TE Bvwg Erkenntnis 2018/10/5 I414 2205947-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 05.10.2018
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

05.10.2018

Norm

AVG §68 Abs1
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

I414 2205947-1/5E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Christian EGGER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX und weitere 33 Aliasidentitäten, XXXX und weitere 23 Aliasgeburtsdaten, StA. ALGERIEN alias Somalia alias Syrien alias Frankreich, vertreten durch RA Edward W. DAIGNEAULT gegen den Bescheid des BFA, Erstaufnahmestelle West (EASt-West) vom 03.09.2018, XXXX, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer, ein algerischer Staatsbürger, stellte erstmals am 15.2.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich. Ohne in die Sache einzutreten wurde mit Bescheid der belangten Behörde vom 3.7.2015 der Antrag auf internationalen Schutz als unzulässig zurückgewiesen, da für die Prüfung des Antrages Italien zuständig sei. Gegen den Beschwerdeführer wurde außer Landesbringung angeordnet. Mangels Kooperationsbereitschaft der italienischen Dublin-Behörde wurde die Überstellung storniert. Die dagegen eingebrachte Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 1.3.2016, GZ W205 211434-1/14E, abgewiesen.

Unter Angabe einer weiteren Aliasidentität stellte der Beschwerdeführer am 15.3.2016 neuerlich einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 31.3.2017, Zl. XXXX, wurde der Antrag auf internationalen Schutz vom 15.3.2016 hinsichtlich der Zuerkennung der Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Algerien (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem Beschwerdeführer nicht erteilt, gegen ihn eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass die Abschiebung nach Algerien zulässig ist (Spruchpunkt III.). Für die freiwillige Ausreise bestehe keine Frist (Spruchpunkt IV.). Einer Beschwerde gegen diese Entscheidung wurde die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt V.) und festgestellt, dass der Beschwerdeführer sein Recht zum Aufenthalt im Bundesgebiet ab dem 6.3.2016 verloren hat (Spruchpunkt VI.). Außerdem wurde gegen den Beschwerdeführer ein auf die Dauer von zehn Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VII.). Dieser Bescheid erwuchs mit 19.4.2017 in Rechtskraft.

Den nun gegenständlichen Folgeantrag stellte er im Beisein seines Rechtsvertreters am 24.7.2018. Befragt, was sich seit rechtskräftigem Abschluss des ersten Asylverfahrens geändert habe, gab er an, seine Gründe aus dem ersten Verfahren aufrechtzuerhalten.

Nach erfolglosen Versuchen, den Beschwerdeführer zu einer niederschriftlichen Einvernahme vor die belangte Behörde persönlich zu laden und da er auch nach Zustellung der Ladung an seinen Rechtsvertreter nicht zum vorgegebenen Einvernahmetermin erschienen ist, wies die belangte Behörde mit Bescheid vom 3.9.2018, Zl. XXXX, den Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II.) gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurück.

Der Bescheid wurde dem ausgewiesenen Rechtsvertreter am selben Tag zugestellt. Daher ist die am 15.9.2018 erhobene Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht rechtzeitig. In der das Deckblatt und eine Seite umfassenden Beschwerde wird angegeben, dass der Beschwerdeführer zwar zu früheren Zeitpunkten eine Staatsangehörigkeit mit Algerien angegeben habe, tatsächlich aber aus Somalia stamme. Dieser Umstand sei nicht überprüft worden und daher liege keine entschiedene Sache vor. Der Beschwerdeführer sei abwesend und hätte der Asylantrag daher nicht zurückgewiesen, sondern das Verfahren eingestellt werden müssen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Feststellungen zum Sachverhalt:

In seinem ersten Asylverfahren brachte der Beschwerdeführer als Fluchtgründe zusammengefasst vor, dass er Algerien verlassen habe, weil er tätowiert sei und dies bei den Moslems nicht akzeptiert worden wäre. Außerdem hätte er niemanden in seiner Heimat und die wirtschaftliche Lage sei sehr schlecht. Islamisten hätten ihn weiters am Fuß verletzt. Er sei in Italien aufgewachsen und hätte keinen Grund, weiter in seinen Herkunftsstaat zu leben. Das Vorbringen wurde von der belangten Behörde aufgrund der zahlreichen Widersprüchlichkeiten als unglaubhaft und außerdem als irrelevant eingestuft.

Im gegenständlichen Folgeantrag gibt der Beschwerdeführer keine weiteren Fluchtgründe an, sondern hält jene aus dem Erstverfahren nach wie vor aufrecht. Die nunmehrigen Fluchtgründe, die er in seinem zweiten Verfahren geltend macht, bestanden schon vor dem Zeitpunkt, als der Bescheid der belangten Behörde vom 31.3.2017 in Rechtskraft erwuchs.

1.2. Zur Person des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger Algeriens und somit Drittstaatsangehöriger im Sinne des § 2 Abs. 1 Z. 20b AsylG. Die Identität des Beschwerdeführers steht nicht fest. Der Beschwerdeführer hat vor unterschiedlichsten Behörden in Österreich sowie im EU Ausland zahlreiche Aliasdaten verwendet. Der Beschwerdeführer ist ledig. Seine Exfreundin und zwei Kinder halten sich in Frankreich auf. Er ist gesund und arbeitsfähig, spricht Arabisch, Italienisch und etwas Spanisch und er verdiente sich bisher seinen Lebensunterhalt als Tischler, Verputzer, Motorradmechaniker und Maler.

Es können keine Bemühungen des Beschwerdeführers um seine soziale oder integrative Verfestigung erkannt werden. Insbesondere weist er keine Kenntnisse der deutschen Sprache auf und hat er keine nennenswerten Bindungen an Österreich.

Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafgerichtlich verurteilt:

Er wurde erstmals mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom 20.7.2016, GZ XXXX, wegen mehrerer Suchtmitteldelikte zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 20 Monaten, davon 14 Monate bedingt verurteilt. Mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichtes XXXX vom 13.10.2016, GZ XXXX, wurde er für noch im Jahr 2015 begangene Suchtmitteldelikte zu einer Geldstrafe von 200 Tagessätzen als Zusatzstrafe zur ersten Verurteilung verurteilt. Der Beschwerdeführer verbüßte bis zum 7.2.2017 eine Haftstrafe und wurde nur spätestens zehn Tage nach Entlassung neuerlich straffällig. Wegen Suchtgifthandels, schwerer Köperverletzung und Widerstandes gegen die Staatsgewalt wurde er am 19.07.2017 vom Landesgericht XXXX, rechtskräftig zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 20 Monaten verurteilt.

Die Haftstrafe verbüßte er bis zum 19.3.2018, bis zum 25.7.2018 war er in einer Flüchtlingsunterkunft untergebracht und seit 30.7.2018 ist er in Innsbruck obdachlos gemeldet.

Der Beschwerdeführer ist seiner bisherigen Ausreiseverpflichtung nicht nachgekommen und er verfügt auch über keine sonstige Aufenthaltsberechtigung. Aufgrund der allgemeinen Lage im Herkunftsstaat wird festgestellt, dass der Beschwerdeführer im Falle seiner Rückkehr nach Algerien unter maßgeblicher Wahrscheinlichkeit keiner wie immer gearteten existenziellen Bedrohung ausgesetzt sein wird.

1.3. Feststellungen zur Lage in Algerien:

Zunächst ist festzuhalten, dass Algerien ein sicherer Herkunftsstaat gemäß § 1 Z 10 HStV ist. Hinsichtlich der aktuellen Sicherheitslage im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers wurde im Rahmen des Beschwerdeverfahrens die aktuelle Fassung des Länderinformationsblattes der Staatendokumentation herangezogen und kann zusammengefasst festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer im Falle seiner Rückkehr keiner lebensbedrohenden Situation überantwortet wird. Er selbst hat hinsichtlich einer ihm drohenden Gefährdung in seinem Herkunftsstaat im Falle seiner Rückkehr auch kein substantiiertes Vorbringen erstattet und es haben sich auch amtswegig keine Anhaltspunkte dafür ergeben.

Es wird weiters festgestellt, dass er, auch wenn ihm kein privater Familienverband soziale Sicherheit bietet, seinen Lebensunterhalt aus eigener Kraft bestreiten kann. Staatliche Repressionen im Falle der Rückkehr nach Algerien allein wegen der Beantragung von Asyl können nicht festgestellt werden. Es wird festgestellt, dass der Beschwerdeführer im Fall seiner Rückkehr nach Algerien mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit keiner asylrelevanten Verfolgung und keiner wie auch immer gearteten existentiellen Bedrohung ausgesetzt sein wird.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zum Sachverhalt:

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang wird als Sachverhalt festgestellt. Dieser ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl sowie des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.

Die belangte Behörde hat ein mängelfreies, ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren durchgeführt und in der Begründung des angefochtenen Bescheides die Ergebnisse dieses Verfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammengefasst. Das Bundesverwaltungsgericht verweist daher zunächst auf diese schlüssigen und nachvollziehbaren beweiswürdigenden Ausführungen der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid.

2.2. Zur Person des Beschwerdeführers und seinem zweiten Antrag auf internationalen Schutz:

Soweit in der gegenständlichen Rechtssache Feststellungen zur Identität und zur Staatsangehörigkeit getroffen wurden, beruhen diese auf die im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen bzw. ergeben sie sich aus den Feststellungen im Vorverfahren. Auszüge aus dem zentralen Melderegister, dem Strafregister der Republik Österreich und der Speicherabfrage aus dem Betreuungsinformationssystem wurden ergänzend am 21.9.2018 eingeholt. Diesbezüglich wird auf die nachfolgenden rechtlichen Ausführungen verwiesen.

Im Erstverfahren führte der Beschwerdeführer zusammengefasst an, dass er wegen einer Tätowierung von den Moslems nicht akzeptiert werde, außerdem die allgemeine Wirtschaftslage in Algerien schlecht sei und er zudem von Islamisten am Fuß verletzt worden sei. Im gegenständlichen Folgeantrag auf internationalen Schutz wird seitens des Beschwerdeführers kein neuer Fluchtgrund vorgebracht. Er führte vielmehr aus, die Gründe aus dem Erstverfahren nach wie vor aufrecht halten zu wollen.

Wie auch schon im Erstverfahren gab er außerdem an, nicht aus Algerien, sondern aus Somalia zu stammen. In Anbetracht der Tatsache, dass der Beschwerdeführer insgesamt unter 33 verschiedenen Aliasnamen und 23 Aliasgeburtsdaten vor den Behörden auftrat und auch zu unterschiedlichen Zeitpunkten angab, algerischer, somalischer, französischer und syrischer Staatsangehöriger zu sein, ist auch das einzige Vorbringen in der Beschwerde, nämlich dass er nicht aus Algerien stamme, nüchtern zu betrachten. Im unbekämpft gebliebenen und somit rechtskräftigen Bescheid im Erstverfahren wurde die algerischer Staatsangehörigkeit festgestellt und schlüssig dargelegt, weshalb die belangte Behörde zu dieser Annahme kam. In der Zwischenzeit haben sich keine stichhaltigen und vor allem nachvollziehbaren und glaubwürdigen Anhaltspunkte ergeben, dass die Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers erneut zu prüfen gewesen wäre.

In diesem Kontext ist auf die Erwägungen der belangten Behörde zu verweisen, mit welchen das Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers bereits im ersten Verfahren abschließend behandelt wurde. Eine geänderte Sachlage ist sohin im Vergleich zur rechtskräftigen negativen Entscheidung bezüglich des ersten Asylantrages nicht vorliegend - ein neuer entscheidungserheblicher Sachverhalt wurde daher nicht vorgebracht.

2.3. Zum Herkunftsstaat:

Die Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat beruhen auf dem aktuellen Länderinformationsbericht der Staatendokumentation für Algerien vom 12.03.2018 samt den dort publizierten Quellen und Nachweisen. Dieser Länderinformationsbericht stützt sich auf Berichte verschiedener ausländischer Behörden, etwa die allgemein anerkannten Berichte des Deutschen Auswärtigen Amtes, als auch jene von internationalen Organisationen, wie bspw. dem UNHCR, sowie Berichte von allgemein anerkannten unabhängigen Nachrichtenorganisationen.

Angesichts der Seriosität und Plausibilität der angeführten Erkenntnisquellen sowie dem Umstand, dass diese Berichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängigen Quellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wissentliche Widersprüche darbieten, besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln.

Der Beschwerdeführer trat diesen Quellen und deren Kernaussagen zur Situation im Herkunftsland nicht entgegen.

Aufgrund der Kürze der verstrichenen Zeit zwischen der Erlassung des bekämpften Bescheides und der vorliegenden Entscheidung ergeben sich keine Änderungen zu den im bekämpften Bescheid getroffenen Länderfeststellungen. Das Bundesverwaltungsgericht schließt sich daher diesen Feststellungen vollinhaltlich an.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Abweisung der Beschwerde:

3.1. Gemäß § 68 Abs. 1 AVG sind Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 AVG die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen, wenn die Behörde nicht Anlass zu einer Verfügung gemäß § 68 Abs. 2 bis 4 AVG findet (VfSlg. 10.240/1984; 19.269/2010). Diesem ausdrücklichen Begehren auf Abänderung steht ein Ansuchen gleich, das bezweckt, eine Sache erneut inhaltlich zu behandeln, die bereits rechtskräftig entschieden ist (VwGH 30.09.1994, Zl. 94/08/0183; 30.05.1995, Zl. 93/08/0207; 09.09.1999, Zl. 97/21/0913; 07.06.2000, Zl. 99/01/0321).

Eine "entschiedene Sache" ("res iudicata") iSd. § 68 Abs. 1 AVG liegt vor, wenn sich gegenüber dem Vorbescheid weder die Rechtslage noch der wesentliche Sachverhalt geändert hat und sich das neue Parteibegehren im Wesentlichen (d.h. abgesehen von Nebenumständen, die für die rechtliche Beurteilung der Hauptsache unerheblich sind) mit dem früheren deckt (VwGH 09.09.1999, Zl. 97/21/0913; 21.09.2000, Zl. 98/20/0564; 27.09.2000, Zl. 98/12/0057; 25.04.2002, Zl. 2000/07/0235). Eine Modifizierung des Vorbringens oder der Sachlage, die nur für die rechtliche Beurteilung der Hauptsache unerhebliche Nebenumstände betrifft, kann an der Identität der Sache nichts ändern (VwGH 22.11.2004, Zl. 2001/10/0035). Bei nach Erlassung des Bescheides hervorgekommenen Umständen, welche die Unrichtigkeit des in Rechtskraft erwachsenen Bescheides dartun, handelt es sich nicht um eine Änderung des Sachverhaltes, sondern sind von der Rechtskraft des Bescheides umfasst und bilden lediglich unter den Voraussetzungen des § 69 AVG einen Wiederaufnahmegrund (VwGH 24.09.1992, Zl. 91/06/0113; 24.06.2003, Zl. 2001/11/0317; 06.09.2005, Zl. 2005/03/0065).

Einem zweiten Asylantrag, der sich auf einen vor Beendigung des Verfahrens über den ersten Asylantrag verwirklichten Sachverhalt stützt, steht die Rechtskraft des Vorbescheides entgegen (VwGH 10.06.1998, Zl. 96/20/0266; 21.09.2000, Zl. 98/20/0564). "Sache" des Rechtsmittelverfahrens ist nur die Frage der Rechtmäßigkeit der Zurückweisung, die Rechtsmittelbehörde darf demnach nur darüber entscheiden, ob die Vorinstanz den Antrag zu Recht zurückgewiesen hat oder nicht. Sie hat daher entweder - falls entschiedene Sache vorliegt - das Rechtsmittel abzuweisen oder - falls dies nicht zutrifft - den bekämpften Bescheid ersatzlos zu beheben, dies mit der Konsequenz, dass die erstinstanzliche Behörde, gebunden an die Auffassung der Rechtsmittelbehörde, den Antrag nicht neuerlich wegen entschiedener Sache zurückweisen darf. Die Rechtsmittelbehörde darf aber über den Antrag nicht selbst meritorisch entscheiden (VwGH 30.05.1995, Zl. 93/08/0207).

Für das Verfahren vor dem BVwG ist Gegenstand ("Sache") ausschließlich die Frage, ob die belangte Behörde den neuerlichen Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 68 Abs. 1 AVG zu Recht zurückgewiesen hat (vgl. VfGH 11.06.2015, Zl. E 1286/2014-17).

Das Verwaltungsgericht hat in jenem Falle, dass der Sachentscheidung "res iudicata" entgegenstand oder eine sonstige Prozessvoraussetzung fehlte, keine prozessuale, sondern eine meritorische und (grundsätzlich auch) reformatorische Entscheidung in Form eines Erkenntnisses zu treffen. Diese Kompetenz zur Sachentscheidung ergibt sich unmittelbar aus der - mit Art. 130 Abs. 4 B-VG übereinstimmenden - Bestimmung des § 28 VwGVG, der bezüglich des Inhalts der vom Verwaltungsgericht zu treffenden Sachentscheidung keine Einschränkungen macht. Inhalt einer solchen Sachentscheidung kann es daher auch sein, dass der verfahrenseinleitende Antrag wegen entschiedener Sache oder wegen Fehlens einer sonstigen Prozessvoraussetzung zurückgewiesen wird (VfGH 18.06.2014, VfSlg. 19.882/2014; 11.06.2015, Zl. E 1286/2014-17).

Bei einer Überprüfung einer gemäß § 68 Abs. 1 AVG bescheidmäßig abgesprochenen Zurückweisung eines Antrages auf internationalen Schutz hat es lediglich darauf anzukommen, ob sich die Zurückweisung auf ein rechtskräftig abgeschlossenes Verfahren bei gleich bleibender Sach- und Rechtslage stützen durfte. Dabei hat die Prüfung der Zulässigkeit der Durchbrechung der Rechtskraft auf Grund geänderten Sachverhaltes nach der ständigen Rechtsprechung des VwGH ausschließlich anhand jener Gründe zu erfolgen, die von der Partei in erster Instanz zur Begründung ihres Begehrens auf neuerliche Entscheidung geltend gemacht worden sind. Derartige Gründe können in der Berufung (Beschwerde) nicht neu geltend gemacht werden (VwGH 06.10.1961, VwSlg. 5642 A; 28.11.1968, Zl. 0571/68; 30.06.1992, Zl. 89/07/0200; 20.04.1995, Zl. 93/09/0341; 23.05.1995, Zl. 94/04/0081; zur Frage der Änderung der Rechtslage während des anhängigen Berufungsverfahrens siehe VwSlg. 12.799 A). Dies bezieht sich auf Sachverhaltsänderungen, die in der Sphäre des Antragstellers gelegen sind. Allgemein bekannte Tatsachen sind dagegen jedenfalls auch von Amts wegen zu berücksichtigen (VwGH 29.06.2000, Zl. 99/01/0400; 07.06.2000, Zl. 99/01/0321).

Dem geänderten Sachverhalt muss nach der ständigen Rechtsprechung des VwGH Entscheidungsrelevanz zukommen (vgl. VwGH 15.12.1992, Zl. 91/08/0166; ebenso VwGH 16.12.1992, Zl. 92/12/0127; 23.11.1993, Zl. 91/04/0205; 26.04.1994, Zl. 93/08/0212; 30.01.1995, Zl. 94/10/0162). Die Verpflichtung der Behörde zu einer neuen Sachentscheidung wird nur durch eine solche Änderung des Sachverhalts bewirkt, die für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen den Schluss zulässt, dass nunmehr bei Bedachtnahme auf die damals als maßgebend erachteten Erwägungen eine andere Beurteilung jener Umstände, die seinerzeit den Grund für die Abweisung des Parteienbegehrens gebildet haben, nicht von vornherein als ausgeschlossen gelten kann (VwSlg. 7762 A; VwGH 29.11.1983, Zl. 83/07/0274; 21.02.1991, Zl. 90/09/0162; 10.06.1991, Zl. 89/10/0078; 04.08.1992, Zl. 88/12/0169; 18.03.1994, Zl. 94/12/0034; siehe auch VwSlg. 12.511 A; VwGH 05.05.1960, Zl. 1202/58; 03.12.1990, Zl. 90/19/0072). Dabei muss die neue Sachentscheidung - obgleich auch diese Möglichkeit besteht - nicht zu einem anderen, von der seinerzeitigen Entscheidung abweichenden Ergebnis führen. Die behauptete Sachverhaltsänderung muss zumindest einen glaubhaften Kern aufweisen, dem Asylrelevanz zukommt und an den die oben erwähnte positive Entscheidungsprognose anknüpfen kann (VwGH 24.02.2000, Zl. 99/20/0173; grundlegend VwGH 04.11.2004, Zl. 2002/20/0391). Die Behörde hat sich insoweit bereits bei der Prüfung, ob der neuerliche Antrag zulässig oder wegen entschiedener Sache zurückzuweisen ist, mit der Glaubhaftigkeit des neuen Vorbringens betreffend die Änderung des Sachverhaltes "beweiswürdigend" (VwGH 22.12.2005, Zl. 2005/20/0556) auseinander zu setzen (VwGH 15.03.2006, Zl. 2006/17/0020).

Auf Grund des Umfanges des Antrages auf internationalen Schutz gemäß § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG ist in der gegenständlichen Rechtssache der Umstand relevant, ob vor der belangten Behörde neue, mit einem glaubwürdigen Kern versehene Tatsachen vorgebracht wurden, die eine andere Entscheidung sowohl im Hinblick auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch des subsidiär Schutzberechtigten indizieren können.

3.2. Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes ergibt sich, dass in der gegenständlichen Rechtssache eine entschiedene Sache vorliegt. Dies aus folgenden Erwägungen:

Der Beschwerdeführer erstattete im ersten Asylverfahren lediglich ein unglaubhaftes und nicht asylrelevantes Fluchtvorbringen. Insofern erging am 31.3.2017 eine negative Asylentscheidung der belangten Behörde, die in Rechtskraft erwuchs.

Auch ist - wie oben ausgeführt - eine maßgebliche Veränderung weder im Hinblick auf den Herkunftsstaat des Beschwerdeführers, seiner persönlichen Verhältnisse und auch nicht in Bezug auf die anzuwendende Rechtslage eingetreten.

Eine Änderung des der Entscheidung vom 31.3.2017 eingetretenen Sachverhaltes ist sohin nicht zu erkennen, sodass entschiedene Sache iSd § 68 Abs. 1 AVG vorliegt, deren Rechtskraft einer neuerlichen Sachentscheidung entgegensteht.

Ein Antrag auf internationalen Schutz richtet sich aber auch auf die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten und daher sind auch Sachverhaltsänderungen, die ausschließlich subsidiäre Schutzgründe betreffen, von den Asylbehörden im Rahmen von Folgeanträgen einer Prüfung zu unterziehen sind (vgl. VwGH 19.02.2009, 2008/01/0344).

Auch im Hinblick auf Art. 2 und 3 EMRK ist - wie oben ausgeführt - nicht erkennbar, dass die Rückführung des Beschwerdeführers nach Algerien zu einem unzulässigen Eingriff führen würde und er bei seiner Rückkehr in eine Situation geraten würde, die eine Verletzung von Art. 2 und 3 EMRK mit sich brächte oder ihm in Algerien jegliche Lebensgrundlage entzogen würde.

Es ergibt sich aus den angeführten Länderfeststellungen zu Algerien, dass kein Grund für die Annahme besteht, dass jeder zurückgekehrte Staatsbürger einer realen Gefahr einer Gefährdung gemäß Art. 3 EMRK ausgesetzt wäre, sodass von einem Rückführungshindernis nach Art. 2 und 3 EMRK keinesfalls auszugehen ist.

Der belangten Behörde ist auch darin beizupflichten, dass sich die Lage im Herkunftsstaat seit der Rechtskraft der Entscheidung im ersten Asylverfahren nicht entscheidungswesentlich geändert hat.

Da - wie oben ausgeführt - weder in der maßgeblichen Sachlage, und zwar im Hinblick auf jenen Sachverhalt, der in der Sphäre des Beschwerdeführers gelegen ist, noch auf jenen, welcher von Amts wegen aufzugreifen ist, noch in den anzuwendenden Rechtsnormen eine Änderung eingetreten ist, welche eine andere rechtliche Beurteilung des Anliegens nicht von vornherein als ausgeschlossen scheinen ließe, liegt entschiedene Sache vor, über welche nicht neuerlich meritorisch entschieden werden konnte.

Die Zurückweisung des Antrages auf internationalen Schutz wegen entschiedener Sache war sohin rechtmäßig, weshalb die Beschwerde gemäß § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG iVm § 68 AVG im Hinblick auf Spruchpunkte I. und II. des bekämpften Bescheides abzuweisen war.

4. Zum Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-Verfahrensgesetz kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht.

Angesichts der Tatsache, dass der maßgebende Sachverhalt von der belangten Behörde abschließend ermittelt wurde und der Sachverhalt auf Grund der Aktenlage und des Inhaltes der Beschwerde geklärt war, Widersprüchlichkeiten in Bezug auf die maßgeblichen Sachverhaltselemente nicht vorlagen sowie eine initiative Darlegung für die Entscheidungsfindung relevanten Umstände, die durch die weitere Hinterfragung zu klären gewesen wären, nicht erforderlich war, ist der Sachverhalt iSd § 21 Abs. 7 erster Fall BFA-Verfahrensgesetz aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt.

Die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte somit gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG iVm § 24 VwGVG unterbleiben.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Folgeantrag, Identität der Sache, Prozesshindernis der entschiedenen
Sache

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:I414.2205947.1.00

Zuletzt aktualisiert am

07.01.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten