TE Bvwg Erkenntnis 2018/9/20 G304 2192684-1

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Veröffentlicht am 20.09.2018
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Entscheidungsdatum

20.09.2018

Norm

Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen §1
BBG §42
BBG §45
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

G304 2192684-1/6E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Beatrix LEHNER als Vorsitzende, sowie den Richter Ing. Mag. Franz SANDRIESSER und den fachkundigen Laienrichter Helmut WEIß als Beisitzer über die Beschwerde des XXXX, geb. XXXX, gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Steiermark, vom 28.02.2018, Sozialversicherungsnummer: XXXX, betreffend die Feststellung, dass die Voraussetzungen für die Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung auf Grund einer Behinderung" nicht vorliegen, zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG iVm §§1 Abs. 2, 40, 41 Abs. 1, 42 und 45 des Bundesbehindertengesetzes (BBG), BGBl. Nr. 283/1990, sowie § 1 Abs. 2 Z 3 der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, BGBl. II Nr. 495/2013, in der jeweils geltenden Fassung, stattgegeben.

Die Voraussetzungen für die Eintragung des Zusatzes "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung auf Grund einer Behinderung" in den Behindertenpass liegen vor.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) brachte am 28.11.2017 beim Sozialministeriumservice (im Folgenden: belangte Behörde), einen Antrag auf "Neuausstellung des Behindertenpasses wegen Verlustes, Diebstahls oder der Ungültigkeit" samt Beilagen ein. Mit Schreiben des BF vom 27.11.2017 ersuchte der BF um Neuausstellung seines Behindertenpasses und seines Parkausweises - wegen Verlustes deren Gültigkeit mit 31.12.2017, und verwies auf einen seit letzter Untersuchung im Vorjahr neuen Befund hinsichtlich seiner Schulter.

2. Im Rahmen des seitens der belangten Behörde durchgeführten Ermittlungsverfahrens wurde ein medizinisches Sachverständigengutachten von XXXX, Arzt für Allgemeinmedizin, vom 26.02.2018 eingeholt.

In diesem Gutachten wurde nach durchgeführter Begutachtung des BF am 05.02.2018 betreffend die beantragte Zusatzeintragung Folgendes ausgeführt (Name des BF durch "BF" ersetzt):

"(...) Nachdem der BF eine bereits vorgesehene operative Versorgung des linken Hüftgelenkes abgelehnt hat, ist es ihm auch ohne diese Operation möglich, eine kurze Wegstrecke unter Verwendung eines Hilfsmittels zurückzulegen, da auch die mittelgradigen Funktionseinschränkungen der Wirbelsäule und die Prellungen des rechten Schultergelenkes nach Sturz, ihn nicht so behindern, dass er das Ein- und Aussteigen, die Benützung und den Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht bewältigen könnte."

Als "Begründung" dafür wurde angegeben (Name des BF durch "BF" ersetzt):

"Die vom BF angegebenen Beschwerden sind nicht mit den vorliegenden Befunden und Funktionseinschränkungen vereinbar. Ohne neue relevante Befunde kann eine erhebliche Einschränkung der Gehstrecke durch die Wirbelsäulen- und Hüftgelenksbeschwerden nicht bestätigt werden. Die neu hinzugekommene Schultergelenksschädigung schränkt die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel nicht ein."

3. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 28.02.2018 wurde der Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" gem. §§ 42 und 45 des Bundesbehindertengesetzes (BBG), BGBl. 283/1990, idgF, abgewiesen.

Begründend wurde ausgeführt, dass das eingeholte ärztliche Sachverständigengutachten vom 26.02.2018 als schlüssig erkannt und in freier Beweiswürdigung der Entscheidung zu Grunde gelegt worden sei. Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel sei dann unzumutbar, wenn eine kurze Wegstrecke (300 bis 400 Meter) nicht aus eigener Kraft und ohne fremde Hilfe auch unter der Verwendung der zweckmäßigsten Behelfe, ohne Unterbrechung zurückgelegt werden könne oder wenn die Verwendung des erforderlichen Behelfs die Benützung des öffentlichen Transportmittels in hohem Maß erschweren würde. Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel sei auch dann nicht zumutbar, wenn sich die dauerhafte Gesundheitsschädigung auf die Möglichkeit des Ein- und Aussteigens und die sichere Beförderung in einem öffentlichen Verkehrsmittel unter Berücksichtigung der beim üblichen Betrieb dieses Verkehrsmittels angegebenen Bedingungen auswirke. Wie dem Sachverständigengutachten jedoch zu entnehmen sei, lägen die Voraussetzungen derzeit nicht vor.

4. Gegen den oben angeführten Bescheid erhob der BF innerhalb offener Frist Beschwerde. Dabei verwies der BF auf die Mangelhaftigkeit seiner Begutachtung und ersuchte um eine neuerliche Untersuchung.

5. Am 17.04.2018 langten der gegenständliche Verwaltungsakt und die Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden: BVwG) ein.

6. Mit Verfügung des BVwG vom 27.04.2018, Zl. G304 2192684-1/2Z, wurde XXXX, Arzt für Allgemeinmedizin, ersucht, ein Sachverständigengutachten auf der Grundlage der Einschätzungsverordnung zu erstellen und dieses "binnen sechs Wochen ab Begutachtung dieser Anordnung" dem BVwG zu übermitteln.

Mit Verfügung des BVwG vom 27.04.2018, Zl. G304 2192684-1/2Z, wurde der BF aufgefordert, sich am 25.06.2018 um 15:30 Uhr bei XXXX zur ärztlichen Begutachtung einzufinden.

7. In dem eingeholten Gutachten von XXXX vom 25.06.2018 wurden "aktuell direkte erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten bedingt durch das akute LWS Syndrom und die Hüftfunktionsminderung links" festgestellt, und wurde hinsichtlich der vom BF beantragten Zusatzeintragung folgende Stellungnahme abgegeben:

"Aufgrund der heutigen Untersuchung zeigt sich ein komplexes Schmerzsyndrom die Lendenwirbelsäule aber auch die Hüfte betreffend. Die angegebene Gehstreckeneinschränkung ist aufgrund der heutigen Untersuchung nachvollziehbar. Zusätzlich muss festgehalten werden, dass aufgrund der deutlichen Einschränkung der linken Hüfte auch das Überwinden von Niveauunterschieden, wie es in öffentlichen Verkehrsmitteln gegeben ist, nicht wirklich vorstellbar ist. Auch ist der sichere Transport, wenn überhaupt, nur im Sitzen gegeben. Es sei auch festgehalten, dass aktuell ein akutes Lendenwirbelsäulensyndrom bei primär chronischen Beschwerden besteht und sich dadurch die Funktion im Gegensatz zum Vorgutachten verschlechtert zeigt."

8. Mit Verfügung des BVwG vom 25.07.2018, Zl. G304 2192684-1/4Z, dem BF zugestellt am 01.08.2018, wurde dem BF das seitens des BVwG eingeholte Sachverständigengutachten übermittelt und ihm zur Wahrung des Parteiengehörs die Gelegenheit eingeräumt, dazu binnen zwei Wochen ab Zustellung dieser Verfügung Stellung zu nehmen.

9. Eine Stellungnahme dazu ist nicht eingelangt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Der BF ist im Besitz eines Behindertenpasses.

1.2. Im vom BVwG im Beschwerdeverfahren eingeholten Sachverständigengutachten vom 25.06.2018 wurden "aktuell direkte erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten bedingt durch das akute LWS Syndrom und die Hüftfunktionsminderung links" festgestellt.

1.3. Die Voraussetzungen für die Zusatzeintragung "Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung auf Grund einer Behinderung ist nicht zumutbar" liegen vor.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Inhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes und des vorliegenden Gerichtsaktes des BVwG.

2.2. Basierend auf der ständigen Rechtsprechung des VwGH bedarf es in einem Verfahren über einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung" in einen Behindertenpass regelmäßig eines ärztlichen Sachverständigengutachtens, das die Auswirkungen der Gesundheitsschädigung auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel beurteilt, sofern diese Frage nicht in einem unmittelbar zuvor durchgeführten Verfahren gemäß § 14 Abs. 2 Behinderteneinstellungsgesetz im Rahmen der ärztlichen Begutachtung ausreichend behandelt wurde oder die Unzumutbarkeit aufgrund der Art der Gesundheitsschädigung auf der Hand liegt (VwGH vom 20.03.2001, GZ 2000/11/0321).

Nach der ständigen Judikatur des VwGH muss ein Sachverständigengutachten einen Befund und das eigentliche Gutachten im engeren Sinn enthalten. Der Befund ist die vom Sachverständigen - wenn auch unter Zuhilfenahme wissenschaftlicher Feststellungsmethoden - vorgenommene Tatsachenfeststellung. Die Schlussfolgerungen des Sachverständigen aus dem Befund, zu deren Gewinnung er seine besonderen Fachkenntnisse und Erfahrungen benötigt, bilden das Gutachten im engeren Sinn. Eine sachverständige Äußerung, die sich in der Abgabe eines Urteiles (eines Gutachtens im engeren Sinn) erschöpft, aber weder die Tatsachen, auf die sich dieses Urteil gründet, noch die Art, wie diese Tatsachen ermittelt wurden, erkennen lässt, ist mit einem wesentlichen Mangel behaftet und als Beweismittel unbrauchbar; die Behörde, die eine so geartete Äußerung ihrer Entscheidung zugrunde legt, wird ihrer Pflicht zur Erhebung und Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes (§ 37 AVG) nicht gerecht (VwGH vom 17.02.2004, GZ 2002/06/0151).

Hat eine Partei grundlegende Bedenken gegen ein ärztliches Gutachten, dann ist es nach Ansicht des VwGH an ihr gelegen, auf gleichem fachlichen Niveau diesem entgegenzutreten oder unter Anbietung von tauglichen Beweismitteln darzutun, dass die Aussagen des ärztlichen Sachverständigen mit dem Stand der medizinischen Forschung und Erkenntnis nicht vereinbar sind (VwGH vom 20.10.1978, 1353/78).

Eine Partei kann ein Sachverständigengutachten nur dann erfolgreich bekämpfen, wenn sie unter präziser Darstellung der gegen die Gutachten gerichteten sachlichen Einwände ausdrücklich erklärt, dass sie die Einholung eines weiteren Gutachtens bestimmter Fachrichtung zur vollständigen Ermittlung des Sachverhaltes für erforderlich halte und daher einen Antrag auf Beiziehung eines weiteren Sachverständigen stellt (VwGH vom 23.11.1978, GZ 0705/77).

Der Verwaltungsgerichtshof führte aber in diesem Zusammenhang auch aus, dass keine Verletzung des Parteiengehörs vorliegt, wenn einem Antrag auf Einholung eines zusätzlichen Gutachtens nicht stattgegeben wird (VwGH vom 25.06.1987, 87/06/0017).

Unter dem Blickwinkel der Judikatur der Höchstgerichte, insbesondere der zitierten Entscheidungen, ist das von Amts wegen eingeholte Gutachten des Amtssachverständigen XXXX, Arzt für Allgemeinmedizin, vom 25.06.2018 nachvollziehbar und weist keine Widersprüche auf.

Es wurde auf die Art der Leiden und deren Ausmaß ausführlich eingegangen. Der Sachverständige kam unter Berücksichtigung der vorgelegten Befunde zum Ergebnis, dass beim BF "aktuell direkte erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten bedingt durch das akute Lendenwirbelsäulensyndrom und die Hüftfunktionsminderung links" gegeben sind.

Unter "momentane Beschwerden" wurde im Sachverständigengutachten vom 25.06.2018 festgehalten:

"Im Vordergrund ist die Problematik der linken Hüfte. Dort habe ich einen Tumor im Oberschenkelhals sowie eine höhergradige Abnützung. Eine Operation sollte durchgeführt werden, jedoch habe ich Angst, daher schiebe ich die Operation immer raus. Zusätzlich habe ich einen Bandscheibenschaden vor 2 Jahren erlitten mit Ausfällen im Bereich des rechten Kniegelenkes. Dieses lässt öfters aus und ich bin schon öfter über die Stiege gefallen. Auch ist ein Taubheitsgefühl im rechten Kniegelenk gegeben. Gehen kann ich mit Unterarmstützkrücken etwa 50 Meter, dann muss ich oftmals zwischenzeitlich rasten."

Im "Untersuchungsbefund" des Gutachtens vom 25.06.2018 wurde unter "Gangbild/Mobilität" unter anderem angeführt:

"Der Gang ist deutlich schmerzgehemmt, massiv linksseitig humpelnd trotz linksseitig geführter Unterarmstützkrückenhilfe."

Der Sachverständige führte in seiner Stellungnahme im Gutachten an, dass sich aufgrund der heutigen Untersuchung "ein komplexes Schmerzsyndrom die Lendenwirbelsäule aber auch die Hüfte betreffend" zeige und die angegebene Gehstreckeneinschränkung aufgrund der heutigen Untersuchung nachvollziehbar sei. Der Sachverständige hat aufgrund der deutlichen Einschränkung der Hüfte auch das Überwinden von Niveauunterschieden nicht für "wirklich vorstellbar" und einen sicheren Transport in öffentlichen Verkehrsmitteln, wenn überhaupt, nur im Sitzen für möglich gehalten.

Da der BF gegen das ihm vorgehaltene Sachverständigengutachten vom 25.06.2018 keine Einwendung erhoben hat, wird dieses in freier Beweiswürdigung gegenständlicher Entscheidung zu Grunde gelegt.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zuständigkeit und anzuwendendes Recht:

Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz - BVwGG) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.

Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die im § 10 Abs. 1 Z 6 des Bundesbehindertengesetzes genannte Vereinigung entsendet die Vertreterin oder den Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung. Hinsichtlich der Aufteilung des Nominierungsrechtes auf gleichartige Vereinigungen ist § 10 Abs. 2 des Bundesbehindertengesetzes anzuwenden. Für die Vertreterin oder den Vertreter ist jeweils auch die erforderliche Anzahl von Ersatzmitgliedern zu entsenden.

Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichts-verfahrensgesetz - VwGVG) geregelt (§ 1 leg.cit.).

Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben ist, den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

3.2. Zu Spruchteil A):

Gemäß § 1 Abs. 2 Z 3 der am 01. Jänner 2014 in Kraft getretenen Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, BGBl. II Nr. 495/2013 ist auf Antrag des Menschen mit Behinderung jedenfalls einzutragen, die Feststellung, dass dem Inhaber/der Inhaberin des Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist; die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das 36. Lebensmonat vollendet ist und

-

erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder

-

erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder

-

erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten, Funktionen oder

-

eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder

-

eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit nach

§ 1 Abs. 2 Z 1 lit. b oder d vorliegen.

Im vom BVwG eingeholten ärztlichen Gutachten von XXXX vom 25.06.2018 wurden "aktuell direkte erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten bedingt durch das akute Lendenwirbelsäulensyndrom und die Hüftfunktionsminderung links" festgestellt und von einer relevanten "Gehstreckeneinschränkung" und einer dem BF unmöglichen Überwindung von Niveauunterschieden ausgegangen und ein sicherer Transport in öffentlichen Verkehrsmitteln, wenn möglich, nur im Sitzen, für möglich gehalten. Demzufolge ist der Sachverständige in seinem Sachverständigengutachten vom 25.06.2018, wenn auch nicht ausdrücklich angeführt, von einer dem BF unzumutbaren Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ausgegangen.

Der BF ist dem vom BVwG eingeholten, ihm im Rahmen des Parteiengehörs vorgehaltenen, Sachverständigengutachten vom 25.06.2018 nicht entgegengetreten, weshalb spruchgemäß zu entscheiden und der Beschwerde spruchgemäß stattzugeben war.

3.3. Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn

1. der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder

2. die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist.

Gemäß § 24 Abs. 3 VwGVG hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.

Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen.

Der EGMR hat in seinen Entscheidungen vom 10. Mai 2007, Nr. 7401/04 (Hofbauer/Österreich Nr. 2), und vom 3. Mai 2007, Nr. 17.912/05 (Bösch/Österreich), unter Hinweis auf seine frühere Rechtsprechung dargelegt, dass der Beschwerdeführer grundsätzlich ein Recht auf eine mündliche Verhandlung vor einem Tribunal hat, außer es lägen außergewöhnliche Umstände vor, die eine Ausnahme davon rechtfertigten. Der EGMR hat das Vorliegen solcher außergewöhnlichen Umstände angenommen, wenn das Verfahren ausschließlich rechtliche oder "hoch-technische" Fragen ("exclusively legal or highly technical questions") betrifft. Der Gerichtshof verwies im Zusammenhang mit Verfahren betreffend ziemlich technische Angelegenheiten ("rather technical nature of disputes") auch auf das Bedürfnis der nationalen Behörden nach zweckmäßiger und wirtschaftlicher Vorgangsweise, das angesichts der sonstigen Umstände des Falles zum Absehen von einer mündlichen Verhandlung berechtige (VwGH 03.10.2013, 2012/06/0221).

In seinem Urteil vom 18. Juli 2013, Nr. 56.422/09 (Schädler-Eberle/Liechtenstein) hat der EGMR in Weiterführung seiner bisherigen Judikatur dargelegt, dass es Verfahren gebe, in denen eine Verhandlung nicht geboten sei, etwa wenn keine Fragen der Beweiswürdigung aufträten oder die Tatsachenfeststellungen nicht bestritten seien, sodass eine Verhandlung nicht notwendig sei und das Gericht auf Grund des schriftlichen Vorbringens und der schriftlichen Unterlagen entscheiden könne (VwGH 03.10.2013, 2012/06/0221).

Der entscheidungsrelevante Sachverhalt ist vor dem Hintergrund des vorliegenden, nicht bestrittenen Sachverständigengutachtens von XXXX vom 25.06.2018, welches als schlüssig, nachvollziehbar und widerspruchsfrei erachtet wird, geklärt.

3.4. Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG) hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzlicher Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung.

Weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Die Zulassung der Revision war gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG zudem zu verneinen, weil die gegenständliche Entscheidung in Wesentlichen nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, sondern von Tatsachenfragen. Maßgebend ist das festgestellte Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigungen.

Schlagworte

Behindertenpass, Sachverständigengutachten, Zusatzeintragung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:G304.2192684.1.00

Zuletzt aktualisiert am

04.01.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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