiligen Vergabeverfahrens geltenden Rechtslage.
(5) ...
In den Erläuternden Bemerkungen (EBRV 69 BlgNR XXVI. GP) wird hierzu ausgeführt: Wenn ein Vergabeverfahren zum Zeitpunkt des Inkrafttretens bereits eingeleitet war, ist es nach den materiellrechtlichen Vorschriften des BVergG 2006 zu Ende zu führen; wenn im Zusammenhang mit einem solchen Vergabeverfahren nach dem Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes ein Rechtsschutzverfahren anhängig gemacht wird, dann sind für das Rechtsschutzverfahren die Regelungen des 4. Teiles dieses Bundesgesetzes anzuwenden. (Prüfungsmaßstab für die Beurteilung, ob eine Rechtswidrigkeit vorliegt oder nicht, bleiben allerdings die Bestimmungen des BVergG 2006.) Ist ein Rechtsschutzverfahren hingegen zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits anhängig, ist dieses Rechtsschutzverfahren gemäß Abs 4 nach den Bestimmungen des BVergG 2006 fortzuführen.
Das gegenständliche Vergabeverfahren wurde im Juli 2017, somit vor In-Kraft-Treten des BVergG 2018 eingeleitet. Das Nachprüfungsverfahren wurde nach In-Kraft-Treten des BVergG 2018 beim Bundesverwaltungsgericht anhängig gemacht. Daraus folgt, dass materiellrechtlich die Bestimmungen des BVergG 2006 und formellrechtlich die Bestimmungen des BVergG 2018 zur Anwendung kommen.
2.2. Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts und Zulässigkeit des Antrages
Gemäß Art 135 Abs 1 B-VG iVm § 2 VwGVG und § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gemäß § 328 Abs 1 BVergG 2018 entscheidet das Bundesverwaltungsgericht in den Angelegenheiten des § 327, soweit es sich nicht um die um die Entscheidung über einen Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe für die Einbringung eines Feststellungsantrags, die Entscheidung über einen Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung, die Entscheidung über den Gebührenersatz oder die Entscheidung über einen Verfahrenseinstellung nach Zurückziehung eines Nachprüfungs- oder Feststellungsantrages handelt, in Senaten. Vorliegend hat das Bundesverwaltungsgericht über die oben wiedergegebenen Anträge auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung zu entscheiden. Somit liegt gegenständlich Einzelrichterzuständigkeit vor.
Auftraggeberin im Sinne des § 2 Z 8 BVergG 2006 ist die ÖBB-Business Competence Center GmbH. Sie ist Sektorenauftraggeberin gemäß § 165 iVm § 169 BVergG 2006. Beim gegenständlichen Auftrag handelt es sich um einen Dienstleistungsauftrag gemäß § 6 iVm § 174 BVergG 2006. Der geschätzte Auftragswert liegt über dem relevanten Schwellenwert des § 180 Abs 1 Z 1 BVergG 2006, sodass es sich um ein Vergabeverfahren im Oberschwellenbereich handelt.
Der gegenständliche Beschaffungsvorgang liegt somit im sachlichen und persönlichen Geltungsbereich des BVergG 2006. Die allgemeine Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts zur Überprüfung des Vergabeverfahrens und zur Durchführung von Nachprüfungsverfahren entsprechend § 334 Abs 2 BVergG 2018 iVm Art 14b Abs 2 Z 1 B-VG ist sohin gegeben.
Da darüber hinaus laut Stellungnahme der Auftraggeberin das Vergabeverfahren nicht widerrufen und der Zuschlag noch nicht erteilt wurde, ist das Bundesverwaltungsgericht damit gemäß § 334 Abs 2 BVergG 2018 zur Nichtigerklärung rechtswidriger Entscheidungen eines Auftraggebers und zur Erlassung einstweiliger Verfügungen zuständig.
Von einem in § 350 Abs 1 BVergG 2018 genannten offensichtlichen Fehlen der Antragsvoraussetzungen gemäß § 342 Abs 1 leg.cit. ist vorerst nicht auszugehen.
Unter der Annahme der elektronischen Bekanntgabe der angefochtenen Entscheidung am 22.10.2018 wurde der Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung, welcher zugleich mit einem Nachprüfungsantrag gemäß § 342 Abs 1 BVergG 2018 eingebracht wurde, innerhalb der gemäß § 343 Abs 1 BVergG 2018 maßgeblichen Frist eingebracht, sodass dieser als rechtzeitig zu qualifizieren ist (§ 350 Abs 3 und 4 BVergG 2018).
Der Nachprüfungsantrag richtet sich gegen die der Antragstellerin am 20.10.2018 mitgeteilte Ausscheidensentscheidung. Beim Ausscheiden eines Angebotes handelt es sich um eine gesondert anfechtbare Entscheidung gemäß § 2 Z 16 lit a sublit dd BVergG 2006. Die Antragstellerin hat die unmittelbar drohende Schädigung ihrer Interessen für den Fall, dass der Vertrag nicht mit ihr abgeschlossen werden sollte, plausibel und nachvollziehbar dargestellt. Der Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung erfüllt auch die übrigen formalen Voraussetzungen des § 350 Abs 2 BVergG 2018. Die Pauschalgebühr wurde jedenfalls in entsprechender Höhe entrichtet (§ 340 Abs 1 Z 1, 3 und 4 BVergG 2018 iVm §§ 1 und 2 BVwG-PauschGebV Vergabe 2018).
2. Inhaltliche Beurteilung des Antrages
Gemäß § 350 Abs 1 BVergG 2018 hat das Bundesverwaltungsgericht auf Antrag eines Unternehmers, dem die Antragsvoraussetzungen nach § 342 Abs 1 BVergG nicht offensichtlich fehlen, durch einstweilige Verfügung unverzüglich vorläufige Maßnahmen anzuordnen, die nötig und geeignet erscheinen, um eine durch die behauptete Rechtswidrigkeit einer gesondert anfechtbaren Entscheidung entstandene oder unmittelbar drohende Schädigung von Interessen des Antragstellers zu beseitigen oder zu verhindern.
Gemäß § 351 Abs 1 BVergG 2018 hat das Bundesverwaltungsgericht vor der Erlassung einer einstweiligen Verfügung die voraussehbaren Folgen der zu treffenden Maßnahme für alle möglicherweise geschädigten Interessen des Antragstellers, der sonstigen Bewerber oder Bieter und des Auftraggebers sowie ein allfälliges besonderes öffentliches Interesse an der Fortführung des Vergabeverfahrens gegeneinander abzuwägen. Ergibt diese Abwägung ein Überwiegen der nachteiligen Folgen einer einstweiligen Verfügung, ist der Antrag auf Erlassung der einstweiligen Verfügung abzuweisen.
Gemäß § 351 Abs 3 BVergG 2018 können mit einer einstweiligen Verfügung das gesamte Vergabeverfahren oder einzelne Entscheidungen des Auftraggebers bis zur Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über eine allfällige Nichtigerklärung vorübergehend ausgesetzt oder sonstige geeignete Maßnahmen angeordnet werden. Dabei ist die jeweils gelindeste noch zum Ziel führende vorläufige Maßnahme zu verfügen.
Gemäß § 351 Abs 4 BVergG 2018 ist in einer einstweiligen Verfügung die Zeit, für welche diese Verfügung getroffen wird, zu bestimmen. Die einstweilige Verfügung tritt nach Ablauf der bestimmten Zeit, spätestens jedoch mit der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts über den Antrag auf Nichtigerklärung außer Kraft, in dem die betreffende Rechtswidrigkeit geltend gemacht wird. Das Bundesverwaltungsgericht hat die einstweilige Verfügung unverzüglich auf Antrag oder von Amts wegen aufzuheben, sobald die Voraussetzungen, die zu ihrer Erlassung geführt haben, weggefallen sind. Das Bundesverwaltungsgericht hat die einstweilige Verfügung unverzüglich auf Antrag oder von Amts wegen zu erstrecken, wenn die Voraussetzungen, die zu ihrer Erlassung geführt haben, nach Ablauf der bestimmten Zeit fortbestehen.
Die Antragstellerin behauptet die Rechtswidrigkeit der ihr am 20.10.2018 bekannt gegebenen Entscheidung, ihr Angebot aus dem Vergabeverfahren auszuscheiden. Diese Behauptung erscheint im Hinblick auf das oben wiedergegebene Vorbringen zumindest nicht denkunmöglich. Es kann daher nicht gänzlich ausgeschlossen werden, dass die von der Antragstellerin geltend gemachten Rechtswidrigkeiten zutreffen und sie in der Folge für den Erhalt des Auftrages (Rahmenvereinbarungsabschluss) in Betracht kommen würde. Über die inhaltliche Begründetheit ist im Provisorialverfahren nicht abzusprechen. Diese wird im Hauptverfahren durch den zuständigen Senat zu beurteilen sein.
Da der Antragstellerin - wie nachfolgend gezeigt wird - bei Fortführung des Vergabeverfahrens die Vereitelung des Abschlusses der gegenständlichen Rahmenvereinbarung und sohin auch eines allfälligen Abrufes der darauf basierenden Einzelaufträge mit allen daraus erwachsenden Nachteilen droht, ist es erforderlich, das Vergabeverfahren bis zur Entscheidung in der Hauptsache in einem Stand zu halten, der die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts nicht ins Leere laufen lässt und der die grundsätzliche Möglichkeit eines Rahmenvereinbarungsabschlusses mit der Antragstellerin im Rahmen eines vergaberechtskonformen Verfahrens wahrt (siehe zum Zweck einer einstweiligen Verfügung auch EBRV 1171 BlgNr XXII. GP 141). Dabei ist gemäß § 351 Abs 3 BVergG 2018 die jeweils gelindeste zum Ziel führende Maßnahme anzuordnen.
Im Rahmen der Interessenabwägung ist zu berücksichtigen, dass die Antragstellerin ua auf finanzielle Einbußen, nämlich den frustrierten Aufwand der Verfahrensteilnahme und den Entgang des Gewinns verweist. Am Vorliegen dieses drohenden Schadens besteht dem Grunde nach kein Zweifel. Die entsprechende Behauptung erscheint - auch im Hinblick auf die geschätzte Höhe des Schadens - plausibel. Ins Einzelne gehende (genaueste) Darlegungen sind nicht geboten (siehe VwGH 22.06.2011, 2009/04/0128; 24.02.2006, 2004/04/0127).
Im Rahmen der Interessenabwägung ist auch auf die Judikatur des Europäischen Gerichtshofs hinsichtlich des Vorrangs des primären - durch Nichtigerklärung rechtswidriger Auftraggeberentscheidungen zu gewährleistenden - Rechtsschutzes (EuGH 28.10.1999, Rs C-81/98, Alcatel Austria AG ua; 18.06.2002, Rs C-92/00, Hospital Ingenieure Krankenhaustechnik Planungs-Gesellschaft mbH) sowie auf die Judikatur des Verfassungsgerichtshofs Bedacht zu nehmen, wonach in der Sicherstellung der Auftragserteilung an den tatsächlichen Bestbieter ein öffentliches Interesse liegt (VfGH 25.10.2002, B1369/01; siehe insb bereits BVA 25.01.2002, N-128/01-45 uvm).
Die Auftraggeberin hat sich gegen die Erlassung der einstweiligen Verfügung ausgesprochen. Ein Interesse der Antragstellerin, die Fortführung des Vergabeverfahrens zu untersagen, könne nicht bestehen, zumal die Antragstellerin die Möglichkeit habe, die ihr mitzuteilende Zuschlagsentscheidung zu bekämpfen. In ständiger Rechtsprechung werde daher vertreten, dass bei Vorliegen lediglich einer Ausscheidensentscheidung die Erlassung einer einstweiligen Verfügung grundsätzlich nicht in Betracht komme, weil der Antragstellerin ein Schaden durch die Zuschlagserteilung nicht unmittelbar drohe.
Darüber hinaus hat die Auftraggeberin keine gegen die Erlassung einer einstweiligen Verfügung sprechenden Interessen benannt. Dem Bundesverwaltungsgericht sind auch keine möglicherweise geschädigten Interessen sonstiger Bieter sowie sonstige besondere öffentliche Interessen, die gegen die Erlassung der einstweiligen Verfügung sprechen würden, bekannt.
Abgesehen davon hat ein gewissenhafter Auftraggeber nach ständiger Rechtsprechung die durch die Einleitung von Vergabekontrollverfahren allenfalls eintretenden zeitlichen Verzögerungen schon bei seiner Ablaufplanung einzukalkulieren und zu berücksichtigen (ua BVwG 30.05.2014, W139 2008219-1/10E; bereits BVA 09.01.2004, 10N-3/04-4; 11.12.2006, N/0100- BVA/02/2006-10; 14.06.2010, N/0047-BVA/09/2010-14 uva).
Der Auftraggeberin ist dahingehend Recht zu geben, als die Untersagung der Fortführung des gesamten Vergabeverfahrens nicht in Betracht käme, zumal die Handlungsfreiheit der Auftraggeberin über Gebühr eingeschränkt wäre. Eine derartige Maßnahme würde im Hinblick auf die mit einer einstweiligen Verfügung zu verfolgenden Ziele nach der ständigen Rechtsprechung der Vergabekontrolle nicht das nötige und gelindeste Mittel gemäß §§ 350 Abs 1 und 351 Abs 3 BVergG 2018 darstellen (ua BVwG 10.01.2014, W139 2000171-1/10E). Tatsächlich hat die Antragstellerin eine derartig umfassende Maßnahme aber gar nicht beantragt.
