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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
AVG §59 Abs1;Beachte
Serie (erledigt im gleichen Sinn):98/03/0363 E 20. März 2002Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Sauberer, Dr. Gruber, Dr. Gall und Dr. Handstanger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Böheimer, über die Beschwerde der Flughafen Linz Gesellschaft mbH in Hörsching, vertreten durch Dr. Alfred Hawel, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Museumstraße 17, gegen den Bescheid des Bundesministers für Wissenschaft und Verkehr vom 2. Oktober 1998, Zl. 60.401/7-Z8/98, betreffend Maßnahmen zur Wahrung der Sicherheit der Luftfahrt, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund (Bundesministerium für Wissenschaft und Verkehr) ist schuldig, der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem angefochtenen Bescheid trug die belangte Behörde als Oberste Zivilluftfahrtbehörde der beschwerdeführenden Partei gemäß § 141 Abs. 1a und Abs. 3 in Verbindung mit § 62 Abs. 5 Luftfahrtgesetz, BGBl. Nr. 253/1957 in der Fassung BGBl. I Nr. 147/1998, (LFG) auf, zur Wahrung der Sicherheit der Luftfahrt laufend die erforderlichen Maßnahmen zur Sicherung der Dächer der in den Anflugsektoren des Flughafens Linz errichteten Objekte gegen Beschädigung durch Wirbelschleppen durchzuführen (Verklammerung bzw. Nagelung der Dachdeckung, Anbringen von Schneegittern, usw.). In der Begründung dieses Bescheides ging die belangte Behörde davon aus, dass es sich beim Flughafen Linz um einen Flughafen handle, der im Rahmen einer Mitbenützungsbewilligung gemäß § 62 Abs. 1 lit. a LFG für Zwecke der Zivilluftfahrt betrieben werde. Trotz ordnungsgemäßer Landeanflüge sei es in mehreren Fällen zu Beschädigungen an Dächern bestimmter Häuser in den Gemeinden Pasching und Oftering durch Wirbelschleppen gekommen. Als Wirbelschleppen würden die zwei gegenläufigen Wirbel bezeichnet, die jedes Flugzeug auf seiner Flugbahn hinterlasse. Diese beiden Wirbel gingen von den Tragflügelenden aus. Sie entstünden dadurch, dass wegen des Druckunterschiedes auf der Unter- und Oberseite eines Auftrieb erzeugenden Tragflügels an dessen Ende eine Umströmung von unten nach oben erfolge. Hinter einem Flugzeug verblieben demnach zwei schlauchähnliche Wirbel hoher Intensität. Bei ausgefahrenen Landeklappen entstünden an deren Ende noch zusätzliche Wirbel, die sich meistens mit den Randwirbeln vereinigten. Im Falle von Windstille oder von sehr schwachem Wind könnten sich solche Wirbel bis zum Boden fortpflanzen und dort Schäden verursachen. Die häufigsten dabei entstehenden Schäden seien Gebäudeschäden in Form von Lockerungen einzelner Dachziegel oder von Dachabdeckungen durch Losreißen von Dachziegel. Nach derzeitigem Stand der Technik sei die Möglichkeit, die Wirbel am Ort der Entstehung zu vermeiden oder wenigstens merklich abzuschwächen, praktisch nicht gegeben. Zur möglichsten Hintanhaltung von Gebäudeschäden und allfällig damit verbundener Folgeschäden durch solche Wirbel kämen nur bodenseitige Maßnahmen an den Objekten selbst in Frage. Die durch Wirbelschleppen verursachte Lockerung von Dachziegeln bzw. die Abdeckung von Dächern und die mit den herabstürzenden Dachziegeln verbundene Gefährdung der Gesundheit und des Lebens von Personen könnte am besten durch die Vernagelung von Dächern oder durch die Klammerung von Dachziegeln, bei welcher die Befestigungsklammer in die Ziegellattung eingehängt oder angenagelt werde, verhindert werden. Im Zusammenhalt mit § 141 Abs. 1a LFG sei die belangte Behörde berechtigt, dem Betreiber des Flughafens Linz (der beschwerdeführenden Partei) gemäß § 141 Abs. 3 LFG die Durchführung jener Maßnahmen aufzuerlegen, die zur Wahrung der Sicherheit der Luftfahrt erforderlich seien. Von dem Begriff "Sicherheit der Luftfahrt" sei unter anderem auch die Hintanhaltung von Gefährdungen der Sicherheit von Personen und Sachen auf der Erde umfasst.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten des Verwaltungsverfahrens und Erstattung einer Gegenschrift erwogen hat:
§ 62 Abs. 5 LFG lautet:
"Wird im Rahmen einer Mitbenützungsbewilligung gemäß Abs. 1 lit. a für Zwecke der Zivilluftfahrt ein Flughafen betrieben, so sind die §§ 63, 64, 66 und 74 bis 76 sinngemäß anzuwenden, jedoch mit der Maßgabe, dass anstelle der zur Erteilung der Zivilflugplatz-Bewilligung zuständigen Behörde der Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Landesverteidigung tritt. Bewilligungen gemäß Abs. 1 lit. b bleiben davon unberührt."
Gemäß § 141 Abs. 1a erster Satz LFG unterliegt ein Flughafen, der im Rahmen einer Mitbenützungsbewilligung gemäß § 62 Abs. 1 lit. a für Zwecke der Zivilluftfahrt betrieben wird, der Aufsicht des Bundesministers für Wissenschaft und Verkehr.
§ 141 Abs. 2 LFG ordnet an, dass Unternehmer von Zivilluftfahrerschulen, Halter von Zivilflugplätzen, Luftfahrzeug-Vermietungsunternehmer und Luftverkehrsunternehmer der Aufsichtsbehörde jede im Interesse der Verkehrssicherheit oder der Luftverkehrsstatistik erforderliche Auskunft über ihren Betrieb zu erteilen haben. Bei juristischen Personen trifft diese Verpflichtung die verantwortlichen Organe.
§ 141 Abs. 3 LFG normiert, dass die Aufsichtsbehörde den in Abs. 2 erster Satz bezeichneten Personen die Durchführung jener Maßnahmen aufzuerlegen hat, die zur Wahrung der Sicherheit der Luftfahrt erforderlich sind.
Obwohl der Betreiber eines im Rahmen einer Mitbenützungsbewilligung gemäß § 62 Abs. 1 lit. a LFG für Zwecke der Zivilluftfahrt betriebenen Flughafens nicht im § 141 Abs. 2 LFG ausdrücklich genannt ist, besteht aus dem Gesamtzusammenhang der oben angeführten Normen kein Zweifel, dass auch diese Person zu den Adressaten einer aufsichtsbehördlichen Maßnahme gemäß § 141 Abs. 3 LFG gehört, würde doch ansonsten der mit der Einfügung des § 141 Abs. 1a LFG durch die Novelle BGBl. I Nr. 147/1998 verfolgte Zweck der Anwendbarkeit der "Bestimmungen des § 141" für den Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr (vgl. 1209 BlgNR XX. GP, 3) verfehlt werden.
Die beschwerdeführende Partei wendet ein, dass die vom angefochtenen Bescheid erfassten Risken nicht dem Bereich "Sicherheit der Luftfahrt", sondern dem - im § 141 Abs. 3 nicht angeführten - "Schutz der Allgemeinheit" zuzurechnen seien. Damit ist sie insoferne nicht im Recht, als nach der hg. Rechtsprechung (vgl. das hg. Erkenntnis vom 19. April 1974, Slg. Nr. 8599/A, sowie das hg. Erkenntnis vom 28. Februar 1996, Zl. 93/03/0053) die Sicherheit der Luftfahrt auch die Abwehr der der Allgemeinheit aus dem Luftverkehr drohenden Gefahren umfasst (vgl. auch Halbmayer/Wiesenwasser, Das österreichische Luftfahrtrecht II, Anmerkung 7 zu § 3 LFG). Daran vermag nichts zu ändern, dass in einigen Bestimmungen des Luftfahrtgesetzes (etwa in § 92 Abs. 2 zweiter Satz und § 96 Abs. 1) die Begriffe "Sicherheit der Luftfahrt" und "Schutz der Allgemeinheit" nebeneinander verwendet werden, kommt doch darin entgegen der Ansicht der beschwerdeführenden Partei kein Gegensatz in den Begriffsinhalten, sondern bloß eine Verdeutlichung des entsprechenden normativen Gehaltes zum Ausdruck.
Der beschwerdeführenden Partei kann auch nicht gefolgt werden, wenn sie meint, der Vorschreibung der aufgetragenen Maßnahmen stünde entgegen, dass die Eigentümer der betroffenen Grundstücke nicht zur Duldung der Maßnahmen verpflichtet werden könnten. Der Verwaltungsgerichtshof hat schon im Erkenntnis vom 13. November 1959, Zl. 378/59, ausgesprochen, dass es für die Rechtmäßigkeit einer - in einem gewerblichen Betriebsanlagengenehmigungsverfahren ergangenen - Auflage nicht entscheidend sei, ob der Erfüllung der Auflage privatrechtliche Hindernisse (Eigentumsrechte Dritter) entgegenstünden. Daran hat der Gerichtshof im Erkenntnis vom 23. April 1985, Zl. 83/04/0130, festgehalten. Diese Rechtsprechung hat sinngemäß auch für die Vorschreibung von Maßnahmen nach § 141 Abs. 3 LFG zur Anwendung zu kommen. Es ist Sache des Adressaten einer solchen Vorschreibung, alle zumutbaren erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um allfällige der Erfüllung des Auftrages entgegenstehende zivilrechtlichen Hindernisse zu beseitigen. Gegen derartige Vorschreibungen bestehen auch unter dem Gesichtspunkt der Vollstreckbarkeit keine Bedenken (vgl. das hg. Erkenntnis vom 12. Februar 1986, Zl. 85/03/0145 und das - dieses Erkenntnis relativierende - hg. Erkenntnis vom 12. Dezember 1991, Zlen. 91/06/0124, 0125).
Dennoch ist der angefochtene Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhalts behaftet. Gemäß § 59 Abs. 1 AVG hat der Spruch die in Verhandlung stehende Angelegenheit und alle die Hauptfrage betreffenden Parteienanträge, ferner die allfällige Kostenfrage in möglichst gedrängter, deutlicher Fassung und unter Anführung der angewendeten Gesetzesbestimmungen, und zwar in der Regel zur Gänze, zu erledigen. Die in dieser Bestimmung geforderte Deutlichkeit bedeutet für Leistungsbefehle - um einen solchen handelt es sich im Beschwerdefall - Bestimmtheit - nicht bloß Bestimmbarkeit - in dem Sinne, dass aufgrund des Bescheides, ohne Dazwischentreten eines weiteren Ermittlungsverfahrens und neuerlicher Entscheidung, eine Vollstreckungsverfügung ergehen kann (vgl. das hg. Erkenntnis vom 12. Juli 1995, Zl. 94/03/0126). Diesem Erfordernis wird der Spruch des angefochtenen Bescheides nicht gerecht; dies deshalb, weil weder die Objekte, an denen Sicherheitsmaßnahmen durchgeführt werden sollen, konkret bezeichnet noch die an den einzelnen Objekten jeweils vorzunehmenden Sicherheitsmaßnahmen konkret umschrieben werden.
Gemäß § 59 Abs. 2 AVG ist im Spruch zugleich auch eine angemessene Frist zur Ausführung der Leistung oder Herstellung zu bestimmen, wenn die Verbindlichkeit zu einer Leistung oder zur Herstellung eines bestimmten Zustandes ausgesprochen wird. Diesem Erfordernis wird mit der im Spruch des angefochtenen, selbständig Pflichten begründenden Bescheides ergangenen Vorschreibung von "laufend" durchzuführenden Maßnahmen ebenfalls nicht entsprochen.
Der angefochtene Bescheid war somit gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Von der von der beschwerdeführenden Partei beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 4 VwGG abgesehen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 15. September 1999
Schlagworte
Rechtsgrundsätze Allgemein Anwendbarkeit zivilrechtlicher Bestimmungen Verträge und Vereinbarungen im öffentlichen Recht VwRallg6/1Definition von Begriffen mit allgemeiner Bedeutung VwRallg7 SicherheitAuslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2Auslegung unbestimmter Begriffe VwRallg3/4Rechtsgrundsätze Auflagen und Bedingungen VwRallg6/4European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1999:1998030320.X00Im RIS seit
11.07.2001Zuletzt aktualisiert am
23.10.2015