Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Schwarzenbacher, Hon.-Prof. Dr. Brenn, Dr. Rassi und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache des Klägers H***** T*****, vertreten durch Dr. Martin Brandstetter Rechtsanwalt GmbH in Amstetten, gegen die Beklagte K***** GmbH, *****, vertreten durch Mag. Otmar Moser, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen 10.480 EUR sA und Feststellung (Streitwert 5.000 EUR), über das Ersuchen des Landesgerichts Salzburg, den Zuständigkeitsstreit mit dem Bezirksgericht Mödling zu entscheiden, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Bezirksgericht Mödling wird die Erledigung des Rechtshilfeersuchens des Landesgerichts Salzburg betreffend die Durchführung einer Gutachtenserörterung aufgetragen.
Text
Begründung:
Der Kläger begehrt mit der beim Landesgericht Salzburg eingebrachten Klage von der Beklagten Schadenersatz, weil er sich in ihrem Kletterpark schwer verletzt habe.
Im Zuge des Verfahrens beauftragte das Landesgericht Salzburg ein (weiteres) Gutachten zur Sicherheit der Kletteranlage der Beklagten. Nach Erstattung des Gutachtens durch den im Sprengel des Bezirksgerichts Mödling ansässigen Sachverständigen fasste das Landesgericht Salzburg den Beschluss, wonach mangels Widerspruchs der Parteien ihre Zustimmung zur Gutachtenserörterung vor dem zuständigen Rechtshilfegericht angenommen werde. Besondere Gründe iSv § 277 ZPO lägen vor, weil aufgrund der vom Sachverständigen genannten Geschäftsreisen, fehlender Verhandlungszeit in den KW 44 und 45, wegen Übersiedlung des Gerichts in ein anderes Gerichtsgebäude und wegen des bevorstehenden Pensionsantritts des erkennenden Richters keine Verhandlungstermine vor dem erkennenden Gericht zur Verfügung stünden. Nachdem keine Äußerung der Parteien eingelangt war, übersandte das Landesgericht Salzburg den Akt dem Bezirksgericht Mödling mit dem Ersuchen, die Gutachtenserörterung im Beisein der Parteienvertreter vorzunehmen.
Das Bezirksgericht Mödling lehnte die Durchführung des Rechtshilfeersuchens aufgrund fehlender örtlicher Zuständigkeit ab, weil die Gutachtenserörterung im Rahmen der mündlichen Verhandlung zu erfolgen habe und diese am Gerichtsort durchzuführen sei. Für die Vernehmung eines einzelnen Zeugen im Rechtshilfeweg schaffe § 328 ZPO eine eigene Grundlage, wohingegen es für die Gutachtenserörterung (§ 357 Abs 2 ZPO) keinen entsprechenden Anknüpfungspunkt gebe. Der private Wohnort des vom Landesgericht Salzburg bestellten Sachverständigen, der Befund in Kleinarl aufgenommen und das daraufhin erstattete Gutachten in mündlicher Verhandlung zu erörtern habe, begründe keine im Sprengel des Bezirksgerichts Mödling vorzunehmende Amtshandlung. Überdies wäre selbst bei bestehender örtlicher Zuständigkeit eine derartige Rechtshilfe auch gesetzwidrig. Zwar obliege die Prüfung der Zweckmäßigkeit nicht dem ersuchten Gericht, sehr wohl aber die Gesetzmäßigkeit. Unter besonderen Gründen iSd § 277 ZPO habe der Gesetzgeber wohl kaum einen Terminmangel beim zuständigen Richter verstanden wissen wollen, sodass das Gericht nach der Bestimmung des § 277 ZPO idgF die Beweisaufnahme allenfalls per Videokonferenz durchzuführen habe.
Das Landesgericht Salzburg übermittelte den Akt neuerlich dem Bezirksgericht Mödling mit dem Hinweis auf Judikatur und auf den Umstand, dass der Sachverständige im Sprengel des Bezirksgerichts Mödling eingetragen sei und somit die örtliche Zuständigkeit dieses Gerichts für die Rechtshilfe bestehe.
Daraufhin retournierte das Bezirksgericht Mödling den Akt neuerlich unter Hinweis auf die bereits getroffene Entscheidung über seine örtliche Unzuständigkeit.
Das Landesgericht Salzburg legte sodann den Akt dem Obersten Gerichtshof zur Entscheidung über die Ablehnung der Rechtshilfe durch das Bezirksgericht Mödling vor.
Die Verweigerung der Rechtshilfe ist nicht berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Wird einem Ersuchen auf Rechtshilfe eines inländischen Gerichts nicht oder nicht vollständig entsprochen oder entstehen sonstige Meinungsverschiedenheiten, so ist § 40 JN sinngemäß anzuwenden; zur Entscheidung ist das beiden Gerichten übergeordnete Gericht berufen (§ 37 Abs 6 JN).
Gemäß § 37 Abs 3 JN darf das Rechtshilfegericht ein Rechtshilfeersuchen (nur dann) ablehnen, wenn es dazu örtlich unzuständig ist. Darüber hinaus ist der Rechtshilferichter nach der Rechtsprechung auch berechtigt, die Unzulässigkeit des Rechtswegs für die begehrte Rechtshilfehandlung sowie deren Unerlaubtheit und deren Unbestimmtheit zu beachten; die Prüfung der Zweckmäßigkeit oder der prozessualen Richtigkeit des Rechtshilfeersuchens ist dem ersuchten Gericht jedoch verwehrt (RIS-Justiz RS0046235; RS0129151). Auch dann, wenn für die Zweckmäßigkeit der Rechtshilfe die Auslegung einer gesetzlichen Bestimmung eine Rolle spielt und strittig ist, ob der gesetzliche Tatbestand im konkreten Fall erfüllt ist, kann der ersuchte Richter das Ersuchen nicht ablehnen (RIS-Justiz RS0040587). Dies gilt auch für die Frage, ob das ersuchende Gericht unter Berücksichtigung der Verfahrensökonomie die Einvernahme durch den ersuchten Richter oder jene im Wege einer Videokonferenz gemäß § 277 ZPO für zweckmäßiger oder aus besonderen Gründen für erforderlich erachtet (vgl 10 Nc 20/15w mwN); die Beurteilung dieser Frage liegt grundsätzlich im Ermessensspielraum des ersuchenden Gerichts im Rahmen der Verfahrensleitung.
Nachdem im vorliegenden Fall der Sachverständige im Sprengel des ersuchten Gerichts ansässig ist, besteht jedenfalls dessen Zuständigkeit. Auch liegt keine Gesetzwidrigkeit der Rechtshilfe vor, da auch die Erörterung von Befund und Gutachten zulässigerweise im Rechtshilfeweg vorgenommen werden kann (vgl 7 Nd 3/94).
In Wahrheit richten sich die vom ersuchten Gericht genannten Ablehnungsgründe gegen die Zweckmäßigkeit der Rechtshilfe. Eine Prüfung der Zweckmäßigkeit der verlangten Rechtshilfe ist dem ersuchten Gericht jedoch verwehrt (7 Nd 3/94).
Textnummer
E123562European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2018:0040NC00022.18Z.1127.000Im RIS seit
09.01.2019Zuletzt aktualisiert am
09.01.2019