Soweit die Auftraggeberin ausführt, dass der Antragstellerin als verbliebener Bieterin ohnehin die Zuschlagsentscheidung mitzuteilen wäre, welche bekämpft werden könne, und sohin ein in der Zuschlagserteilung an einen Dritten liegender Schaden nicht unmittelbar drohe, ist eingangs klarstellend festzuhalten, dass sich das gegenständliche Vergabeverfahren noch im Stadium vor Abschluss der betreffenden Rahmenvereinbarung befindet und sohin die Entscheidung, mit welchem Unternehmer die Rahmenvereinbarung abgeschlossen werden soll, jene Entscheidung darstellt, die auch der Antragstellerin als "nicht berücksichtigter" Bieterin gemäß § 197 Abs 3 BVergG 2006 mitzuteilen ist und welche in der Folge einer Anfechtung zugänglich ist (siehe wiederum BVwG 10.01.2014, W139 2000171-1/10E). Insofern ist es grundsätzlich zutreffend, dass der im Verlust des Auftrages liegende Schaden nicht unmittelbar droht, wenn gegen die Entscheidung, mit welchem Unternehmer die Rahmenvereinbarung abgeschlossen werden soll, mit einem weiteren Nachprüfungsantrag vorgegangen werden kann, um deren Bestandskraft zu verhindern und um die Chance auf den Rahmenvereinbarungsabschluss zu wahren.
Allerdings trifft diese Beurteilung auf eine Sachverhaltskonstellation wie die vorliegende nicht zu. Die Antragstellerin würde auch im Falle, dass sie mit ihrem Nachprüfungsbegehren im gegenständlichen Hauptverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht zur Gänze durchdringen sollte, trotz der bestehenden Möglichkeit der Anfechtung und Nichtigerklärung der Entscheidung über den Rahmenvereinbarungsabschluss nicht in die Lage versetzt werden, sich potentiell erfolgreich an diesem Vergabeverfahren beteiligen zu können.
Gegenständlich befindet sich das Vergabeverfahren im Stadium vor der nächsten Angebotsrunde und vor der Aufnahme von Verhandlungen. Entsprechend den bestandsfesten Ausschreibungsunterlagen behält sich die Auftraggeberin vor, mehrere short-listing Runden durchzuführen, eine Runde soll demnach insbesondere nach der Erstangebotsrunde erfolgen. Sie behält sich des Weiteren vor, nach ihrer freien Entscheidung technische, kommerzielle oder rechtliche Bedingungen und Anforderungen an den Ausschreibungsgegenstand entfallen zu lassen, zu ändern, bestehen zu lassen oder auch neue Bedingungen und Anforderungen einzuführen (Punkt 14. der Aufforderung zur Angebotsabgabe - Ablauf des Verhandlungsverfahrens). Gemäß Punkt 3.7 der Teilnahmeunterlagen steht der Auftraggeberin das Recht zu, alle in Punkt 3.2, 3.3, 3.4 und 3.5 (der Teilnahmeunterlagen) angeführten Merkmale und Spezifikationen und Leistungsgegenstände im Laufe des Vergabeverfahrens (auch deutlich) zu ändern.
In diesem gänzlich am Beginn von Verhandlungen und damit von - mitunter weitreichenden - Veränderungen der Ausschreibungsbedingungen und der Anforderungen an den Leistungsgegenstand stehenden Stadium des Verhandlungsverfahrens kann demnach angesichts der geplanten weiteren Verfahrensschritte keineswegs ausgeschlossen werden, dass hierdurch unumkehrbare Tatsachen geschaffen werden, die einen späteren Abschluss der gegenständlichen Rahmenvereinbarung mit der Antragstellerin verunmöglichen.
Zentrales Gewicht für den Ablauf eines Verhandlungsverfahrens kommt dem Gebot der Gleichbehandlung aller Bewerber und Bieter in allen Phasen eines Verhandlungsverfahrens zu. Würde die Auftraggeberin sohin ohne Berücksichtigung der Antragstellerin das Vergabeverfahren im Sinne ihrer Festlegungen zum Ablauf des Verfahrens fortführen, sohin ein erstes Shortlisting vornehmen, zur Legung weiterer Angebote auffordern, Verhandlungen führen, allenfalls im Rahmen mehrerer Verhandlungsrunden, und Gelegenheit zur Verbesserung der Angebote geben, wäre jener im Rahmen der Verhandlungen gewonnene Informationsvorsprung und zeitliche Vorteil der sonstigen verbliebenen Bieter im Nachhinein durch Wiederholung der Verhandlungen unter Einbeziehung der Antragstellerin schwerlich aufzuholen und auszugleichen. Die neuerliche Durchführung von Verhandlungen wäre demnach mit dem vergaberechtlichen Grundsatz der Bietergleichbehandlung nicht vereinbar. Ein Abschluss der Rahmenvereinbarung mit der Antragstellerin in diesem Vergabeverfahren käme folglich nicht mehr in Betracht.
Damit ist dieser Sachverhalt nicht mit jenen Konstellationen vergleichbar, in denen aufgrund der Möglichkeit zur Anfechtung der mitzuteilenden Entscheidung über den Abschluss der Rahmenvereinbarung bzw der Zuschlagsentscheidung der im Verlust des Auftrages liegende Schaden tatsächlich nicht unmittelbar droht, weil zwischenzeitig die Schaffung unumkehrbarer Tatsachen nicht erfolgt und eine Nichtigerklärung tatsächlich eine weitere Verfahrensteilnahme eröffnet. Dies ist etwa bei Vorliegen einer Ausscheidensentscheidung unmittelbar vor Erlassung einer Zuschlagsentscheidung in einem offenen Verfahren sowie auch in einem Verhandlungsverfahren, sofern es sich um das letztgültige Angebot handelt, in der Regel anzunehmen (siehe auch BVwG 03.07.2015, W138 2109261-1/2E).
Abgesehen davon wäre mit der Anfechtung der Entscheidung über den Rahmenvereinbarungsabschluss der denkmögliche Anspruch auf den Abschluss der gegenständlichen Rahmenvereinbarung mit der Antragstellerin auch insofern nicht wirksam gesichert, als eine Rückkehr in die Verhandlungsphase angesichts der Geheimhaltungsverpflichtung der Auftraggeberin nicht mehr denkbar erscheint.
Da unter Zugrundelegung obiger Überlegungen somit ein Überwiegen der nachteiligen Folgen einer einstweiligen Verfügung gemäß § 351 Abs 1 BVergG 2018 nicht anzunehmen ist, sondern vielmehr das Interesse der Antragstellerin an der Prüfung der angefochtenen Entscheidung der Auftraggeberin als überwiegend anzusehen ist, war die im Spruch ersichtliche Sicherungsmaßnahme als gelindeste noch zum Ziel führende Maßnahme iSd § 351 Abs 3 BVergG 2018 auszusprechen, als damit die Schaffung von unumkehrbaren Tatsachen zum Nachteil der Wettbewerbsposition der Antragstellerin im gegenständlichen Vergabeverfahren vermieden wird. Dabei war zu berücksichtigen, dass die Auftraggeberin bereits nach der Erstangebotsrunde die Durchführung eines Shortlisting beabsichtigt. Da dem Begehren der Antragstellerin auf Untersagung der Aufforderung zur Angebotslegung sowie zur Führung von Verhandlungen entsprochen wurde, kann im gegenständlichen Vergabeverfahren auch kein Abschluss der Rahmenvereinbarung erfolgen.
Zur Dauer der Provisorialmaßnahme ist auszuführen, dass eine einstweilige Verfügung für die Dauer des Nachprüfungsverfahrens nach derzeit herrschender Rechtsprechung gemäß § 351 Abs 4 BVergG 2018 als hinreichend befristet zu bewerten ist (ua BVwG 10. 01. 2014, W187 2000170-1/11; 20.03.2014, W139 2003185-1/11E; 23.10.2014, W114 2013254-1/6E; BVA 10.02.2011, N/0011-BVA/10/2011-9, 10.05.2011, N/0035-BVA/08/2011-12 mwN; siehe auch VwGH 10. 12. 2007, AW 2007/04/0054).
Zu B)
Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl dazu VwGH 06.11.2002, 2002/04/0138;
30.06.2004, 2004/04/0028; 01.02.2005, 2005/04/0004; 29.06.2005, 2005/04/0024; 24.02.2006, 2004/04/0127; 01.03.2007, 2005/04/0239;
27.06.2007, 2005/04/0254; 10.12.2007, AW 2007/04/0054; 29.02.2008, 2008/04/0019; 14.01.2009, 2008/04/0143; 14.04.2011, 2008/04/0065;
22.06.2011, 2009/04/0128; 29.09.2011, 2011/04/0153) ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Aufforderung Angebotsabgabe, Ausscheidensentscheidung,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2018:W139.2208701.1.00Zuletzt aktualisiert am
08.01.2019