TE Bvwg Beschluss 2018/11/15 I415 2201097-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 15.11.2018
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

15.11.2018

Norm

AsylG 2005 §12a Abs2
AsylG 2005 §22 Abs10
BFA-VG §22
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

I415 2201097-2/3E

BESCHLUSS

In dem amtswegig eingeleiteten Verfahren über die durch den mündlich verkündeten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (in weiterer Folge: BFA) vom 08.11.2018, Zl. XXXX, erfolgte Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes betreffend XXXX (alias XXXX alias XXXX) geb. XXXX (alias XXXX), StA. MAROKKO (alias LIBYEN), hat das Bundesverwaltungsgericht durch den Richter Mag. Hannes LÄSSER als Einzelrichter beschlossen:

A)

Die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes ist gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 iVm § 22 Abs. 10 AsylG 2005 sowie § 22 BFA-VG rechtmäßig.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang:

1. Der Fremde reiste unter Umgehung der Grenzkontrollen in das Bundesgebiet und stellte am 23.08.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz, den er wie folgt begründete:

"In unserem Land kann man nicht arbeiten, wenn man den Behörden kein Schutzgeld bezahlt. Ich mag die marokkanische Regierung und die Gesetze nicht. Die Behörden behandeln normale Menschen wie Tiere."

In der Einvernahme vor dem BFA führte er aus regelmäßigen Kontakt zu seinen Eltern und Geschwistern zu haben, Kinder habe er keine. Marokko habe er verlassen, weil es keine Möglichkeit zur Weiterbildung gegeben habe und man auch keine Arbeit finde. Auf die Frage, was der Fremde im Falle der Rückkehr in seine Heimat zu befürchten habe, gab dieser zur Antwort: "Ich habe keine Angst und ich habe auch keine Probleme in Marokko."

2. Mit Bescheid des BFA vom 04.10.2016 wurde der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Absatz 1 iVm § 2 Absatz 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) sowie bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Marokko gemäß § 8 Absatz 1 iVm § 2 Absatz 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde gemäß § 57 AsylG nicht erteilt. Gemäß § 10 Absatz 1 Ziffer 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz wurde eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Absatz 2 Ziffer 2 FPG 2005 erlassen und gemäß § 52 Absatz 9 Fremdenpolizeigesetz 2005 unter einem festgestellt, dass die Abschiebung nach Marokko gemäß § 46 FPG 2005 zulässig ist (Spruchpunkt III.). Gleichzeitig wurde einer Beschwerde gem. § 18 Absatz 1 Ziffer 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt IV).

Der Fremde ist in die Anonymität untergetaucht und war an der angegebenen Zustelladresse nicht mehr aufhältig. Er hat der Behörde keine Meldeadresse bekannt gegeben und sich dem Verfahren entzogen. Sein Verfahren erwuchs durch Hinterlegung im Akt mit 19.10.2016 in Rechtskraft I. Instanz.

3. Am 12.10.2016 trat Deutschland an Österreich heran, mit der Information, dass der Fremde sich zurzeit in Deutschland befinden würde, Österreich wäre zuständig. Mit Antwortschreiben vom 14.10.2016 wurde einer Überstellung des Fremden von Deutschland nach Österreich zugestimmt. Am 13.04.2017 traten die niederländischen Behörden an Österreich heran, mit der Information, dass der Fremde sich zurzeit in den Niederlanden befindet. Mit Antwortschreiben vom 20.04.2017 wurde einer Überstellung des Fremden von den Niederlanden nach Österreich zugestimmt. Am 21.06.2017 trat Luxemburg mit der Information an Österreich heran, dass der Fremde sich zurzeit in Luxemburg befinden würde. Mit Antwortschreiben vom 26.06.2017 wurde einer Überstellung des Fremden von Luxemburg nach Österreich zugestimmt. Jegliche Überstellungen des Fremden mussten bis dato von den Mitgliedstaaten storniert bzw. ausgesetzt werden, mit der Begründung, dass sich der Fremde den Verfahren entzogen habe und in die Anonymität untergetaucht sei.

