Index
20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);Norm
ABGB §861;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Fellner, Dr. Hargassner, Mag. Heinzl und Dr. Fuchs als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Doralt, über die Beschwerde der F KG in W, vertreten durch Dr. Ralph Mitsche, Rechtsanwalt in Wien I, Mahlerstraße 13, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 30. Mai 1994, Zl 6/3-3344/92-11, betreffend Rückzahlung einer Investitionsprämie, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.540,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen
Begründung
Die Beschwerdeführerin machte für das 1. Kalendervierteljahr 1987 für eine angeschaffte Anlage zur Herstellung bestimmter Polystyrolschaum-Dämmplatten eine Investitionsprämie in Höhe von S 1,6 Mio (Kaufpreis S 20 Mio zuzüglich USt) geltend.
Anlässlich einer abgabenbehördlichen Prüfung wurde festgestellt, dass die in der Folge vermietete Anlage "mit Rechnung vom 2. Jänner 1992" um S 2,550.000,-- zuzüglich USt veräußert worden sei. Der Kaufpreis in Höhe von S 3,060.000,-- (brutto) sei am 9. Jänner 1992 überwiesen worden. Der Prüfer vertrat die Ansicht, dass damit die rechtlichen Voraussetzungen für die Eigentumsübertragung gegeben seien und die im Jahr 1987 geltend gemachte Investitionsprämie durch das Ausscheiden des Wirtschaftsgutes aus dem Betriebsvermögen zurückzufordern sei (Ablauf der Behaltefrist nach dem Investitionsprämiengesetz 31. Dezember 1992). Im Bericht über das Ergebnis der Prüfung wurde festgehalten, dass einem nach Bekanntgabe dieser Ansicht des Prüfers gegenüber der Beschwerdeführerin von dieser übermittelten, mit 28. Februar 1992 datierten Storno der Rechnung vom 2. Jänner 1992 keine Bedeutung mehr zukomme.
In einer Berufung gegen den in der Folge erlassenen Bescheid über die Rückforderung der Investitionsprämie wandte die Beschwerdeführerin ein, dass ein Kaufvertrag zwischen der N & Co KG, gegenüber welcher die Rechnung gelegt worden war und welche den Rechnungsbetrag entrichtet habe, und der Beschwerdeführerin mangels gültigen Verpflichtungsgeschäftes nicht zustande gekommen sei. Um vom Vorliegen eines gültigen Rechtsgeschäftes sprechen zu können, bedürfe es Willenserklärungen, die auf die Herbeiführung von Rechtsfolgen gerichtet seien. Der Wille müsse, um erheblich zu sein, in die Außenwelt treten. Er müsse "geäußert", "erklärt" werden. Diese Äußerung könne ausdrücklich oder schlüssig (konkludent) geschehen. Die Existenz einer ausdrücklichen Willenserklärung werde auch von der Abgabenbehörde nicht behauptet. Es könne daher lediglich eine konkludente Willenserklärung vorliegen. Es sei aber zu bezweifeln, ob in der Absendung einer Rechnung bzw in der Zahlung des in der Rechnung ausgewiesenen Betrages eine konkludente Willenserklärung liegen könne. Es könne auch nicht die Rede davon sein, dass die N & Co KG darauf vertraut habe, dass die Übermittlung der Rechnung vom 2. Jänner 1992 eine rechtsgeschäftliche Erklärung, die auf den Abschluss eines Kaufvertrages gerichtet gewesen sei, dargestellt habe. Die N & Co KG hätte nicht im März 1992 eine Verlängerung des Mietvertrages mit der Beschwerdeführerin vereinbart, wenn sie nicht davon ausgegangen wäre, dass die Beschwerdeführerin nach wie vor Eigentümerin der Anlage sei. Schließlich sei der ursprüngliche Mietvertrag auf 60 Monate abgeschlossen worden und sei daher am 2. Jänner 1992 noch nicht abgelaufen gewesen, sodass auch darin zum Ausdruck komme, dass am 2. Jänner 1992 kein Kaufvertrag habe geschlossen werden sollen. Bei der Formulierung im Betriebsprüfungsbericht, wonach der Stornierung der Rechnung vom 2. Jänner 1992 keine Bedeutung zukomme, handle es sich um keine Begründung, sondern um eine bloße Behauptung.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung "sachverhaltsbezogen" auf bestimmtes Aktenmaterial ab. Begründend stützte sie die ihrer Ansicht nach zu Recht erfolgte Rückforderung der Investitionsprämie auf eine der N & Co KG gelegte Rechnung - mit im Wesentlichen folgendem Wortlaut: "Wir überließen Ihnen eine Anlage zur Produktion von Schaumstoffen gemäß Leasingvertrag vom 5. Februar 1987", es folgt der Preis (S 2,550.000,-- zuzüglich USt S 510.000,--) und das Ersuchen auf Überweisung auf ein bestimmtes Bankkonto - und auf die Bezahlung des in der Rechnung ausgewiesenen Preises sowie dessen Verbuchung (auf das Konto "Erträge aus Anlagenverkäufen") sowie auf die Beantwortung eines Auskunftsersuchens an die N & Co KG, wonach der mit 2. Jänner 1992 in Rechnung gestellte Betrag als "Ankaufspreis" der Anlage (am 9. Jänner 1992) überwiesen worden sei. Daraus sei ersichtlich, dass der Wille der Parteien dieses Geschäftes auf den Verkauf bzw Kauf der Anlage gerichtet gewesen sei und "daher am 9. Jänner 1992 durch die Übersendung der Rechnung vom 2. Jänner 1992 und die Überweisung des Rechnungsbetrages seitens der N & Co KG ein Kaufvertrag abgeschlossen" worden sei. Auch die Übergabe als Voraussetzung zur Erlangung des Eigentumsrechtes sei gegeben. Es entspreche nicht der Lebenserfahrung, dass im gegebenen Zusammenhang irrtümlich rd S 3 Mio überwiesen werden, ohne dass sich der Erwerber vorher vergewissere, dass dadurch das Eigentum an der Anlage erworben werde. In der Folge beurteilte auch die belangte Behörde die Stornierung der Rechnung als unwirksam. Wie in einer dem Prüfer am 16. März 1992 übergebenen Aktennotiz festgehalten worden sei, sei ein Fehler in der Evidenzhaltung des Mietvertrages unterlaufen. Gerade dadurch sei aber übersehen worden, dass die Behaltefrist für die Anlage noch nicht abgelaufen sei, und sei diese verkauft worden.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die dagegen erhobene Beschwerde erwogen:
Bereits in der Berufung hat die Beschwerdeführerin Zweifel geäußert, ob in der Übersendung einer Rechnung und in der Bezahlung des Rechnungsbetrages eine - konkludente - Willenseinigung hinsichtlich eines Kaufvertrages liegen könne. Ohne sich mit diesem Berufungsvorbringen auseinander zu setzen, nimmt die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid als erwiesen an, dass durch die Übersendung der Rechnung vom 2. Jänner 1992 durch die Beschwerdeführerin und die Bezahlung des Rechnungsbetrages durch die N & Co KG ein Kaufvertrag abgeschlossen worden sei.
Schon diese Annahme erweist sich im Beschwerdefall als verfehlt, weil sie nur dahin verstanden werden kann, dass die belangte Behörde in der Rechnung vom 2. Jänner 1992 eine Offerte und in der Bezahlung des darin ausgewiesenen Rechnungsbetrages eine Annahme(handlung) gesehen hat. Nun ist eine Offerte ua nur dann zur Annahme geeignet ist, wenn sie inhaltlich ausreichend bestimmt ist (vgl Koziol/Welser, Bürgerliches Recht I10, 104). Eine solche inhaltlich ausreichende Bestimmtheit auf Abschluss eines Kaufvertrages enthält die Rechnung vom 2. Jänner 1992 aber keineswegs. Darin wird nämlich lediglich auf eine "Überlassung gemäß einem Leasingvertrag" Bezug genommen, in keiner Weise aber eine Absicht auf Abschluss eines Kaufvertrages angesprochen. Aber auch der (im Übrigen mit einer anderen Gesellschaft abgeschlossene) Leasingvertrag enthält keine Vereinbarung bezüglich einer allfälligen Eigentumsübertragung unter bestimmten Umständen, etwa nach Ablauf einer bestimmten Mietzeit. Im Beschwerdefall kann somit schon deshalb in der Rechnungslegung und der Bezahlung des Rechnungsbetrages ein damit zustande gekommener Kaufvertrag nicht erblickt werden. Wurde aber kein Kaufvertrag abgeschlossen, so ändert daran auch der Umstand nichts, dass die Rechnung und die Überweisung des in der Rechnung ausgewiesenen Betrages so verbucht wurde, als wäre ein Kaufvertrag abgeschlossen worden. Da der belangten Behörde somit schon bei der Sachverhaltsermittlung ein Rechtsirrtum unterlaufen ist, erweist sich der angefochtene Bescheid als mit zu seiner Aufhebung führender inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet.
Soweit die belangte Behörde ihre (wie ausgeführt rechtlich unrichtige) Ansicht, dass die Rechnungslegung und die Bezahlung der Rechnungssumme den Abschluss eines Kaufvertrages darstelle, darauf stützt, dass im Hinblick auf eine Beantwortung eines Auskunftsersuchens seitens der N & Co KG, wonach der in Rechnung gestellte Betrag als "Ankaufspreis" überwiesen worden sei, ersichtlich sei, dass der Wille der Parteien dieses Geschäftes auf den Verkauf bzw Kauf gerichtet gewesen sei, rügt die Beschwerdeführerin, dass ihr dieses Antwortschreiben der N & Co KG nicht zur Wahrung des Parteiengehörs bekannt gegeben worden sei.
Auch diese Rüge ist schon deshalb berechtigt, weil aus der Erklärung eines Geschäftspartners allein nicht auf den Willen beider Partner eines Geschäftes geschlossen werden kann. Im Beschwerdefall kommt hinzu, dass sich dem bezughabenden Antwortschreiben der N & Co KG nicht entnehmen lässt, welche Gründe die Annahme der N & Co KG, bei dem entsprechenden Rechnungsbetrag handle es sich um einen Ankaufspreis, rechtfertigten. Allfällige, die Eigentumsübertragung zum Gegenstand habende Gespräche und Vereinbarungen wurden auch von der N & Co KG nicht behauptet, wiewohl der belangten Behörde einzuräumen ist, dass die Bezahlung von rd S 3 Mio zumindest Anhaltspunkte für die Annahme bieten, dass zwischen den Parteien vor Rechnungslegung und Überweisung des Rechnungsbetrages doch eine auf die Eigentumsübertragung (unter dem Titel des Kaufvertrages) gerichtete Willensübereinstimmung zustande gekommen ist, und der Umstand des noch nicht abgelaufenen Leasingvertrages sowie der noch nicht abgelaufenen Behaltefrist des § 8 IPrämG nur einen allenfalls unbeachtlichen Motivirrtum der Beschwerdeführerin darstellen. Derartiges hat die belangte Behörde aber nicht als erwiesen angenommen und bedürfte wohl noch entsprechender Ermittlungen.
Im Hinblick auf die oben aufgezeigte Rechtswidrigkeit des Inhaltes war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl Nr 416/1994. Das Mehrbegehren an Stempelgebühren war abzuweisen, weil der angefochtene Bescheid nur in einfacher Ausfertigung vorzulegen war.
Wien, am 15. September 1999
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1999:1994130172.X00Im RIS seit
20.11.2000