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50/01 Gewerbeordnung;Norm
GewO 1994 §360 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte DDr. Jakusch, Dr. Stöberl, Dr. Blaschek und Dr. Baur als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Martschin, über die Beschwerde der H Gesellschaft m. b. H. in W, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 22. Juni 1999, Zl. WST1-BA-9880, betreffend Verfahren gemäß § 360 Abs. 1 GewO 1994, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Nach dem Vorbringen in der Beschwerde im Zusammenhang mit dem Inhalt des angefochtenen Bescheides trug der Landeshauptmann von Niederösterreich mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheid vom 22. Juni 1999 der Beschwerdeführerin gemäß § 360 Abs. 1 letzter Satz GewO 1994 in Bezug auf ihre näher bezeichnete Betriebsanlage auf, sämtliche Lagerungen im Freien (Kunststoffabfälle und Spuckstoffe, teilweise vermischt, im Gesamtausmaß von ca. 28.000 m3) bis spätestens 30. November 1998 aus ihrer gewerblichen Betriebsanlage zu entfernen. Zur Begründung führte der Landeshauptmann aus, mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Wiener Neustadt vom 31. Jänner 1990 sei einer von der Beschwerdeführerin verschiedenen
Gesellschaft m. b. H. als damaliger Betriebsanlageninhaberin die gewerberechtliche Genehmigung u. a. für die Errichtung einer Lagerhalle am fraglichen Standort erteilt worden. Diese Lagerhalle habe für die Lagerung von Schlacken und Aluminiumschrott bzw. für die Aufarbeitung dieser Lagerungen gedient. Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Wiener Neustadt vom 10. März 1997 sei der Beschwerdeführerin die gewerbebehördliche Genehmigung für die Änderung dieser Betriebsanlage durch Aufstellung von Maschinen und Errichtung von Lagerflächen für Kunststoff erteilt worden. In der bezughabenden Verhandlungsschrift sei die Änderung der Betriebsanlage ausführlich beschrieben. Aus dieser Verhandlungsschrift ergebe sich, dass in der Betriebsanlage lediglich die Lagerung des Rohmateriales in der Halle erfolge. Sämtliche Manipulationen von Rohmaterial bis zum Fertigprodukt würden, wie sich aus der Betriebsbeschreibung und dem Sachverhalt dieser Verhandlungsschrift ergebe, in der Halle durchgeführt. Die Lagermengen seien im Übrigen dem Gewicht nach festgelegt gewesen. Mit Schreiben vom 28. März 1997 habe die Beschwerdeführerin um Erweiterung der Lagermengen angesucht. Der Amtssachverständige für Maschinenbau und Elektrotechnik habe dazu ausgeführt, dass aus sicherheitstechnischer Sicht gegen die Erhöhung der genehmigten Lagermengen auf Grund der Eigenschaften der Lagerstoffe (hoher Feuchtigkeitsgehalt und Unbrennbarkeit) keine Bedenken bestünden. Die Lagerungen seien jedoch, so wie im Ursprungsbescheid vorgesehen, ausschließlich in der dafür genehmigten Halle durchzuführen. Lagerungen im Freien seien unzulässig. Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Wiener Neustadt vom 12. Mai 1997 sei der Beschwerdeführerin die Genehmigung zur Änderung dieser Betriebsanlage durch Erhöhung der Lagermengen erteilt worden. Eine Genehmigung für die Durchführung von Lagerungen außerhalb der Lager- und Produktionshalle sei nicht erteilt worden. Anlässlich einer auf Grund einer entsprechenden Anzeige durchgeführten örtlichen Überprüfung auf dem Betriebsgelände sei seitens der Erstbehörde festgestellt worden, dass sich im Freien unmittelbar nordöstlich der Lagerhalle eine haufenförmige Lagerung von rund 3.000 bis 4.000 m3 an zerkleinerten Kunststoffabfällen, vermischt mit Spuckstoffen, auf dem dort unbefestigten, teilweise brüchigen Boden befunden hättten. Östlich dieser großen haufenförmigen Lagerung hätten sich weitere Lagerungen von Kunststoffabfällen, noch unzerkleinert und großteils in gepresster Ballenform im Ausmaß von rund 3.000 bis 4.000 m3 