Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Schwarzenbacher, Hon.-Prof. Dr. Brenn, Dr. Rassi und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S***** KG, *****, vertreten durch Rechtsanwälte Dr. Amhof & Dr. Damian GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei Wiener Netze GmbH, *****, vertreten durch Dr. Ralph Mayer, Rechtsanwalt in Wien, wegen Entfernung (Streitwert 12.000 EUR) und Feststellung (Streitwert 3.000 EUR), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Handelsgerichts Wien als Berufungsgericht vom 18. Juni 2018, GZ 60 R 91/17p-22, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts für Handelssachen Wien vom 2. März 2017, GZ 15 C 423/16i-11, bestätigt wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 913,80 EUR bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung:
Am 31. 3. 1982 schloss die Klägerin als Bestandnehmerin mit dem damaligen Liegenschaftseigentümer einen Bestandvertrag zur Errichtung einer Sportanlage. Im unmittelbaren Zusammenhang damit schloss die Klägerin mit dem Rechtsvorgänger der Beklagten eine „Vereinbarung über den Anschluss von Tarifabnehmeranlagen an das Hochspannungsnetz der Wiener Stadtwerke – Elektrizitätswerk (Beilage ./B)“. Diese Vereinbarung enthält auszugsweise folgende Bestimmungen:
„I. Art und Umfang der Versorgung
Das EVU stellt gemäß Pkt II.3 der Allgemeinen Bedingungen für die Versorgung mit elektrischer Energie aus dem Niederspannungsnetz des EVU Wiener Stadtwerke – Elektrizitätswerke seine Anlagen dem Anschlusswerber zur Entnahme von elektrischer Energie bereit. …
…
IX. Sonstige Bestimmungen
…
Die Stromversorgung erfolgt im Übrigen nach den Allgemeinen Bedingungen für die Versorgung mit elektrischer Energie aus dem Niederspannungsnetz des EVU Wiener Stadtwerke – Elektrizitätswerke.“
Die in der Anschlussvereinbarung angeführten Allgemeinen Bedingungen für die Versorgung mit elektrischer Energie aus dem Niederspannungsnetz der Wiener Stadtwerke – Elektrizitätswerke enthalten auszugsweise folgende Bestimmungen (Beilage ./C):
„II. Art und Umfang der Versorgung
…
3. Das EVU hat dafür zu sorgen, dass dem Abnehmer, solange der Versorgungsvertrag läuft, dauernd die Möglichkeit gewährt wird, elektrische Arbeiten im Umfang seiner Anmeldung … zu jeder Tages- und Nachtzeit am Ende des Hausanschlusses zu übernehmen, soweit nicht die allgemeinen Tarife zeitliche Beschränkungen vorsehen. …
III. Vertragsschluss und Verpflichtungen des Abnehmers
…
3. Der Abnehmer ist verpflichtet, falls er zugleich Grundstückseigentümer ist, die Zu- und Fortleitung elektrischer Arbeit über seine Grundstücke sowie die Anbringung von Leitungen, Leitungsträgern und Zubehör für die Zwecke örtlicher Versorgung – für das Niederspannungsnetz ohne besonderes Entgelt – zuzulassen und die Durchführung nach Kräften zu erleichtern, zB an Bäumen die erforderlichen Ausästungen vorzunehmen, an den vom Werk erstellten Einrichtungen kein Eigentumsrecht geltend zu machen, sie nach Wahl des EVU nach Aufhören des Gebrauchs elektrischer Arbeit aus dem Netz noch fünf Jahre zu belassen oder ihre Entfernung zu gestatten und diese sämtlichen Verpflichtungen auf seinen Rechtsnachfolger zu übertragen.
4. Ist der Antragsteller nicht zugleich Grundstückseigentümer, so ist die schriftliche Zustimmung des Grundstückseigentümers zur Grundstücksbenützung im Umfang der Ziffer III.3 sowie zur Herstellung des Hausanschlusses unter gleichzeitiger Anerkennung dieser Bedingungen zu IV. bei der Anmeldung beizubringen.
...“
Neben diesen Allgemeinen Vertragsbedingungen bestehen die von der Energie-Control-Kommission gemäß § 32 des Wiener ElektrizitätswirtschaftsG 2001 genehmigten Allgemeinen Bedingungen für den Zugang zum Verteilernetz der Wien Strom GmbH, die in den Jahren 2003, 2005 und 2009 geändert wurden.
Auf Basis der Anschlussvereinbarung aus dem Jahr 1982 errichtete das EVU die Stromanlage bis zum Netzverteiler sowie den Transformator; die Klägerin errichtete eine Transformatorstation. Das Bestandverhältnis an der Bestandliegenschaft wurde zum 31. 5. 2012 einvernehmlich beendet. Der Anschlussvertrag zwischen den Streitteilen ist ebenfalls nicht mehr aufrecht.
Die Klägerin begehrte
1. die Beklagte schuldig zu erkennen, den Transformator samt Kabeleinbauten auf der Bestandliegenschaft zu entfernen;
in eventu, zwischen der Klägerin und der Beklagten festzustellen, dass die Beklagte gegenüber der Liegenschaftseigentümerin schuldig sei, den Transformator samt Kabeleinbauten zu entfernen;
2. festzustellen, dass die Beklagte der Klägerin für sämtliche Schäden bzw Nachteile aus der Nichtentfernung des Transformators samt Kabeleinbauten zu haften habe.
Dazu brachte die Klägerin vor, der vom Rechtsvorgänger der Beklagten errichtete Transformator sei Bestandteil der als Superädifikat zu qualifizierenden Tennisanlage. Der Transformator teile daher das Schicksal des Superädifikats, das im Eigentum der Klägerin stehe und nach Beendigung des Bestandvertrags über die Bestandliegenschaft entfernt werden müsse.
Die Beklagte entgegnete, dass die Klägerin nach den im Jahr 1982 vereinbarten Allgemeinen Vertragsbedingungen (Beilage ./C) verpflichtet sei, Leitungen, Leitungsträger und Zubehör für die Zwecke der örtlichen Stromversorgung für die Dauer von fünf Jahren nach Ende des Gebrauchs elektrischer Energie zu belassen. Außerdem habe nach der Liberalisierung des Strommarktes im Jahr 2001 das Wiener ElektrizitätswirtschaftsG 2001 angeordnet, dass bei bestehenden Verträgen über den Netzzugang die nach dem Gesetz genehmigten Allgemeinen Netzbedingungen anzuwenden seien. Nach diesen Allgemeinen Netzzugangsbedingungen bestehe die Verpflichtung, den Bestand und den Betrieb der Transformatorstation noch zehn Jahre ab Auflösung des Vertrags unentgeltlich zuzulassen. Das Entfernungsbegehren sei daher nicht berechtigt. Die vom Eventualbegehren angestrebte Klärung des rechtlichen Verhältnisses zwischen der Liegenschaftseigentümerin und der Beklagten stehe nicht im rechtlichen Interesse der Klägerin. Eine Haftung der Beklagten aus der Nichtentfernung des Transformators samt Kabeleinbauten bestehe ebenfalls nicht.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. In § 81 Abs 6 des Wiener ElektrizitätswirtschaftsG 2001 (§ 77 Abs 4 und 5 des Wiener ElektrizitätswirtschaftsG 2005) habe der Gesetzgeber die Geltung der Allgemeinen Bedingungen für den Zugang zum Verteilernetz der Wien Strom GmbH als objektives Recht bestimmt. Darin sei die Verpflichtung normiert, Bestand und Betrieb der Transformatorstation zehn Jahre ab Auflösung des Vertrags zuzulassen.
Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Es ergänzte den Sachverhalt um relevante Bestimmungen aus den Beilagen ./B und ./C und führte aus, dass die Klägerin nach Pkt III.3 und III.4 der Allgemeinen Vertragsbedingungen laut Beilage ./C verpflichtet sei, die vom EVU erstellten Einrichtungen nach Aufhören des Gebrauchs elektrischer Arbeit aus dem Netz noch fünf Jahre zu belassen. Das Eventualbegehren gehe über die Zwei-Parteien-Beziehung im vorliegenden Verfahren hinaus und könne nicht Ziel des Verfahrens sein. Das Feststellungsbegehren zur Haftung sei in Anbetracht der Belassungspflicht der Klägerin ebenfalls abzuweisen. Die ordentliche Revision sei zulässig, weil zur Frage der normativen Anwendung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen im Bereich des Elektrizitätsrechts höchstgerichtliche Rechtsprechung fehle.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision der Klägerin, die auf eine Stattgebung des Klagebegehrens abzielt.
Mit ihrer Revisionsbeantwortung beantragt die Beklagte, die Revision zurückzuweisen, in eventu, dieser den Erfolg zu versagen.
Entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden – Ausspruch des Berufungsgerichts ist die Revision mangels Aufzeigens einer entscheidungsrelevanten erheblichen Rechtsfrage nicht zulässig.
Rechtliche Beurteilung
1. Zum (Haupt-)Entfernungsbegehren vertritt die Klägerin die Auffassung, dass Allgemeine Netzzugangsbedingungen nur dann gelten, wenn sie kraft ausdrücklicher oder stillschweigender Vereinbarung zum Vertragsinhalt geworden seien. Dies sei hinsichtlich der Allgemeinen Bedingungen für die Versorgung mit elektrischer Energie (Beilage ./C) hier auch der Fall. Dazu führt sie aus, dass diese Einbeziehung der Allgemeinen Vertragsbedingungen in den Vertrag aber nur teilweise erfolgt sei, nämlich nur in Bezug auf die Netzversorgung im Umfang des Pkt II.3 und hinsichtlich der Stromversorgung.
Die Klägerin geht somit selbst davon aus, dass die Allgemeinen Vertragsbedingungen (Beilage ./C) in den hier zugrunde liegenden Anschlussvertrag einbezogen wurden. Ausgehend von diesem Standpunkt der Klägerin hat das Berufungsgericht die Tatsachenfeststellungen um den wesentlichen Inhalt der Beilage ./B und der Beilage ./C ergänzt. Entgegen der Ansicht der Klägerin liegt in dieser Hinsicht weder ein Verstoß gegen den Grundsatz der Unmittelbarkeit, noch ein Begründungsmangel oder ein sekundärer Feststellungsmangel vor. Nach ständiger Rechtsprechung erfordert die Berücksichtigung des Inhalts einer in den Feststellungen der Vorinstanzen – wenn auch ohne wörtliche Wiedergabe – enthaltenen Urkunde, deren Echtheit überdies zugestanden wurde, im Rahmen der rechtlichen Beurteilung nicht die Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung (RIS-Justiz RS0121557).
2. Die Anschlussvereinbarung aus dem Jahr 1982 (Beilage ./B) verweist nicht nur in ihrem Pkt I. auf Pkt III.2 der Allgemeinen Vertragsbedingungen (Beilage ./C), sondern darüber hinaus in ihrem Pkt IX. allgemein darauf, dass die Stromversorgung nach den Allgemeinen Vertragsbedingungen laut Beilage ./C erfolgt. Damit wurden auch die Bestimmungen in Pkt III.3 und III.4 der Allgemeinen Vertragsbedingungen in den Anschlussvertrag einbezogen.
Die Beurteilung des Berufungsgerichts, der Standpunkt der Klägerin, wonach nur Pkt II.3 der Allgemeinen Vertragsbedingungen vereinbart worden sei, sei nicht nachvollziehbar, weil sich die Anschlussvereinbarung aus dem Jahr 1982 nicht nur auf die Stromversorgung, sondern auch auf die Herstellung der Anschlussanlage beziehe und eine Teilung der Allgemeinen Vertragsbedingungen aus deren Struktur nicht ersichtlich sei, ist nicht korrekturbedürftig.
3. Das Berufungsgericht hat die Abweisung des (Haupt-)Entfernungsbegehrens letztlich damit begründet, dass die Allgemeinen Vertragsbedingungen laut Beilage ./C – im Einklang mit dem Standpunkt der Klägerin – in den Vertrag einbezogen worden seien und die Klägerin nach Pkt III.3 und III.4 leg cit hinsichtlich der vom Elektrizitätswerk errichteten Stromanlage eine nachvertragliche Belassungspflicht in der Dauer von fünf Jahren nach Aufhören des Gebrauchs elektrischer Energie treffe. Aus diesem Grund stellt sich die vom Berufungsgericht und von der Klägerin als erheblich bezeichnete Frage, ob (von der Energie-Control-Kommission genehmigte) Allgemeine Netzzugangsbedingungen auch hoheitlichen Charakter haben und ihnen von vornherein, also auch ohne Parteienvereinbarung bzw ohne Einbeziehung in den Vertrag, normative Wirkung zukommt, nicht.
4. Zum Eventualbegehren, das sich auf das Rechtsverhältnis zwischen der Beklagten und der Liegenschaftseigentümerin bezieht, führt die Klägerin in der Revision aus, dass die Entfernungspflicht der Beklagten jedenfalls gegenüber der Liegenschaftseigentümerin bestehe und fraglich sei, ob die Liegenschaftseigentümerin ihr Entfernungsrecht direkt gegenüber der Beklagten geltend machen könne. Aus diesem Grund sei das rechtliche Interesse an der Feststellungsklage laut Eventualbegehren gegeben.
Eine Feststellungsklage nach § 228 ZPO erfordert ein rechtliches Interesse an der alsbaldigen gerichtlichen Feststellung eines Rechtsverhältnisses oder Rechts und eine tatsächliche Gefährdung der Rechtssphäre des Klägers. Ein Rechtsverhältnis iSd § 228 ZPO ist die bestimmte, durch den vorgegebenen Sachverhalt gegebene und konkretisierte rechtlich geregelte Beziehung von Personen untereinander oder von Personen und Sachen. Es muss sich grundsätzlich um ein gegenwärtiges Rechtsverhältnis oder Recht handeln, das zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Streitverhandlung erster Instanz bereits besteht (5 Ob 165/14x; 9 ObA 130/16g). Eine Feststellung im Sinn einer bloß abstrakten Klärung einer hypothetischen Rechtsfrage kommt nach § 228 ZPO nicht in Betracht. Auch Rechtshandlungen sind nicht feststellungsfähig, weil es sich dabei nicht um ein Recht oder Rechtsverhältnis, sondern nur um eine Vorfrage für dessen Bestand handelt (RIS-Justiz RS0038804; RS0039320).
Aufgrund des Eventualbegehrens soll „festgestellt“ werden, dass die Beklagte gegenüber der Liegenschaftseigentümerin schuldig sei, den Transformator samt Kabeleinbauten zu entfernen. Die Argumentation der Klägerin zum Bestehen eines Feststellungsinteresses scheitert schon daran, dass es sich dabei um kein Feststellungsbegehren, sondern um ein Entfernungsbegehren, also ein auf eine Handlung gerichtetes Leistungsbegehren (hier zugunsten eines Dritten) handelt. Außerdem könnte die Klägerin einen solchen auf Entfernung einer Störungsquelle gerichteten Beseitigungsanspruch nach § 523 ABGB zugunsten eines Dritten auch materiell nicht durchsetzen.
5. Zum Feststellungsbegehren wegen künftiger Schadenersatzansprüche führt die Klägerin in der Revision aus, dass sämtliche Schäden und Nachteile aus der Nichtentfernung des Transformators samt Kabeleinbauten ohne jedes Zutun der Klägerin allein auf die Beklagte zurückzuführen seien.
Die Feststellung der Ersatzpflicht für künftige Schäden setzt voraus, dass die Möglichkeit solcher Schäden aus einem Schadenereignis besteht, also künftige Ersatzansprüche, insbesondere gesundheitliche Spät- oder Dauerfolgen, nicht ausgeschlossen werden können (RIS-Justiz RS0039018; RS0038920; RS0038971). Eine solche Feststellungsklage dient nicht nur dem Ausschluss der Gefahr der Verjährung, sondern auch der Vermeidung späterer Beweisschwierigkeiten und der Klarstellung der Haftungsfrage dem Grunde nach (RIS-Justiz RS0038976).
Auch ein schadenersatzrechtliches Feststellungsbegehren kann nur dann berechtigt sein, wenn die Haftungsvoraussetzungen, insbesondere ein rechtswidriges und schuldhaftes Verhalten des in Anspruch genommenen Beklagten, zu bejahen ist. Die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass aufgrund der aufrechten (nachvertraglichen) Belassungspflicht der Klägerin auch das Haftungs-Feststellungsbegehren nicht berechtigt sei, entspricht der Rechtsprechung. Allein der Hinweis der Klägerin auf mögliche Nachteile rechtfertigt eine Feststellungsklage nicht.
6. Insgesamt gelingt es der Klägerin nicht, mit ihren Ausführungen eine erhebliche Rechtsfrage aufzuzeigen. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO. Die Beklagte hat auf die Unzulässigkeit der Revision in ihrer Revisionsbeantwortung hingewiesen (RIS-Justiz RS0035979).
Textnummer
E123684European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2018:0040OB00202.18M.1127.000Im RIS seit
11.01.2019Zuletzt aktualisiert am
11.01.2019