4. Am 27.03.2018 traten die französischen Behörden an Österreich heran, mit der Information, dass sich der Fremde zurzeit in Frankreich befinden würde. Mit Antwortschreiben vom 29.03.2018 wurde einer Überstellung seiner Person von Frankreich nach Österreich zugestimmt. Eine Überstellung am 18.04.2018 wurde storniert. Am 03.05.2018 konnte der Fremde schließlich erfolgreich von Frankreich nach Österreich überstellt werden.

5. Am selben Tag stellte der Fremde aus dem Stande der Schubhaft einen (Folge-)Antrag auf internationalen Schutz, den er wie folgt begründete: "Ich habe keine neuen Gründe. Ich habe in Marokko Probleme. Ich war beim Militär, und bin dann aber davongelaufen."

Mit Bescheid vom 09.07.2018 wies die belangte Behörde den Antrag des Fremden auf internationalen Schutz vom 03.05.2018 hinsichtlich des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II.) gemäß § 68 Absatz 1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG) wegen entschiedener Sache zurück. Dem Fremden wurde "ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005" nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Ziffer 3 AsylG iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Absatz 2 Z 2 Fremdenpolizeigesetz 2005 erlassen (Spruchpunkt IV.). Es wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Marokko zulässig ist (Spruchpunkt V.). Es wurde gemäß § 55 Abs. 1a FPG festgestellt, dass keine Frist für die freiwillige Ausreise besteht (Spruchpunkt VI.). Die dagegen erhobene Beschwerde wurde vom Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom 25.07.2018, Zl. I415 2201097-1/5E, als unbegründet abgewiesen.

6. Am 28.10.2018 stellte der Fremde unter der Aliasidentität XXXX und dem Aliasgeburtsdatum XXXX seinen nunmehr dritten Antrag auf internationalen Schutz in Österreich. Zum Fluchtgrund befragt brachte er vor: "Sie können mich überall hin in Europa abschieben, aber bloß nicht nach Marokko, da ich dort in das Gefängnis muss."

Am 08.11.2018 wurde der Fremde im Beisein seiner Rechtsberatung von der belangten Behörde einvernommen. Er sei nicht in ärztlicher Behandlung, nehme aber Schmerzmittel nach einer Operation an der rechten Hand, Befund habe er keinen. Die Fluchtgründe aus dem Erstverfahren bestünden auch Nachfrage immer noch, neue Fluchtgründe habe er keine. Auf Vorhalt, dass er zuletzt am 05.03.2018 in Österreich einen Folgeantrag gestellt habe und dieser gemäß § 68 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen sowie die dagegen erhobene Beschwerde als unbegründet abgewiesen worden sei und weshalb er erneut einen Antrag auf internationalen Schutz stelle, erwiderte der Beschwerdeführer, dass sein Leben hier zerstört und er zwangsweise von Frankreich nach Österreich abgeschoben worden sei. Bei der Überstellung habe er eine Verletzung an der Innenfläche der rechten Hand erlitten. Auf Nachfrage führte er aus in keiner Lebensgemeinschaft zu leben und keinen Deutschkurs besucht bzw. absolviert zu haben. Er wäre in der Grundversorgung gewesen sei kein Mitglied in Vereinen oder Organisationen in Österreich.

Auf den Vorhalt, dass beabsichtigt sei, seinen Antrag auf internationalen Schutz wegen entschiedener Sache gemäß § 68 AVG zurückzuweisen und den faktischen Abschiebeschutz aufzuheben, sowie dass er eine Verfahrensanordnung gem. § 29 Abs 3 Z 4 bis 6 AsylG 2005 und § 52a Abs 2 BFA-VG erhalten habe, gab der Fremde an, dass er jetzt obwohl seine Hand bei der Überstellung verletzt worden wäre keine Versicherung habe. Als er in der Grundversorgung gewesen wäre, hätte er eine Versicherung gehabt.

Dem Fremden wurde Gelegenheit gegeben, in aktuelle Länderfeststellungen zu seinem Heimatstaat Einsicht zu nehmen. Davon machte der Beschwerdeführer mit den Worten "Nein, ich brauche die Feststellungen nicht" keinen Gebrauch.

7. In der Folge wurde gegenüber dem Fremden am 08.11.2018 mit mündlich verkündetem Bescheid der faktische Abschiebeschutz gemäß § 12a Ab. 2 iVm § 22 Abs 10 AsylG und § 62 Abs 2 AVG aufgehoben. Dies wurde damit begründet, dass sein erster Asylantrag mit wirtschaftlichen Motiven begründet wurde und der vollinhaltlich negative Bescheid des BFA am 19.06.2016 erstinstanzlich in Rechtskraft erwuchs, weil der Fremde in die Anonymität untertauchte und sich dadurch dem Verfahren entzog. Am 03.05.2018 stellte er aus dem Stande der Schubhaft erneut einen Antrag auf internationalen Schutz, welcher vom BFA wegen entschiedener Sache zurückgewiesen und die dagegen erhobene Beschwerde vom Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom 25.07.2018 abgewiesen wurde. Sein nunmehr dritter Antrag auf internationalen Schutz, sei voraussichtlich zurückzuweisen, da der Fremde bei der Erstbefragung vorgebracht habe, dass er keine neuen Fluchtgründe habe. Es ergaben sich weder eine schwere körperliche oder ansteckende Krankheit, noch eine schwere psychische Störung.

Der Fremde verfüge über keine nicht auf das Asylgesetz gestützte Aufenthaltsberechtigung in Österreich.

Unter Berücksichtigung aller bekannten Umstände könne nicht festgestellt werden, dass die Zurückweisung, Zurück- oder Abschiebung des Fremden nach Marokko eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für den Fremden als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Der Fremde verfüge über keine maßgebliche Integration in Österreich.

Auch habe sich die allgemeine Lage in seinem Herkunftsland nicht entscheidungswesentlich geändert. Auch bezüglich der persönlichen Verhältnisse oder des körperlichen Zustands sei keine Veränderung im Hinblick auf die vorherige Entscheidung eingetreten.

8. Der mündlich verkündete Bescheid über die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes wurde der zuständigen Gerichtsabteilung I415 des Bundesverwaltungsgerichts am 14.11.2018 samt dem Verwaltungsakt vorgelegt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Die Vorlage des Aktes durch das Bundesamt vom 09.11.2018, eingelangt bei der zuständigen Gerichtsabteilung I415 des Bundesverwaltungsgerichts am 14.11.2018, gilt gemäß § 22 Abs. 10 AsylG 2005 bereits als Beschwerde.

1. Feststellungen:

Die unter Punkt I getroffenen Ausführungen werden als entscheidungswesentlicher Sachverhalt festgestellt. Darüber hinaus werden folgende weitere Feststellungen getroffen:

Der Fremde ist Staatsangehöriger von Marokko, volljährig, ledig, kinderlos, der Volksgruppe der Araber zugehörig und bekennt sich zum islamischen Glauben. Die Muttersprache des Fremden ist Arabisch. Er ist sohin Drittstaatsangehöriger im Sinne des § 2 Abs. 4 Z 10 FPG sowie des § 2 Abs. 1 Z 20b AsylG 2005. Seine Identität steht nicht fest.

Der Fremde wurde an der rechten Hand operiert und nimmt daher Schmerzmittel ein, er leidet ansonsten weder an einer schweren Krankheit noch ist er längerfristig pflege- oder rehabilitationsbedürftig. Sein Gesundheitszustand steht seiner Rückkehr nicht entgegen.

Der Aufenthalt des Fremden in Österreich erstreckt sich über einen Zeitraum von August bis September 2016 sowie von 03.05.2018 bis 07.09.2018 und von 28.10.2018 bis in die Gegenwart, sohin etwa sieben Monaten, dazwischen war der Beschwerdeführer in Deutschland, den Niederlanden, Luxemburg, Frankreich sowie zuletzt in der Schweiz aufhältig.

Der Fremde verfügt über keine verwandtschaftlichen Anknüpfungspunkte in Österreich.

Der Fremde spricht arabisch auf Muttersprachenniveau.

In Österreich ist er nicht Mitglied von Organisationen oder Vereinen.

Er war und ist in Österreich auch nicht berufstätig somit nicht selbsterhaltungsfähig.

Der Fremde ist in Österreich unbescholten.

Der Fremde verfügt über keine qualifizierten Kenntnisse der deutschen Sprache und hat keine Deutschkurse besucht. Auch sonst konnten keine maßgeblichen Anhaltspunkte für die Annahme einer relevanten Integration des Fremden in Österreich in sprachlicher, beruflicher und gesellschaftlicher Hinsicht festgestellt werden.

Der Fremde ist in seinem ersten Asylverfahren in die Anonymität untergetaucht und hat der Behörde keine Meldeadresse bekanntgegeben.

Der Fremde reiste illegal in das Bundesgebiet ein, und stellte am 23.08.2016 seinen ersten Asylantrag, den er ausschließlich mit wirtschaftlichen Motiven begründete. Er entzog sich diesem Verfahren, indem er kurze Zeit nach der Antragstellung aus dem Bundesgebiet ausreiste. Der Antrag wurde mit Bescheid vom 04.10.2016 abgewiesen und erwuchs erstinstanzlich in Rechtskraft.

Sein Vorbringen in seinem zweiten Antrag auf internationalen Schutz vom 03.05.2018, wonach er im März 2013 zum Militär gegangen und einfacher Soldat gewesen sei und dann nicht mehr dienen habe wollen, weshalb er in weiterer Folge im September 2015 geflüchtet sei, wies keinen "glaubhaften Kern" auf. Dieses Vorbringen war dem Fremden zudem bereits in seinem Erstverfahren bekannt. Der Antrag wurde wegen entschiedener Sache zurückgewiesen und die dagegen erhobene Beschwerde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 25.07.2018, Zl. I415 2201097-1/5E, als unbegründet abgewiesen.

Im gegenständlichen dritten Asylantrag vom 28.10.2018 führte der Fremde aus, dass er seine bisherigen Fluchtgründe aufrecht halte und er keine neuen habe. Im gegenständlichen Verfahren bezieht sich der Fremde auf Gründe, die bereits Gegenstand des ersten und zweiten inhaltlich entschiedenen Asylverfahrens waren (Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 25.07.2018, Zl. I415 2201097-1/5E). Weder im Hinblick auf die allgemeine Lage in Marokko noch im Hinblick auf die anzuwendenden rechtlichen Bestimmungen ist seit Abschluss dieses Asylverfahrens eine maßgebliche Änderung der Rechtslage eingetreten.

Auch sein nunmehr dritter Antrag auf internationalen Schutz wird voraussichtlich wegen entschiedener Sache zurückzuweisen sein. In Bezug auf den Fremden besteht kein schützenswertes Privat- und/oder Familienleben im Bundesgebiet. In Bezug auf seinen Gesundheitszustand ist betreffend einer allenfalls vorzunehmenden Abschiebung darauf hinzuweisen, dass vor einer Abschiebung durch die zuständige Behörde/Amtsarzt eine Prüfung dahingehend vorzunehmen ist, ob eine beabsichtigte Abschiebung eine EMRK-widrige Behandlung des Fremden bedeuten würde.

2. Beweiswürdigung:

Die Angaben zur Person des Fremden fußen auf seinen Aussagen im gegenständlichen sowie in den rechtskräftig abgeschlossenen Vorverfahren.

Die Angaben zu den Asylverfahren des Fremden ergeben sich aus den vorliegenden Akten der belangten Behörde und des Bundesverwaltungsgerichts.

In seinem ersten Asylverfahren führte der Fremde ausschließlich wirtschaftliche Gründe ins Treffen.

Sein Vorbringen in seinem zweiten Antrag auf internationalen Schutz vom 03.05.2018 wies keinen "glaubhaften Kern" auf. Dieses Vorbringen war dem Fremden zudem bereits in seinem Erstverfahren bekannt. Der Antrag wurde wegen entschiedener Sache zurückgewiesen und die dagegen erhobene Beschwerde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 25.07.2018, Zl. I415 2201097-1/5E, als unbegründet abgewiesen.

Der Fremde erklärte im gegenständlichen Verfahren in der Erstbefragung, dass er keine neuen Fluchtgründe habe.

Nach seinen eigenen Angaben befand sich Fremde zum Zeitpunkt der Einvernahme nicht in ärztlicher Behandlung. Von einer als Abschiebungshindernis zu wertenden lebensgefährlichen Erkrankung kann bei seiner Operation an der rechten Hand aber jedenfalls nicht ausgegangen werden. Der Ansicht der belangten Behörde, dass es dem Fremden im Folgeverfahren nicht gelungen ist, einen Fluchtgrund glaubhaft zu machen, ist daher beizupflichten.

Ein Abgleich zwischen den Feststellungen des vorangegangenen Asylverfahrens und den Länderfeststellungen, welche der gegenständlichen Entscheidung zugrunde gelegt wurden, ergibt keine Verschlechterung der allgemeinen Situation in Marokko. Eine solche würde auch nicht dem Amtswissen des Bundesverwaltungsgerichtes entsprechen und wurde vom Fremde auch nicht behauptet.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der BAO, des AgrVG und des DVG und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 22 Abs. 10 AsylG 2005 entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes im Rahmen der Überprüfung gemäß § 22 BFA-VG mit Beschluss.

Zu A) Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes

1. Hat der Fremde einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG) nach einer zurückweisenden Entscheidung gemäß §§ 4a oder 5 oder nach jeder weiteren, einer zurückweisenden Entscheidung gemäß §§ 4a oder 5 folgenden, zurückweisenden Entscheidung gemäß § 68 Abs. 1 AVG gestellt, kommt ihm gemäß § 12a Abs. 1 AsylG 2005 ein faktischer Abschiebeschutz nicht zu, wenn gegen ihn eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG oder eine Ausweisung gemäß § 66 FPG erlassen wurde (Z 1), kein Fall des § 19 Abs. 2 BFA-VG vorliegt (Z 2), im Fall des § 5 eine Zuständigkeit des anderen Staates weiterhin besteht oder dieser die Zuständigkeit weiterhin oder neuerlich anerkennt und sich seit der Entscheidung gemäß § 5 die Umstände im zuständigen anderen Staat im Hinblick auf Art. 3 EMRK nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit maßgeblich verschlechtert haben (Z 3), und eine Abschiebung unter Berücksichtigung des Art. 8 EMRK (§ 9 Abs. 1 bis 2 BFA-VG) weiterhin zulässig ist (Z 4).

Hat der Fremde einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) gestellt und liegt kein Fall des Abs. 1 vor, kann das Bundesamt den faktischen Abschiebeschutz des Fremden gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 aufheben, wenn gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG besteht (Z 1), der Antrag voraussichtlich zurückzuweisen ist, weil keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhalts eingetreten ist (Z 2), und die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten und für ihn als Zivilperson keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde (Z 3).

Gemäß § 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005 ist im Sinne dieses Bundesgesetzes ein Folgeantrag jeder einem bereits rechtskräftig erledigten Antrag nachfolgender weiterer Antrag.

Entscheidungen des Bundesamtes über die Aufhebung des Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 ergehen gemäß § 22 Abs. 10 AsylG 2005 mündlich in Bescheidform. Die Beurkundung gemäß § 62 Abs. 2 AVG gilt auch als schriftliche Ausfertigung gemäß § 62 Abs. 3 AVG. Die Verwaltungsakten sind dem Bundesverwaltungsgericht unverzüglich zur Überprüfung gemäß § 22 BFA-VG zu übermitteln. Diese gilt als Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht; dies ist in der Rechtsmittelbelehrung anzugeben. Über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes hat das Bundesverwaltungsgericht im Rahmen der Überprüfung gemäß § 22 BFA-VG mit Beschluss zu entscheiden.

Eine Entscheidung des Bundesamtes, mit der der faktische Abschiebeschutz eines Fremden aufgehoben wurde (§ 12a Abs. 2 AsylG 2005), ist vom Bundesverwaltungsgericht gemäß § 22 Abs. 1 BFA-VG unverzüglich einer Überprüfung zu unterziehen. Das Verfahren ist ohne Abhaltung einer mündlichen Verhandlung zu entscheiden. § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG ist nicht anzuwenden. Die Aufhebung des Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 und eine aufrechte Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG oder eine Ausweisung gemäß § 66 FPG sind gemäß § 22 Abs. 2 BFA-VG mit der Erlassung der Entscheidung gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 durchsetzbar. Mit der Durchführung der die Rückkehrentscheidung oder Ausweisung umsetzenden Abschiebung gemäß § 46 FPG ist bis zum Ablauf des dritten Arbeitstages ab Einlangen der gemäß § 22 Abs. 10 AsylG 2005 zu übermittelnden Verwaltungsakten bei der zuständigen Gerichtsabteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuzuwarten. Das Bundesverwaltungsgericht hat das Bundesamt unverzüglich vom Einlangen der Verwaltungsakten bei der zuständigen Gerichtsabteilung und von der im Rahmen der Überprüfung gemäß Abs. 1 getroffenen Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes zu verständigen. Über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes im Rahmen der Überprüfung gemäß Abs. 1 hat das Bundesverwaltungsgericht gemäß § 22 Abs. 3 BFA-VG binnen acht Wochen zu entscheiden.

2. Der Antrag des Fremden über seinen zweiten Antrag auf internationalen Schutz vom 03.05.2018 wurde vom BFA wegen entschiedener Sache mit Bescheid vom 09.07.2018 zurückgewiesen und wurde gleichzeitig eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 FPG erlassen und festgestellt, dass seine Abschiebung nach Marokko zulässig ist. Die dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgericht vom 25.07.2018, Zl. I415 2201097-1/5E, als unbegründet abgewiesen. Beim Antrag des Fremden auf internationalen Schutz vom 28.10.2018 handelt es sich somit um einen Folgeantrag iSd § 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005.

3. Gegen den zurückweisenden Bescheid des BFA im zweiten Asylverfahren hat der Fremde Beschwerde erhoben und wurde diese vom Bundesverwaltungsgericht wiederum abgewiesen. Dieses Erkenntnis erwuchs ohne weiteres in Rechtskraft. Es liegt somit kein Fall des § 12a Abs. 1 AsylG 2005 vor.

4. Die Rückkehrentscheidung der belangten Behörde vom 09.07.2018 gem. § 52 Abs. 2 Z 2 FPG wurde rechtswirksam.

5. Der Antrag vom 28.10.2018 ist voraussichtlich zurückzuweisen, weil keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhalts eingetreten ist: Eine allfällige Sachverhaltsänderung wurde in der Ersteinvernahme nicht behauptet. Vor dem BFA gab der Fremde an dieselben Fluchtgründe zu haben wie in den rechtskräftigen Asylvorverfahren.

Aus den Länderberichten ergibt sich, dass auch im Hinblick auf die allgemeine Situation im Herkunftsstaat keine maßgebliche Änderung der Lage im Vergleich zum vorangegangenen Bescheid eingetreten ist.

Ein auf das AsylG 2005 gestützter Antrag auf internationalen Schutz ist nicht bloß auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, sondern hilfsweise - für den Fall der Nichtzuerkennung dieses Status - auch auf die Gewährung von subsidiärem Schutz gerichtet. Dies wirkt sich ebenso bei der Prüfung eines Folgeantrages nach dem AsylG 2005 aus: Asylbehörden sind verpflichtet, Sachverhaltsänderungen nicht nur in Bezug auf den Asylstatus, sondern auch auf den subsidiären Schutzstatus zu prüfen (vgl. VfGH 29.06.2011, U1533/10; VwGH 19.2.2009, 2008/01/0344 mwN).

Auch diesbezüglich wurden keine Sachverhaltsänderungen vorgebracht.

6. Die Abschiebung würde auch keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder 13 zur EMRK darstellen:

Auch dafür, dass dem Fremden im Falle einer Rückkehr nach Marokko die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen und er in die Schwelle des Art. 3 EMRK überschritten wäre (zur "Schwelle" des Art. 3 EMRK VwGH 16.07.2003, 2003/01/0059), gibt es im vorliegenden Fall keinen Anhaltspunkt. Für den Fall einer Erkrankung bestehen auch in seinem Heimatstaat ausreichende Behandlungsmöglichkeiten. Es ist daher kein Grund ersichtlich, warum der Fremde seinen Lebensunterhalt nach seiner Rückkehr nicht bestreiten können sollte, zumal er dort auch über starke familiäre Anknüpfungspunkte verfügt. Außerdem besteht ganz allgemein in Marokko derzeit keine solche extreme Gefährdungslage, dass gleichsam jeder, der dorthin zurückkehrt, einer Gefährdung im Sinne des Art. 2, 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 und Nr. 13 zu EMRK ausgesetzt wäre.

Im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht sind auch keine Umstände bekannt geworden, die nahelegen würden, dass bezogen auf den Fremden ein "reales Risiko" einer gegen Art. 2 oder 3 EMRK erschlossenen Behandlung bzw. der Todesstrafe besteht.

Eine Gefährdung iSd Protokolle Nr. 6 oder 13 zur EMRK wird vom Fremden nicht vorgebracht. Im Hinblick auf Art. 8 EMRK hat der Fremde, der bereits mehrfach rechtskräftig verurteilt wurde, angegeben, in Österreich keine Familie oder familienähnliche Lebensgemeinschaft zu haben. Eine besondere Aufenthaltsverfestigung kann angesichts seines kurzen Aufenthalts nicht angenommen werden. Es kann daher auch keine Verletzung seines Rechts auf Privat- oder Familienleben durch eine Abschiebung festgestellt werden.

7. Auf Grund der aktuellen Länderberichte kann nicht festgestellt werden, dass dem Fremden als Zivilperson durch die Rückkehr nach Marokko eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit in Folge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes erwachsen würde.

8. Da somit alle Voraussetzungen des § 12a Abs. 2 AsylG erfüllt sind, ist spruchgemäß festzustellen, dass der mündlich verkündete Bescheid des Bundesamtes vom 08.11.2018 rechtmäßig ist und die Voraussetzungen für die Aberkennung des faktischen Abschiebeschutzes vorliegen.

9. Gemäß § 22 Abs. 1 BFA-VG war ohne Abhaltung einer mündlichen Verhandlung zu entscheiden.

Zu B) Zulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

faktischer Abschiebeschutz - Aufhebung rechtmäßig, Folgeantrag,
Identität der Sache

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:I415.2201097.2.00

Zuletzt aktualisiert am

10.01.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten