TE Vwgh Erkenntnis 2018/12/14 Ra 2018/17/0086

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Veröffentlicht am 14.12.2018
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Index

E1P;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
19/05 Menschenrechte;
34 Monopole;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

12010P/TXT Grundrechte Charta Art47;
GSpG 1989 §52 Abs1 Z1;
GSpG 1989 §52 Abs2;
MRK Art6;
VStG §44a Z2;
VStG §44a Z3;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwGVG 2014 §44;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Holeschofsky und die Hofrätinnen Mag. Dr. Zehetner sowie Mag. Liebhart-Mutzl als Richterinnen bzw. Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Sowa, über die Revision des M D in U, vertreten durch Dr. Patrick Ruth, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Kapuzinergasse 8/4, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich vom 1. Februar 2018, LVwG-S-1924/001-2017, betreffend Übertretung des Glücksspielgesetzes (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Magistrat der Stadt Krems an der Donau), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der revisionswerbenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Mit "Straferkenntnis" des Magistrates der Stadt Krems an der Donau vom 15. März 2016, KSS2-V-15 6990/5, wurde der Revisionswerber als Geschäftsführer und somit gemäß § 9 Abs. 1 VStG als das zur Vertretung nach außen berufene Organ einer näher bezeichneten Gesellschaft der zweifachen Übertretung des § 52 Abs. 1 Z 1 erstes Tatbild Glücksspielgesetz (GSpG) für schuldig erkannt; es wurden über ihn zwei Geldstrafen in der Höhe von jeweils EUR 6.000,-- (samt Ersatzfreiheitsstrafen) verhängt.

2 Dieses "Straferkenntnis" wurde (nur) dem Revisionswerber am 21. März 2016 persönlich zugestellt.

3 Dagegen erhob der Revisionswerber Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich (LVwG), in der er die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragte. Diese Beschwerde wurde zur dg. Zahl LVwG-S-1039/001-2016 protokolliert.

4 Am 10. Mai 2017 fand vor dem LVwG u.a. zu diesem genannten Verfahren eine gemeinsame mündliche Verhandlung statt.

5 Mit Beschluss vom 27. Juni 2017, LVwG-S-1039/001-2016, wies das LVwG die Beschwerde als unzulässig zurück. Begründend führte es dazu aus, dass bereits mit Schreiben vom 20. März 2015 sowie vom 16. März 2016 vom Rechtsvertreter des Revisionswerbers ein Vollmachtsverhältnis bekannt gegeben worden sei. Die an den Revisionswerber persönlich durchgeführte Zustellung des "Straferkenntnisses" sei daher nicht rechtswirksam erfolgt. Eine Heilung dieses Zustellmangels sei nicht eingetreten. Das "Straferkenntnis" vom 15. März 2016 sei rechtlich nicht existent geworden.

6 Dem Rechtsvertreter des Revisionswerbers wurde das dieselbe Straftat betreffende Straferkenntnis vom 15. März 2016, KSS2-V- 15 6990/5, am 5. Juli 2017 zugestellt. Damit wurden über den Revisionswerber neuerlich zwei Geldstrafen in der Höhe von jeweils EUR 6.000,-- (samt Ersatzfreiheitsstrafen von jeweils 60 Stunden) verhängt.

7 Gegen dieses Straferkenntnis erhob der Revisionsweber Beschwerde an das LVwG, in der er wieder die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragte.

8 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das LVwG der Beschwerde insofern statt, als es die zwei Geldstrafen (sowie die Ersatzfreiheitsstrafen) herabsetzte (Spruchpunkt 1.). Außerdem setzte es die Kosten des verwaltungsbehördlichen Verfahrens neu fest (Spruchpunkt 2.). Im Übrigen sprach das LVwG aus, dass die Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig sei (Spruchpunkt 3.).

9 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, in der inhaltliche Rechtswidrigkeit bzw. Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

10 Die vor dem Verwaltungsgericht belangte Behörde erstattete eine Revisionsbeantwortung, in der sie die Abweisung der Revision beantragte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

11 Die vorliegende Revision erweist sich als zulässig, weil das LVwG hinsichtlich der fehlenden Strafsanktionsnorm gemäß § 52 Abs. 2 GSpG von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen ist. Die Revision ist auch berechtigt:

12 Die hg. Rechtsprechung räumt dem Beschuldigten ein Recht darauf ein, dass im Spruch des Straferkenntnisses die richtige und nur die richtige verletzte Verwaltungsvorschrift aufscheint. Gleiches gilt für die Anführung der Strafnorm nach § 44a Z 3 VStG. Darunter ist jene Verwaltungsvorschrift zu verstehen, die bei der Festlegung des Strafmittels und des Strafausmaßes heranzuziehen ist.

13 Das Verwaltungsgericht hat insoweit, als der Spruch des erstinstanzlichen Bescheides fehlerhaft ist, weil z.B. die angewendeten Gesetzesstellen unrichtig oder unvollständig zitiert wurden, dies in seinem Abspruch zu ergänzen bzw. richtigzustellen (vgl. VwGH 15.11.2017, Ra 2017/17/0021 bis 0023, und VwGH 27.6.2018, Ra 2018/09/0022).

14 Im vorliegenden Fall ist bei einer Übertretung des § 52 Abs. 1 Z 1 GSpG die Strafsanktionsnorm § 52 Abs. 2 GSpG. Die Anführung dieser Norm wurde im Straferkenntnis jedoch unterlassen. Statt dessen wurde bei der Festsetzung des Strafausmaßes wieder auf § 52 Abs. 1 Z 1 GSpG verwiesen. Das LVwG hätte daher den unrichtigen Verweis in Bezug auf die Strafsanktionsnorm korrigieren müssen.

15 Indem es dies unterlassen hat, hat LVwG das angefochtene Erkenntnis bereits in dieser Hinsicht mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet.

16 Für das fortzusetzende Verfahren wird auf Folgendes hingewiesen: Die Revision macht überdies geltend, das LVwG habe keine mündliche Verhandlung durchgeführt, obwohl in der Beschwerde gegen das am 5. Juli 2017 zugestellte Straferkenntnis vom 15. März 2016, KSS2-V-15 6990/5, eine solche beantragt worden sei.

17 Dem Kopf des angefochtenen Erkenntnisses ist zu entnehmen, dass die Entscheidung "nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung" erfolgt sei. In dessen Begründung finden sich auch Bezugnahmen auf Zeugenaussagen, ohne dass jedoch offengelegt wird, wann diese Aussagen getätigt wurden. In den vorgelegten Akten des LVwG findet sich lediglich das Protokoll über die mündliche Verhandlung vom 10. Mai 2017, welche in jenem Beschwerdeverfahren durchgeführt worden war, welches letztlich zur Zurückweisung der Beschwerde mit Beschluss vom 27. Juni 2017 (vgl. Rn. 5) geführt hatte.

18 Sollte im revisionsgegenständlichen Verfahren gegen das erst am 5. Juli 2017 wirksam zugestellte Straferkenntnis vom 15. März 2016 keine Verhandlung durchgeführt worden sein, wird eine solche nachzuholen sein. Andernfalls wäre zu begründen, warum das LVwG ein Absehen von einer mündlichen Verhandlung trotz Vorliegens eines diesbezüglichen Antrages für zulässig erachtet. Der bloße Umstand, dass bereits am 10. Mai 2017, also vor wirksamer Zustellung des Straferkenntnisses und nachfolgender Beschwerdeerhebung, eine Verhandlung im Beisein des Rechtsvertreters des Revisionswerbers stattgefunden hat, vermag nämlich für sich genommen das LVwG nicht von seiner Verhandlungspflicht nach § 44 VwGVG im gegenständlichen Verfahren zu entbinden. Aus welchem Grund das LVwG zu vermeinen scheint, Art. 6 EMRK bzw. Art. 47 GRC stünden vorliegend der Nichtdurchführung einer mündlichen Verhandlung nicht entgegen, ergibt sich aus dem angefochtenen Erkenntnis jedenfalls nicht.

19 Das angefochtene Erkenntnis war bereits aus dem oben in Rn. 11 bis 15 genannten Grund wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

20 Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 14. Dezember 2018

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018170086.L00

Im RIS seit

11.01.2019

Zuletzt aktualisiert am

04.03.2019
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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