Entscheidungsdatum
09.11.2018Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3Spruch
W129 1415166-2/3E
W129 1415167-2/3E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter DDr. Markus GERHOLD über die Beschwerde des Erstbeschwerdeführers XXXX (alias XXXX ), geb. XXXX , StA. Russische Föderation, sowie der Zweitbeschwerdeführerin XXXX (alias XXXX ), geb. XXXX , StA. Russische Föderation, beide vertreten durch Rechtsanwälte Dr. Martin Dellasega und Dr. Max Kapferer, Schmerlingstraße 2/2, 6020 Innsbruck, gegen den jeweiligen Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 17.10.2018, Zl.en 46344502-180516685/BMI-EAST_WEST sowie 46344600-180516699685-EAST_WEST zu Recht:
A)
I. Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. und II. des angefochtenen Bescheids wird gemäß
§ 68 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, BGBl. Nr. 51/1991 idF BGBl. I Nr. 58/2018 (im Folgenden: AVG), als unbegründet abgewiesen.
II. Im Übrigen wird die Beschwerde gemäß § 57, § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 idF BGBl. I Nr. 56/2018 (im Folgenden: AsylG 2005), iVm § 9 BFA- Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012 idF BGBl. I Nr. 56/2018 (im Folgenden: BFA-VG), und § 52 Abs. 2 Z 2 Fremdenpolizeigesetz, BGBl. I Nr. 100/2005 idF BGBl. I Nr. 56/2018 (im Folgenden: FPG), sowie § 52 Abs. 9 iVm § 46 und § 55 Abs. 1a FPG als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Der Erst- und die Zweitbeschwerdeführerin sind Staatsangehörige der Russischen Föderation, gehören der kurdischen Volksgruppe an und sind jezidischen Glaubens. Sie reisten erstmalig am 22.11.2009 (Erstbeschwerdeführer) bzw. 03.01.2010 (Zweitbeschwerdeführerin) in das österreichische Bundesgebiet ein und stellten jeweils am selben Tag ihren ersten Antrag auf internationalen Schutz.
1.1a. In seiner Erstbefragung zu diesem Antrag führte der Erstbeschwerdeführer im Wesentlichen aus, nach Österreich gekommen zu sein, da er Jezide sei und diese keine Heimat hätten und überall nur wie Flüchtlinge behandelt würden. Die Kinder dürften keine Schulen besuchen. Jeziden seien rechtlos. Im Falle ihrer Rückkehr hätten sie aber nichts zu befürchten.
1.1b. In ihrer Erstbefragung zu diesem Antrag führte die Zweitbeschwerdeführerin im Wesentlichen aus, sie sei von ihrem Wohnort in der Rjussischen Föderation mit dem Bus ausgereist. Der ehemalige Chef ihres Mannes habe die Reise organisiert. Die Zweitbeschwerdeführerin habe ihren Herkunftsstaat verlassen, da die aserbaidschanische und die russische Armee "unsere Männer" getötet und die Häuser bombardiert habe. Die aserbaidschanische und russische Armee hätten ihren Mann gefoltert und geschlagen und ihm ein Bein gebrochen. Sie seien dann zum Bauernhof des " XXXX " geflüchtet, wo sie Zuflucht gefunden haben. Im Falle ihrer Rückkehr befürchte sie geschlagen und gefoltert zu werden. Sie haben auch keine Identitätsdokumente. Als Kurden gehören sie weder zu Russland noch zu Aserbaidschan.
1.2a. Nach Zulassung des Verfahrens wurde der Erstbeschwerdeführer am 31.03.2010 vom Bundesasylamt, Außenstelle Innsbruck, im Beisein eines geeigneten Dolmetschers für die kurdische Sprache vom zur Entscheidung berufenen Organwalter niederschriftlich einvernommen und gab dabei Folgendes an: Er habe keine psychischen Probleme, sei aber zuckerkrank und habe bisher drei Herzinfarkte gehabt. Er sei bei einem Herzspezialisten in Behandlung, den er konsultiere, wenn es ihm schlecht gehe. Zurzeit bekomme er Insulinspritzen und zwei unterschiedliche Tabletten gegen Herzbeschwerden und wegen Diabetes. Zu seinem Hausarzt gehe er wöchentlich. Der Erstbeschwerdeführer legte ein Konvolut an ärztlichen Unterlagen vor. Nachgefragt gab er an, dass er bereits in der Russischen Föderation in ärztlicher Behandlung gewesen sei. Es sei so ähnlich wie in Österreich gewesen. Er habe Medikamente erhalten und sei zum Arzt gegangen, wenn er Beschwerden gehabt habe.
Zu seinen Lebensumständen befragt, führte der Erstbeschwerdeführer aus, er sei Kurde und Jezide. Er sei im Jahr 1990 gemeinsam mit seiner Ehefrau (Zweitbeschwerdeführerin) von seinem Heimatort im heutigen Armenien nach Russland gezogen. Dort habe er bis zu seiner Ausreise für einen Amerikaner namens XXXX , der eine Firma gehabt und mit Milch und Käse gehandelt habe, gearbeitet. Im September 2009 habe XXXX die Firma geschlossen und gemeint, er würde den Beschwerdeführer und seine Frau zum Dank für ihre Arbeit nach Europa schicken. Er habe auch die Ausreise des Beschwerdeführers organisiert.
Zu seinen Fluchtgründen befragt gab der Erstbeschwerdeführer an, die armenische Regierung habe gewollt, dass er im Krieg der armenischen Seite helfe. Er habe aber nicht am Krieg teilgenommen und würde daher bei einer Rückkehr vor Gericht kommen. Sonst habe er keine Probleme. Er sei in seiner Heimat von staatlicher Seite nicht wegen seiner Religion verfolgt worden. Es habe im Dorf XXXX aber einen Notar namens XXXX gegeben, der vom Beschwerdeführer verlangt habe, die Religion zu wechseln und sich nicht als Jezide zu bezeichnen. Sonst habe er aber nichts gemacht. Als der Erstbeschwerdeführer 1990 nach Russland geflüchtet sei, hätten er und seine Frau bei einem Notar im Dorf XXXX ihre Dokumente abgeben müssen und es sei ihnen versprochen worden als Ersatz russische Dokumente zu erhalten. Sie hätten aber weder ihre Dokumente noch russische Dokumente bekommen. Er sei gelegentlich von der Polizei kontrolliert und manchmal auch bestraft und verhaftet worden.
Der Erstbeschwerdeführer gab weiters an, er sei armenischer Staatsbürger. Er habe im Alter von 18 Jahre einen armenischen Reisepass erhalten. Konkret befragt, warum er geflüchtet sei, gab der Erstbeschwerdeführer zu Protokoll, es gebe zwei Fluchtgründe. Erstens habe er in Armenien nicht am Krieg teilnehmen wollen und sei deshalb nach Russland gezogen bzw. geflüchtet. Wenn er nach Armenien zurückkehre, werde er umgebracht oder komme ins Gefängnis. Alle Personen, die nicht am Krieg teilgenommen hätten, würden bestraft. Das sehe man jeden Tag im Fernsehen. Zweitens habe er in Russland keine Dokumente erhalten. Deshalb hätten die Polizei und auch der Notar des Dorfes verlangt, das Land zu verlassen. Am 10.09.2009 seien Nazis bzw. Rechtsradikale zum Erstbeschwerdeführer gekommen und hätten seine Personaldokumente verlangt, ansonsten müsse er das Land verlassen. Er sei von diesen Leuten auch geschlagen worden und man habe ihm den Fuß gebrochen. Der Beschwerdeführer habe diesen Männern auch Geld geben müssen. Diese Leute hätten sich mit einem roten Ausweis mit einem Kreuz ausgewiesen und gesagt, sie seien eine Behörde der russischen Regierung und würden mit der Polizei zusammenarbeiten. Der Erstbeschwerdeführer sei von diesen Leuten oft geschlagen worden. Zwei Mal seien sie zu ihm nach Hause gekommen. Er sei aber auch immer wieder auf der Straße geschlagen worden. Nachgefragt gab der Beschwerdeführer an, dass die Probleme mit den Nazis bereits im Jahr 1990 begonnen hätten.
1.2b. Nach Zulassung des Verfahrens wurde die Zweitbeschwerdeführerin am 31.03.2010 vom Bundesasylamt, Außenstelle Innsbruck, im Beisein eines geeigneten Dolmetschers für die kurdische Sprache vom zur Entscheidung berufenen Organwalter niederschriftlich einvernommen und gab dabei Folgendes an: Sie habe keine psychischen Probleme. Sie sei aber seit drei Monaten in ärztlicher Behandlung, da sie geschwollene Beine habe. Seither nehme sie Tabletten und eine Salbe. Sie habe auch Nierenschmerzen, da die Blutanalyse aber in Ordnung gewesen sei, bekomme sie keine Medikamente.
Zu ihren Lebensumständen befragt führte die Zweitbeschwerdeführerin aus, sie sei Kurdin und Jezidin. Sie sei im Jahr 1990 gemeinsam mit ihrem Ehemann, mit dem sie nicht standesamtlich verheiratet sei, von ihrem Heimatort im heutigen Armenien nach Russland gezogen. Dort habe sie bis zu ihrer Ausreise für einen Amerikaner namens XXXX , der eine Firma gehabt und mit Milch und Käse gehandelt habe, gearbeitet. Am 19.11.2009 habe sie sich entschlossen die Heimat zu verlassen. Ihr Chef sei in seine Heimat Amerika gereist. Er habe gemeint, sie würden ein besseres Leben in Europa haben. Der Mann der Zweitbeschwerdeführerin habe dann gesagt, dass sie ausreisen würden.
Zu ihren Fluchtgründen befragt gab die Zweitbeschwerdeführerin an, sie suche um Asyl an, da sie weder in Russland noch in Armenien einen Platz zum Leben hätten und keine Dokumente hätten. Sie hätten sich einen besseren Platz zum Leben gewünscht. Da ihr Chef in seine Heimat gegangen sei, hätten sie keinen Chef mehr gehabt, der sich um sie kümmere. Sie hätten ihm leid getan und er sei der Meinung gewesen, dass sie in Europa um Asyl ansuchen könnten, da sie in Russland keine Dokumente besitzen würden. Das sei alles. Sie habe alles erzählt. Nachgefragt gab die Zweitbeschwerdeführerin an, sie sei armenische Staatsbürgerin und habe einen armenischen Reisepass besessen. Diesen habe sie, als sie nach Russland gekommen sei, abgegeben müssen, um einen russischen Pass zu erhalten. Einen solchen habe sie aber nie bekommen. Ihr Ehemann sei jeden Tag von der Polizei angehalten und nach Dokumenten gefragt worden. Er sei geschlagen und festgenommen worden. Sein Chef habe sich dann darum gekümmert, dass er freigelassen werde. Ihr Mann sei viele Male, vielleicht 500 Mal von russischen Polizisten angehalten worden. Der Ehemann der Zweitbeschwerdeführerin habe auch immer wieder versucht Dokumente zu bekommen. Die Zweitvbeschwerdeführerin sei auch einmal von der russischen Polizei verfolgt worden. Sie sei schnell nach Hause gelaufen und habe sich dabei den rechten Zeigefinger in der Tür eingeklemmt und einen Teil des Fingers verloren. Sie selbst sei von der russischen Polizei aber nicht festgenommen oder geschlagen worden. Die russische Polizei habe aber ihrem Ehemann das Bein gebrochen. Nach Armenien hätten sie auch nicht zurückgehen können, da sie umgebracht worden wären. Armenische Polizisten hätten dies ihrem Ehemann bei der Ausreise gesagt.
1.3a. Der Erstbeschwerdeführer wurde am 29.07.2010 erneut vom Bundesasylamt, Außenstelle Innsbruck, im Beisein eines geeigneten Dolmetschers für die russische Sprache vom zur Entscheidung berufenen Organwalter niederschriftlich einvernommen und gab an, er habe keine physischen oder psychischen Probleme und sei in der Lage die Vernehmung durchzuführen. Er habe Diabetes, müsse jeden Tag Insulin spritzen und bekomme Herztabletten, sonst gehe es ihm aber gut. Er halte seine bisher getätigten Angaben aufrecht. Dem Beschwerdeführer wurden Auszüge aus dem Staatsbürgerschaftsgesetz der Russischen Föderation zu Kenntnis gebracht, wonach alle Staatsbürger der ehemaligen UdSSR, die am Tag des Inkrafttretens des Staatsbürgerschaftsgesetzes am 28.11.1991 ständig auf dem Territorium der Russischen Föderation gelebt haben - sofern sie sich nicht innerhalb eines Jahres dagegen aussprechen - die russische Staatsbürgerschaft per Gesetz erhalten. Der Beschwerdeführer entgegnete darauf, sie seien keine russischen Staatsbürger. Sie seien Flüchtlinge in der Russischen Föderation. Man habe ihnen die Staatsbürgerschaft verweigert. Der Beschwerdeführer habe zwar die russische Staatsbürgerschaft beantragt, die Behörden hätten allerdings seine armenischen Dokumente von Berg Karabakh verloren bzw. nicht mehr zurückgegeben. Der Erstbeschwerdeführer hätte daher keine Dokumente mehr und könne auch nicht um die russische Staatsbürgerschaft ansuchen. Dem Erstbeschwerdeführer wurden Feststellungen zur Lage in der Russischen Föderation zur Kenntnis gebracht.
1.3b. Die Zweitbeschwerdeführerin wurde am 29.07.2010 erneut vom Bundesasylamt, Außenstelle Innsbruck, im Beisein eines geeigneten Dolmetschers für die kurdische Sprache vom zur Entscheidung berufenen Organwalter niederschriftlich einvernommen und gab an, sie habe keine physischen oder psychischen Probleme und sei in der Lage die Vernehmung durchzuführen. Sie habe derzeit Rückenschmerzen, sei deshalb in Behandlung und bekomme Massagen. Diesbezüglich legte die Zweitbeschwerdeführerin einen Therapieplan der Tiroler Gebietskrankenkasse vor. Die Zweitbeschwerdeführerin nehme derzeit auch zwei verschiedene Tabletten wegen ihrer Fußschmerzen. Sie halte ihre bisher getätigten Angaben aufrecht. Der Zweitbeschwerdeführerin wurden Auszüge aus dem Staatsbürgerschaftsgesetz der Russischen Föderation zu Kenntnis gebracht, wonach alle Staatsbürger der ehemaligen UdSSR, die am Tag des Inkrafttretens des Staatsbürgerschaftsgesetzes am 28.11.1991 ständig auf dem Territorium der Russischen Föderation gelebt haben - sofern sie sich nicht innerhalb eines Jahres dagegen aussprechen - die russische Staatsbürgerschaft per Gesetz erhalten. Die Zweitbeschwerdeführerin entgegnete darauf, sie hätten von den russischen Behörden keine Dokumente erhalten, obwohl sie jahrelang dort gelebt hätten. Die Zweitbeschwerdeführerin führte weiters aus, sie sei nicht in Russland sondern in Berg Karabakh geboren. Erst nach dem Krieg seien sie nach Russland gezogen. Sie seien daher keine russischen Staatsangehörigen.
1.4a. Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 18.08.2010, Fz. 09 14.564-BAI, wurde der Antrag des Erstbeschwerdeführers auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005, idgF, abgewiesen (Spruchpunkt I.) und der Antrag bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Russische Föderation gemäß § 8 Abs. 1 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt II.). Gemäß § 10 Abs. 1 AsylG wurde der Erstbeschwerdeführer aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Russische Föderation ausgewiesen (Spruchpunkt III.). Die belangte Behörde stellte die Nationalität und Volksgruppenzugehörigkeit des Erstbeschwerdeführers fest und traf umfangreiche Länderfeststellungen zur Lage im Herkunftsstaat des Erstbeschwerdeführers. Die Identität und dass der Erstbeschwerdeführer verheiratet sei, könne mangels Vorlage von Dokumenten nicht festgestellt werden. Beweiswürdigend führte das Bundesasylamt betreffend die Person des Erstbeschwerdeführers zusammengefasst aus, er habe zwar angegeben armenischer Staatsbürger zu sein, habe dies jedoch mit keinem Personaldokument oder anderen tauglichen Beweisen belegen können. Die belangte Behörde komme nach Einsicht in das russische Staatsbürgerschaftsgesetz sowie amtswegige Recherchen zu dem Schluss, dass der Erstbeschwerdeführer Staatsbürger der Russischen Föderation sei. Es sei nicht glaubwürdig, dass der Erstbeschwerdeführer im Alter von 18 Jahren, also im Jahr 1978, einen armenischen Reisepass erhalten habe, zumal Armenien erst im Jahr 1991 und somit nach Ausreise des Beschwerdeführers in die Russische Föderation seine Unabhängigkeit erklärt habe. Es sei weiters nicht nachvollziehbar, dass der Erstbeschwerdeführer weder die russische Staatsbürgerschaft noch russische Personaldokumente erhalten habe und sei es auch nicht nachvollziehbar, dass er über 19 Jahre in der Russischen Föderation gelebt und sich lediglich drei Mal an die Behörden gewandt habe um die Staatsbürgerschaft zu erhalten. Hinsichtlich des Fluchtvorbringens führte das Bundesasylamt beweiswürdigend aus, dass sich in nicht unwesentlichen Punkten Widersprüche bzw. Unplausibilitäten ergeben hätten. So habe der Erstbeschwerdeführer in der Erstbefragung angegeben, geflüchtet zu sein, weil Jeziden keine Heimat hätten und überall nur wie Flüchtlinge behandelt würden. Im Falle seiner Rückkehr habe er aber nichts zu befürchten. Dagegen habe er in der Einvernahme vor dem Bundesasylamt ausgeführt, wegen des Krieges von Armenien nach Russland geflüchtet zu sein und dort von der russischen Polizei und "Nazis" bedroht worden zu sein. Außerdem habe der Erstbeschwerdeführer angegeben, sein Chef habe die Firma geschlossen und habe den Erstbeschwerdeführer zum Dank für seine Arbeit nach Europa geschickt. Der Erstbeschwerdeführer habe körperliche Übergriffe durch "Nazis" auch erst auf mehrmalige Nachfrage erwähnt. Grundsätzlich sei der Erstbeschwerdeführer auch konkrete und detaillierte Angaben schuldig geblieben und habe die Ereignisse derart unbeeindruckt geschildert, als habe er sie gar nicht erlebt. Hinzu komme, dass es Widersprüche zwischen den Aussagen des Erstbeschwerdeführers und seiner Ehefrau bzw. Lebensgefährtin (Zweitbeschwerdeführerin) gebe. Der wohl gravierendste Hinweis auf die Unglaubwürdigkeit des Vorbringens sei aber, dass der Erstbeschwerdeführer bei der Erstbefragung auf die Frage, was er bei seiner Rückkehr in seine Heimat zu befürchten habe, mit "nichts" geantwortet habe. Auch die Angaben zum Fluchtgrund in Bezug auf Armenien seien nicht glaubwürdig, da das Vorbringen äußerst vage und pauschal gehalten sei. Insgesamt gelange die Behörde demnach zum Schluss, dass dem vom Beschwerdeführer behaupteten Sachverhalt kein Glauben geschenkt werde. Da auch keinerlei Abschiebungshindernisse festgestellt worden seien, sei die Abschiebung in die Russische Föderation für zulässig zu erklären und der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuzuerkennen. Die Ausweisung des Beschwerdeführers stelle auch keinen unzulässigen Eingriff in sein Recht auf Privat- und Familienleben dar.
1.4b. Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 18.08.2010, Fz. 10 00.023-BAI, wurde der Antrag auf internationalen Schutz der Zweitbeschwerdeführerin bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005, idgF, abgewiesen (Spruchpunkt I.) und der Antrag bezüglich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Russische Föderation gemäß § 8 Abs. 1 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt II.). Gemäß § 10 Abs. 1 AsylG wurde die Beschwerdeführerin aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Russische Föderation ausgewiesen (Spruchpunkt III.). Die belangte Behörde stellte die Nationalität und Volksgruppenzugehörigkeit der Zweitbeschwerdeführerin fest und traf umfangreiche Länderfeststellungen zur Lage im Herkunftsstaat der Zweitbeschwerdeführerin. Die Identität und dass die Zweitbeschwerdeführerin verheiratet sei, könne mangels Vorlage von Dokumenten nicht festgestellt werden. Beweiswürdigend führte das Bundesasylamt betreffend die Person der Zweitbeschwerdeführerin zusammengefasst aus, sie habe zwar angegeben armenische Staatsbürgerin zu sein, habe dies jedoch mit keinem Personaldokument oder anderen tauglichen Beweisen belegen können. Die belangte Behörde komme nach Einsicht in das russische Staatsbürgerschaftsgesetz sowie amtswegige Recherchen zu dem Schluss, dass die Zweitbeschwerdeführerin Staatsbürgerin der Russischen Föderation sei. Es sei nicht glaubwürdig, dass die Zweitbeschwerdeführerin einen armenischen Reisepass erhalten habe, zumal Armenien erst im Jahr 1991 und somit nach Ausreise der Zweitbeschwerdeführerin in die Russische Föderation seine Unabhängigkeit erklärt habe. Es sei weiters nicht nachvollziehbar, dass die Zweitbeschwerdeführerin weder die russische Staatsbürgerschaft noch russische Personaldokumente erhalten habe und sei es auch nicht nachvollziehbar, dass sie über 19 Jahre in der Russischen Föderation gelebt und sich lediglich drei Mal an die Behörden gewandt habe um die Staatsbürgerschaft zu erhalten. Hinsichtlich des Fluchtvorbringens führte das Bundesasylamt beweiswürdigend aus, dass sich in nicht unwesentlichen Punkten Widersprüche bzw. Unplausibilitäten ergeben hätten. So habe die Zweitbeschwerdeführerin unterschiedliche Angaben gemacht, ob ihr Ehemann Verletzungen erlitten habe und wer ihren Ehemann geschlagen und gefoltert und ihm das Bein gebrochen habe. Es gebe auch Widersprüche zwischen der Aussage der Zweitbeschwerdeführerin und ihres Lebensgefährten, zum Beispiel zur Frage, wer ihre Ausreise finanziert habe und wie oft es zu Anhaltungen seitens der Polizei gekommen sei. Die Zweitbeschwerdeführerin habe auch absolut unglaubwürdige Angaben zum Verlust ihres Zeigefingers gemacht, die jeglicher Lebenserfahrung widersprechen. Der wohl gravierendste Hinweis auf die Unglaubwürdigkeit des Vorbringens sei aber, dass der Lebensgefährte der Zweitbeschwerdeführerin bei der Erstbefragung auf die Frage, was er bei seiner Rückkehr in seine Heimat zu befürchten habe, mit "nichts" geantwortet habe. Auch die Angaben zum Fluchtgrund in Bezug auf Armenien seien nicht glaubwürdig, da das Vorbringen äußerst vage und pauschal gehalten sei. Insgesamt gelange die Behörde demnach zum Schluss, dass dem von der Zweitbeschwerdeführerin behaupteten Sachverhalt kein Glauben geschenkt werde. Da auch keinerlei Abschiebungshindernisse festgestellt worden seien, sei die Abschiebung in die Russische Föderation für zulässig zu erklären und der Status der subsidiär Schutzberechtigten nicht zuzuerkennen. Die Ausweisung der Zweitbeschwerdeführerin stelle auch keinen unzulässigen Eingriff in ihr Recht auf Privat- und Familienleben dar.
1.5. Gegen diese beiden Bescheide erhoben der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin jeweils das Rechtsmittel der Beschwerde, die der (damalige) Asylgerichtshof mit jeweiligem Erkenntnis vom 10.01.2012, Zl.en D12 415166-1/2010/2E bzw. D12 415167-1/2010/2E, vollinhaltlich als unbegründet abwies. Die Erkenntnisse erwuchsen mit 20.01.2012 in Rechtskraft.
Bereits mit 27.06.2011 mussten beide Beschwerdeführer von der Meldeadresse aufgrund unbekannten Aufenthaltes abgemeldet werden.
2. Sowohl der Erstbeschwerdeführer als auch die Zweitbeschwerdeführerin stellten am 04.06.2018 beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl einen Folgeantrag auf internationalen Schutz, dieses Mal unter dem Familiennamen " XXXX ".
2.1. Der Erstbeschwerdeführer gab im Zuge der Folgeantragstellung an, er habe nach der Erstantragsstellung in Österreich bereits im Jahr 2010 das Bundesgebiet wieder verlassen und habe von 2010 bis 2016 in Armenien und von 2016 bis 2018 in der Russischen Föderation gelebt.
Seit der ersten Antragstellung habe sich nichts geändert, die Mafia in Armenien habe ihn und seine Frau bedroht. Er glaube, dass ihn die Mafia umbringen werde. Die Mafia in Armenien habe ihn schon mehrmals krankenhausreif geschlagen, er habe deswegen in eine Klinik müssen. Er werde von der Mafia aufgrund seiner kurdischen Volksgruppenzugehörigkeit verfolgt.
Er habe nach der Erstantragsstellung in Österreich bereits im Jahr 2010 das Bundesgebiet wieder verlassen und habe von 2010 bis 2016 in Armenien und von 2016 bis 2018 in der Russischen Föderation gelebt.
Die Zweitbeschwerdeführerin gab an, dass sie und ihr Mann von der Mafia verfolgt worden seien. Ihr Mann wisse das besser, sie könne das nicht so gut erklären.
2.2. Im Rahmen seiner niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 14.06.2018 gab der Erstbeschwerdeführer an, dass er an Diabetes leide und mehrere Herzinfarkte und einen Gehirnschlag hinter sich habe.
Er sei nach seinem Erstverfahren freiwillig in die Russische Föderation ausgereist, wo sein Sohn lebe. Er habe auch eine Tochter in Österreich, weiters einen Bruder und zwei Cousins. Er habe 2017 in Frankreich um Asyl angesucht, sei aber in Schubhaft genommen worden. Er habe dann bis zum 02.06.2018 in der Russischen Föderation gelebt.
Im Rahmen ihrer schriftlichen Einvernahme am 14.06.2018 gab die Zweitbeschwerdeführerin an, sie habe Medikamente gegen Magenbeschwerden und Schmerzen an der linken Schulter bekommen. Sie sei nach dem Erstverfahren in Österreich zu ihrem Sohn in die Russische Föderation gereist. Ihre Tochter lebe in Österreich. Am 02.06.2018 habe sie die Russische Föderation Richtung Österreich verlassen. Sie habe ihren Mann nicht nach Frankreich begleitet.
2.3. In einer weiteren niederschriftlichen Einvernahme gab der Erstbeschwerdeführer am 09.08.2018 zu Protokoll, er habe im Erstverfahren deswegen seine in Österreich lebende Tochter nicht erwähnt, weil er nicht gewusst habe, dass sie in Österreich lebe. Er führe seit einigen Jahren den Nachnamen " XXXX ", unter dem er den zweiten Antrag gestellt habe. Seine Familie führe zwei Nachnamen, sowohl XXXX , er habe sich mit seiner Familie entschieden, nun den zweiten Nachnamen zu führen.
Er stelle seinen zweiten Antrag, weil er seine Familie hier in Österreich habe, er sei zwar in Armenien geboren, habe dort aber Probleme. Auch würden die Armenier das Land verlassen, warum solle er dort bleiben.
Ab 2011 habe er sich nach seinem Erstverfahren wieder in der Russischen Föderation aufgehalten. Dort habe er bei einem Freund gearbeitet. Dann sei er mit seiner Frau nach Armenien gezogen, wo er noch Grund und Boden gehabt habe und Tierhaltung betrieben habe. Die Einheimischen hätten ihm aber vorgeworfen, während des Krieges geflohen zu sein, und hätten eine Mafia gegen ihn gegründet.
In Russland habe es Probleme aufgrund der Papiere gegeben.
Er könne mehrere Unterlagen vorlegen, unter anderem eine Krankenhausbestätigung, wonach seine Rippen gebrochen worden seien und er aus der Nase geblutet habe. Auch gebe es drei Messerverletzungen an den beiden Armen.
Auf Vorhalt, dass er von Gesetzes wegen (Russisches Staatsbürgerschaftsgesetz) die Russische Staatsbürgerschaft erhalten habe, dies sei bereits im Erstverfahren festgestellt worden, erwiderte der Erstbeschwerdeführer, das kenne er auch, sie hätten aber keine Identitätspapiere gehabt.
Auf Vorhalt, es beabsichtigt, den Antrag wegen entschiedener Sache zurückzuweisen, erwiderte der Erstbeschwerdeführer, er habe in Armenien große Probleme gehabt.
Am selben Tag wurde auch die Zweibeschwerdeführerin niederschriftlich einvernommen; dabei gab sie zu Protokoll, dass die im Erstverfahren ihre Tochter deswegen nicht genannt habe, weil sie gedacht habe, diese lebe in Australien.
Seit 2012 führe sie nunmehr den Familiennamen XXXX . Diesen Namen habe es in der Familie auch gegeben.
Sie stelle den zweiten Antrag, weil sie in Armenien, wo sie Tierhaltung betrieben hätten, Probleme hätten. Ihr Mann habe Gegner gehabt, die gegen die Tierhaltung gewesen seien. Er habe auch Kopfverletzungen davon getragen, er sei ins Koma gefallen.
Sie hätten keine Staatsbürgerschaft, sie seien in Armenien geboren, der BFA-Beamte könne ruhig schreiben, sie hätten die armenische Staatsbürgerschaft. Ihr Mann habe gesundheitliche Probleme, er sei in Armenien zwei Mal für drei bzw. für mehrere Tage im Spital gewesen. Einmal für drei Tage, da er ins Koma gefallen sei.
Ihre Tochter lebe in Österreich, das habe sie im ersten Verfahren nur deswegen nicht angeführt, weil sie gedacht habe, ihre Tochter lebe in Australien. Der Schwiegersohn sei nicht so gut, sodass sie den Kontakt abgebrochen hätten.
Auf Vorhalt der angedachten Zurückweisung des zweiten Antrages wegen entschiedener Sache stellte die Zweitbeschwerdeführerin die Frage, warum dies erfolge, sie hätten in der Russischen Föderation keine Anmeldung gehabt und nie registriert gewesen. Sie seien keine Russen.
2.4. Mit handschriftlichem Schreiben vom 01.10.2018 äußerten sich die beiden Beschwerdeführer auf das Wesentliche zusammengefasst dahingehend, dass sie in ihrem Heimatland Armenien Feinde hätten, Jesiden hätten kein eigenes Land und würden überall Flüchtlinge genannt werden. Sie seien nach Österreich zu ihrer Familie gekommen. Sie seien verspottet worden, die Polizei habe nicht geholfen. Man habe dem Erstbeschwerdeführer drei Mal auf den Kopf geschlagen, sodass er nunmehr an Schwindelattacken leide.
Sie kämen aus der Russischen Föderation und könnten dort nicht beten, da sie keine Religionsfreiheit hätten und keine Plätze zum Beten hätten. Christen, Muslime und die Regierung würden das nicht erlauben. Es gebe eine hohe Kriminalität, Frauen hätten keine Rechte. Andere Männer würden mit ihrer Familie aus diesen Gründen von dort weglaufen. Spitalsuntersuchungen würden Geld kosten, welches sie nicht hätten. Es gebe auch in Armenien Probleme.
Die Mafia beleidige die Zweitbeschwerdeführerin, weil sie ihren Mann unterstütze. Einmal sei er vor ihren Augen geschlagen worden, da sei er fast gestorben. Sie habe zu ihrem Mann gesagt, sie seien in Europa sicher und würden hier unterstützt werden.
2.5. Mit jeweiligem Bescheid vom 17.10.2018 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl die beiden Folgeanträge auf internationalen Schutz gemäß § 68 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, BGBl. I Nr. 51/1991 idF BGBl. I Nr. 161/2013, hinsichtlich des Status des bzw. der Asylberechtigten und des bzw. der subsidiär Schutzberechtigten wegen entschiedener Sache zurück (Spruchpunkte I. und II.). Gemäß § 57 AsylG 2005, Nr. 100/2005 idF BGBl. I Nr. 145/2017, wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt (Spruchpunkt III.) und gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG, BGBl. I Nr. 87/2012 idF BGBl. I Nr. 145/2017, gegen die beiden Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 idF BGBl. I Nr. 145/2017, erlassen (Spruchpunkt IV.). Gemäß § 52 Abs. 9 FPG stellte das Bundesamt fest, dass die Abschiebung der beiden Beschwerdeführer gemäß § 46 FPG in die Russische Föderation zulässig sei (Spruchpunkt V.); schließlich hielt die Behörde fest, dass gemäß § 55 Abs. 1a FPG keine Frist für die freiwillige Ausreise bestehe (Spruchpunkt VI.). Zudem wurde gem. § 53 Abs 1 iVm Abs 2 Z 6 FPG ein auf die Dauer von zwei Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VII.).
Die Zurückweisung des Antrags begründete das Bundesamt damit, dass entschiedene Sache im Sinne des § 68 AVG vorliege: Der erste Antrag der beiden Beschwerdeführer auf internationalen Schutz seien mit jeweiligem Erkenntnis des (damaligen) Asylgerichtshofes vom 10.01.2012 in allen Spruchpunkten rechtskräftig negativ abgewiesen worden. Schon zuvor seien die beiden Beschwerdeführer von der damaligen Meldeadresse abgemeldet worden (am 27.06.2011); ein (neuer) Aufenthaltsort habe damals nicht ermittelt werden können.
Im gegenständlichen Verfahren hätten die Beschwerdeführer keinen neuen objektiven Sachverhalt vorgetragen.
Das Vorbringen über eine Verfolgung in Armenien sei nicht relevant, da die Russische Föderation der Heimatstaat sei.
Der Gesundheitszustand sei nicht lebensbedrohlich.
Es könne nicht festgestellt werden, dass die in Österreich lebende XXXX tatsächlich die Tochter der beiden Beschwerdeführer sei. Es sei lebensfremd, dass die beiden Beschwerdeführer im ersten Verfahren nicht gewusst hätten, dass ihre Tochter in Österreich lebe.
Selbst wenn sie die Tochter wäre, so bestehe kein Kontakt, da dieser aufgrund des Schwiegersohnes abgebrochen worden sei. Es könne daher kein berücksichtigungswürdiges Familienleben festgestellt werden.
Den Beschwerdeführern sei es auch nicht im Folgeverfahren gelungen, glaubhaft zu machen, dass ihnen in ihrem Herkunftsstaat Verfolgung drohe; mangels Vorliegens eines neuen Vorbringens sei es auch zu keiner entscheidungsrelevanten bzw. zu berücksichtigenden Sachverhaltsänderung gekommen. Auch erreiche der Gesundheitszustand nicht jene von der Judikatur geforderte besonders schwere Beeinträchtigung. Darüber hinaus würden die Beschwerdeführer nicht die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 57 AsylG erfüllen. Es sei gegen die Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung auszusprechen, weil im Bundesgebiet keine familiären Anknüpfungspunkte vorlägen. Sie hätten während ihres gesamten Aufenthaltes über keinen Aufenthaltstitel verfügt und sich nur auf das Aufenthaltsrecht nach dem Asylverfahren berufen. Die Beschwerdeführer seien bereits am 27.06.2011 aus Österreich ausgereist und hätten sich bis zur Wiedereinreise nicht in Österreich aufgehalten. Die öffentlichen Interessen an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung überwögen daher die privaten Interessen der Beschwerdeführer an einem Verbleib in Österreich.
Die Beschwerdeführer seien bereits im Erstverfahren untergetaucht und seien offensichtlich nicht bereit, die österreichische Rechtsordnung zu achten und zu beachten. In einer Gesamtbeurteilung sei die Erlassung eines Einreiseverbotes im Ausmaß von zwei Jahren gerechtfertigt.
2.6. Beide Beschwerdeführer erhoben gegen sämtliche Spruchpunkte des Bescheids im Wege ihrer rechtsfreundlichen Vertretung fristgerecht Beschwerde. In dieser führen sie aus, dass die Feststellung der russischen Staatsbürgerschaft unrichtig sei, die Beschwerdeführer hätten am relevanten Stichtag (28.11.1991) in Armenien gelebt, nicht auf dem Gebiet der heutigen Russischen Föderation. Der Erstbeschwerdeführer habe zwischen 1991 und 1994 in der aserbaidschanischen Armee im Krieg um Berg Karabach gedient. Die Beschwerdeführer hätten ohne Propiska in Armenien gelebt, es komme ihnen daher (auch) keine armenische Staatsbürgerschaft zu. Die Beschwerdeführer seien daher staatenlos.
Weiter hätten beide Beschwerdeführer übereinstimmend angegeben, dass ihre Tochter in Österreich mit der Familie lebe. Diese hätte als Zeugin einvernommen werden müssen und hätte das Verwandtschaftsverhältnis bestätigt. Auch hätte sie sich zur Vornahme eines DNA-Tests bereit erklärt. Aufgrund des Verwandtschaftsverhältnisses hätte keine Rückkehrentscheidung und kein Einreiseverbot erlassen werden dürfen.
Im Lichte der EuGH-Judikatur sei der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
2.7. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl legte den Verfahrensakt samt den Beschwerdeschriftsätzen dem Bundesverwaltungsgericht am 17.08.2018 vor.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Auf Grundlage der Anträge auf internationalen Schutz, der Einvernahmen der beiden Beschwerdeführer vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes und des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl, der bislang ergangenen Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, der Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid vom 31.07.2018, der im Verfahren vorgelegten Dokumente, der Einsichtnahme in die bezughabenden Verwaltungsakten sowie der Einsichtnahme in das Zentrale Melderegister, Strafregister, Fremden- und Grundversorgungs-Informationssystem werden folgende Feststellungen getroffen und der Entscheidung zugrunde gelegt:
1.1. Betreffend den bisherigen Verfahrensverlauf wird der unter Pkt. I. dargelegte Verfahrensgang festgestellt.
1.2. Zur Person und zu den Fluchtgründen der beiden Beschwerdeführer:
Die Identität der beiden Beschwerdeführer kann nicht festgestellt werden. Sie sind Staatsangehörige der Russischen Föderation, Angehörige der kurdischen Volksgruppe und jezidischen Glaubens.
Die beiden Beschwerdeführer sind miteinander verheiratet und lebten am 28.11.1991 auf dem Gebiet der heutigen Russischen Föderation.
Am 22.11.2009 stellten der Erstbeschwerdeführer, am 03.01.2010 die Zweitbeschwerdeführerin einen ersten Antrag auf Internationalen Schutz.
Noch während des Erstverfahrens verließen sie im Verlauf des Jahres 2010 das österreichische Bundesgebiet und lebten zwischen 2010 und 2016 in Armenien und zwischen 2016 und 2018 in der Russischen Föderation.
Die Beschwerdeführer halten sich seit der Stellung des Folgeantrages im Juni 2018 durchgehend im Bundesgebiet auf.
Der Erstbeschwerdeführer leidet unter Diabetes, unter Schwindelanfällen und hat drei Herzinfarkte und einen Gehirnschlag hinter sich. Die Herzinfarkte datieren in die Zeit vor dem Jahr 2010, der Gehirnschlag datiert in das Jahr 2016; es erfolgte jeweils eine Behandlung in der Russischen Föderation (Krankenhausaufenthalte, Medikamente). Der derzeitige Gesundheitszustand ist nicht lebensbedrohlich eingeschränkt.
Die Zweitbeschwerdeführerin nimmt Medikamente gegen Magenbeschwerden und Schmerzen in der linken Schulter. Der derzeitige Gesundheitszustand ist nicht lebensbedrohlich eingeschränkt.
Die Beschwerdeführer sind unbescholten, es liegt jedoch keine nachhaltige Integration vor. In Österreich lebt eine Tochter der beiden Beschwerdeführer, zu dieser besteht jedoch kaum Kontakt. Während des ersten Aufenthaltes in Österreich (2009/2010) bestand überhaupt kein Kontakt zwischen den beiden Beschwerdeführern und ihrer Tochter.
Weiters leben ein Bruder und zwei Cousins des Erstbeschwerdeführers in Österreich. Auch zu diesen Personen und ihren Familien besteht kein intensiver Kontakt.
1.3 Die allgemeine Situation im Herkunftsstaat der Beschwerdeführer hat sich in Bezug auf die bereits im ersten Asylverfahren behandelten Aspekte nicht geändert. Es kann nicht festgestellt werden, dass die Beschwerdeführer im Falle ihrer Rückkehr in die Russische Föderation Drohungen oder Gewalthandlungen von staatlicher oder privater Seite zu erwarten hätten. Ebenso kann nicht festgestellt werden, dass sie in eine ihre Existenz bedrohende Notlage gerieten.
In diesem Zusammenhang wird betreffend die maßgebliche Situation in der Russischen Föderation festgestellt:
Politische Lage
Die Russische Föderation hat knapp 143 Millionen Einwohner (CIA 15.6.2017, vgl. GIZ 7.2017c). Die Russische Föderation ist eine föderale Republik mit präsidialem Regierungssystem. Am 12. Juni 1991 erklärte sie ihre staatliche Souveränität. Die Verfassung der Russischen Föderation wurde am 12. Dezember 1993 verabschiedet. Das russische Parlament besteht aus zwei Kammern, der Staatsduma (Volksvertretung) und dem Föderationsrat (Vertretung der Föderationssubjekte) (AA 3.2017a). Der Staatspräsident der Russischen Föderation verfügt über sehr weitreichende exekutive Vollmachten, insbesondere in der Außen- und Sicherheitspolitik. Seine Amtszeit beträgt sechs Jahre. Amtsinhaber ist seit dem 7. Mai 2012 Wladimir Putin (AA 3.2017a, vgl. EASO 3.2017). Er wurde am 4. März 2012 (mit offiziell 63,6% der Stimmen) gewählt. Es handelt sich um seine dritte Amtszeit als Staatspräsident. Dmitri Medwedjew, Staatspräsident 2008-2012, übernahm am 8. Mai 2012 erneut das Amt des Ministerpräsidenten. Seit der Wiederwahl von Staatspräsident Putin im Mai 2012 wird eine Zunahme autoritärer Tendenzen beklagt.
So wurden das Versammlungsrecht und die Gesetzgebung über Nichtregierungsorganisationen erheblich verschärft, ein föderales Gesetz gegen "Propaganda nicht-traditioneller sexueller Beziehungen" erlassen, die Extremismus-Gesetzgebung verschärft sowie Hürden für die Wahlteilnahme von Parteien und Kandidaten beschlossen, welche die Wahlchancen oppositioneller Kräfte weitgehend zunichtemachen. Der Druck auf Regimekritiker und Teilnehmer von Protestaktionen wächst, oft mit strafrechtlichen Konsequenzen. Der Mord am Oppositionspolitiker Boris Nemzow hat das Misstrauen zwischen Staatsmacht und außerparlamentarischer Opposition weiter verschärft (AA 3.2017a). Mittlerweile wurden alle fünf Angeklagten im Mordfall Nemzow schuldig gesprochen. Alle fünf stammen aus Tschetschenien. Der Oppositionelle Ilja Jaschin hat das Urteil als "gerecht" bezeichnet, jedoch sei der Fall nicht aufgeklärt, solange Organisatoren und Auftraggeber frei sind. Kreml-Sprecher Dmitri Peskow hat verlautbart, dass die Suche nach den Auftraggebern weiter gehen wird. Allerdings sind sich Staatsanwaltschaft und Nebenklage, die die Interessen der Nemzow-Familie vertreten, nicht einig, wen sie als potenziellen Hintermann weiter verfolgen. Die staatlichen Anklagevertreter sehen als Lenker der Tat Ruslan Muchutdinow, einen Offizier des Bataillons "Nord", der sich in die Vereinigten Arabischen Emirate abgesetzt haben soll. Nemzows Angehörige hingegen vermuten, dass die Spuren bis "zu den höchsten Amtsträgern in Tschetschenien und Russland" führen. Sie fordern die Befragung des Vizebataillonskommandeurs Ruslan Geremejew, der ein entfernter Verwandter von Tschetscheniens Oberhaupt Ramsan Kadyrow ist (Standard 29.6.2017). Ein Moskauer Gericht hat den Todesschützen von Nemzow zu 20 Jahren Straflager verurteilt. Vier Komplizen erhielten Haftstrafen zwischen 11 und 19 Jahren. Zudem belegte der Richter Juri Schitnikow die fünf Angeklagten aus dem russischen Nordkaukasus demnach mit Geldstrafen von jeweils 100.000 Rubel (knapp 1.500 Euro). Die Staatsanwaltschaft hatte für den Todesschützen lebenslange Haft beantragt, für die Mitangeklagten 17 bis 23 Jahre (Kurier 13.7.2017).
Russland ist formal eine Föderation, die aus 83 Föderationssubjekten besteht. Die im Zuge der völkerrechtswidrigen Annexion erfolgte Eingliederung der ukrainischen Krim und der Stadt Sewastopol als Föderationssubjekte Nr. 84 und 85 in den russischen Staatsverband ist international nicht anerkannt. Die Föderationssubjekte genießen unterschiedliche Autonomiegrade und werden unterschiedlich bezeichnet (Republiken, Autonome Gebiete, Autonome Kreise, Regionen, Gebiete, Föderale Städte). Die Föderationssubjekte verfügen jeweils über eine eigene Legislative und Exekutive. In der Praxis unterstehen die Regionen aber finanziell und politisch dem föderalen Zentrum (AA 3.2017a).
Die siebte Parlamentswahl in Russland hat am 18. September 2016 stattgefunden. Gewählt wurden die 450 Abgeordneten der russischen Duma. Insgesamt waren 14 Parteien angetreten, unter ihnen die oppositionellen Parteien Jabloko und Partei der Volksfreiheit (PARNAS). Die Wahlbeteiligung lag bei 47,8%. Die meisten Stimmen bei der Wahl, die auch auf der Halbinsel Krim abgehalten wurde, erhielt die von Ministerpräsident Dmitri Medwedew geführte Regierungspartei "Einiges Russland" mit gut 54%. Nach Angaben der Wahlkommission landete die Kommunistische Partei mit 13,5% auf Platz zwei, gefolgt von der nationalkonservativen LDPR mit 13,2%. Die nationalistische Partei "Gerechtes Russland" erhielt 6%. Diese vier Parteien waren auch bislang schon in der Duma vertreten und stimmten in allen wesentlichen Fragen mit der Mehrheit. Den außerparlamentarischen Oppositionsparteien gelang es nicht die Fünf-Prozent-Hürde zu überwinden. In der Duma verschiebt sich die Macht zugunsten der Regierungspartei "Einiges Russland". Die Partei erreicht im Parlament mit 343 Sitzen deutlich die Zweidrittelmehrheit, die ihr nun Verfassungsänderungen ermöglicht. Die russischen Wahlbeobachter von der NGO Golos berichteten auch in diesem Jahr über viele Verstöße gegen das Wahlrecht (GIZ 4.2017a, vgl. AA 3.2017a).
Das Verfahren am Wahltag selbst wurde offenbar korrekter durchgeführt als bei den Dumawahlen im Dezember 2011. Direkte Wahlfälschung wurde nur in Einzelfällen gemeldet, sieht man von Regionen wie Tatarstan oder Tschetschenien ab, in denen Wahlbetrug ohnehin erwartet wurde. Die Wahlbeteiligung von über 90% und die hohen Zustimmungsraten in diesen Regionen sind auch nicht geeignet, diesen Verdacht zu entkräften. Doch ist die korrekte Durchführung der Abstimmung nur ein Aspekt einer demokratischen Wahl. Ebenso relevant ist, dass alle Bewerber die gleichen Chancen bei der Zulassung zur Wahl und die gleichen Möglichkeiten haben, sich der Öffentlichkeit zu präsentieren. Der Einsatz der Administrationen hatte aber bereits im Vorfeld der Wahlen - bei der Bestellung der Wahlkommissionen, bei der Aufstellung und Registrierung der Kandidaten sowie in der Wahlkampagne - sichergestellt, dass sich kein unerwünschter Kandidat und keine missliebige Oppositionspartei durchsetzen konnte. Durch restriktives Vorgehen bei der Registrierung und durch Behinderung bei der Agitation wurden der nichtsystemischen Opposition von vornherein alle Chancen genommen. Dieses Vorgehen ist nicht neu, man hat derlei in Russland vielfach erprobt und zuletzt bei den Regionalwahlen 2014 und 2015 erfolgreich eingesetzt. Das Ergebnis der Dumawahl 2016 demonstriert also, dass die Zentrale in der Lage ist, politische Ziele mit Hilfe der regionalen und kommunalen Verwaltungen landesweit durchzusetzen. Insofern bestätigt das Wahlergebnis die Stabilität und Funktionsfähigkeit des Apparats und die Wirksamkeit der politischen Kontrolle. Dies ist eine der Voraussetzungen für die Erhaltung der politischen Stabilität (RA 7.10.2016).
Quellen:
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AA - Auswärtiges Amt (3.2017a): Russische Föderation - Innenpolitik,
http://www.auswaertiges-amt.de/sid_167537BE2E4C25B1A754139A317E2F27/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/RussischeFoederation/Innenpolitik_node.html, Zugriff 21.6.2017
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CIA - Central Intelligence Agency (15.6.2017): The World Factbook, https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/rs.html, Zugriff 21.6.2017
-
EASO - European Asylum Support Office (3.2017): COI-Report Russian Federation - State Actors of Protection, http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1489999668_easocoi-russia-state-actors-of-protection.pdf, Zugriff 21.6.2017
-
GIZ Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (4.2017a): Russland, Geschichte und Staat, https://www.liportal.de/russland/geschichte-staat/#c24819, Zugriff 21.6.2017
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GIZ Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (7.2017c): Russland, Gesellschaft, https://www.liportal.de/russland/gesellschaft/, Zugriff 11.7.2017
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Kurier.at (13.7.2017): Nemzow-Mord: 20 Jahre Straflager für Mörder,
https://kurier.at/politik/ausland/nemzow-mord-20-jahre-straflager-fuer-moerder/274.903.855, Zugriff 13.7.2017
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RA - Russland Analysen (7.10.2016): Nr. 322, Bewegung in der russischen Politik?,
http://www.laender-analysen.de/russland/pdf/RusslandAnalysen322.pdf, Zugriff 21.6.2017
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Standard (29.7.2017): Alle Angeklagten im Mordfall Nemzow schuldiggesprochen,
http://derstandard.at/2000060550142/Alle-Angeklagten-im-Mordfall-Nemzow-schuldig-gesprochen, Zugriff 30.6.2017
Sicherheitsbehörden
Das Innenministerium (MVD), der Föderale Sicherheitsdienst FSB und die Generalstaatsanwaltschaft sind auf allen Regierungsebenen für den Gesetzesvollzug zuständig. Der FSB ist mit Fragen der Sicherheit, Gegenspionage und der Terrorismusbekämpfung betraut, aber auch mit Verbrechens- und Korruptionsbekämpfung. Die nationale Polizei untersteht dem Innenministerium und ist in föderale, regionale und lokale Einheiten geteilt. Im April 2016 wurde die Föderale Nationalgarde gegründet. Diese neue Exekutivbehörde steht unter der Kontrolle des Präsidenten, der ihr Oberbefehlshaber ist. Ihre Aufgaben sind die Sicherung der Grenzen gemeinsam mit der Grenzwache, Administrierung von Waffenbesitz, Kampf gegen Terrorismus und organisierte Kriminalität, Schutz der Öffentlichen Sicherheit und Schutz von wichtigen staatlichen Einrichtungen. Weiters nimmt die Nationalgarde an der bewaffneten Verteidigung des Landes gemeinsam mit dem Verteidigungsministerium teil (US DOS 3.3.2017).
Nach dem Gesetz können Personen bis zu 48 Stunden ohne gerichtliche Zustimmung inhaftiert werden, wenn sie am Schauplatz eines Verbrechens verhaftet werden, vorausgesetzt es gibt Beweise oder Zeugen. Ansonsten ist ein Haftbefehl notwendig. Verhaftete müssen von der Polizei über ihre Rechte aufgeklärt werden und die Polizei muss die Gründe für die Festnahme dokumentieren. Der Verhaftete muss innerhalb von 24 Stunden einvernommen werden, davor hat er das Recht, für zwei Stunden einen Anwalt zu treffen. Im Allgemeinen werden die rechtlichen Einschränkungen betreffend Inhaftierungen eingehalten, mit Ausnahme des Nordkaukasus. Die Regierung verabsäumte es angemessene Schritte zu setzen, um die meisten Behördenvertreter, welche Missbräuche begingen, zu verfolgen oder zu bestrafen, wodurch ein Klima der Straffreiheit entstand. Die Rechtsstaatlichkeit ist besonders im Nordkaukasus mangelhaft, wo der Konflikt zwischen Regierungstruppen, Aufständischen, islamischen Militanten und Kriminellen zu zahlreichen Menschenrechtsverletzungen führt, einschließlich Morde, Folter, körperliche Misshandlung und politisch motivierte Entführungen. Die Regierung untersucht und verfolgt Missbräuche nicht adäquat, besonders wenn regionale Behörden involviert waren. Tschetschenische Sicherheitsbehörden unter direkter Kontrolle von Ramzan Kadyrow können mit Straffreiheit rechnen, sogar bei Drohungen gegen russische Sicherheitsbehörden, die versuchen in Tschetschenien tätig zu werden (US DOS 13.4.2016).
Nach überzeugenden Angaben von Menschenrechtsorganisationen werden insbesondere sozial Schwache und Obdachlose, Betrunkene, Ausländer und Personen "fremdländischen" Aussehens Opfer von Misshandlungen durch die Polizei und Untersuchungsbehörden. Nur ein geringer Teil der Täter wird disziplinarisch oder strafrechtlich verfolgt. Die im Februar 2011 in Kraft getretene Polizeireform hat bislang nicht zu spürbaren Verbesserungen in diesem Bereich geführt (AA 24.1.2017).
Die im Nordkaukasus agierenden Sicherheitskräfte sind in der Regel maskiert (BAMF 10.2013). Von russischer Seite werden die meisten Operationen im Nordkaukasus gegen Terroristen heute nicht mehr vom Militär, sondern von Einheiten des Innenministeriums und des Geheimdienstes durchgeführt. Diese sind zwar nicht weniger schwer bewaffnet, nur soll so der Eindruck eines Krieges vermieden werden (Zenith 10.2.2014). Der Großteil der Menschenrechtsverletzungen im Nordkaukasus wird Sicherheitskräften zugeschrieben. In Tschetschenien sind sowohl föderale russische als auch lokale tschetschenische Sicherheitskräfte tätig. Letztere werden bezeichnender Weise oft Kadyrowzy genannt, nicht zuletzt, da in der Praxis fast alle tschetschenischen Sicherheitskräfte unter der Kontrolle Ramsan Kadyrows stehen (Rüdisser 11.2012). Ramsan Kadyrows Macht gründet sich hauptsächlich auf die ihm loyalen Kadyrowzy. Diese wurden von Kadyrows Familie in der Kriegszeit gegründet und ihre Mitglieder bestehen hauptsächlich aus früheren Kämpfern der Rebellen (EASO 3.2017).
NGOs berichten, dass lokale Polizeibeamten manchmal nicht auf Anzeigen von Vergewaltigungen und häuslicher Gewalt reagieren, solange das Leben des Opfers nicht in Gefahr ist. Viele Frauen melden keine Vergewaltigungen oder andere Arten von Gewalt, besonders wenn sie von Ehepartner begangen wurden, aufgrund des sozialen Stigmas und dem Mangel an offizieller Unterstützung (US DOS 3.3.2017, vgl. EASO 3.2017).
Quellen:
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AA - Auswärtiges Amt (24.1.2017): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation