Kopf
Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht durch die Senatspräsidentin des Oberlandesgerichtes Dr. Jesionek als Vorsitzende sowie den Richter des Oberlandesgerichtes Mag. Schaller und den KR Roggisch-Dragutinovic in der Rechtssache der klagenden Partei K***** Rechtsanwalts GmbH, *****, wider die beklagte Partei E*****Aktiengesellschaft, Kärntner Ring 9, 1010 Wien, vertreten durch Diwok Hermann Petsche Rechtsanwälte LLP & Co KG in Wien, wegen EUR 20.981,83 s.A., über die Berufung der beklagten Partei gegen das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 30.04.2018, 35 Cg 43/16m-20, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit EUR 1.959,12 (hierin USt EUR 326,52) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens zu ersetzen.
Die Revision ist nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Klägerin macht offene Honorarforderungen von insgesamt EUR 20.981,83 s.A. aus der Vertretung der Beklagten in mehreren Verfahren geltend, darunter das Verfahren 27 Cg 57/11d vor dem Handelsgericht Wien, auf welches vom Klagsbetrag EUR 4.839,74 entfallen, und in welchem die dort klagenden Käufer von Wohnungseigentumsanteilen ***** die Einwilligung der (hier wie dort) Beklagten in die Einverleibung ihres Eigentumsrechtes begehrten. Die Annahme des Kaufanbotes seitens der Beklagten war „vorbehaltlich Genehmigung des Aufsichtsrates“ erfolgt. Ein entsprechender Aufsichtsratsbeschluss wurde im Umlaufweg gefasst. Eines der Mitglieder des Aufsichtsrates, die Tochter des Aufsichtsratsvorsitzenden A***** unterzeichnete den Beschluss nicht. Das Handelsgericht Wien vermochte nicht festzustellen, ob sie von dem Beschluss oder von dessen Fassung im Umlaufweg Kenntnis gehabt hatte und wies das Klagebegehren ab (Urteil vom 05.05.2015, 27 Cg 57/11d-121, Beilage ./1). Das Oberlandesgericht Wien änderte dieses Urteil infolge Berufung der Käufer im klagsstattgebenden Sinne ab (2 R 108/15i, Beilage ./2). Dabei vertrat es die Ansicht, dass die Negativfeststellung bezüglich der Kenntnis einer Aufsichtsrätin betreffend die Beschlussfassung im Umlaufweg zu Lasten der Beklagten gehe, und ließ die ordentliche Revision zu, „weil höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage fehlt, wen die Beweislast für die ausreichende Information aller Aufsichtsratsmitglieder von der beabsichtigten Beschlussfassung im schriftlichen Wege (als Wirksamkeitsvoraussetzung eines Aufsichtsrats-Umlaufbeschlusses [es folgen zahlreiche Literaturzitate]) trifft“, dies sei eine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung.
Der Oberste Gerichtshof erachtete die Revision in seinem Urteil vom 25.05.2016, 2 Ob 35/16k, aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund für zulässig, aber nicht berechtigt. Die Beweislast dafür, dass bei einer Beschlussfassung durch schriftliche Stimmabgabe im Aufsichtsrat einer Aktiengesellschaft gemäß § 92 Abs 3 AktG nicht alle Aufsichtsratsmitglieder von der Abstimmung im schriftlichen Weg Kenntnis hatten, treffe die Aktiengesellschaft. Diesen Beweis habe die beklagte Aktiengesellschaft nicht erbracht, es sei von einem gültigen Aufsichtsratsbeschluss auszugehen und die aufschiebende Bedingung für die Wirksamkeit des Kaufvertrages daher eingetreten.
Die Beklagte hält der Honorarforderung im Wesentlichen, soweit im Berufungsverfahren noch relevant, entgegen, die Leistungen der Klägerin im Verfahren 27 Cg 57/11d des Handelsgerichtes Wien wären wertlos. Die Klägerin hätte die hier Platz greifende Beweislastverschiebung antizipieren müssen und A***** und seine Tochter als Zeugen zum Beweis dafür, dass diese nicht von der Beschlussfassung im Umlaufweg informiert gewesen sei, beantragen müssen. Beide hätten wahrheitsgemäß ausgesagt, dass die Tochter des Aufsichtsratsvorsitzenden A***** keine Kenntnis vom Aufsichtsratsbeschluss bzw dessen Fassung im Umlaufweg gehabt habe, was zu einer entsprechenden Feststellung geführt hätte. Die Klägerin habe A***** sogar davon abgeraten, gerichtlichen Ladungen aufgrund von Zeugenanträgen der Gegenseite Folge zu leisten. Aus diesem Anwaltsfehler resultiere ein die Klagsforderung bei weitem übersteigender Schaden. Die Beklagte sei zwar mittlerweile vom Kaufvertrag zurückgetreten, weil die Käuferin das Angeld nicht fristgerecht bezahlt habe. Die Beklagte habe jedoch ein Kaufanbot über EUR 100 Mio nicht mehr annehmen können, weil das Anbot nicht mehr aufrecht gewesen sei, und rechne mit ihrer Schadenersatzforderung von (zumindest) EUR 30.000,00 gegen die Klagsforderung auf.
Mit dem angefochtenen Urteil gab das Erstgericht dem Klagebegehren statt.
Dabei ging es von den auf den Seiten 3 bis 6 der Urteilsausfertigung wiedergegebenen Feststellungen aus. Davon ist insbesondere hervorzuheben, dass die nunmehrige Klägerin als Vertreterin der Beklagten im Verfahren 27 Cg 57/11d mit Schriftsatz vom 07.12.2012 (Beilage ./P) die Vernehmung von A***** und seiner Tochter unter anderem zum Beweis dafür beantragte, dass „das Aufsichtsratsmitglied B***** über den Umlaufbeschluss vom 28.03.2011 sowie über die entsprechenden Hintergründe nicht informiert wurde“. Rechtsanwalt Dr. K***** wollte eine Einvernahme A***** vor dem Handelsgericht Wien wegen der möglichen Gegenüberstellung mit einem anderen Zeugen vermeiden und verständigte sich mit A***** auf eine Einvernahme im Rechtshilfeweg in L*****, bereitete entsprechende Entschuldigungsschreiben für eine Verhinderung des Zeugen, in Wien aussagen zu können, vor, die er dann nach Unterfertigung von A***** bei Gericht vorlegte. Schließlich beantragte die dortige Klägerin die Vernehmung A*****´s im Rechtshilfeweg in L*****. Vor der Durchführung der Einvernahme in L***** wurde A***** von der hier klagenden Partei in einer Zusammenfassung des Sachverhaltes „gebrieft“. Darin fasste die Klägerin die Argumente der Prozessbeteiligten zusammen und führte am Schluss unter „wesentliche Rechtsfragen“ an, dass der Verfahrensausgang stark von der Zeugenaussage A*****´s vor dem englischen Gericht abhänge. A***** erschien vor dem Rechtshilfegericht in L***** nicht.
Das Erstgericht vermochte nicht festzustellen, dass bei erfolgter Aussage von A***** und seiner Tochter dahin, dass diese nie vom Aufsichtsratsbeschluss bzw. dessen Fassung im Umlaufweg informiert worden sei, festgestellt worden wäre, „dass keine relative Kenntnis der Tochter des AR Vorsitzenden vorgelegen sei“.
Davon ausgehend führte das Erstgericht in rechtlicher Hinsicht aus, die Beklagte habe hier nicht nachzuweisen vermocht, dass bei einer neuerlichen Aussage A*****´s vor Gericht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit andere Feststellungen als im Vorprozess getroffen worden wären und die Beklagte den Rechtsstreit gewonnen hätte, wenn nicht Dr. K***** abgeraten hätte, gerichtlichen Ladungen Folge zu leisten oder auch wenn er die Umkehr der Beweislast antizipiert hätte. Dr. K***** habe vielmehr aus taktischen Überlegungen von einer Aussage in Wien, nicht aber vor dem Rechtshilfegericht in L***** abgeraten. Er habe seine Mandantschaft vielmehr schriftlich und ausführlich auf eine Aussage vorbereitet und sogar ausdrücklich darauf hingewiesen, wie wichtig die Aussage des Zeugen für den Prozesserfolg sei. Wenn dieser dann trotz all dem nicht einmal vor dem Rechtshilfegericht erscheine, sei dies allein sein Fehlverhalten, ohne dass der Klägerin daraus ein Vorwurf gemacht werden könne. Die Beklagte habe auch nicht bewiesen, dass, selbst wenn Dr. K***** die Beweislastsituation wie später die zweite und dritte Instanz eingeschätzt hätte, A***** vor Gericht erschienen wäre und so der Prozess gewonnen worden wäre.
Damit sei der Beklagten der erforderliche Kausalitätsbeweis für die Relevanz eines allfälligen Fehlers bei Vertretung durch die Klägerin nicht gelungen. Die Beklagte habe nicht bewiesen, dass der Rechtsstreit mit hoher oder überwiegender Wahrscheinlichkeit einen anderen Ausgang genommen hätte. Auch löse die Tatsache, dass der Rechtsanwalt hinsichtlich Beweislastverteilung die Rechtsansicht der Erstrichterin geteilt habe, nicht aber die der Rechtsmittelinstanzen, noch keine Haftung wegen mangelhafter Vertretung aus, weil es sich dabei keinesfalls um eine völlig irrige und unvertretbare Rechtsmeinung gehandelt habe. Die eingewendete Gegenforderung basiere auf einem gänzlich unsubstanziellen Vorbringen, zu dem – mangels Aussage des beantragten Zeugen A***** – keine Beweisergebnisse vorlägen.
Dagegen wendet sich die Berufung der Beklagten wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung des angefochtenen Urteils im Sinne einer Klagsabweisung, hilfsweise stellt sie einen Aufhebungsantrag.
Die Klägerin beantragt, der Berufung nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Berufung ist nicht berechtigt.
1.1 Als Verfahrensmangel macht die Berufung die Unterlassung der Einvernahme des Zeugen ***** A***** geltend, die das Erstgericht zu Unrecht nach § 279 ZPO präkludiert habe. Präklusionsbeschlüsse gemäß § 279 ZPO seien jedoch nicht, wie vom Erstgericht, schriftlich, sondern in der mündlichen Verhandlung zu fassen. Dem Antragsgegner solle die Möglichkeit geboten werden, über das Vorliegen der Voraussetzungen einer Präklusion zu verhandeln. Ein Verstoß sei in der Berufung gegen das Urteil als Verfahrensmangel geltend zu machen. Zu Unrecht habe das Erstgericht auch das E-Mail des Zeugen vom 28.11.2018 (12:54 Uhr) nicht beachtet, in welchem der Zeuge dem Gericht mitgeteilt habe, dass er „aufgrund der an diesem Tag verschärft auftretenden Symptome seiner Diabetes gehindert [sei], nach Wien zu reisen“ und er in P***** eine medizinische Behandlung erhalten würde. Es sei daher davon auszugehen, dass der Zeuge in absehbarer Zeit wieder verhandlungsfähig sein würde.
1.2 Um die Zulässigkeit der Präklusion der Einvernahme des Zeugen A***** beurteilen zu können, ist der Verfahrensgang zu berücksichtigen:
In der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 17.01.2017 erklärte der Beklagtenvertreter, den Zeugen A***** stellig zu machen; der Richter wies ihn darauf hin, dass eine allfällige Verhinderung des Zeugen fristgerecht und rasch unter Vorlage allfälliger Bescheinigungsmittel bekanntzugeben sei. Die Tagsatzung zur Einvernahme A*****´s wurde für den 05.04.2017 anberaumt. Mit am 04.04.2017 im ERV eingebrachten Schriftsatz gab die Beklagtenvertretung bekannt, dass A***** aus beruflichen Gründen verhindert sei. Er stehe vor dem Abschluss wichtiger Vertragsverhandlungen im Ausland, welche seine Teilnahme unbedingt erforderten, legten ein dahingehendes Entschuldigungsschreiben in englischer Sprache, welches mit dem Namen A*****´s unterfertigt ist, vor und beantragten die Vertagung. Der Richter erachtete das Entschuldigungsschreiben als nicht ausreichend, zu wenig präzisiert und wesentlich verspätet und schloss in der Verhandlung vom 05.04.2017 nach Aufnahme der übrigen Personalbeweise die Verhandlung. Mit Beschluss vom 28.08.2017 beschloss das Erstgericht (schriftlich), das Beweisverfahren zur neuerlichen Ladung des als Zeugen zu vernehmenden A***** wiederzueröffnen und kündigte an, dass auf Antrag der Klägerin die Vernehmung des Zeugen unter Präklusion gestellt und einer entsprechenden Antragstellung binnen 14 Tagen entgegen gesehen werde. Mit ihrem Schriftsatz vom 06.09.2017 stellte die Klägerin einen Präklusionsantrag gemäß § 279 Abs 1 ZPO, sollte die Vernehmung des Zeugen nicht in der nächsten Streitverhandlung durchgeführt werden. Mit Beschluss vom 13.09.2017 beraumte das Erstgericht die Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung für den 28.11.2017 an und befristete die Vernehmung des Zeugen gemäß § 279 Abs 1 ZPO mit 28.11.2017. Da der Zeuge am 28.11.2017 nicht erschien, beschloss das Erstgericht über Antrag der Klägerin, das Beweisverfahren ohne Rücksicht auf die Einvernahme dieses Zeugen fortzusetzen. Ein an die persönliche E-Mailadresse des Richters gerichtetes Entschuldigungsmail des Zeugen zum Akt zu nehmen, lehnte das Erstgericht ab.
1.3.1 Steht der Aufnahme eines Beweises ein Hindernis von ungewisser Dauer entgegen, ist die Ausführbarkeit einer Beweisaufnahme zweifelhaft oder soll die Beweisaufnahme außerhalb des Geltungsgebietes dieses Gesetzes erfolgen, so hat das Gericht gemäß § 279 Abs 1 ZPO auf Antrag eine Frist zu bestimmen, nach deren fruchtlosem Ablauf die Verhandlung auf Begehren einer der Parteien ohne Rücksicht auf die ausstehende Beweisaufnahme fortgesetzt wird.
1.3.2 Nach zwei älteren Entscheidungen (1 Ob 195/48 = SZ 21/134; 3 Ob 12/50 = SZ 23/3) können Beschlüsse gemäß § 279 ZPO nur in mündlicher Verhandlung gefasst werden. Im ersten Fall war der Präklusionsantrag überhaupt erst nach Schluss der Verhandlung nach § 193 Abs 3 ZPO gestellt worden und erfolgte die Präklusion ohne Wiedereröffnung der Verhandlung. Im zweiten Fall bestätigte der Oberste Gerichtshof lediglich den Beschluss des Rekursgerichtes, womit der Rekurs gegen den erstrichterlichen Beweisbefristungsbeschluss als unzulässig zurückgewiesen worden war, mangels Zulässigkeit eines abgesonderten Rechtsmittels nach § 291 Abs 2 ZPO. Eine ausdrückliche Begründung, weshalb über den Antrag auf Befristung eines Beweises gemäß § 279 Abs 1 ZPO nur in mündlicher Verhandlung entschieden werden dürfe, enthalten beide Entscheidungen nicht. In EvBl 1973/17 S 45 (1 Ob 116/72) führte der Oberste Gerichtshof aus, dass Rechtsprechung (SZ 21/134) und Lehre die Auffassung vertreten würden, dass ein Beschluss nach § 279 ZPO nur in mündlicher Verhandlung gefasst werden dürfe. Diese Auffassung werde damit begründet, dass die Fristsetzung nach § 279 ZPO im Beweisbeschluss zu geschehen habe, welcher wiederum in mündlicher Verhandlung zu fassen sei. Auch Fasching (LB2 Rz 911) lehrt, dass Beweisbefristungsbeschlüsse nur in der mündlichen Verhandlung und nur im Zusammenhang mit einem Beweisbeschluss gefasst werden können.
1.3.3 Mit der Zivilverfahrensnovelle 2002 traten die Bestimmungen über den Beweisbeschluss außer Kraft. Dennoch hält Rechberger (in ZPO4 § 279 Rz 4 unter Hinweis auf Fasching, LB² Rz 911 und SZ 23/3; sowie in Fasching/Konecny3, III/1 § 279 ZPO Rz 10) daran fest, dass die Beweisbefristung in der mündlichen Verhandlung erfolgen muss, begründet dies aber an der zuletzt genannten Stelle damit, dass den Parteien Gelegenheit zu geben ist, über das Vorliegen der Voraussetzungen der Befristung zu verhandeln.
1.3.4 Das Berufungsgericht ist daher der Ansicht, dass ein Präklusionsbeschluss nach § 279 Abs 1 ZPO auch außerhalb einer mündlichen Verhandlung gefasst werden kann, vorausgesetzt der Gegner hat zuvor ausreichend Gelegenheit, zu einem darauf abzielenden Antrag Stellung zu nehmen.
1.4 Durch die hier mit dem Beschluss vom 28.08.2017 (ON 14 verso) erfolgte Ankündigung, im Falle eines entsprechenden Antrages die Vernehmung des Zeugen zu präkludieren, hatte die Beklagte ausreichend Gelegenheit, allfällige Einwände gegen diese Vorgangsweise vorzutragen.
1.5 Zudem vermag die Beklagte auch die Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels nicht schlüssig darzustellen. Hätte nämlich das Erstgericht seinen Präklusionsbeschluss vom 13.09.2017 nicht schriftlich gefasst, sondern eigens zwecks Beschlussfassung über den Präklusionsantrag eine mündliche Streitverhandlung anberaumt, hätte die Beklagte in dieser der in Aussicht genommenen Präklusion schwerlich entgegen halten können, dass der Zeuge zum Termin einer erst zum Zweck seiner Vernehmung anzuberaumenden Tagsatzung an diesem Tag wegen aufgrund der verschärft auftretenden Symptome seiner Diabetes gehindert sein werde, nach Wien zu reisen.
Selbst wenn in der Beschlussfassung außerhalb der mündlichen Streitverhandlung ein Verfahrensmangel gelegen sein sollte, konnte er hier keine andere Entscheidung zur Folge haben, weil die Beklagte nicht darlegt, welche berücksichtigungswürdigen Umstände sie dem Antrag entgegen gehalten hätte. Ob das Fernbleiben des Zeugen in der Verhandlung vom 28.11.2017 ausreichend entschuldigt war, ist somit ohne Belang, war seine Einvernahme doch bereits wirksam präkludiert.
2.1 In ihrer Rechtsrüge vertritt die Beklagte die Meinung, die nunmehrige Klägerin hätte im Vorprozess die Umkehr der Beweislast antizipieren müssen. Es sei herrschende Rechtsprechung gewesen, dass unter bestimmten Bedingungen eine Umkehr der Beweislast zu erfolgen habe, der „vorliegende Fall“ lasse „sich ohne Zweifel unter die ständige Rechtsprechung subsumieren“. Es wäre daher die Pflicht der Klägerin gewesen, über eine solche ständige Rechtsprechung zur Beweislastumkehr aufzuklären, anstatt A***** zu verstehen zu geben, dass die auch dort Beklagte im Verfahren auch ohne seine Aussage obsiegen würde und seine Aussage daher nicht erforderlich sei bzw ihm sogar zu raten, Zeugenladungen (ob nun in Wien oder in L*****) keine Folge zu leisten. Außerdem dürfe der Rechtsanwalt keine rechtlichen Risiken zu Lasten seines Mandanten eingehen; es sei im Zweifel der gefahrlosere Weg zu gehen. Zumindest in der Berufungsbeantwortung hätte die Klägerin aufzeigen müssen, dass sie bereit sei, den Beweis der Unkenntnis der Tochter von A***** von der Fassung des Aufsichtsratsbeschlusses im Umlaufweg zu führen. Die Klägerin habe das bestehende rechtliche Risiko in Kauf genommen, insofern ohne „Sicherheitsnetz“ gearbeitet, was ihre Haftung und den Entfall des bezughabenden Honorars begründe.
2.2 Der Rechtsanwalt haftet seiner Partei gegenüber für Unkenntnis der Gesetze sowie einhelliger Lehre und Rechtsprechung. Er muss, soll diese Haftung ausgeschlossen werden, seine Partei aufklären, wenn nach dem klaren Wortlaut des Gesetzes oder nach der einhelligen herrschenden Rechtsübung eine Prozessführung aussichtslos erscheint. Tut er dies nicht, ist seine Tätigkeit wertlos. In einem solchen Fall bestehen nicht nur Schadenersatzansprüche des Klienten für ihm erwachsene tatsächliche finanzielle Nachteile, sondern der Anwalt ist auch nicht berechtigt, ein Honorar zu verlangen (RIS-Justiz RS0038663). Er haftet jedoch nicht für eine unrichtige, aber vertretbare Gesetzesauslegung, auch wenn diese in der Folge vom Gericht nicht geteilt wird (RIS-Justiz RS0038663 [T13]). Eine unzulängliche Rechtsbelehrung macht den sie erteilenden Rechtsanwalt schadenersatzpflichtig. Nur dann, wenn sich eine Spruchpraxis zu einer bestimmten Rechtsfrage noch nicht gebildet hat, kann dem Rechtsanwalt kein Vorwurf gemacht werden, wenn ein von ihm eingenommener, an sich vertretbarer Rechtsstandpunkt in der Folge von der Rechtsprechung nicht geteilt werden sollte (RIS-Justiz RS0023526 [insb T5, T6, T9, T11]).
2.3 In Bezug auf die hier im Vorprozess schlagend gewordene Beweislastumkehr wurde zwar schon 1995 in einem Wettbewerbsprozess Waschmittelwerbung betreffend („Mehr Waschkraft als herkömmliches Pulver“) ausgeführt (4 Ob 11/95), dass die Beweislast für die Unrichtigkeit einer Werbeaussage grundsätzlich den Kläger trifft. Wenn der Kläger jedoch mangels genauer Kenntnis der Tatumstände ganz besondere, unverhältnismäßige Beweisschwierigkeiten habe, wogegen dem Beklagten diese Kenntnisse zur Verfügung stünden und es ihm daher nicht nur leicht möglich, sondern nach Treu und Glauben auch ohne weiteres zumutbar ist, die erforderlichen Aufklärungen zu geben, so habe der Beklagte – nicht nur bei der Alleinstellungswerbung – die Richtigkeit seiner Behauptung zu beweisen.
Auch im Unterhaltsrecht wurde – mit der Betonung auf eine Beschränkung auf besondere Ausnahmefälle – judiziert, dass die Nähe zum Beweis für die Zuteilung der Beweislast den Ausschlag gibt, wenn Tatfragen zu klären sind, die tief in die Sphäre einer Partei hineinführen (RIS-Justiz RS0013491; RS0121528). In den meisten dieser Fälle gelangte der Oberste Gerichtshof aber gerade nicht zu einer Beweislastverschiebung aufgrund der Nähe zum Beweis (vgl 10 Ob 21/08y).
2.4 Dass es bei den im Vorprozess zu beurteilenden Tatfragen aufgrund der Nähe zum Beweis zu einer solchen Beweislastverschiebung komme, war keineswegs so eindeutig, wie dies nun die Beklagte darzustellen sucht. Immerhin ließ das Berufungsgericht die ordentliche Revision gerade deshalb zu, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage fehlte, wen die Beweislast für die ausreichende Information aller Aufsichtsratsmitglieder von der beabsichtigten Beschlussfassung im schriftlichen Wege (als Wirksamkeitsvoraussetzung eines Aufsichtsrats-Umlaufbeschlusses) trifft. Die Revision wurde daraufhin auch vom Obersten Gerichtshof aus eben diesem Grunde angenommen und keineswegs wegen ausreichend geklärter Rechtslage zurückgewiesen.
2.5 In der Frage der Beweislastverteilung eine andere Rechtsmeinung vertreten zu haben, kann der Klägerin daher nicht haftungsbegründend oder ihren Honoraranspruch vernichtend zum Vorwurf gemacht werden.
2.6 Soweit die Beklagte behauptet, die Klägerin habe A***** zu verstehen gegeben, dass die Beklagte auch ohne seine Aussage obsiegen würde und seine Aussage daher nicht erforderlich sei bzw. ihm sogar geraten habe, Zeugenladungen keine Folge zu leisten, entfernt sich die Beklagte vom festgestellten Sachverhalt, sodass ihre Rechtsrüge insoweit nicht gesetzmäßig ausgeführt ist.
2.7 Soweit die Beklagte der Klägerin nunmehr auch Versäumnisse bei der Berufungsbeantwortung im Vorprozess vorwirft, stellt dies eine Neuerung dar, beschränkte sie sich doch in erster Instanz darauf, der Klägerin konkret vorzuwerfen, sie hätte im Vorprozess A***** und seine Tochter als Zeugen beantragen müssen, was sie aber ohnedies getan hat, und dass sie A***** effektiv davon abgeraten habe, gerichtlichen Ladungen aufgrund von Zeugenanträgen der Gegenseite Folge zu leisten (ON 5, 5). Auch das konnte nicht festgestellt werden, sondern es steht vielmehr fest, dass A***** vor der Einvernahme in L***** von der Klägerin in einer Zusammenfassung des Sachverhaltes „gebrieft“ wurde und ihm die Klägerin darlegte, dass der Verfahrensausgang stark von seiner Zeugenaussage vor dem englischen Gericht abhänge.
2.8 Im Übrigen ging das Erstgericht – angesichts des Verhaltens der Beklagten und A*****´s auch in diesem Verfahren völlig zu Recht – davon aus, dass die Beklagte nicht beweisen konnte, dass A***** vor Gericht erschienen wäre, selbst wenn Dr. K***** die Beweislastsituation so, wie später die zweite und dritte Instanz, eingeschätzt hätte (dislozierte Feststellung im Rahmen der rechtlichen Beurteilung, US 8).
2.9 Der Honoraranspruch besteht daher zu Recht; eine Haftung für einen wie auch immer gearteten, nicht erwiesenen Schaden ist zu verneinen.
3. Die Kostenentscheidung gründet auf §§ 41, 50 ZPO.
4. Die Revision ist gemäß § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig. Die Frage, ob ein Präklusionsbeschluss nach § 279 ZPO außerhalb der mündlichen Streitverhandlung gefasst werden kann, ist, wie dargelegt, hier für den Verfahrensausgang im Ergebnis nicht relevant. Ob ein Rechtsanwalt im Einzelfall die gebotene Sorgfalt eingehalten hat, kann nur nach den Umständen des Einzelfalles geprüft werden und stellt regelmäßig keine Frage von erheblicher Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO dar (RIS-Justiz RS0023526 [T16]).
Textnummer
EW0000946European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OLG0009:2018:00100R00090.18I.1030.000Im RIS seit
10.01.2019Zuletzt aktualisiert am
10.01.2019