befunden. Seitens des wasserbautechnischen Amtssachverständigen sei anlässlich dieser Überprüfung festgehalten worden, dass sich das fragliche Areal innerhalb eines gewidmeten Grundwasserschongebietes befinde und dass bei Überprüfungen in der Vergangenheit festgestellt worden sei, dass die vorhandene Platzbefestigung nicht als dicht gegen den Untergrund angesprochen werden könne und dass überdies auf diesem Platz auch Einlaufgitter mit Sickerschächten bestünden. Am 25. September 1998 sei von der technischen Gewässeraufsicht der Erstbehörde mitgeteilt worden, dass auf dem fraglichen Betriebsgelände im Freien Plastikabfälle und Spuckstoffe abgelagert seien. Mit Schreiben vom 30. September 1998 habe die Erstbehörde der Beschwerdeführerin diesen Sachverhalt mitgeteilt und sie darauf hingewiesen, auf Grund der Tatsache, dass die Lagerungen im Freien ein hohes Brandgefährdungspotential darstellten und durch Windverfrachtung des Materials und durch die Versickerung verunreinigter Niederschlagswässer Beeinträchtigungen der Schutzinteressen gemäß § 74 Abs. 2 GewO 1994 möglich seien, handle es sich um eine genehmigungspflichtige Änderung der Betriebsanlage. Für die Entfernung der genannten Ablagerungen sei eine Frist bis 30. Oktober 1998 eingeräumt worden. Anlässlich einer Besprechung bei der Erstbehörde sei von der Beschwerdeführerin angegeben worden, die vorliegenden Eluatuntersuchungen hätten eine Einstufung in die Klasse III ergeben. Die Entzündungsgefahr werde als gering eingeschätzt, da der Zellstoffanteil der vermischten Lagerung einen Feuchtigkeitsgehalt von mindestens 40 % aufweise. Durch die Vermischung mit den Spuckstoffen könne auch die Gefahr der Windverfrachtung minimiert werden. Am 28. Oktober 1998 habe der wasserbautechnische Amtssachverständige der Erstbehörde ausgeführt, die Untersuchungsergebnisse von zwei Kunststoff-Materialproben, die von der Beschwerdeführerin gezogen worden seien, hätten eine Einstufung in die Eluatklasse III ergeben. Wegen der Lagerungsart im Freien auf unbefestigtem bzw. nicht entsprechend befestigtem Boden werde der Untergrund und das darunter befindliche Grundwasservorkommen wesentlich bedroht. Nach dem natürlichen Lauf der Dinge würden die Lagerungen durch Niederschlagsereignisse ausgelaugt und es werde das dabei anfallende Sickerwasser im Untergrund versickern. Die Schwellenwerte der Grundwasserschwellenwertverordnung würden dabei um ein Vielfaches überschritten. Aus diesem Sachverhalt leitete der Landeshauptmann ab, dass zwar keine Brandgefahr bestehe, dass aber mit Rücksicht darauf, dass die Anlage im Grundwasserschongebiet liege und die abgelagerten Materialien der Eluatklasse III entsprächen, es bei ungeschützter Lagerung durch Versickern zu einer Grundwasserbeeinträchtigung kommen werde. Herumfliegende Plastik- und Abfallteile seien überdies geeignet, Beeinträchtigungen und Belästigungen im Sinne des § 74 Abs. 2 Z. 1, 2 und 4 GewO 1994 herbeizuführen. Derartige Plastikabfälle und sonstige Abfälle könnten unter Umständen durch Herumfliegen z. B. Nachbarn verletzen oder diese durch ihre bloße Existenz an Orten, wo diese bestimmungsgemäß nicht hingehörten, belästigen. Herumfliegende Plastikteile seien außerdem geeignet, durch ihren Ablenkungsgehalt die Sicherheit des Verkehrs zu beeinträchtigen. Es sei daher von einer Bewilligungspflicht der fraglichen Ablagerungen im Freien auszugehen. Eine Eignung im Sinne des § 74 Abs. 2 GewO 1994 liege jedenfalls vor. Es liege daher im Sinne des § 360 Abs. 1 GewO 1994 zumindest der Verdacht einer Übertretung gemäß § 366 Abs. 1 Z. 3 leg. cit. vor. Es müsse daher der Beschwerdeführerin nach dieser Gesetzesstelle die Herstellung des der Rechtsordnung entsprechenden Zustandes aufgetragen werden, wobei die verfügte Maßnahme notwendig und geeignet sein müsse, den rechtswidrigen Zustand zu beseitigen.
§ 360 Abs. 1 GewO 1994 lasse der Behörde keinen Raum für eine Interessensabwägung im Sinne einer Vermeidung von Härten. Der der Rechtsordnung entsprechende Zustand könne im vorliegenden Fall nur dadurch hergestellt werden, dass die Ablagerungen im Freien entfernt würden. Eine andere Maßnahme, wie z. B. das Abdecken der Materialien, sodass eine Grundwassergefährdung vermieden werde und die Materialien nicht mehr durch den Wind verfrachtet würden, sei insofern ungeeignet, da dadurch die Konsenslosigkeit der Ablagerungen nicht beseitigt werden könne.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich die Beschwerdeführerin in dem Recht auf Unterbleiben des in Rede stehenden Auftrages verletzt. In Ausführung des so formulierten Beschwerdepunktes bringt sie vor, die belangte Behörde habe den Sachverhalt nicht ausreichend erhoben und insbesondere kein Parteiengehör gewährt. Aus dem angefochtenen Bescheid sei nicht ersichtlich, warum die belangte Behörde von herumfliegenden Plastik- und Abfallteilen ausgehe, auf Grund welcher Erhebungen sie diese Annahmen treffe und ob die Lagerungen sich überhaupt in einer solchen Nähe zu anderen Grundstücken befänden, dass herumfliegende Plastikteile dorthin gelangen könnten. Auch zur Frage der Grundwasserbeeinträchtigung gehe aus dem angefochtenen Bescheid nicht hervor, warum die Behörde annehme, dass die abgelagerten Materialien der Eluatklasse III entsprächen und es daher zu einer Grundwasserbeeinträchtigung kommen könne. Da die Bewilligungsbedürftigkeit mit der Art der gelagerten Materialien begründet werde, hätte die Behörde entsprechende Feststellungen über die Art der Materialien treffen und diese der Beschwerdeführerin vorhalten müssen. Die Beschwerdeführerin habe nämlich in der Berufung bereits ausdrücklich das Fehlen von Feststellungen über die Art/Gefährlichkeit der zwischengelagerten Materialien gerügt und die Einholung eines entsprechenden Sachverständigengutachtens gefordert. Erst nach Vorliegen eines solchen könne darüber entschieden werden, ob nur eine Entfernung der Materialien oder auch andere Maßnahmen vorgeschrieben werden könnten. Die belangte Behörde habe daher ihre Ermittlungs- und Begründungspflicht verletzt. Unter dem Gesichtspunkt einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit wird ferner vorgetragen, die belangte Behörde habe nicht berücksichtigt, dass mittlerweile ein Ansuchen um Genehmigung der Änderung der Betriebsanlage nach § 81 GewO 1994 gestellt worden sei, mit dem um Genehmigung der Lagerung der verfahrensgegenständlichen Menge der betreffenden Materialien angesucht worden sei. In der Zwischenzeit habe die Beschwerdeführerin auch entsprechend dem erstinstanzlichen Auftrag sämtliche Materialien auf befestigte, den Grundwasserschutz sicherstellende Flächen umgelagert. Dies sei auch der belangten Behörde mitgeteilt worden. Im Hinblick auf die nunmehr erfolgte Zwischenlagerung auf befestigten Flächen, für welche eine Betriebsanlagengenehmigung beantragt worden sei und voraussichtlich innerhalb kürzester Zeit erteilt werden werde, sei die Entfernung des Materials keine notwendige Maßnahme im Sinne des § 360 Abs. 1 GewO 1994.
Die Beschwerdeführerin vermag zunächst mit dem eine mangelhafte Ermittlungstätigkeit der belangten Behörde und eine Verletzung des Parteiengehörs behauptenden Vorbringen eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides - abgesehen davon, dass sich im angefochtenen Bescheid durchaus Hinweise auf Ermittlungsschritte finden, aus denen der von der belangten Behörde festgestellte Sachverhalt abgeleitet wurde - schon deshalb eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht darzustellen, weil, wie sich aus § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG ergibt, nicht jeder Verfahrensverstoß zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides durch den Verwaltungsgerichtshof zu führen hat, sondern nur ein solcher, bei dessen Verletzung die belangte Behörde zu einem anderen Bescheid hätte kommen können. Ist diese Relevanz des Verfahrensverstoßes nicht aktenkundig, ist es Sache des Beschwerdeführers, sie in der Beschwerde darzulegen. Der vorliegenden Beschwerde ist aber eine Behauptung, es handle sich bei den in Rede stehenden abgelagerten Materialien nicht um solche der Eluatklasse III und es könne nicht dazu kommen, dass Plastik- und Abfallteile herumfliegen würden, nicht zu entnehmen.
