Entscheidungsdatum
10.10.2018Norm
AsylG 2005 §57Spruch
W124 2200629-1/5E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Felseisen als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, StA. Vietnam, vertreten durch XXXX, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX, Zl. XXXX, zu Recht erkannt:
A)
I. Die Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt I. mit der Maßgabe abgewiesen, dass der Ausspruch gemäß § 58 Abs. 1 Z 5 iVm § 57 AsylG 2005 ersatzlos zu beheben war und es zu lauten hat:
"Gemäß § 52 Abs. 1 Z 2 FPG iVm § 9 BFA-VG wird gegen Sie eine Rückkehrentscheidung erlassen."
II. Die Beschwerde wird hinsichtlich der Spruchpunkte II. und IV. des angefochtenen Bescheides gemäß §§ 46, 52 FPG und § 18 Abs. 2 BFA-VG als unbegründet abgewiesen.
III. Der Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides insoweit stattgegeben, dass dieser wie folgt zu lauten hat:
"Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 7 FPG wird gegen Sie ein Einreiseverbot für die Dauer von zwei Jahren erlassen."
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer (in der Folge: BF) ist vietnamesischer Staatsangehöriger. Ihm wurde am XXXX eine slowakische Aufenthaltsberechtigung ("povolenie na pobyt") im Scheckkartenformat mit Gültigkeit bis XXXX ausgestellt.
2. Am XXXX stellte der BF gemäß § 41 Abs. 2 Z 2 und Z 4 NAG einen Antrag auf Ausstellung einer Rot-Weiß-Rot-Karte als selbstständige oder sonstige Schlüsselkraft. Dieser Antrag wurde am XXXX abgewiesen.
3. Aufgrund einer Kontrolle der Baustelle XXXX, am XXXX durch Organe der LPD XXXX, des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge: Bundesamt) sowie der Finanzpolizei, wurde der BF bei einer Beschäftigung betreten und vorläufig festgenommen. Daraufhin wurde gemäß § 34 Abs. 1 Z 2 BFA-VG ein Festnahme- und Einlieferungsauftrag gegen ihn erlassen, woraufhin er in das PAZ XXXX eingeliefert wurde. Gegen ihn erging ebenso eine Anzeige wegen Übertretung des Fremdenpolizeigesetzes an die LPD XXXX Fremdenpolizei.
4. Am selben Tag wurde anlässlich der Kontrolle der oben genannten Baustelle XXXX, der gemäß § 26 AuslBG auskunftspflichtig war, durch Organe der Finanzpolizei niederschriftlich einvernommen. Zusammengefasst gab er an, das Anwesen, auf welchem sich die Baustelle befinde, gehöre seinem Sohn. Der BF sei sein Neffe, lebe in der Slowakei und komme tageweise auf die Baustelle, um zu helfen. Er müsse noch sehr viel lernen und werde aufgrund des Verwandtschaftsverhältnisses kein Geld für seine Arbeit erhalten. Bereits seit einigen Monaten würden auf dem Anwesen seines Sohnes Umbau- und Renovierungsarbeiten durchgeführt werden. Meist werde von ca. 09.00 Uhr bis ca. 17.00 Uhr gearbeitet. Er selbst sei eigentlich im Lokal seines Sohnes beschäftigt, helfe aber gelegentlich auch auf der Baustelle mit. Auch andere Arbeitskräfte aus dem Lokal würden auf der Baustelle arbeiten, wenn in den Lokalen wenig Arbeit anfalle. Er fahre mit allen Arbeitern, die vor Ort auch Kost und Logis erhalten würden, zur Baustelle und bringe sie im Anschluss wieder zurück nach Wien, insofern vor Ort keine Nächtigungsmöglichkeit vorhanden sei.
5. Mit Schriftsatz vom XXXX legte der rechtsfreundliche Vertreter des BF Vollmacht und beantragte die Enthaftung des BF sowie die Einstellung des Verfahrens.
6. Am selben Tag erfolgte die niederschriftliche Einvernahme des BF vor dem Bundesamt. Zum Nachweis seiner Identität legte er seine Aufenthaltskarte für die Slowakei sowie seinen Reisepass vor. Zusammengefasst gab der BF zu seiner Person und seinen Familienverhältnissen an, er habe in Vietnam an der Adresse XXXX, gelebt. Dort würden aktuell seine Eltern, seine Frau und seine beiden Kinder wohnen. Mit seinen Angehörigen stehe der BF regelmäßig in Kontakt. Im Mai und Juni XXXX habe er sie das letzte Mal in Vietnam besucht.
Er sei unbescholten und werde auch nicht gerichtlich bzw. polizeilich gesucht. Der BF sei arbeitsfähig und befinde sich in einem guten Gesundheitszustand. Er spreche vietnamesisch und ein wenig Deutsch. Auf die Frage, ob er Slowakisch spreche, antwortete er: "Nein. Wenig".
In seinem Herkunftsstaat sei er normaler Arbeiter gewesen und habe beruflich alles Mögliche gemacht. Seit dem Jahr XXXX lebe er in der Slowakei. Zu seinem Aufenthaltstitel sei er gekommen, indem er dort zunächst als Gastarbeiter, dann als Geschäftsmann tätig gewesen sei. Die Frage, welches Geschäft er konkret führte, beantwortete er nicht. Er führte lediglich aus, es sei einfach so ein Geschäft gewesen. Er könne für andere arbeiten, verdiene aber nicht genug Geld. Man benötige schließlich Geld, um ein Geschäft aufzumachen. Zu seiner Erwerbstätigkeit führte er weiters aus, er arbeite in der Slowakei für Vietnamesen in unterschiedlichen Bereichen, manchmal in einem Restaurant, manchmal in verschiedenen Geschäften. Durch diese Tätigkeiten erwirtschafte er ein unregelmäßiges monatliches Einkommen von manchmal € 1.000,-. Verwandte habe er in der Slowakei nicht. Er sei zunächst Gastarbeiter gewesen und lebe seit acht Jahren dort. Auf die Frage nach seiner slowakischen Wohnadresse antwortete er nach einem anfänglichen Zögern und der Wiederholung der Frage durch das Organ des Bundesamtes: "Ah... Ich wohne in ah... ich arbeite und lebe überall, also Bratislava... Ul. Cukamaniho oder so... die Stadt heißt Lulucenec... oder so...".
Zur Kontrolle der Baustelle gab er an, als man nach seinem Namen gefragt habe, habe er nicht reagiert, da er aufgrund der vielen Fragen nicht alles verstanden habe. Er sei mit seinem Onkel zur Baustelle gefahren. Auf die Frage, warum er dort hingefahren sei, antwortete er: "Ah... er (Anm.: der Onkel) arbeitet dort, ich gehe mit, er sagte, ich solle ihm aushelfen. Ich war schon auch öfters beim Onkel, das schon, ich habe auch schon öfters für meinen Onkel
auf Baustellen geholfen. Das mache ich ... also ich helfe nur aus
auf Baustellen, komme nur mit. Nein, nein. Ich mache dort rein gar nichts, ich arbeite doch nicht. Helfe auch nicht. Nein. Ich mache das alles doch nicht." Auf Vorhalt, es bestehe der Verdacht, dass er einer unerlaubten Beschäftigung nachgegangen sei, da sein Antrag auf Ausstellung einer Rot-Weiß-Rot-Karte abgewiesen worden sei und er weder den Verdienst eines slowakischen Hilfsarbeiter noch seine eigene Adresse in der Slowakei kenne, antwortete der BF: "Nein, ich arbeite hier gar nicht".
Zu seinen Aufenthalten im Bundesgebiet führte er aus, er komme ab und zu nach Österreich. Am vergangenen Montag sei er zuletzt mit dem Zug von Bratislava angereist. In XXXX wohne er bei seinem Onkel XXXX an der Adresse XXXX. Er komme wöchentlich, manchmal ein- bis zweimal im Monat, zu Besuch. An der Adresse seines Onkels würde er nicht wohnen. Auf die Frage nach seinen Lebensmittelpunkt antwortete er zögerlich, dieser befinde sich in der Slowakei. Befragt nach der geplanten Dauer seines Aufenthalts in Österreich, erklärte er zusammengefasst, er könne ja nicht hierbleiben, sei nur auf Besuch gekommen und habe keine Papiere um hier bleiben zu können. Wenn er freigelassen werde, fahre er wieder zurück in die Slowakei. Er habe nur einige Tage bleiben wollen.
Auf die Frage, ob er nach Österreich gekommen sei, um mehr zu verdienen, antwortete er, er habe sich vergeblich bemüht Arbeit zu finden. Seine Reisen nach Wien habe er mit seinem ersparten Geld finanziert, für ein eigenes Geschäft habe es jedoch nicht gereicht. Abgesehen von seinem Onkel habe er keine Verwandten in der Europäischen Union. Sein Onkel habe zwei oder drei Restaurants im XXXX. Der BF habe in diesen Restaurants nicht gearbeitet, sondern sei nur zu Besuch gewesen. Einmal habe er dort für sich selbst gekocht. Über finanzielle Mittel, Ersparnisse, ein Sparbuch oder Rücklagen verfüge er nicht. Er finanziere seinen Lebensunterhalt in Österreich durch den Lohn, den er in der Slowakei erhalte.
Auf Vorhalt, er habe sich unrechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten und sei einer unerlaubten Tätigkeit nachgegangen, weshalb er auch festgenommen worden sei, antwortete der BF, er dürfe ja hier bleiben. Auf den weiteren Vorhalt, dass er bei seiner Betretung auf der Baustelle keinen Reisepass mitgeführt habe, gab er an, der Reisepass sei bei seinem Onkel gewesen.
Das Bundesamt räumte dem Beschwerdeführer die Möglichkeit zu einer Stellungnahme betreffend die Prüfung der Erlassung einer Rückkehrentscheidung in Verbindung mit einem Einreiseverbot wegen Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit ein. Der BF wollte hierzu keine Stellungnahme abgeben und erklärte ergänzend, er lüge nicht.
Abschließend informierte ihn das Bundesamt, dass die Voraussetzungen für die Gewährung einer freiwilligen Ausreise in die Slowakei geprüft werden. Für den Fall dieser Möglichkeit, wurde er vorab dazu aufgefordert, eine ihm ausgefolgte Information über die Verpflichtung zur Ausreise unverzüglich bei einer österreichischen Vertretungsbehörde in der Slowakei oder bei Grenzbeamten vorzuzeigen und seine Rückkehr dokumentieren zu lassen. Der Beschwerdeführer antwortete, er habe dies verstanden.
7. Nach Ausfolgung der Information über die Verpflichtung zur unverzüglichen Ausreise aus dem Bundesgebiet wurde der BF am XXXX enthaftet.
8. Mit dem nun angefochtenen Bescheid des Bundesamtes vom XXXX, Zl. XXXX, wurde dem BF kein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 erteilt. Gemäß § 10 Abs. 2 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung nach § 52 Abs. 1 Z 1 FPG erlassen (Spruchpunkt I.). Es wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Vietnam zulässig sei (Spruchpunkt II.). Gegen den BF wurde gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 7 FPG ein Einreiseverbot für die Dauer von vier Jahren erlassen (Spruchpunkt III.) und einer allfälligen Beschwerde gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt IV).
Das Bundesamt stellte im Wesentlichen fest, dass der BF seit XXXX durchgehend im Bundesgebiet wohnhaft sei und diesen Aufenthalt zur Ausübung einer nicht genehmigten Erwerbstätigkeit genutzt habe. Aufgrund seines slowakischen Aufenthaltstitels sei er allerdings nur zu einem Aufenthalt von 90 Tagen innerhalb einer Frist von 180 Tagen zu touristischen Zwecken berechtigt gewesen. Zu seinem im Bundesgebiet wohnhaften Onkel habe er lediglich ein loses Verhältnis. Eine intensive Bindung oder Abhängigkeit würde zwischen den beiden nicht bestehen. Im Übrigen gehe der BF keiner legalen Erwerbstätigkeit nach, verfüge über keine finanziellen Mittel und habe weder berufliche, soziale noch private Bindungen in Österreich. Seine Deutschkenntnisse seien äußerst gering. Der Feststellung der allgemeinen Lage im Herkunftsstaat legte das BFA die im Bescheid enthaltenen Länderfeststellungen zugrunde.
Beweiswürdigend hielt das Bundesamt zusammengefasst fest, dass die Angaben zum Privat- und Familienleben des BF in Österreich sowie in Vietnam nachvollziehbar gewesen seien. Seine Angaben zu seinem aktuellen Wohnsitz, zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit in der Slowakei sowie zur Ausübung von Hilfsarbeiten für seinen Onkel seien hingegen nicht glaubhaft gewesen. Gegen die Glaubwürdigkeit des BF spreche, dass er seit dem XXXX durchgehend im Bundesgebiet melderechtlich registriert sei und über ausgezeichnete Ortskenntnisse in XXXX verfüge, während er hingegen betreffend seinen Wohnsitz in der Slowakei keine Adresse nennen habe können. Im Hinblick auf ein Beschäftigungsverhältnis in Österreich habe der BF behauptet, er habe im Bundesgebiet nie gearbeitet, während sein Onkel vor der Finanzpolizei angegeben habe, der BF sei tageweise aus der Slowakei gekommen, um zu "helfen" bzw. sei er "immer tageweise auf der Baustelle" tätig gewesen. Da er vollkommen mittellos sei, sei er von der Unterstützung von Drittpersonen abhängig und könne daher nicht davon ausgegangen werden, dass es sich bei den durchgeführten Arbeiten um einzelne Gefälligkeitstätigkeiten gehandelt habe. Zudem stützte das Bundesamt seine Beweiswürdigung auf den Bericht der LPD XXXX, wonach der BF in schmutziger Kleidung bei Holzarbeiten betreten worden sei, sowie auf die nachvollziehbaren und glaubwürdigen Erhebungen der Finanzpolizei.
Rechtlich führte das Bundesamt zur Erlassung der Rückkehrentscheidung aus, dass die Voraussetzungen zur Erteilung eine Aufenthaltsberechtigung nach § 57 AsylG 2005 nicht vorgelegen seien. Der BF habe sich im Bundesgebiet unrechtmäßig aufgehalten, da ihn sein slowakischer Aufenthaltstitel nur zu einem Aufenthalt von 90 Tagen berechtigt hätte. Eine Interessensabwägung iSd § 9 BFA-VG führe zu dem Ergebnis, dass die Erlassung einer Rückkehrentscheidung zulässig und dringend geboten sei.
Zur Begründung des Einreiseverbotes führte das Bundesamt aus, aufgrund der Betretung des Beschwerdeführers bei Holzarbeiten auf einer Baustelle sei der Tatbestand des § 53 Abs. 2 Z 7 FPG erfüllt. Überdies habe er nicht nachweisen können, dass er über ausreichende Vermögenswerte zur Existenzsicherung verfüge. "Schwarzarbeit" führe auf gesamtwirtschaftlicher Ebene (vor allem durch den Entfall von Steuern, Abgaben und Beiträgen zu den Systemen der sozialen Sicherheit) zu schweren volkswirtschaftlichen Schäden und zusätzlich zu einer Wettbewerbsverzerrung. Folglich gefährde der BF durch sein Fehlverhalten die öffentliche Ordnung. Eine Zukunftsprognose falle negativ aus, da er sein gefährdendes Verhalten seit zweieinhalb Jahren fortsetze und sohin auch künftig keine Besserung zu erwarten sei. Aufgrund der geringen familiären und privaten Anknüpfungspunkte des BF in Österreich stehe auch Art. 8 EMRK der Erlassung des Einreiseverbots nicht entgegen. In einer Gesamtbetrachtung des gesetzten Verhaltens erscheine ein Einreiseverbot von vier Jahren gerechtfertigt.
Die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung wurde mit dem Interesse der öffentlichen Ordnung und Sicherheit aufgrund der Ausübung einer illegalen Erwerbstätigkeit sowie des langjährigen Aufenthalts des BF im Bundesgebiet gerechtfertigt, zumal im Falle einer Rückkehr keine menschenrechtsrelevante Gefahr für ihn bestehen würde.
9. Am XXXX brachte die Finanzpolizei einen Strafantrag gegen XXXX ein und legte ihm darin zur Last, dass er den BF sowie vier weitere Arbeiter, beauftragt habe, am Anwesen seines Sohnes Hilfstätigkeiten durchzuführen. Aus Sicht der Finanzpolizei hätten diese Personen Tätigkeiten verrichtet, welche üblicherweise in einem Dienstverhältnis erbracht werden und daher iSd AuslBG bewilligungspflichtig seien. Über eine Arbeitsbewilligung habe aber keine der fünf Personen verfügt und sei von ihnen auch niemand zur Sozialversicherung angemeldet gewesen.
10. Am XXXX wurde der BF erneut bei einer Kontrolle der Baustelle XXXX, von Organen der LPD NÖ, der Finanzpolizei sowie des Bundesamtes bei einer Beschäftigung betreten.
11. Am selben Tag erging ein Festnahme- und Einlieferungsauftrag sowie ein Abschiebeauftrag gegen den BF, woraufhin am XXXX seine Abschiebung nach XXXX erfolgte.
12. Am XXXX erging eine Anzeige gegen den BF an die BH XXXXu wegen einer Verwaltungsübertretung nach § 22 Abs. 1 Z 1 iVm § 3 Abs. 1 MeldeG.
12. Gegen den Bescheid vom XXXX erhob der BF fristgerecht Beschwerde und führte begründend aus, das Bundesamt habe den Grundsatz der amtswegigen Sachverhaltsermittlung sowie das Recht des BF auf Parteiengehör verletzt, zumal ein Meldezettel keinen ausreichenden Nachweis über den dauerhaften Aufenthalt im Bundesgebiet darstellt und auch die Ausübung einer unrechtmäßigen Erwerbstätigkeit vom Beschwerdeführer abgestritten worden sei. Darüber hinaus habe der BF kein Verhalten gesetzt, welches die Erlassung eines Einreiseverbotes rechtfertigen würde. Die festgesetzte Dauer sei zudem unverhältnismäßig und hätte zumindest begründet werden müssen. In der Folge wurde beantragt, den Bescheid ersatzlos zu beheben, in eventu aufzuheben und zur Verfahrensergänzung an die erste Instanz zurückzuverweisen, in eventu die Dauer des Einreiseverbotes herabzusetzen.
13. Die Beschwerdevorlage langte am XXXX beim Bundesverwaltungsgericht ein.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1 Der BF ist vietnamesischer Staatsangehöriger. Er ist gesund und arbeitsfähig. Neben Vietnamesisch spricht der BF ein wenig Deutsch. In Vietnam wohnte er zuletzt an der Adresse XXXX. Im Jahr XXXX verließ er Vietnam und verzog in die Slowakei. Er verfügt über eine am XXXX ausgestellte slowakische Aufenthaltsberechtigung ("povolenie na pobyt") im Scheckkartenformat mit Gültigkeit bis XXXX. Die Dauer seines Aufenthalts in der Slowakei kann nicht festgestellt werden.
Am XXXX meldete er seinen Hauptwohnsitz in XXXX und war dort bis zu seiner Abschiebung am XXXX wohnhaft. Während seines Aufenthalts im Bundesgebiet lebte er weder in einer Familiengemeinschaft noch in einer familienähnlichen Gemeinschaft. Sein einziger sozialer Anknüpfungspunkt war der regelmäßige Kontakt zu seinem Onkel XXXX. Seine Ehefrau, seine beiden Kinder sowie seine Eltern leben in Vietnam. Zu ihnen pflegt der BF regelmäßigen Kontakt und besuchte sie im Jahr XXXX für die Dauer von zwei Monaten.
1.2 Sein Antrag auf Ausstellung einer Rot-Weiß-Rot-Karte wurde im XXXX abgewiesen. Während seines zweieinhalbjährigen Aufenthalts im Bundesgebiet verfügte er weder über eine arbeitsmarktrechtliche oder eine aufenthaltsrechtliche Bewilligung noch war er zur Sozialversicherung angemeldet. Dennoch war er für seinen Onkel auf unterschiedlichen Baustellen als Hilfsarbeiter beschäftigt. Zuletzt war er für ihn auf der Baustelle an der Adresse XXXX tätig. Bei einer Kontrolle der Baustelle durch Organe der LPD XXXX, der Finanzpolizei sowie des BFA XXXX am XXXX wurde der BF bei Holzarbeiten in schmutziger Arbeitsbekleidung betreten.
1.3 Am XXXX erfolgte die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Ho Chi Minh City.
1.4 Zur Lage im Herkunftsstaat:
a) Politische Lage
Die Sozialistische Republik Vietnam ist ein autoritärer, von einer, der Kommunistischen Partei Vietnams (KPV) regierter (USDOS 13.4.2016), sozialistischer Staat (USDOS 13.4.2016; vgl. auch: GIZ 8.2016, AA 30.12.2015), der auf wirtschaftlichem Gebiet einen Kurs marktwirtschaftlich orientierter Reformen eingeschlagen hat (AA 30.12.2015). Politisch und gesellschaftlich folgt er jedoch dem unbedingten Führungsanspruch der KPV (AA 30.12.2015). Die am 1.1.2014 in Kraft getretene Verfassung schreibt unverändert die führende Rolle der KPV in Staat und Gesellschaft fest (AA 2.2016a; vgl. auch: USDOS 13.4.2016, GIZ 8.2016).
Es gibt zwar einen politischen Willensbildungsprozess, in den Partei, Regierung und Parlament auf nationaler, Provinz- und Bezirksebene einbezogen sind (AA 2.2016a) und obwohl die Rolle der Nationalversammlung (NV) im Gefüge der Staatsorgane stärker wird, kann von Gewaltenteilung oder demokratischer Legitimation nur in Ansätzen die Rede sein (AA 30.12.2015; vgl. auch: GIZ 8.2016). In der Praxis werden Legislative, Exekutive und Judikative weiterhin von der KPV-Führung kontrolliert (AA 2.2016a; vgl. auch: USDOS 13.4.2016). Meinungs- und Pressefreiheit gibt es nicht (AA 30.12.2015), Pluralismus und eine formale Opposition existieren in Vietnam nicht (GIZ 8.2016; vgl. auch: AA 2.2016a). Unabhängige politische Parteien sind von der Regierung verboten (BTI 2016). Verbände, Organisationen und die Gewerkschaft sind in der "Vaterländischen Front" (VF) zusammengefasst und damit Teil des Systems (AA 2.2016a). Das Militär ist in den wichtigsten politischen Institutionen, darunter dem Politbüro und dem Zentralkomitee (ZK) der KPV vertreten (BTI 2016).
Der NV kommt als Gesetzgebungsorgan die nominelle Kontrolle über alle staatlichen Aktivitäten zu. Sie tritt zweimal jährlich zusammen. Ihr gehören 499 Abgeordnete an, von denen 42 nicht Mitglied der KPV sind. Die NV hat sich in den letzten Jahren schrittweise zu einem Parlament fortentwickelt, das seine Rechte einfordert und zunehmend Kontrolle gegenüber der Regierung ausübt. Es wurden verschiedene Schritte unternommen, um die Rolle des Parlaments als Gesetzgebungs- und Kontrollorgan auszubauen (u. a. Einführung eines Misstrauensvotums). Die NV bleibt aber im Institutionengefüge schwach (AA 2.2016a). Effektiv sind Politbüro und ZK die obersten Entscheidungsgremien des Landes (FH 27.1.2016).
Die KPV formuliert die Strategien, während die Regierung, bestehend aus den Exekutivorganen - also dem Staatsapparat - und der NV für die Umsetzung verantwortlich ist. Partei und Regierungsorganisationen sind auf allen Ebenen der Verwaltung miteinander verflochten (BTI 2016).
Die NV wird alle fünf Jahre von der Bevölkerung gewählt (GIZ 8.2016; vgl. auch: USDOS 13.4.2016, FH 27.1.2016) und die örtlichen Volkskomitees auf Provinz- und Bezirksebene. Die Kandidaten werden zuvor von der KPV ernannt oder gebilligt. Darüber hinaus gibt es zahlreiche Massenorganisationen, wie die Ho Chi Minh Jugend oder Frauenunion, die sich der politischen Ausrichtung der Bürger annehmen. Sie folgen der Ideologie der KPV und sind alle unter dem Dach der VF zusammen gefasst (AA 2.2016a).
Eine zentrale Rolle spielt der Generalsekretär der KPV, Nguyen Phu Trong, der protokollarisch das Staatsoberhaupt ist und dem Politbüro vorsteht (AA 2.2016a).
Das 16-köpfige Politbüro bestimmt die Richtlinien der Politik und wird seit Jänner 2011 von Generalsekretär Nguyen Phu Trong geleitet (AA 2.2016a; vgl. auch: USDOS 13.4.2016). Er wurde im Jänner 2016 durch den alle 5 Jahre tagenden Kongress der KPV im Amt bestätigt (AA 2.2016a; vgl. auch: GIZ 8.2016). Das 190-köpfige ZK der Partei ist das zweithöchste Parteiorgan und tagt in der Regel zweimal im Jahr (AA 2.2016a). Anfang April 2016 wählte die vietnamesische NV Tran Dai Quang zum neuen Staatspräsidenten (GIZ 8.2016), der auch Oberkommandierender der Streitkräfte ist (AA 2.2016a). An der Spitze der Regierung steht der Premierminister (AA 2.2016a). Im April 2016 wurde Nguyen Xuan Phuc zum neuen Ministerpräsidenten Vietnams gewählt (GIZ 8.2016). Für die Wahlen zur neuen NV im Mai 2016 haben sich ca. 100 Personen als unabhängige Kandidaten registriert - darunter auch zwei bekannte Künstler, jedoch wurde die Mehrzahl dieser unabhängigen Kandidaten durch verfahrungstechnische Tricks und Verleumdungskampagnen ausgesiebt (GIZ 8.2016).
Vietnam nimmt eine zentrale Position in der Region Südostasien ein (GIZ 8.2016) und setzt seine 1986 eingeleitete pragmatische Politik der Öffnung nach außen ("Doi-Moi-Politik") fort. Wichtigste außenpolitische Partner sind die ASEAN-Mitgliedstaaten (Association of Southeast Asian Nations) sowie China, Japan, Südkorea, Russland, die USA und die EU (GIZ 8.2016; vgl. auch: HRW 27.1.2016). Die vietnamesische Außenpolitik verfolgt drei Kernziele: Die Sicherheit Vietnams, die wirtschaftliche Entwicklung und eine verstärkte Einbindung in die Arbeit internationaler Organisationen (AA 2.2016b). China ist mit Abstand der größte Handelspartner Vietnams (AA 2.2016b). Traditionell hat Vietnam enge Beziehungen zu Laos, die in die frühen Jahre des antikolonialen Befreiungskampfes zurückreichen. Als Wirtschaftspartner und Investor in Laos konkurriert Vietnam allerdings zunehmend mit China und Thailand (GIZ 8.2016).
Die Beziehungen zu China gestalten sich aufgrund von maritimen Gebietsstreitigkeiten weiterhin kompliziert (HRW 27.1.2016; vgl. auch: FH 27.1.2016). Vietnam unterhält enge Sicherheitsbeziehungen zu Kambodscha, trotz einiger Friktionen an der Grenze (HRW 27.1.2016)
Quellen:
-
AA - Auswärtiges Amt (30.12.2015): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Sozialistischen Republik Vietnam
-
AA - Auswärtiges Amt (2.2016a): Vietnam, Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Vietnam/Innenpolitik_node.html, Zugriff 5.8.2016
-
AA - Auswärtiges Amt (2.2016b): Vietnam, Außenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/sid_C56C62ED80CB9581E92A482C88938C18/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Vietnam/Aussenpolitik_node.html, Zugriff 9.8.2016
-
BTI - Bertelsmann Stiftung (2016): BTI 2016 - Vietnam Country Report,
https://www.bti-project.org/fileadmin/files/BTI/Downloads/Reports/2016/pdf/BTI_2016_Vietnam.pdf, Zugriff 7.9.2016
-
FH - Freedom House (27.1.2016): Freedom in the World 2016 - Vietnam, http://www.ecoi.net/local_link/327755/468463_de.html, Zugriff 7.9.2016
-
GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (8.2016): Vietnam,
https://www.liportal.de/vietnam/geschichte-staat/, Zugriff 4.8.2016
-
HRW - Human Rights Watch (27.1.2016): World Report 2016 - Vietnam, http://www.ecoi.net/local_link/318389/457392_de.html, Zugriff 24.8.2016
-
USDOS - US Department of State (13.4.2016): Country Report on Human Rights Practices 2015 - Vietnam, http://www.ecoi.net/local_link/322469/461946_de.html, Zugriff 9.8.2016
b) Sicherheitslage
Das autoritäre Staatssystem Vietnams lässt die Ausübung bürgerlicher und politischer Rechte nicht zu (AA 30.12.2015). Tatsächlich ist zu beobachten, dass die vietnamesische Führung massiv gegen politische Kräfte vorgeht, die sie als eine Gefahr für die Alleinherrschaft der KP Vietnams ansieht (GIZ 8.2016).
Quellen:
-
AA - Auswärtiges Amt (30.12.2015): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Sozialistischen Republik Vietnam
-
GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (8.2016): Vietnam,
https://www.liportal.de/vietnam/geschichte-staat/, Zugriff 4.8.2016
c) Allgemeine Menschenrechtslage
Die vietnamesische Verfassung gewährt formal die Grundrechte wie Meinungs-, Glaubens-, Versammlungs- und Pressefreiheit (AA 2.2016a), diese dürfen jedoch nicht "missbraucht" werden (GIZ 8.2016). In der Praxis werden die Rechte aber durch weit gefasste Gesetze und Vollmachten der Behörden nicht unerheblich eingeschränkt (AA 2.2016a; vgl. auch: FH 27.1.2016).
Vietnam hat fünf der wichtigsten Menschenrechtskonventionen gezeichnet bzw. ratifiziert. Probleme gibt es vor allem bei der Umsetzung international eingegangener Verpflichtungen in innerstaatliches Recht. So werden elementare, von den Menschenrechtskonventionen garantierte Menschenrechte wie Meinungs-, Versammlungs-, Religionsfreiheit etc. weiterhin nicht in vollem Umfang gewährt bzw. stark eingeschränkt. Vietnam ist an folgende internationale Menschenrechtsabkommen gebunden:
-
Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte;
-
Internationaler Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte;
-
Internationale Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung;
-
Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau;
-
Übereinkommen über die Rechte des Kindes mit seinen beiden Zusatzprotokollen
betreffend die Beteiligung von Kindern an bewaffneten Konflikten und den Verkauf von
Kindern sowie Kinderprostitution und Kinderpornographie.
-
Anti-Folter-Konvention
-
UN-Behindertenrechtskonvention (AA 30.12.2016).
Die EU führt seit 2001 einen jährlichen Menschenrechtsdialog mit der vietnamesischen Regierung. Der letzte Dialog fand im Dezember 2015 in Hanoi statt (AA 2.2016a).
Vietnam ist seit 2014 für drei Jahre Mitglied des Menschenrechtsrates der Vereinten Nationen und hat sich 2014 dem Staatenüberprüfungsverfahren der Vereinten Nationen (Universal Periodic Review) unterzogen (AA 30.12.2015). Im Menschenrechtsbereich ist die vietnamesische Führung innerhalb enger Grenzen zu internationaler Zusammenarbeit bereit und führt mit der EU, der Schweiz, Norwegen, Australien, Neuseeland und den USA Menschenrechtsdialoge auf Arbeitsebene (AA 30.12.2015; vgl. auch:
USDOS 13.4.2016).
Die wichtigsten Menschenrechtsprobleme im Land sind schwerwiegende Beschränkungen der politischen Bürgerrechte durch die Regierung, insbesondere des Rechtes, die Regierung durch freie und faire Wahlen zu ändern, Einschränkungen der bürgerlichen Freiheiten, einschließlich der Vereinigungs-, Versammlungs- und Meinungsfreiheit, kein ausreichender Schutz der Bürger durch Prozessrechte, einschließlich Schutz vor willkürlicher Verhaftung. Andere Menschenrechtsverletzungen betreffen willkürliche oder rechtswidrige Tötung, Übergriffe durch die Polizei und körperliche Züchtigung, willkürliche Verhaftungen und Inhaftierung für politische Aktivitäten, polizeiliche Misshandlung von Verdächtigen bei Festnahmen und Inhaftierungen, einschließlich Anwendung tödlicher Gewalt und strenger Haftbedingungen sowie die Verweigerung des Rechts auf ein faires und zügiges Verfahren (USDOS 13.4.2016).
Aktive Gegner des Sozialismus und des Alleinherrschaftsanspruchs der Kommunistischen Partei Vietnams (KPV) können jedoch aufgrund verschiedener weit gefasster Bestimmungen in Verfassung und Strafgesetzbuch inhaftiert oder bestraft werden (AA 30.12.2015). Die vietnamesische Justiz nimmt von diesen Einschränkungen Gebrauch, um gegen missliebige Kritiker vorzugehen (GIZ 8.2016; vgl. auch AA 30.12.2015).
Die Regierung nutzte eine Vielzahl von Methoden, um inländische Kritik an ihrer Menschenrechtspolitik zu unterdrücken, einschließlich Überwachung, Festnahme, Strafverfolgung, Haft, Eingriffe in die persönliche Kommunikation und Beschränkungen Meinungs-, Presse- und Versammlungsfreiheit (USDOS 13.4.2016). Menschenrechtsverteidiger und ihr Umfeld müssen mit Repressionen rechnen (AA 2.2016a).
Die Regierung erlaubt weder, private, lokale Menschenrechtsorganisationen zu bilden oder zu betreiben, noch duldet sie Versuche von Organisationen oder Einzelpersonen, Menschenrechtspraktiken öffentlich zu kritisieren (USDOS 13.4.2016; vgl. auch: AA 30.12.2015). Eine regierungsunabhängige Zivilgesellschaft im westlichen Sinne existiert in Vietnam nicht. Die Regierung verwendet komplexe und politisierte Registrierungssysteme für NGOs und andere Religionsgemeinschaften, um unliebsame politische und religiöse Partizipation zu unterdrücken. Internationale und lokale NGOs sind oft mit Problemen bei der Registrierung konfrontiert (USDOS 13.4.2016). Inländische NGOs werden unter dem Dach der sogenannten "Vietnamesischen Vaterlandsfront" (VF) zusammengefasst und sind damit eigentlich auch wieder staatlich. Wirkliche NGOs erhalten keine Registrierung und müssen daher aus der Illegalität heraus operieren (AA 30.12.2015). Ungeachtet der Einschränkungen ist die Zahl von unabhängigen NGOs im Lauf des Jahres 2015 gestiegen und die Behörden zeigten im Verlauf des Jahres unabhängigen NGOs gegenüber erhöhte Toleranz (USDOS 13.4.2016). Eine kleine, aktive Gemeinschaft unabhängiger NGOs tritt für Umweltschutz, Landrechte, Entwicklung der Frauen und öffentliche Gesundheit ein, stößt aber auf staatliche Beschränkungen (FH 27.1.2016). Ausländische Menschenrechtsorganisationen sind in Vietnam nicht vertreten, ihren Vertretern wird die Einreise zu Recherchezwecken regelmäßig verwehrt (AA 30.12.2015).
Privaten Bürgern ist es grundsätzlich verboten, internationale Menschenrechtsorganisationen direkt zu kontaktieren, jedoch haben das viele Aktivisten gemacht. Die Regierung erlaubt Vertretern des UNHCR und ausländischer Regierungen, das Zentrale Hochland zu besuchen (USDOS 13.4.2016).
Es gibt keine Ombudspersonen, Menschenrechtskommissionen oder Legislativkommissionen die speziell für Menschenrechtsbelange zuständig sind (USDOS 13.4.2016).
Quellen:
-
AA - Auswärtiges Amt (30.12.2015): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Sozialistischen Republik Vietnam
-
AA - Auswärtiges Amt (2.2016): Vietnam, Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Vietnam/Innenpolitik_node.html, Zugriff 5.8.2016
-
FH - Freedom House (27.1.2016): Freedom in the World 2016 - Vietnam, http://www.ecoi.net/local_link/327755/468463_de.html, Zugriff 7.9.2016
-
GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (8.2016): Vietnam,
https://www.liportal.de/vietnam/geschichte-staat/, Zugriff 4.8.2016
-
USDOS - US Department of State (13.4.2016): Country Report on Human Rights Practices 2015 - Vietnam, http://www.ecoi.net/local_link/322469/461946_de.html, Zugriff 9.8.2016
d) Grundversorgung und Wirtschaft
Die Sozialistische Republik Vietnam befindet sich in einem wirtschaftlichen Transformationsprozess von einem zentral gesteuerten zu einem marktwirtschaftlich orientierten System sozialistischer Prägung. Steigende (versteckte) Arbeitslosenzahlen - auch bedingt durch eine hohe Zahl von Schulabgängern (ca. 1,5 Mio. jährlich) - sowie ein wachsendes Gefälle zwischen Stadt und Land und zwischen Arm und Reich sind die Begleiterscheinungen des Umbruchs. Reformen konzentrieren sich jedoch überwiegend auf den Wirtschaftssektor, in der Politik hält die Kommunistische Partei Vietnams (KPV) an ihrem politischen Machtmonopol weiter fest (AA 30.12.2015).
Das Volkseinkommen zwischen Stadt und Land ist sehr ungleich verteilt. Nach wie vor leben 60% der Bevölkerung auf dem Land, erwirtschaften dort aber nur 20% des Volkseinkommens. Die bereits im Jahresverlauf erhöhte Zielvorgabe der vietnamesischen Regierung für das Wirtschaftswachstum 2015 von 6,5% konnte zum Jahresende mit 6,81% deutlich übertroffen werden (AA 2.2016b).
Der allgemeine Lebensstandard ist - vor allem auf dem Land - niedrig. Vietnam ist weiterhin eines der ärmsten Länder der Welt, obgleich hier in den letzten Jahren eine positive Entwicklung verzeichnet werden konnte. Die z.T. verdeckte Arbeitslosigkeit in ländlichen Gebieten ist hoch und es herrscht eine insbesondere saisonale Unterbeschäftigung. Das Angebot an Grundnahrungsmitteln ist gesichert (AA 30.12.2015).
Das Sozialversicherungssystem verfügt zwar mittlerweile über eine solide Grundstruktur, die jedoch aufgrund einer Vielzahl von jüngsten Reformen noch nicht als gefestigt angesehen werden kann. Von ca. 53 Mio. Erwerbstätigen in Vietnam sind ca. 10 Mio. renten- und arbeitslosenversichert. Diese niedrige Zahl erklärt sich vor dem Hintergrund, dass lediglich die im formellen Sektor arbeitenden Vietnamesen sich eine derartige Pflichtversicherung leisten können. Die ca. 42 Mio. im informellen Sektor tätigen Vietnamesen verfügen weit überwiegend über keine Renten- und Arbeitslosenversicherung, da sie auch von der Möglichkeit der freiwilligen Versicherung keinen Gebrauch machen (AA 30.12.2015).
Das Rentensystem in Vietnam besteht aus einer obligatorischen und einer freiwilligen Rentenversicherung. Das Rentenalter für Personen mit gefährlicher oder beschwerlicher Arbeit, Personen umliegender Inseln oder andere Ausnahmefälle wird von der Regierung bestimmt. Als Rentner gelten Männer im Alter von 60, Frauen im Alter von 55 Jahren bzw. jedermann, der mindestens 20 Jahre Versicherungsbeiträge gezahlt hat. Die monatliche Rente beträgt 75% des durchschnittlichen Lohns der gesamten Beitragszeit und wird jedes Jahr um 1% reduziert. Personen, die in den letzten 20 Jahren nur 3 Monate Beiträge gezahlt haben, erhalten eine einmalige Rentenzahlung, die der Hälfte des durchschnittlichen Monatslohns der gesamten Beitragszeit entspricht (IOM 10.2015).
In allen Provinzen sind öffentliche Arbeitsämter zu finden und in größeren Städten gibt es zudem private Dienstleister. Arbeitnehmer mit unbefristeter Arbeit oder mindestens dreimonatiger befristeter Arbeit müssen an der Arbeitslosenversicherung teilnehmen. Die monatliche Beihilfe beträgt 60% des durchschnittlichen Lohns der letzten 6 Monate, überschreitet aber nicht das Fünffache des regionalen Mindestlohns. Die Beihilfe wird maximal für 12 Monate gewährt (IOM 10.2015).
Quellen:
-
AA - Auswärtiges Amt (30.12.2015): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Sozialistischen Republik Vietnam
-
AA - Auswärtiges Amt (2.2016b): Vietnam, Wirtschaft, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Vietnam/Wirtschaft_node.html, Zugriff 5.8.2016
-
IOM - International Organisation für Migration (10.2015):
Länderinformationsblatt Vietnam, http://germany.iom.int/sites/default/files/ZIRF_downloads/Vietnam_CFS_2015_DE.pdf, Zugriff 23.8.2016
e) Medizinische Versorgung
Die Gesundheitsversorgung hat sich in den letzten Jahren verbessert, entspricht aber insgesamt bei weitem nicht dem europäischen Niveau. Gemessen am Entwicklungsstand des Landes ist sie in der Breitenwirkung relativ hoch, in der Qualität aber weiterhin bei anspruchsvolleren Behandlungen schwach (AA 30.12.2015).
Vietnams Gesundheitswesen besteht aus einer obligatorischen und einer freiwilligen Krankenversicherung (IOM 10.2015).
Eine Krankenversicherung zur medizinischen Behandlung der breiten Bevölkerung ist im Aufbau begriffen. Seit 2005 sind Arbeitnehmer mit festen Verträgen von mindestens drei Monaten, Pensionäre, Kriegsveteranen, Kinder unter sechs Jahren und Mitglieder des Gesundheitsfonds für Arme Pflichtmitglieder einer Krankenversicherung (AA 30.12.2015; vgl. auch: MedcCOI 30.3.2014). Arbeitnehmer müssen 1,5% ihres Gehalts abführen, der Arbeitgeber zahlt einen Betrag in Höhe von 3% des Gehalts ein (AA 30.12.2015; vgl. auch: MedCOI 13.5.2015). 2014 waren damit rund 71% der vietnamesischen Bevölkerung pflichtkrankenversichert. Aufgrund der Einführung einer Familienversicherung soll dieser Anteil bis zum Jahr 2020 auf 80% ansteigen. 2002 richtete die Regierung einen Gesundheitsfonds für arme und benachteiligte Bevölkerungsgruppen ein. Über Health Insurance Cards oder die direkte Vergütung von Leistungen soll eine medizinische Grundversorgung gewährleistet werden. Für bedürftige ältere Menschen sowie für Kriegsversehrte besteht zudem die Möglichkeit, bei den örtlichen Volkskomitees einen Antrag auf eine Bescheinigung zu stellen, die zu einer günstigen, gegebenenfalls. auch kostenlosen Krankenbehandlung berechtigt (AA 30.12.2015).
Seit dem Jahr 2000 gibt es auch die Möglichkeit, eine private Krankenversicherung abzuschließen (MedCOI 13.5.2015).
Generell ist in Vietnam eine Basisbehandlung in den meisten Krankheiten möglich (AA 30.12.2015) und medizinische Versorgung für jeden zugänglich (IOM 15.2015). Bereits etwas kompliziertere Behandlungen sind jedoch nur in Hanoi, Ho-Chi-Minh-Stadt sowie eventuell noch in einigen anderen großen Städten durchführbar. Das Ausbildungsniveau kann als solide bezeichnet werden, jedoch ist die Ausstattung in Arztpraxen und Krankenhäusern oft defizitär bzw. vermag das Personal sie nicht zu bedienen. Korruption ist auch im Gesundheitswesen ein Alltagsproblem. Das Ob und Wie der Behandlung hängt von der Höhe der "Bezahlung" ab. Viele in staatlichen Krankenhäusern tätige Ärzte arbeiten mittlerweile nach Feierabend auf "eigene Rechnung" (AA 30.12.2015; vgl. auch: MedCOI 13.5.2015).
Die geläufigsten Medikamente/Generika sind in Vietnam erhältlich (AA 30.12.2015; vgl. auch: IOM 10.2015). Allerdings kann es zu qualitativen oder zeitlichen Engpässen kommen. Über private Spezialkliniken lassen sich zu entsprechenden Preisen Medikamente fast jeglicher Art innerhalb kurzer Zeit importieren. Die psychiatrischen Einrichtungen sind auf einem relativ hohen Niveau, stehen jedoch nur in den Großstädten zur Verfügung. Krankenhäuser und Privatkliniken, in denen lebensnotwendige Behandlungen durchgeführt werden können, existieren in den Großstädten und Provinzhauptstädten. In Hanoi und Ho-Chi-Minh-Stadt sowie anderen größeren Städten werden in der letzten Zeit verstärkt auch halbstaatliche medizinische Dienstleistungen angeboten. Gebäude und Personal stammen z.B. von der Armee, Ärzte arbeiten aber kostendeckend auf private Rechnung. Die Untersuchungskosten in diesen Zentren sind relativ günstig (unter zehn US Dollar je nach Art der Untersuchung). Die Ausstattung mit medizinischem Gerät ist angemessen (z.B. Ultraschall-, Röntgengerät etc.).Eine weitere Art von privaten Gesundheitsinstitutionen in Hanoi und Ho-Chi-Minh-Stadt sind die sog. "Family-Doctor-Services". Diese operieren in Teilbereichen auf Mitgliederbasis und bieten medizinische Versorgung zu relativ hohen Preisen an. Eine westlichen Standards entsprechende medizinische Versorgung (stationär und ambulant) ist im "Französischen Krankenhaus" in Hanoi und in den "SOS-Kliniken" in Hanoi und Ho-Chi-Minh-Stadt verfügbar. Insgesamt gibt es in Vietnam nach offiziellen Angaben 1.062 öffentliche und 80 private Krankenhäuser (AA 30.12.2015).
Die offizielle Zahl der registrierten an HIV/AIDS Erkrankten lag im Juni 2012 bei 204.019, mit einer Dunkelziffer ist zu rechnen. Mittlerweile erhalten mehr als die Hälfte der registrierten AIDS-Erkrankten eine antiretrovirale Behandlung (AA 30.12.2015). In den HIV-Zentren in Hanoi und Ho Chi Minh ist die Behandlung kostenlos. HIV/AIDS kann auch in jedem großen Spital behandelt werden, die Behandlung ist dort allerdings teuer (MedCOI 30.3.2014).
Krebs kann in spezialisierten Einrichtungen in Hanoi und Ho Chi Minh behandelt werden, eine finanzielle Unterstützung durch Regierung oder Sozialversicherung ist nicht gegeben (MedCOI 30.3.2014).
Nierenversagen ist in spezialisierten Einrichtungen in Hanoi, Ho Chi Mind und Danang behandelbar. Es gibt ausreichen Dialysezentren. Die Behandlung wird nicht vom Staat bezahlt, einige private Versicherungen übernehmen jedoch die Kosten (MedCOI 30.3.2014).
Auch die Behandlung von Diabetes wird nicht vom Staat, aber von vielen privaten Versicherungen bezahlt. Personen, die versichert sind, müssen noch die Kosten für Insulin übernehmen. Wenn keine Versicherung besteht, sind die kompletten Kosten selbst zu tragen (MedCOI 30.3.2014).
Die Kosten für eine Hepatitisbehandlung werden komplett von privaten Versicherungen getragen (MedCOI 30.3.2014).
Die Behandlung von Tuberkulose ist in staatlichen Spezialanstalten kostenlos möglich (MedCOI 30.3.2014).
Die Zahl der Menschen mit Behinderungen beträgt rund 7 Mio. Ein Viertel davon sind Kriegsversehrte und gut ein Drittel Analphabeten. Viele Behinderte haben keinen Zugang zu Rehabilitationsmaßnahmen. Orthopädietechnische Versorgungsstrukturen für die durch das Herbizid Agent Orange Geschädigten befinden sich aufgrund der fehlenden Tradition orthopädischer Behandlungsmaßnahmen in Vietnam noch im Aufbau (AA 30.12.2015).
Quellen:
-
AA - Auswärtiges Amt (30.12.2015): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Sozialistischen Republik Vietnam
-
MedCOI - Belgian Immigration Office via MedCOI (30.3.2014):
Country Fact Sheet Access to Healthcare: Viet Nam
-
MedCOI - Belgian Immigration Office, Questions & Answer (13.5.2015): BDA-20150513-VN-6118, S. 3, 7