Entscheidungsdatum
02.10.2018Norm
AsylG 2005 §12a Abs2Spruch
G306 2188335-2/2E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Dietmar MAURER in dem amtswegig eingeleiteten Verfahren über die durch den mündlich verkündeten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 27.09.2018, Zl XXXX, erfolgte Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes des XXXX, geb. XXXX, StA: Serbien, beschlossen:
A) Die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes ist gemäß § 12a Abs. 2 AsylG und
§ 22 Abs. 1 BFA-VG nicht rechtmäßig.
B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
BEGRÜNDUNG:
I. Verfahrensgang und Sachverhalt:
Die beschwerdeführende Partei stellte am XXXX.2016 in Österreich erstmals einen Antrag auf internationalen Schutz. Dabei brachte diese im Wesentlichen vor, dass sie in ihrer Heimat durch Privatpersonen namens "XXXX" bedroht worden sei.
Dieser Antrag wurde folglich mit Bescheid vom 02.02.2018 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen; gemäß § 8 wurde der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Serbien abgewiesen, da weder eine asylrelevante noch refoulementrelevante Gefährdungslage für die beschwerdeführende Partei festgestellt bzw. glaubhaft gemacht werden konnte. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde gemäß § 57 AsylG nicht erteilt. Gemäß § 10 Absatz 1 Ziffer 3 AsylG iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz wurde eine Rückkehrentscheidung erlassen. Es wurde festgestellt, dass die Abschiebung gemäß § 46FPG nach Serbien zulässig ist und eine Frist für die freiwillige Ausreise von 14 Tagen ab Rechtskraft des Bescheides eingeräumt.
Dagegen brachte die beschwerdeführende Partei rechtzeitig die Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht ein. Mit Erkenntnis vom 06.07.2018, Zahl G307 2188338-1/11E wurde die Beschwerde - nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung - als unbegründet abgewiesen. Das Erkenntnis erwuchs mit dem 20.07.2018 in Rechtskraft.
Am 03.09.2018 stellte die beschwerdeführende Partei abermals einen Antrag auf internationalen Schutz. Zu den Fluchtgründen brachte diese abermals dieselben - wie bereits beim Erstantrag - vor. Es hätte sich nichts wesentlich verändert, außer, dass vor ca. einem halben Jahr ihr Heimatshaus abgebrannt wäre. Es wird vermutet, dass die Privatperson - bei welchen sie schulden hätten - Familienschulden -das Haus angezündet habe.
Am 12.09.2018 stimmte die serbische Botschaft der Rückübernahme der beschwerdeführenden Partei zu.
Im Rahmen der niederschriftlichen Einvernahme am 17.09.2018 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) verkündete der Leiter der Amtshandlung, dass der faktische Abschiebeschutz gem. § 12, 12a Abs 2 AsylG idgF aufgehoben werde. Die Behörde traf dabei Feststellungen zur Person und zum Herkunftsstaat auf Grundlage des Länderinformationsblattes der Staatendokumentation, aktueller Stand, und kam im Rahmen der Beweiswürdigung zum Ergebnis, dass die Voraussetzungen für die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes vorliegen würden.
Am 01.10.2018 langte der Verwaltungsakt zur amtswegigen Überprüfung gem. § 22 BFA-VG beim BVwG ein und wurde die Behörde vom Einlangen unverzüglich verständigt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Beweiswürdigung:
Der Verfahrensgang und der oben festgestellte Sachverhalt ergeben sich aus dem unbedenklichen und unzweifelhaften Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakte des BFA sowie aus dem Gerichtsakt des Bundesverwaltungsgerichtes.
2. Rechtliche Beurteilung:
Zu Spruchteil A)
Der mit "Faktischer Abschiebeschutz bei Folgeanträgen" betitelte § 12a AsylG 2005 lautet:
§ 12a. (1) Hat der Fremde einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) nach einer zurückweisenden Entscheidung gemäß §§ 4a oder 5 oder nach jeder weiteren, einer zurückweisenden Entscheidung gemäß §§ 4a oder 5 folgenden, zurückweisenden Entscheidung gemäß § 68 Abs. 1 AVG gestellt, kommt ihm ein faktischer Abschiebeschutz nicht zu, wenn
1. gegen ihn eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG oder eine Ausweisung gemäß § 66 FPG erlassen wurde,
2. kein Fall des § 19 Abs. 2 BFA-VG vorliegt,
3. im Fall des § 5 eine Zuständigkeit des anderen Staates weiterhin besteht oder dieser die Zuständigkeit weiterhin oder neuerlich anerkennt und sich seit der Entscheidung gemäß § 5 die Umstände im zuständigen anderen Staat im Hinblick auf Art. 3 EMRK nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit maßgeblich verschlechtert haben., und
4. eine Abschiebung unter Berücksichtigung des Art. 8 EMRK (§ 9 Abs. 1 bis 2 BFA-VG) weiterhin zulässig ist.
(2) Hat der Fremde einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) gestellt und liegt kein Fall des Abs. 1 vor, kann das Bundesamt den faktischen Abschiebeschutz des Fremden aufheben, wenn
1. gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG besteht,
2. der Antrag voraussichtlich zurückzuweisen ist, weil keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhalts eingetreten ist, und
3. die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten und für ihn als Zivilperson keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.
(3) Hat der Fremde einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) gemäß Abs. 2 binnen achtzehn Tagen vor einem bereits festgelegten Abschiebetermin gestellt, kommt ihm ein faktischer Abschiebeschutz nicht zu, wenn zum Antragszeitpunkt
1. gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG besteht,
2. der Fremde über den Abschiebetermin zuvor nachweislich informiert worden ist und
3. darüber hinaus
a) sich der Fremde in Schub-, Straf- oder Untersuchungshaft befindet;
b) gegen den Fremden ein gelinderes Mittel (§ 77 FPG) angewandt wird, oder
c) der Fremde nach einer Festnahme gemäß § 34 Abs. 3 Z 1 oder 3 BFA-VG iVm § 40 Abs. 1 Z 1 BFA-VG angehalten wird.
Liegt eine der Voraussetzungen der Z 1 bis 3 nicht vor, ist gemäß Abs. 2 vorzugehen. Für die Berechnung der achtzehntägigen Frist gilt § 33 Abs. 2 AVG nicht.
(4) In den Fällen des Abs. 3 hat das Bundesamt dem Fremden den faktischen Abschiebeschutz in Ausnahmefällen zuzuerkennen, wenn der Folgeantrag nicht zur ungerechtfertigten Verhinderung oder Verzögerung der Abschiebung gestellt wurde. Dies ist dann der Fall, wenn
1. der Fremde anlässlich der Befragung oder Einvernahme (§ 19) glaubhaft macht, dass er den Folgeantrag zu keinem früheren Zeitpunkt stellen konnte oder
2. sich seit der letzten Entscheidung die objektive Situation im Herkunftsstaat entscheidungsrelevant geändert hat.
Über das Vorliegen der Voraussetzungen der Z 1 und 2 ist mit Mandatsbescheid (§ 57 AVG) zu entscheiden. Wurde der Folgeantrag binnen zwei Tagen vor dem bereits festgelegten Abschiebetermin gestellt, hat sich die Prüfung des faktischen Abschiebeschutzes auf das Vorliegen der Voraussetzung der Z 2 zu beschränken. Für die Berechnung der zweitägigen Frist gilt § 33 Abs. 2 AVG nicht. Die Zuerkennung des faktischen Abschiebeschutzes steht einer weiteren Verfahrensführung gemäß Abs. 2 nicht entgegen.
(5) Abweichend von §§ 17 Abs. 4 und 29 Abs. 1 beginnt das Zulassungsverfahren in den Fällen des Abs. 1 und 3 bereits mit der Stellung des Antrags auf internationalen Schutz.
(6) Rückkehrentscheidungen gemäß § 52 FPG bleiben 18 Monate ab der Ausreise des Fremden aufrecht, es sei denn es wurde ein darüber hinausgehender Zeitraum gemäß § 53 Abs. 2 und 3 FPG festgesetzt. Anordnungen zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, Ausweisungen gemäß § 66 FPG und Aufenthaltsverbote gemäß § 67 FPG bleiben 18 Monate ab der Ausreise des Fremden aufrecht. Dies gilt nicht für Aufenthaltsverbote gemäß § 67 FPG, die über einen darüber hinausgehenden Zeitraum festgesetzt wurden.
Gemäß § 22 Abs. 10 AsylG 2005 ergehen Entscheidungen des Bundesamtes über die Aufhebung des Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 mündlich in Bescheidform. Die Beurkundung gemäß § 62 Abs. 2 AVG gilt auch als schriftliche Ausfertigung gemäß § 62 Abs. 3 AVG. Die Verwaltungsakte sind dem Bundesverwaltungsgericht unverzüglich zur Überprüfung gemäß § 22 BFA-VG zu übermitteln. Diese gilt als Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht; dies ist in der Rechtsmittelbelehrung anzugeben. Über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes hat das Bundesverwaltungsgericht im Rahmen der Überprüfung gemäß § 22 BFA-VG mit Beschluss zu entscheiden.
Der mit "Überprüfung der Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes " betitelte § 22 BFA-VG lautet:
§ 22. (1) Eine Entscheidung des Bundesamtes, mit der der faktische Abschiebeschutz eines Fremden aufgehoben wurde (§ 12a Abs. 2 AsylG 2005), ist vom Bundesverwaltungsgericht unverzüglich einer Überprüfung zu unterziehen. Das Verfahren ist ohne Abhaltung einer mündlichen Verhandlung zu entscheiden. § 20 gilt sinngemäß. § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG ist nicht anzuwenden.
(2) Die Aufhebung des Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 und eine aufrechte Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG oder eine Ausweisung gemäß § 66 FPG sind mit der Erlassung der Entscheidung gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 durchsetzbar. Mit der Durchführung der die Rückkehrentscheidung oder Ausweisung umsetzenden Abschiebung gemäß § 46 FPG ist bis zum Ablauf des dritten Arbeitstages ab Einlangen der gemäß § 22 Abs. 10 AsylG 2005 zu übermittelnden Verwaltungsakten bei der zuständigen Gerichtsabteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuzuwarten. Das Bundesverwaltungsgericht hat das Bundesamt unverzüglich vom Einlangen der Verwaltungsakten bei der zuständigen Gerichtsabteilung und von der im Rahmen der Überprüfung gemäß Abs. 1 getroffenen Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes zu verständigen.
(3) Über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes im Rahmen der Überprüfung gemäß Abs. 1 hat das Bundesverwaltungsgericht binnen acht Wochen zu entscheiden.
Zu den Voraussetzungen des § 12 a AsylG 2005 im vorliegenden Fall:
Dem gegenständlichen Verfahren liegt ein Folgeantrag iSd § 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005 zugrunde. Ein Fall des § 12a Abs. 1 AsylG 2005 liegt nicht vor.
Über den Asylwerber wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen, welche am 20.07.2018 in Rechtskraft erwuchs. Der Asylwerber hat seither das Bundesgebiet nicht verlassen.
Das Bundesamt hat es gegenständlich unterlassen, eine konkrete Abklärung der derzeitigen gesundheitlichen Situation der Mutter als auch der Gattin, der notwendigen Behandlungsschritte und ihrer zu erwartenden Situation in Serbien vorzunehmen, zumal sich die die Gattin der beschwerdeführenden Partei zur Zeit in einem Krankenhaus in Österreich befindet. Aus der gegenständlichen Beschwerdevorlage des Bundesamtes geht wörtlich hervor: "Frau derzeit im Krankenhaus - Akte der Frau + 5 Kinder folgen in der KW 40."
Durch das Bundesamt wäre daher zu klären gewesen, wie die Pflege der 5 Kinder erfolgt, wenn die Gattin und Erziehungsberechtigte sich im Krankenhaus befindet zumal auch die Mutter der beschwerdeführenden Partei pflegebedürftig ist. Diese Feststellung wäre notwendig gewesen um beurteilen zu können, ob eine Rückkehr in den Herkunftsstaat zum gegenwärtigen Zeitpunkt allenfalls eine Verletzung ihrer Rechte insbesondere gemäß Artikel 8 EMRK bewirken würde.
Dem Bundesverwaltungsgericht ist es im Entscheidungszeitpunkt innerhalb der kurzen Entscheidungsfrist nicht möglich abschließend beurteilen, ob die Abschiebung der Asylwerberin keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde.
Die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes ist somit angesichts der Ermittlungsmängel und nicht aussagekräftigen Beweiswürdigung des Bundesamtes in Bezug auf den aktuellen Gesundheitszustand der Gattin sowie die notwenige Pflege der 5 Kinder nicht rechtmäßig.
Gem. § 22 Abs 1 BFA-VG konnte eine Verhandlung entfallen. Auf Grund der Aktenlage ergaben sich keine konkreten Anhaltspunkte, dass dessen ungeachtet eine Verhandlung zur Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes erforderlich wäre.
Zu Spruchteil B)
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Da die in der vorliegenden Entscheidung die maßgeblichen Rechtsfragen klar waren und keiner Auslegung bedurften, ging das Bundesverwaltungsgericht nicht vom Vorliegen einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung gemäß § 133 Abs. 4 V-BVG aus.
Schlagworte
Ermittlungspflicht, faktischer Abschiebeschutz - Aufhebung nichtEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2018:G306.2188335.2.00Zuletzt aktualisiert am
07.01.2019