Gemäß § 360 Abs. 1 GewO 1994 hat die Behörde, wenn der Verdacht einer Übertretung gemäß § 366 Abs. 1 Z. 1, 2 oder 3 besteht, unabhängig von der Einleitung eines Strafverfahrens den Gewerbeausübenden bzw. den Anlageninhaber mit Verfahrensanordnung zur Herstellung des der Rechtsordnung entsprechenden Zustandes innerhalb einer angemessenen, von der Behörde zu bestimmenden Frist aufzufordern. Kommt der Gewerbeausübende bzw. der Anlageninhaber dieser Aufforderung innerhalb der gesetzten Frist nicht nach, so hat die Behörde mit Bescheid die zur Herstellung des der Rechtsordnung entsprechenden Zustandes jeweils notwendigen Maßnahmen, wie die Stillegung von Maschinen oder die Schließung von Teilen des Betriebes oder die Schließung des gesamten Betriebes, zu verfügen.
Eine Verwaltungsübertretung nach § 366 Abs. 1 Z. 3 GewO 1994 begeht, wer eine genehmigte Betriebsanlage ohne die erforderliche Genehmigung ändert oder nach der Änderung betreibt (§ 81).
Die Beschwerdeführerin bestreitet - ausgehend von dem von der belangten Behörde (wie oben ausgeführt, in rechtlich unbedenklicher Weise) festgestellten Sachverhalt - nicht, dass die in Rede stehenden Ablagerungen im Freien eine genehmigungspflichtige Änderung ihrer Betriebsanlage darstellten und ihr eine derartige Genehmigung nicht erteilt wurde. Damit sind aber die Tatbestandsvoraussetzungen der Verwaltungsübertretung nach § 366 Abs. 1 Z. 3 GewO 1994 und damit auch jene des § 360 Abs. 1 erster Halbsatz leg. cit. erfüllt. Dass die Beschwerdeführerin in der Zwischenzeit einen Antrag auf Genehmigung dieser Änderung ihrer Betriebsanlage gestellt hat, vermag daran nichts zu ändern.
Die belangte Behörde hatte daher nach vorausgegangener fruchtloser Aufforderung zur Herstellung der Rechtsordnung (dass dies nicht geschehen sei, wird in der Beschwerde nicht behauptet) nach dem letzten Satz des § 360 Abs. 1 die zur Herstellung des der Rechtsordnung entsprechenden Zustandes jeweils notwendigen Maßnahmen mit Bescheid zu verfügen.
Wie die belangte Behörde zutreffend hervorhebt, kann der der Rechtsordnung entsprechende Zustand, nämlich Betrieb der Betriebsanlage nur im Rahmen der erteilten Genehmigung, nur dadurch hergestellt werden, dass jenes Material, das in Überschreitung der Grenzen der der Beschwerdeführerin erteilten Betriebsanlagengenehmigung auf dem Areal der Betriebsanlage lagert, aus der Betriebsanlage entfernt wird. Eine Zwischenlagerung des Materials auf anderen Flächen innerhalb der Betriebsanlage, auch wenn diese gegen ein Versickern kontaminierten Niederschlagswassers ins Grundwasser gesichert sein sollten, wäre zur Herstellung des der Rechtsordnung entsprechenden Zustandes schon deshalb nicht geeignet, weil auch eine derartige Zwischenlagerung, wie die belangte Behörde zutreffend dargetan hat, wegen der grundsätzlichen Eignung der Lagerung der in Rede stehenden Materialien im Freien die durch § 74 Abs. 2 GewO 1994 geschützten Interessen zu verletzen, der Genehmigungspflicht nach § 81 GewO 1994 unterläge.
Da somit schon das Vorbringen in der Beschwerde erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
Wien, am 15. September 1999
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1999:1999040162.X00Im RIS seit
20.11.2000