TE Vwgh Beschluss 1999/9/15 99/04/0148

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Veröffentlicht am 15.09.1999
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;

Norm

VwGG §34 Abs2;
VwGG §46 Abs1;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 99/04/0164

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte DDr. Jakusch und Dr. Stöberl als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Martschin, über den Antrag der Stadtgemeinde Groß-Enzersdorf, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in W, auf Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 45 VwGG und über den Antrag auf Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Behebung von Mängel, den Beschluss gefasst:

Spruch

1. Dem Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens über den zur hg. Zl. 99/04/0088 protokollierten Antrag auf Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Behebung von Mängeln der zu hg. Zl. 98/04/0219 protokollierten Beschwerde wird stattgegeben.

2. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Behebung von Mängeln der zur hg. Zl. 98/04/0219 protokollierten Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Die Antragstellerin erhob gegen den Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 18. Mai 1998, Zl. 63.220/55-VII/A/4/98, betreffend Erteilung einer Gewinnungsbewilligung nach dem Berggesetz (mitbeteiligte Partei: R in O, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in W) Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der die Beschwerde - nach Ablehnung deren Behandlung - dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat. Mit Verfügung des Verwaltungsgerichtshofes vom 30. November 1998, Zl. 98/04/0219, wurde der Beschwerdeführerin diese an den Verfassungsgerichtshof gerichtete Beschwerde mit der Aufforderung zurückgestellt, mehrere im Einzelnen bezeichnete Mängel zu beheben. Gleichzeitig wurde der Beschwerdeführerin aufgetragen, außer dem ergänzenden Schriftsatz eine weitere Ausfertigung der ursprünglichen Beschwerde für die mitbeteiligte Partei beizubringen.

Innerhalb der gesetzten Frist brachte die Beschwerdeführerin in einem gesonderten Schriftsatz eine umfangreiche "Ergänzung der Beschwerde vom 2. Juli 1998" beim Verwaltungsgerichtshof ein, ohne diesem Schriftsatz jedoch die ursprüngliche Beschwerde (auch nicht in der ursprünglich eingebrachten Anzahl) wieder anzuschließen.

Daraufhin wurde das Verfahren über die Beschwerde mit hg. Beschluss vom 3. März 1999, Zl. 98/04/0219-7, eingestellt.

Innerhalb der ihr offen stehenden Frist stellte die Antragstellerin den Antrag, ihr die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Behebung dieser Mängel zu bewilligen, der zur hg. Zl. 99/04/0088 protokolliert wurde. Zur Begründung dieses Antrages wurde im Wesentlichen vorgebracht, der Rechtsanwaltsanwärter des Vertreters der Beschwerdeführerin habe während dessen Urlaubes den Verbesserungsschriftsatz verfasst. Nach Rückkehr des Rechtsanwaltes habe der Rechtsanwaltsanwärter über dessen Anordnung verschiedene Korrekturen darin vorgenommen und den Schriftsatz dem Rechtsanwalt neuerlich zur Unterschrift vorgelegt. Dem Rechtsanwalt sei aufgefallen, dass zwar sämtliche auf der ersten Seite des Schriftsatzes erwähnten Beilagen und Ausfertigungen angefügt gewesen seien, nicht jedoch die im Verbesserungsauftrag des Verwaltungsgerichtshofes vom 30. November 1998 ausdrücklich angeforderte ursprüngliche Beschwerde. Daraufhin sei der Rechtsanwaltsanwärter aufgefordert worden, als letzte Änderung an dem Schriftsatz auch die ursprüngliche Beschwerde noch als Beilage auf der ersten Seite des Schriftsatzes zu vermerken. Er habe ihn gleichzeitig angewiesen, diese Beschwerde im Original und in den erforderlichen Ausfertigungen in der Unterschriftenmappe selbst gleich anzufügen, damit diese sicher mitgeschickt würden. Da an diesem Tag eine Reparatur am Computernetzwerk durchgeführt worden sei, habe die Korrektur nicht sofort durchgeführt werden können, weshalb der Rechtsanwaltsanwärter vorgeschlagen habe, dass er selbst, wie dies gelegentlich bei geringfügigen Ergänzungen auf Schriftsätzen geschehe, mit einem Tuschstift in Blockbuchstaben die fehlende Beilage auf der ersten Seite des Schriftsatzes sofort anfügen werde. Da der Rechtsanwalt an diesem Tag ab 14.30 Uhr durchgehend bis 17.30 Uhr Besprechungen in seiner Kanzlei gehabt habe und unmittelbar anschließend an diese Besprechungen einen Termin außer Haus vereinbart hatte und somit ein Wiederfunktionieren der Computeranlage nicht habe abwarten können, habe er auf Grund der Zusicherung seines äußerst gewissenhaften und verantwortungsvollen Rechtsanwaltsanwärters den Schriftsatz bereits unterfertigt, bevor die Anmerkung vom Rechtsanwaltsanwärter händisch dazugefügt worden war. Nach Ende seiner Besprechungen habe sich der Rechtsanwalt vergewissert, dass der Schriftsatz bereits vollständig kuvertiert im Postaufgabestapel der Kanzlei liege und es habe ihm der Rechtsanwaltsanwärter unter Hinweis auf das entsprechende Kuvert im "Postausgangskistchen" erklärt, es sei alles geschehen und er brauche sich keine Sorge machen. Tatsächlich habe der Rechtsanwaltsanwärter jedoch auf Grund einer Stresssituation abermals darauf vergessen, dass die Beilage von ihm nicht auftragsgemäß beigefügt worden sei. Bei dem Rechtsanwaltsanwärter handle es sich um eine äußerst verlässliche Kraft, der an diesem Tag aber einerseits durch den Mehranfall an Arbeit durch die Urlaubsrückkehr des Rechtsanwaltes und andererseits durch seine notwendige Mitwirkung an der Netzwerkumstellung zusätzlich belastet gewesen sei.

Mit diesem Antrag legte die Antragstellerin zwei Ausfertigungen der ursprünglich an den Verfassungsgerichtshof gerichteten Beschwerde vor.

Mit hg. Beschluss vom 2. Juni 1999, Zl. 99/04/0088, wurde der Antrag auf Wiedereinsetzung mit der Begründung abgewiesen, er komme nicht dem im § 46 Abs. 3 VwGG normierten Erfordernis nach, die versäumte Handlung gleichzeitig mit dem beim Verwaltungsgerichtshof zu stellenden Antrag nachzuholen, weil die Beschwerdeführerin, um dem an sie ergangenen Mängelbehebungsauftrag nachzukommen, insgesamt drei Ausfertigungen der an den Verfassungsgerichtshof gerichteten Beschwerde hätte vorlegen müssen.

Mit dem nun vorliegenden, zur hg. Zl. 99/04/0148 protokollierten Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 45 VwGG weist die Antragstellerin darauf hin, dass von den ursprünglich beim Verfassungsgerichtshof eingebrachten zwei Ausfertigungen der Beschwerde eine bereits vom Verfassungsgerichtshof an die belangte Behörde (Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten) zugestellt worden sei, weshalb mit dem Mängelbehebungsauftrag an die Beschwerdeführerin lediglich das Original der Verfassungsgerichtshofbeschwerde (einfach) an sie zurückgestellt worden sei. Sie habe daher dadurch, dass sie ihrem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zwei Ausfertigungen der Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof angeschlossen habe, den an sie ergangenen Auftrag zur Gänze erfüllt.

Mit diesem Vorbringen ist die Beschwerdeführerin im Recht. Da von den beim Verfassungsgerichtshof eingebrachten zwei Ausfertigungen der Beschwerde eine bereits an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten zugestellt worden war, wurde im Zuge der Abtretung der Beschwerde durch den Verfassungsgerichtshof dem Verwaltungsgerichtshof lediglich eine Ausfertigung dieser Beschwerde übermittelt, die der Beschwerdeführerin mit dem erwähnten Mängelbehebungsauftrag zurückgestellt wurde. Durch die Vorlage von insgesamt zwei Ausfertigungen dieser Beschwerde mit ihrem Antrag auf Widereinsetzung holte die Beschwerdeführerin somit die versäumte Prozesshandlung zur Gänze nach.

Dieser Sachverhalt erfüllt den Tatbestand des Wiederaufnahmsgrundes des § 45 Abs. 1 Z. 2 VwGG, weshalb dem entsprechenden Antrag stattzugeben war.

Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG ist, wenn eine Partei durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis - so dadurch, dass sie von einer Zustellung ohne ihr Verschulden keine Kenntnis erlangt hat - eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet, dieser Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

Ausgehend von dem im Wiedereinsetzungsantrag der Antragstellerin geschilderten und auf Grund der vorgelegten Urkunden dem Verwaltungsgerichtshof glaubwürdig erscheinenden Sachverhalt hat die mangelhafte Befolgung des Mängelbehebungsauftrages ihren Grund darin, dass der Vertreter der Beschwerdeführerin den entsprechenden Schriftsatz bereits unterfertigte, obwohl daran einerseits noch eine Korrektur vorzunehmen war und andererseits noch fehlende Beilagen anzuschließen waren. In dieser Vorgangsweise liegt ein Verschulden des Vertreters der Beschwerdeführerin, das vom Verwaltungsgerichtshof - abgesehen von der allgemeinen Bedenklichkeit einer "Blankounterschrift" - schon deshalb nicht als ein minderer Grad des Versehens im Sinne des § 46 Abs. 1 letzter Satz VwGG bewertet werden kann, weil auch dem Rechtsanwalt im damaligen Zeitpunkt die mehrfache Belastung seines ansonsten verlässlichen Rechtsanwaltsanwärters bewusst sein musste, der er mit umso gewissenhafterer Überwachung seiner Tätigkeit hätte begegnen müssen. In dieser im Antrag ausdrücklich hervorgehobenen besonderen Stresssituation hätte sich der Anwalt daher auch nicht auf die bloße Erklärung seines Rechtsanwaltsanwärters verlassen dürfen, er habe die ihm erteilten Aufträge auch erfüllt.

Mangels Vorliegens eines geeigneten Wiedereinsetzungsgrundes konnte dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Behebung von Mängeln in der zur hg. Zl. 98/04/0219 protokollierten Beschwerde nicht stattgegeben werden.

Wien, am 15. September 1999

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1999040148.X00

Im RIS seit

03.04.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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