Entscheidungsdatum
30.03.2017Index
90/01 StraßenverkehrsordnungNorm
StVO 1960 §24 Abs3 litdText
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Verwaltungsgericht Wien hat durch den Richter Dr. Fegerl auf Grund erhobener Vorstellung über die Beschwerde der U. vom 11.8.2016 gegen den Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 67, vom 11.7.2016, Zahl MA 67-410596-2016, betreffend Kostenvorschreibung gemäß § 89a StVO, nach durchgeführter öffentlicher mündlicher Verhandlung, zu Recht
e r k a n n t:
I. Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG wird der Beschwerde Folge gegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos aufgehoben.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig.
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE
1.1. Der Wiener Magistrat – Magistratsabteilung 67 richtete am 11.7.2016 zur Zahl MA 67-410596-2016-18 an die Beschwerdeführerin einen Bescheid mit folgendem Spruch:
„Das auf die U. AG zugelassene Kraftfahrzeug Marke Volvo V 70 mit dem behördlichen Kennzeichen W-... war in Wien, T., verkehrsbehindernd abgestellt.
Es wurde daher am 04.04.2016 um 22:06 Uhr von der Stadt Wien - Magistratsabteilung 48 entfernt und aufbewahrt.
Gemäß § 89a Abs. 7 und 7a der Straßenverkehrsordnung 1960 – StVO. 1960, BGBl. Nr. 159/60, in der geltenden Fassung, in Verbindung mit § 1 bis 3 der Verordnung des Magistrates der Stadt Wien betreffend die Festsetzung der Kosten für die Entfernung und Aufbewahrung von Fahrzeugen in Bauschbeträgen, Amtsblatt der Stadt Wien 47/2011 wird Ihnen dafür der folgende Kostenersatz vorgeschrieben:
Gemäß Tarif I P. Nr. 3 EUR 242,00 für das Entfernen des Fahrzeuges
Gemäß Tarif II P. Nr. 3 EUR 9,00 für jeden angefangenen Kalendertag (nach Dauer der Fahrzeugaufbewahrung)
Das Fahrzeug wurde in der Verwahrstelle der Magistratsabteilung 48 vom 04.04.2016 bis 06.04.2016 aufbewahrt.
Die Kosten betragen daher insgesamt EUR 269,00.
Der Betrag ist binnen zwei Wochen ab Rechtskraft dieses Bescheides an die Stadt Wien einzuzahlen.“
In der Begründung des angefochtenen Kostenvorschreibungsbescheides wurden im Wesentlichen folgende Feststellungen getroffen:
„Aus den von der Meldungslegerin übermittelten Fotos ist (bei aufgehellter Betrachtung auf dem Bildschirm) klar zu erkennen, dass sich die Heckkante des Fahrzeuges auf Höhe der links vom Zugangsbereich des Hauses befindlichen Betonwand, auf welcher die Hausnummerntafel „14“ angebracht war, befand. Diese eindeutige Feststellung konnte auch durch die an dieser Straßenstelle vorhandene Nahtstelle im Gehsteigbelag getroffen werden, welche bei aufgehellter Betrachtung auf dem von der Meldungslegerin übermittelten Foto, welches den Heckteil des silberfarbenen VOLVO zeigt, zu erkennen ist. Da die Abstellposition somit Ihren Angaben entspricht, war die Einvernahme der angebotenen Zeugen nicht erforderlich.
Am Abstellort wurde ein Lokalaugenschein durchgeführt und eine umfangreiche Fotodokumentation angefertigt, damit sich die erkennende Behörde ein Bild von der Verkehrsverhältnissen machen kann. Im Akt befindet sich weiters ein maßstabsgetreuer Plan mit einem Maßstab von 1:250. Mit Hilfe dieses Plans wurde für dieses - was die Abstellposition des VOLVO anbelangt engste - Straßenstück (wo sich die Heckkante befand) eine Fahrbahnbreite von 7,25 m ermittelt.
Abzüglich der Breite Ihres Fahrzeuges (laut Wikipedia beträgt diese 1861 mm - ohne Seitenspiegel), war für die engste Stelle neben dem Fahrzeug (neben dem hinteren Heckbereich) daher von einer Restfahrbahnbreite von 5,35 m auszugehen.
Der von der Meldungslegerin mitgeteilte Wert von 4,94 m Restfahrbahnbreite trifft wohl für den Rest der daran anschließenden Parkreihe links der Betonmauer sowie für den Bereich vor dem Haus T. 13 zu, aber für das verfahrensgegenständliche im Kurvenauslass abgestellte Fahrzeug (VOLVO) war als verbliebene Restfahrbahnbreite der von der Behörde nach eindeutiger Zuordnung des Abstellortes ermittelte Messwert von 5,35 m heranzuziehen.
Die erkennende Behörde hat die Aktenlage ihrer Entscheidung zu Grunde gelegt und die rechtswidrige Abstellung des Kraftfahrzeuges als erwiesen angenommen“
Nach Hinweis auf das Parkverbot des § 24 Abs. 3 lit. d StVO und Judikaturzitaten, wonach die Breite eines Fahrstreifens mit 2.60 m samt zusätzlichem Sicherheitsabstand anzunehmen sei, führte die belangte Behörde weiter aus, dass im Hinblick auf die Kurvenlage ein größerer Platzbedarf bestanden habe als die 2,60 m pro Fahrstreifen (bei geradem Fahrbahnverlauf). In Kurven könnten die Anforderungen an die Breite eines Fahrstreifens (Berücksichtigung der Schleppkurve größerer Fahrzeuges beim Durchfahren der Kurve) sogar 3,30 m übersteigen (Hinweis auf E VwGH Zl. 83/02/0272). Nicht jeder Verstoß gegen die StVO berechtige zur Entfernung des Fahrzeuges, doch sei die Entfernung schon dann zu veranlassen, wenn nach den Umständen des Einzelfalles zu besorgen sei, dass das Fahrzeug den übrigen Verkehr hindern würde oder zu hindern vermöge. Die Wahrscheinlichkeit einer Beeinträchtigung habe sich schon daraus ergeben, dass mit der Benützung von Fahrstreifen durch Fahrzeuge, welche die größte zulässige Breite aufweisen, grundsätzlich jederzeit zu rechnen sei und weil laut Zeugenaussage bereits herkömmliche PKW im Begegnungsverkehr bei der Durchfahrt beeinträchtigt gewesen seien. Da durch das vorschriftswidrig geparkte Fahrzeug eine fortgesetzte Verkehrsbeeinträchtigung infolge der unzureichenden Restfahrbahnbreite zu besorgen gewesen sei, seien die Voraussetzungen für eine Entfernung des Fahrzeuges und die Vorschreibung der damit verbundenen Kosten an die Zulassungsbesitzerin vorgelegen.
Dagegen richtet sich die vorliegende, rechtzeitig eingebrachte Beschwerde, in welcher der Vertreter der Beschwerdeführerin (BFV) ausführte, dass ein Vorbeifahren an gegenständlichem PKW nicht nur für herkömmliche PKW ungehindert möglich gewesen und das Abschleppen des PKWs rechtswidrig und überschießend gewesen sei. Auf die bisherigen Ausführungen wurde verwiesen.
Zunächst erließ das Verwaltungsgericht Wien durch den zuständigen Landesrechtspfleger das Erkenntnis vom 26.8.2016, Zahl VGW-251/002/RP14/10293/2016-2, mit welchem der Beschwerde keine Folge gegeben wurde. Auf Grund der dagegen rechtzeitig erhobenen Vorstellung (§ 54 VwGVG) hat nunmehr der zuständige Richter des Verwaltungsgerichtes Wien zu entscheiden.
In seiner Vorstellung führt der BFV im Wesentlichen aus, es sei keine Verkehrsbeeinträchtigung vorgelegen, ein Vorbeifahren sei auch laut Meldungslegerin natürlich möglich gewesen. Eine Behinderung iSd höchstgerichtlichen Judikatur erfordere, dass das Vorbeifahren entweder überhaupt nicht oder nur unter schwierigen bzw. zeitaufwendigen Fahrmanövern möglich sei. Ein Vorbeifahren an einem parkenden Kfz bei einer Restfahrbahnbreite von mehr als 5,3 m erfordere nicht schwierige oder zeitaufwendige Fahrmanöver. Der Abstellort befinde sich in einem reinen Wohngebiet in einer 30 km/h Zone, in der insbesondere während der verfahrensgegenständlichen Nachtstunden ein gleichzeitige Befahren durch 2 Autobusse oder Sattelschlepper je mit der größten zulässigen Breite nicht erfolge; die von der belangten Behörde mit Fotos dokumentierte, lebensnahe Situation mit 2 Kfz (1 VW-Bus und ein Pkw) würde belegen, dass die beiden Fahrzeuge trotz des an der Tatörtlichkeit parkenden Pkw an einer Vorbeifahrt nicht be- oder gehindert würden.
1.2. Nach Durchführung eines Lokalaugenscheins am 24.3.2017 und Vermessungen der Fahrbahnbreiten vor/in/nach der Kurve (T. 16-14) sowie Anfertigung weiterer Lichtbilder führte das Verwaltungsgericht Wien am 27.3.2017 im Beisein des Vertreters der Beschwerdeführerin (im Folgenden: BFV) sowie eines Vertreters der belangten Behörde (im Folgenden: BHV) eine öffentliche mündliche Verhandlung durch.
Der BFV gab über Nachfrage des Richters Folgendes an:
„Ich habe das gegenständliche Fahrzeug als erstes Fahrzeug parallel zum Fahrbahnrand vor der ONr. 14 (T.) abgestellt gehabt. Davor war in der Schräge mit den beiden Böllern unmittelbar an der Schnittstelle zur A.-gasse ein PKW, Peugeot, mit der Front zur ONr. 14 abgestellt. Unmittelbar daran anschließend habe ich den Volvo V70 mit der Front Richtung A.-gasse abgestellt, sodass sich das Heck im Bereich des Hauseinganges der ONr. 14 befand. Ich habe die Abstellsituation, in der die Abschleppung erfolgte, später nachgestellt und das dann fotografiert.“ Der BFV legte ein Lichtbild dazu vor.
Der BHV legte eine Ortsverhandlungsniederschrift vom 11.1.2017 vor, in der das gegenständliche Straßenstück mit der MA 46 begutachtet worden sei, um allfällige Maßnahmen bzw. Verkehrsbeschränkungen zu erörtern (Maßnahmen seien jedoch nur betreffend die ONr. 12-14 getroffen worden).
2.0. Das Verwaltungsgericht hat erwogen:
2.1. Hinsichtlich der Feststellungen zur Abstellsituation vor dem Haus T. bzw. zur Abstellposition des vom BFV abgestellt gewesenen Kraftfahrzeuges (Kombinationskraftwagen Volvo V70) kann auf die insoweit unstrittigen Feststellungen im angefochtenen Bescheid sowie auf die Feststellungen im parallel anhängig gewesenen Beschwerdeverfahren gegen den Strafbescheid verwiesen werden (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien vom 17.10.2016, Zl. VGW-032/016/10652/2016-2)
Der BFV hatte das Kraftfahrzeug mit dem Kennzeichen W-... am 4.4.2016 vor 22.00 Uhr in Wien, T., vor der Front des an dieser Adresse befindlichen Wohnhauses im Auslass einer Kurve parallel zum Fahrbahnrand (mit der Fahrzeugfront Richtung A.-gasse bzw. S.-straße) abgestellt, sodass sich die Heckkante des Fahrzeuges auf Höhe der links vom Zugangsbereich des Wohnhauses befindlichen Betonwand, auf der die Tafel mit der Hausnummer 14 angebracht war, befand. Die vorhandene Restfahrbahnbreite betrug nach Abzug der Breite des Kraftfahrzeuges des BFV (1,86 m) insgesamt 5,35 m.
Zur Veranschaulichung der Fahrbahnbreiten im Verlauf der G.-gasse (9-1) und des T. (17-13) von der S.-straße bis zur B.-gasse (es handelt sich durchgehend um eine Fahrbahn mit Gegenverkehr) ist festzuhalten, dass zunächst am Beginn der G.-gasse rechtsseitig ein markierter Parkstreifen besteht und die Restfahrbahnbreite bis zur Parkstreifenmarkierung lediglich 4,55 m (!) beträgt; nach einer leichten Fahrbahnerweiterung (G.-gasse 1 – T. 17) und dem Ende des (zum Teil am Gehsteig) markierten rechtsseitigen Parkstreifens bewegt sich die Restfahrbahnbreite bei Verparkung am rechten Fahrbahnrand im Bereich von 5,10 bis 5,20 m. Vor dem Kurveneingang (T. 16) und vor der (in der Kurve von rechts einmündenden A.-gasse) besteht ein kurzes Halte- und Parkverbot mit einer unverparkten Fahrbahnbreite von 7,00 m (wobei 2,70/2,80 m inklusive Markierungsbreite auf den mit Leitlinie markierten linken Fahrstreifen Richtung S.-straße entfallen und 4,20 m auf den hier primär interessierenden „rechten“ Fahrstreifen Richtung B.-gasse). Bis zur Kurvenmitte nimmt die Fahrbahnbreite (unverparkt) auf bis zu 9,30 m (links 3,25 m; rechts 6,05 m) zu. Bis zum Kurvenausgang hin (Wand mit der Hausnummer 14) nimmt die Fahrbahnbreite (unverparkt) auf rund 7,20 m (3,00 m + 4,20 m rechts) ab bis die Fahrbahnbreite im wieder geraden Verlauf nach dem Eingangsbereich der ONr. 14 gleichbleibend 6,55 m (2,80 m links + 3,75 m rechts) erreicht, wo am 4.4.2016 zur ONR 13 hin nach dem gegenständlichen Volvo vier weitere Autos geparkt waren (die ebenfalls abgeschleppt wurden).
Der Gegenverkehr wird also im mehr oder weniger geraden Verlauf der Fahrbahn mit Restfahrbahnbreiten zwischen 4,55 m und 6,55 m abgewickelt, wobei sich dies in der vor Ort bestehenden 30 km/h – Zone auch im Begegnungsverkehr von nicht allzu breiten PKW und Klein-LKW ab einer Restfahrbahnbreite von rund 5,00 m als weitgehend unproblematisch erweist (Fahrzeugbreiten von [2x] 1,60 m bis 2,00 m plus ausreichende Abstände zwischen den Fahrzeugen und zu parkenden Fahrzeugen erfordern in der Regel [faktisch] nicht mehr als 4,80 bis 5,00 m freie Fahrbahnbreite).
2.2. Gemäß § 24 Abs. 3 lit. d StVO ist das Parken auf Fahrbahnen mit Gegenverkehr verboten, wenn nicht mindestens zwei Fahrstreifen für den fließenden Verkehr frei bleiben. Gemäß §24 Abs. 3 lit. e leg. cit. ist das Parken auf der linken Seite von Einbahnstraßen verboten, wenn nicht mindestens ein Fahrstreifen für den fließenden Verkehr frei bleibt.
Gemäß § 89a Abs. 2 der StVO in der zum Abschleppzeitpunkt geltenden Fassung hat die Behörde die Entfernung des Gegenstandes ohne weiteres Verfahren zu veranlassen, wenn durch einen Gegenstand auf der Straße, insbesondere durch ein stehendes Fahrzeug, mag es betriebsfähig sein oder nicht, durch Schutt, Baumaterial, Hausrat und dergleichen der Verkehr beeinträchtigt wird. Das Gleiche gilt bei einem Gegenstand, bei dem zu vermuten ist, dass sich dessen der Inhaber entledigen wollte, sowie bei einem ohne Kennzeichentafeln abgestellten Kraftfahrzeug oder Anhänger.
Nach § 89a Abs. 2a lit. b und c StVO ist eine Verkehrsbeeinträchtigung im Sinne des Abs. 2 insbesondere dann gegeben, wenn der Lenker eines Omnibusses des Kraftfahrlinienverkehrs am Vorbeifahren oder Wegfahren, am Zufahren zu einer Haltestelle oder zu einer Garage oder am Befahren eine Fahrstreifens für Omnibusse gehindert ist; oder wenn der Lenker eines sonstigen Fahrzeuges am Vorbeifahren oder Wegfahren oder am Zufahren zu einer Ladezone oder zu einer Garagen- oder Grundstückseinfahrt gehindert ist.
Gemäß § 89a Abs. 7 StVO erfolgt das Entfernen und Aufbewahren des Gegenstandes auf Kosten desjenigen, der im Zeitpunkt des Aufstellens oder Lagerns des Gegenstandes dessen Inhaber, bei zum Verkehr zugelassenen Kraftfahrzeugen oder Anhängern dessen Zulassungsbesitzer war.
Die Kosten sind vom Inhaber, bei zum Verkehr zugelassenen Kraftfahrzeugen oder Anhängern vom Zulassungsbesitzer oder deren Erfüllungsgehilfen (Beauftragten) bei der Übernahme des Gegenstandes zu bezahlen. Wird der Gegenstand innerhalb der gemäß 89a Abs. 5 StVO 1960 festgesetzten Frist nicht übernommen oder die Bezahlung der Kosten verweigert, so sind die Kosten dem Inhaber des entfernten Gegenstandes, bei zum Verkehr zugelassenen Kraftfahrzeugen dem Zulassungsbesitzer, mit Bescheid vorzuschreiben.
2.3. In rechtlicher Hinsicht ist zunächst klarzustellen, dass die sogenannte „Besorgnisjudikatur“ des VwGH im Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3.10.1990, Zl. 89/02/0195, VwSlg. 31275 A/1990, u.a. auch für die Fälle des § 89a Abs. 2a lit. b bis f StVO aufrechterhalten wurde. Demnach darf die Entfernung (schon) dann veranlasst werden, wenn nach den Umständen des Einzelfalles zu besorgen ist, dass das Fahrzeug den übrigen Verkehr hindern werde (der übrige Verkehr muss also nicht schon konkret gehindert worden sein).
Hindern am Vorbei- oder Wegfahren bedeutet nicht eine bloße Behinderung, sondern die fahrtechnische oder rechtliche Unmöglichkeit des Vorbei- bzw. Wegfahrens (vgl. die Judikatur zu § 23 Abs. 1 StVO). Eine Hinderung am Vorbeifahren liegt dann vor, wenn das Vorbeifahren oder Weiterfahren für den Lenker eines anderen Fahrzeuges entweder überhaupt nicht oder nur unter schwierigen und zeitaufwändigen Fahrmanövern möglich ist.
Im Hinblick auf die größte zulässige Breite von Kraftfahrzeugen (§ 4 Abs. 6 KFG) wurde in der älteren Rechtsprechung des VwGH zu § 24 StVO ausgeführt, dass vom Freibleiben zweier Fahrstreifen nur dann gesprochen werden könne, wenn die restliche Fahrbahnbreite mindestens 5 m betrage, und dass es sich um eine enge Stelle der Fahrbahn handle, wenn die Gesamtfahrbahnbreite weniger als 5 m (in Einbahnen weniger als 2,5 m) betrage (vgl. VwGH 15.3.1989, Zl. 88/03/0138, VwGH 30.4.1982, Zl. 82/02/0007, oder VwGH 29.9.1993, Zl. 93/02/0111). Nachdem im Jahr 1990 die größte Breite für Kühlfahrzeuge auf 2,60 m und in weitere Folge für alle anderen Fahrzeuge auf 2,55 m hinaufgesetzt wurde, korrigierte der VwGH seine Aussage in Bezug auf § 24 Abs. 3 lit. e StVO (in Einbahnen) dahingehend, dass nunmehr 2,60 m samt zusätzlichem Sicherheitsabstand frei zu bleiben haben. Bleiben weniger als 2,60 in Einbahnen frei, bestehe auch die begründete Besorgnis einer Hinderung des Verkehrs (vgl. VwGH 21.11.2003, Zl. 2003/02/0240). Ebenfalls in Bezug auf Einbahnen wurde schon in der älteren Judikatur (VwGH 5.12.1983, Zl. 83/02/0272) betont, dass eine enge Stelle der Fahrbahn im Kurvenbereich einer Einbahn auch vorliegen kann, wenn eine Restfahrbahnbreite von mehr als 2,50 m (aktuell 2,60 m) freibleibt, aber die freibleibende Breite (z.B. von 3,30 m) für die Vorbeifahrt bzw. Abbiegen eines 2,5 m breiten Gelenkautobusses nicht mehr ausreiche.
Diese Aussagen in der Judikatur sind in Bezug auf einzelne Tatbestände des § 24 StVO vollkommen richtig und zum Teil (ausdrücklich oder implizit) auch für die Frage, ob eine Hinderung des Verkehrs (Verkehrsbehinderung iSd § 89a Abs. 2 iVm Abs. 2a StvO ) zu besorgen ist, relevant. In letzterem Zusammenhang ist zwischen Einbahnen und Fahrbahnen mit Gegenverkehr jedoch ein grundsätzlicher Unterschied augenfällig. Wird nämlich in einer Einbahn die Restfahrbahnbreite (durch abgestellte Fahrzeuge) auf weniger als 2,60 m eingeengt, so wird das Vorbeifahren oder Weiterfahren eines maximal breiten Kühl-LKW (vollkommen) unmöglich gemacht; ähnliches gilt für einen 18 m langen Gelenkbus, der im Kurvenbereich (nämlich im Kurveneingang z.B. einer 90°-Kurve) einer Einbahn nicht ca. 3,50 m Fahrbahnbreite frei hat.
Wenn jedoch auf Fahrbahnen mit Gegenverkehr die Restfahrbahnbreite auf rund 5,20 m (hier durch den abgestellten Volvo auf 5,35 m) eingeschränkt wird, so steht damit nicht unbedingt fest, dass Fahrzeuge (auch solche mit der maximal zulässigen Breite) am Vorbeifahren gehindert werden. Besonders knapp würde es in der hier gegebenen Konstellation (nur) bei (tatsächlichem) Gegenverkehr (und nur) dann, wenn zwei maximal breite Kraftfahrzeuge gleichzeitig im Begegnungsverkehr (ohne Abwarten des Gegenverkehrs) den Kurvenbereich vor der ONr. 14 durchfahren; solche Fahrzeuge hätten aber im vorangehenden Fahrbahnverlauf (zwischen S.-straße und T. 16) dieselben oder noch größere Probleme aneinander vorbeizufahren (weil dort die Restfahrbahnbreiten bei durchgehender rechtsseitiger Verparkung nur 4,55 m bis 5,20 m betragen). In altstädtischen Bereichen und Wohngebieten ist es auch nicht ungewöhnlich, dass Fahrbahnen mit Gegenverkehr nicht die an sich erforderliche Breite von mehr als 5,20 m aufweisen, aber dennoch Gegenverkehr stattfindet und (ab einer Breite von 4,80-5,00 m auch idR relativ problemlos) möglich ist. Wird die gegebene, für den Gegenverkehr (Begegnung zweier mehrspuriger Kraftfahrzeuge) ohnehin nicht in jedem Fall ausreichende Gesamtfahrbahnbreite dann noch durch ein abgestelltes Fahrzeug eingeschränkt, so ist fraglos eine Hinderung des Verkehrs zu befürchten (vgl. VwGH 31.7.1998, Zl. 97/02/0489, in Bezug auf § 24 Abs. 3 lit. d und § 89a Abs. 2a lit. c StVO).
Wird die Fahrbahnbreite wie im vorliegenden Fall durch das am Fahrbahnrand im Kurvenausgangsbereich geparkte (verfahrensgegenständliche) Kraftfahrzeug auf 5,35 m eingeschränkt, so ist die Abstellung zwar rechtswidrig bzw. tatbildlich nach § 24 Abs. 3 lit. d StVO, dass andere Fahrzeuglenker durch diese Einschränkung der Fahrbahnbreite auf 5,35 m am Vorbeifahren gehindert gewesen wären bzw. die begründete Besorgnis einer solchen Hinderung anzunehmen war, kann jedoch nicht festgestellt werden. Diese Beurteilung gründet sich auch auf die im unmittelbaren Kurvenbereich stark erhöhte Gesamtfahrbahnbreite und den Umstand, dass die Restfahrbahnbreite erst durch 4 weitere nach dem Kurvenausgang (vor T. zu 13 im Anschluss an den gegenständlichen Volvo) abgestellte Autos weiter auf weniger als 5,00 m eingeschränkt wurde.
2.4. In jenen Fällen, in denen das Gesetz als Voraussetzung für die Entfernung eines Hindernisses bzw. Fahrzeuges verlangt, dass Verkehrsteilnehmer „gehindert“ sind, ist zwar keine konkrete Hinderung von Verkehrsteilnehmern erforderlich und reicht die begründete Besorgnis einer solchen Hinderung aus , jedoch ist im vorliegenden Fall nach den Ergebnissen des Beweisverfahrens und den Umständen des Einzelfalles eine solche, die Abschleppung rechtfertigende Verkehrsbeeinträchtigung (anzunehmende Besorgnis der Hinderung anderer Fahrzeuglenker am Vorbeifahren) durch die vorschriftswidrige Abstellung des gegenständlichen Volvo V 70 nicht feststellbar.
Es kann somit nicht festgestellt werden, dass die Voraussetzungen zur Entfernung des Fahrzeugens vorlagen, sodass sich die gegenständliche Kostenvorschreibung nach § 89a StVO als unzulässig erweist.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
3. Zulässigkeit der ordentlichen Revision:
Die ordentliche Revision ist zulässig, da eine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Zwar orientiert sich die gegenständliche Entscheidung an der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 24 iVm § 89a StVO, doch ist der Rechtsprechung keine ausdrückliche Aussage darüber zu entnehmen, ab welcher Restfahrbahnbreite auf Fahrbahnen mit Gegenverkehr (§ 24 Abs. 3 lit. d StVO) von einer (zu befürchtenden) Hinderung anderer Fahrzeuglenker am Vorbeifahren (§ 89a Abs. 2a lit. c StVO) auszugehen ist. Wenngleich auch stark einzelfallbezogene Fragen zu beurteilen waren, so kommt der angesprochenen Rechtsfrage doch eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zu, sodass die ordentliche Revision zuzulassen war.
Schlagworte
Besorgnisjudikatur, Hinderung am Vorbeifahren, Fahrbahnen mit Gegenverkehr, Einschränkung des Fahrbahnbereiches durch ein parkendes Kraftfahrzeug, notwendige RestfahrbahnbreiteAnmerkung
VwGH v. 13.12.2018, Ro 2017/02/0021; ZurückweisungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGWI:2017:VGW.251.002.11110.2016.VORZuletzt aktualisiert am
07.01.2019