TE Bvwg Beschluss 2018/10/19 W208 2186050-2

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Veröffentlicht am 19.10.2018
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Entscheidungsdatum

19.10.2018

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §32 Abs1 Z2

Spruch

W208 2186050-2/2E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Ewald SCHWARZINGER im Verfahren über den Antrag von XXXX, Staatsangehörigkeit AFGHANISTAN, vertreten durch XXXX, auf Wiederaufnahme des mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 05.06.2018, W208 2186050-1/21E, rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens beschlossen:

A)

Der Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens wird gemäß § 32 Abs 1 Z 2 VwGVG als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang:

1. Die antragstellende Partei (im Folgenden: aP) ist afghanischer Staatsbürger und stellte nach schlepperunterstützter und unrechtmäßiger Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 06.10.2015 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 2 Abs 1 Z 13 des Asylgesetzes 2005 (AsylG 2005).

2. Am 07.05.2017 fand vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes die niederschriftliche Befragung der aP statt, bei der sie zum Fluchtweg und ihrem Fluchtgrund befragt wurde.

3. Bei ihrer Einvernahme am 10.03.2017 machte die aP vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA), im Beisein einer Dolmetscherin nähere Ausführungen zu ihrer Herkunft und zu den Gründen ihrer Flucht.

Die aP legte ua Deutschkursbestätigungen und Bestätigungen über den Besuch diverser Bildungsmaßnahmen vor.

4. Das BFA hat mit dem im Spruch angeführten Bescheid vom 13.01.2018 (irrtümlich wurde 2017 angeführt), den Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.), als auch bezüglich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 Z 13 AsylG 2005 in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan abgewiesen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde der aP gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) wurde gegen die aP eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs 2 Z 2 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) erlassen (Spruchpunkt IV.). Es wurde gemäß § 52 Abs 9 FPG festgestellt, dass ihre Abschiebung gemäß § 46 FPG nach AFGHANISTAN zulässig ist (Spruchpunkt V.) und gemäß § 55 Abs 1a FPG keine Frist für die freiwillige Ausreise eingeräumt (Spruchpunkt VI.). Einer Beschwerde gegen diese Entscheidung wurde gemäß § 18 Abs 1 Z 2 und 4 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt VII.). Gemäß § 53 Abs 1 iVm Abs 3 Z 1 FPG wurde gegen die aP ein Einreiseverbot von 8 Jahren verhängt (Spruchpunkt VIII.) und gemäß § 13 Abs 2 Z 1 AslyG festgestellt, dass sie das Recht auf Aufenthalt im Bundesgebiet ab 19.09.2017 verloren hat (Spruchpunkt IX.).

5. Gegen den am 17.01.2018 zugestellten Bescheid wurde von der gemäß § 52 Abs 1 BFA-VG der aP zur Seite gestellten und im Spruch genannte Rechtsberatungsorganisation (Vollmacht und Zustellvollmacht vom 30.01.2018) am 09.02.2018 beim BFA Beschwerde eingebracht.

6. Die Beschwerde und die bezughabenden Verwaltungsakten wurden dem BVwG am 14.02.2018 vom BFA vorgelegt.

7. Mit Entscheidung des BVwG vom 15.02.2018, W208 2186050-1/3Z, wurde der Beschwerde gegen Spruchpunkt VII. des angefochtenen Bescheides Folge gegeben, dieser ersatzlos behoben, und gemäß § 18 Abs 5 BFA-VG der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuerkannt.

8. Mit Ladungen vom 21.02.2018 wurde vom BVwG eine Verhandlung in der Sache anberaumt und die aP darauf hingewiesen, dass das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 02.03.2017 (zuletzt aktualisiert am 30.01.2018) in das Verfahren eingebracht und, falls nicht bekannt, angefordert werden könne und/oder Akteneinsicht genommen werden könne.

9. Die Beschwerde gegen den Bescheid des BFA vom 03.08.2017 wurde nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung und Einholung von Stellungnahmen des nunmehrigen Antragstellers zur Lage im Herkunftsstaat mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 05.06.2018, W208 2186050-1/21E, gemäß § 28 Abs 2 VwGVG als unbegründet abgewiesen. Die Revision wurde gemäß Art 133 Abs 4 B-VG für nicht zulässig erklärt.

Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts wurde im Wesentlichen mit der Unglaubwürdigkeit des Vorbringens der aP begründet. Es konnte nicht festgestellt werden, dass diese im Fall einer Rückführung in den Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit dem realen Risiko einer ernsthaften Bedrohung infolge willkürlicher Gewalt bzw der Gefährdung ihres Lebens, Folter oder einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt wäre. Zudem konnte nicht festgestellt werden, dass sie im Falle einer allfälligen Rückkehr nach Kabul nicht im Stande wäre, für ein ausreichendes Auskommen im Sinne der Sicherung ihrer Grundbedürfnisse zu sorgen und mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit der Gefahr ausgesetzt wäre, in eine existenzbedrohende Notlage zu geraten.

Das Erkenntnis wurde beiden Verfahrensparteien am 07.06.2018 zugestellt.

10. Am 03.07.2018 langten beim BVwG je ein Voraviso des VfGH (E 2614/2018-2) als auch des VwGH (ohne Zahl) ein.

11. Mit Eingabe vom 13.09.2018 wurde der im Spruch genannte, auf § 32 Abs 1 Z 2 VwGVG gestützte Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens gestellt. Dieser wurde im Wesentlichen damit begründet, dass nach Abschluss des Verfahrens neue Tatsachen bzw Beweismittel hervorgekommen worden seien, welche im Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten und allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens voraussichtlich einen im Hauptteil des Spruchs anderslautendes Erkenntnis herbeigeführt hätten.

Konkret wurde ua ausgeführt, am 30.08.2018 habe UNHCR die aktuellen "Eligibility Guidelines for Assessing the International Protection Needs of Asylum-Seekers from Afghanistan" veröffentlicht. Deren Veröffentlichung sei der Rechtsvertretung der aP am 31.08.2018 bekannt geworden, sodass die zweiwöchige Frist gewahrt sei.

Den UNHCR-Richtlinien vom 30.08.2018 sei zu entnehmen, dass bereits zum Zeitpunkt des ergangenen Erkenntnisses Umstände in Kabul geherrscht hätten, die dort eine zumutbare innerstaatliche Fluchtalternative ausschließen würden. Wären entsprechende Richtlinien bereits zu diesem Zeitpunkt vorgelegen, hätte das erkennende Gericht zu dem Schluss kommen müssen, dass der aP der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzusprechen gewesen wäre.

Die aP stellte zudem einen Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Anordnung nach dem Unionsrecht.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen

1. Feststellungen:

Der im Punkt I. angeführte Verfahrensgang und Sachverhalt wird festgestellt.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zum Verfahrensgang und zum rechtserheblichen Sachverhalt konnten unmittelbar aufgrund der Aktenlage erfolgen und sind unbestritten.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zulässigkeit und Verfahren

Gemäß § 6 BVwGG liegt Einzelrichterzuständigkeit vor.

Gemäß § 28 Abs 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.

Gemäß § 31 Abs 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.

Der allgemeinen Systematik des VwGVG folgend ist anzunehmen, dass sämtliche Entscheidungen über Wiederaufnahmeanträge - als selbständige Erledigungen - in Beschlussform erfolgen (vgl Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren, Anmerkung 13 zu § 32 VwGVG)

Da die Sachlage aufgrund der Aktenlage als erklärt erscheint, konnte eine mündliche Erörterung der Prüfung des Vorliegens der Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme gemäß § 21 Abs 7 BFA-VG iVm § 24 VwGVG unterbleiben. Im gegenständlichen Fall liegen keine widersprechenden prozessrelevanten Behauptungen vor, die es erforderlich machen würden, dass sich das Gericht im Rahmen einer mündlichen Verhandlung einen persönlichen Eindruck von der Glaubwürdigkeit von Zeugen bzw Parteien verschafft. Vielmehr ist die hier zu beantwortende Frage, ob ein Wiederaufnahmegrund iSd § 32 Abs 1 Z 2 VwGVG vorliegt, rechtlicher Natur. Ein Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurde vom durch eine Rechtsberatungsorganisation vertretenen vertretenen Antragsteller auch nicht gestellt. Dem Entfall der Verhandlung stehen im Ergebnis weder Art 6 Abs 1 EMRK noch Art 47 GRC entgegen (vgl VwGH 07.08.2017, Ra 2016/08/0140).

Zu Spruchteil A)

3.2. § 32 VwGVG lautet wie folgt:

"Wiederaufnahme des Verfahrens

§ 32. (1) Dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes abgeschlossenen Verfahrens ist stattzugeben, wenn

1. das Erkenntnis durch Fälschung einer Urkunde, falsches Zeugnis oder eine andere gerichtlich strafbare Handlung herbeigeführt oder sonstwie erschlichen worden ist oder

2. neue Tatsachen oder Beweismittel hervorkommen, die im Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten und allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens voraussichtlich ein im Hauptinhalt des Spruchs anders lautendes Erkenntnis herbeigeführt hätten, oder

3. das Erkenntnis von Vorfragen (§ 38 AVG) abhängig war und nachträglich über eine solche Vorfrage von der zuständigen Verwaltungsbehörde bzw. vom zuständigen Gericht in wesentlichen Punkten anders entschieden wurde oder

4. nachträglich ein Bescheid oder eine gerichtliche Entscheidung bekannt wird, der bzw. die einer Aufhebung oder Abänderung auf Antrag einer Partei nicht unterliegt und die im Verfahren des Verwaltungsgerichtes die Einwendung der entschiedenen Sache begründet hätte.

(2) Der Antrag auf Wiederaufnahme ist binnen zwei Wochen beim Verwaltungsgericht einzubringen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Antragsteller von dem Wiederaufnahmegrund Kenntnis erlangt hat, wenn dies jedoch nach der Verkündung des mündlichen Erkenntnisses und vor Zustellung der schriftlichen Ausfertigung geschehen ist, erst mit diesem Zeitpunkt. Nach Ablauf von drei Jahren nach Erlassung des Erkenntnisses kann der Antrag auf Wiederaufnahme nicht mehr gestellt werden. Die Umstände, aus welchen sich die Einhaltung der gesetzlichen Frist ergibt, sind vom Antragsteller glaubhaft zu machen.

(3) Unter den Voraussetzungen des Abs 1 kann die Wiederaufnahme des Verfahrens auch von Amts wegen verfügt werden. Nach Ablauf von drei Jahren nach Erlassung des Erkenntnisses kann die Wiederaufnahme auch von Amts wegen nur mehr aus den Gründen des Abs 1 Z 1 stattfinden.

[...]"

3.3. Voraussetzung für die Wiederaufnahme des Verfahrens ist, dass die das seinerzeitige Verfahren abschließende Entscheidung mit einem ordentlichen Rechtsmittel nicht mehr anfechtbar, also formell rechtskräftig ist. Die Zulässigkeit und auch die Erhebung von Rechtsmitteln bei den Höchstgerichten hindern, selbst wenn der Beschwerde oder der Revision aufschiebende Wirkung zuerkannt wurde, nicht den Eintritt der formellen Rechtskraft (VwGH 16.09.1980, 1079/79; 23.02.2012, 2010/07/0067; 28.02.2012, 2012/05/0026).

Die Entscheidung eines VwG wird mit ihrer Erlassung rechtskräftig (vgl VwGH 24.5.2016, Ra 2016/03/0050). Das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 05.06.2018 wurde daher mit seiner Zustellung am 07.06.2018 rechtskräftig.

Der gegenständliche Antrag auf Wiederaufnahme wurde am 13.09.2018 eingebracht. Zur Rechtzeitigkeit wurde vorgebracht, dass die Veröffentlichung der UNHCR-Richtlinien vom 30.08.2018 der Rechtsvertretung der aP am 31.08.2018 bekannt geworden sei. Somit ist die in § 32 Abs 2 VwGVG geforderte Frist von zwei Wochen ab Kenntniserlangung des Wiederaufnahmegrundes erfüllt, weshalb der Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens als rechtzeitig eingebracht anzusehen ist.

3.4. In der Regierungsvorlage zum Verwaltungsgerichtsbarkeits-Ausführungsgesetz 2013 (2009 der Beilagen, XXIV. GP) wurde festgehalten, dass die Bestimmungen über die Wiederaufnahme des Verfahrens und die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand im VwGVG weitgehend den Bestimmungen der §§ 69 bis 72 AVG mit den entsprechenden Anpassungen aufgrund der Einführung einer Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Instanz entsprechen. Durch den Ausschluss der Anwendung des IV. Teiles des AVG ist das AVG in diesem Bereich für unanwendbar erklärt worden, wobei aufgrund der inhaltlichen Übereinstimmung und ähnlichen Formulierung der Bestimmung des § 32 Abs 1 bis 3 VwGVG mit § 69 AVG die bisher ergangenen höchstgerichtlichen Entscheidungen sinngemäß anzuwenden sind bzw. die bisherigen Judikaturlinien zu § 69 AVG herangezogen werden können.

In diesem Sinne sprach der Verwaltungsgerichtshof in seinem Beschluss vom 28.06.2016, Ra 2015/10/0136, aus, dass die Wiederaufnahmegründe des § 32 Abs 1 VwGVG denjenigen des § 69 Abs 1 AVG nachgebildet sind und daher auf das bisherige Verständnis dieser Wiederaufnahmegründe zurückgegriffen werden kann.

3.5. Der gegenständliche Antrag zielt darauf ab, das mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes rechtskräftig abgeschlossene Verfahren aufgrund neuer Tatsachen bzw Beweismittel iSd § 32 Abs 1 Z 2 VwGVG wiederaufzunehmen.

Nach ständiger - auf § 32 Abs 1 Z 2 VwGVG übertragbarer - Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes kann der Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens nach § 69 Abs 1 Z 2 AVG nur auf solche Tatsachen dh Geschehnisse im Seinsbereich (vgl VwGH 15.12.1994, 93/09/0434; 04.09.2003, 2000/17/0024) oder Beweismittel, d.h. Mittel zur Herbeiführung eines Urteils über Tatsachen (vgl VwGH 16.11.2004, 2000/17/0022; 24.04.2007, 2005/11/0127), gestützt werden, die erst nach Abschluss eines Verfahrens hervorgekommen sind und deshalb von der Partei ohne ihr Verschulden nicht geltend gemacht werden konnten.

Es muss sich also um Tatsachen und Beweismittel handeln, die beim Abschluss des wiederaufzunehmenden Verfahrens schon vorhanden waren, deren Verwertung der Partei aber ohne ihr Verschulden erst nachträglich möglich wurde ("nova reperta"), nicht aber um erst nach Abschluss des seinerzeitigen Verfahrens neu entstandene Tatsachen und Beweismittel ("nova producta" bzw. "nova causa superveniens").

Neu entstandene Tatsachen, also Änderungen des Sachverhalts nach Abschluss des Verfahrens, erübrigen eine Wiederaufnahme des Verfahrens, weil in diesem Fall einem Antrag auf der Basis des geänderten Sachverhalts die Rechtskraft des bereits erlassenen Bescheides nicht entgegensteht. Bei Sachverhaltsänderungen, die nach der Entscheidung über einen Asylantrag eingetreten sind, ist kein Antrag auf Wiederaufnahme, sondern ein neuer Antrag (auf internationalen Schutz) zu stellen (vgl dazu VwGH 19.02.1992, 90/12/0224 ua; 25.10.1994, 93/08/0123; 25.11.1994, 94/19/0145; 18.12.1996, 95/20/0672; 07.04.2000, 96/19/2240; 20.06.2001, 95/08/0036; 17.02.2006, 2006/18/0031).

Vorauszuschicken ist, dass dem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes ua das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 02.03.2017 (zuletzt aktualisiert am 30.01.2018), der EASO-Bericht "Afghanistan Netzwerke"; Stand Jänner 2018, die UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 19.04.2016 sowie die Anmerkungen von UNHCR von Dezember 2016 zur Situation in Afghanistan zugrunde gelegt wurden.

Der Wiederaufnahmewerber bringt in seinem Wiederaufnahmeantrag zusammengefasst vor, aus den aktuellen UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 30.08.2018 ergebe sich, dass die Stadt Kabul als innerstaatliche Fluchtalternative nicht in Betracht komme, was eine anderslautende Entscheidung herbeigeführt hätte.

Dem kann aus folgenden Erwägungen nicht gefolgt werden:

Dem Antragsteller ist zunächst insoweit Recht zu geben, als er vorbringt, dass die Tatsachen, auf denen die am 30.08.2018 herausgegebenen UNHCR-Richtlinien basieren, bereits zum Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes bestanden haben. Dies ergibt sich daraus, dass die Richtlinien - sofern nicht anders angegeben - auf den dem UNHCR am 31.05.2018 bekannten Informationen beruhen (vgl FN 2 auf S 5 der Richtlinien).

In den Richtlinien vom 30.08.2018 äußert UNHCR angesichts der gegenwärtigen Sicherheitslage sowie der menschenrechtlichen und humanitären Situation in Kabul die Auffassung, dass eine interne Flucht- und Neuansiedlungsalternative in dieser Stadt allgemein nicht zur Verfügung stehe (arg S 114: "UNHCR considers that given the current security, human rights and humanitarian situation in Kabul, an Internal Flight or Relocation Alternative (IFA/IRA) is generally not available in the city.").

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist den UNHCR-Richtlinien besondere Beachtung zu schenken (sVwGH 22.11.2016, Ra 2016/20/0259 mwN; 08.08.2017, Ra 2017/19/0118; zur "Indizwirkung" vgl VwGH 10.12.2014, Ra 2014/18/0103 bis 0106, mwN). Diese Rechtsprechung geht auf eine Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes zurück, in der dieser erkannte, dass Empfehlungen internationaler Organisationen zweifelsohne Gewicht zukommt, wenn es um die Beurteilung der allgemeinen Verhältnisse vor Ort geht. Sie ersparen jedoch nicht eine nähere Auseinandersetzung mit dem Sachverhalt (vgl VwGH 13.11.2001, 2000/01/0453).

Unbeschadet dessen verkennt der Antragsteller jedoch, dass die Richtlinien des UNHCR im gegebenen Zusammenhang weder "neue Tatsachen" noch ein "neues Beweismittel" iSd § 32 Abs 1 Z 2 VwGVG darstellen.

Im Kommentar von Hengstschläger/Leeb (AVG § 69 Stand 01.04.2009, Rdb Rz 33) wird ausgeführt, dass Gutachten von Sachverständigen, die erst nach Eintritt der Rechtskraft des Bescheides eingeholt wurden, nicht neu hervorgekommen, sondern neu entstanden sind und damit auch nicht als neue Beweismittel Grund für eine Wiederaufnahme des Verfahrens sein können (VwGH 10.05.1996, 94/02/0449; 21.04.1999, 99/03/0097; 02.07.2007, 2006/12/0043). Nur wenn ein Sachverständiger Tatsachen, die zur Zeit der Sachverhaltsverwirklichung bereits bestanden, erst nach Rechtskraft des Bescheides "feststellt" oder wenn ihm solche Daten erst später zur Kenntnis kommen, können diese bzw. die daraus resultierenden neuen Befundergebnisse, die sich auf die zuvor bestandenen Tatsachen beziehen, bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen als neue Tatsachen einen Grund für eine Wiederaufnahme darstellen (VwGH 18.01.1989, 88/03/0188; 04.08.2004, 2002/08/0074; 25.07.2007, 2006/11/0147). Einen Wiederaufnahmegrund können aber nur neue Befundergebnisse bzw neue konkrete sachverständige Tatsachenfeststellungen in einem Gutachten bilden und nicht auch ein Irrtum des Sachverständigen (VwGH 07.09.2005, 2003/08/0093; 16.10.2007, 2004/18/0376), dh geänderte sachverständige Schlussfolgerungen aus eben den festgestellten Tatsachen.

Zwar handelt es sich bei den UNHCR-Richtlinien nicht im engeren Sinn um ein Sachverständigengutachten iSd AVG, sondern um eine Hilfestellung für Entscheidungsträger bei der Beurteilung des internationalen Schutzbedarfs von Asylwerbern. Dennoch sind Rechtsprechung und Lehre zum Vorliegen eines Wiederaufnahmegrundes nach Ansicht des erkennenden Gerichtes zumindest insoweit auf den vorliegenden Fall übertragbar, als die hier in Rede stehende Einschätzung des UNHCR zur Relevanz und Zumutbarkeit einer internen Flucht- und Neuansiedlungsalternative in der Stadt Kabul eben keine "neue (sachverständige) Tatsachenfeststellung", sondern vielmehr eine geänderte Schlussfolgerung des UNHCR auf Basis der bereits zum Entscheidungszeitpunkt bestandenen und dem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes zugrunde gelegten Tatsachen (insbesondere betreffend die Sicherheits- und Versorgungslage in Kabul) darstellt und insoweit als (unverbindliche) Empfehlung oder als eine Art "Rechtsgutachten" angesehen werden kann.

Die geänderte Schlussfolgerung des UNHCR zur Relevanz und Zumutbarkeit einer internen Flucht- und Neuansiedlungsalternative in Kabul in seinen Richtlinien vom 30.08.2018 vermag auch deshalb weder "neue Tatsachen" noch ein "neues Beweismittel" zu begründen, weil die Beurteilung der Möglichkeit und Zumutbarkeit der Verweisung auf eine innerstaatliche Fluchtalternative rechtlicher Natur ist, mag diese auch anhand konkreter einzelfallbezogener Sachverhaltsfeststellungen erfolgen.

Wie der Verwaltungsgerichtshof wiederholt festgestellt hat, unterscheidet § 11 AsylG 2005 nach seinem klaren Wortlaut zwei getrennte und selbständig zu prüfende Voraussetzungen der innerstaatlichen Fluchtalternative. Zum einen ist zu klären, ob in dem als innerstaatliche Fluchtalternative ins Auge gefassten Gebiet Schutz vor asylrechtlich relevanter Verfolgung und vor Bedingungen, die nach § 8 Abs 1 AsylG 2005 die Gewährung von subsidiärem Schutz rechtfertigen würden, gegeben ist. Demgemäß verbietet sich die Annahme, der Schutz eines Asylwerbers sei innerstaatlich zumindest in einem Teilgebiet gewährleistet, jedenfalls dann, wenn in dieser Region Verhältnisse herrschen, die Art 3 MRK widersprechen. Zum anderen setzt die Annahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative voraus, dass dem Asylwerber der Aufenthalt in diesem Gebiet zugemutet werden kann. Die Zumutbarkeit des Aufenthalts ist daher von der Frage der Schutzgewährung in diesem Gebiet zu trennen. Selbst wenn in dem betreffenden Gebiet also keine Verhältnisse herrschen, die Art 3 MRK widersprechen (oder auf Grund derer andere Voraussetzungen des § 8 Abs 1 AsylG 2005 für die Zuerkennung von subsidiärem Schutz erfüllt wären), wäre eine innerstaatliche Fluchtalternative bei Unzumutbarkeit des Aufenthaltes in diesem Gebiet zu verneinen (vgl etwa VwGH 05.04.2018, Ra 2018/19/0154).

Dass es sich sowohl bei der Frage, ob im Fall einer Rückkehr nach Afghanistan in Kabul die reale Gefahr einer Verletzung des Art 3 EMRK besteht, als auch bei der Frage der Zumutbarkeit einer in Betracht kommenden innerstaatlichen Fluchtalternative jeweils um eine rechtliche Beurteilung handelt, welche freilich in den Feststellungen Deckung finden muss, hat der Verwaltungsgerichtshof bereits klargestellt (vgl etwa VwGH 27.06.2017, Ra 2016/18/0277; 21.03.2018, Ra 2017/18/0372; 02.08.2018, Ra 2017/19/0229).

Die von Seiten des UNHCR geäußerte Auffassung, wonach angesichts der gegenwärtigen Sicherheitslage sowie der menschenrechtlichen und humanitären Situation in Kabul eine interne Flucht- und Neuansiedlungsalternative in dieser Stadt allgemein nicht zur Verfügung stehe, stellt daher streng genommen eine - dem BFA und letztlich dem Bundesverwaltungsgericht - obliegende rechtliche Beurteilung dar, der im Einzelfall mit näherer Begründung auf Basis konkreter Feststellungen gefolgt oder auch nicht gefolgt werden könnte.

Aus diesen Gründen stellt die von der aP ins Treffen geführte - in den Richtlinien vom 30.08.2018 enthaltene - Einschätzung des UNHCR zur Relevanz und Zumutbarkeit einer internen Flucht- und Neuansiedlungsalternative in der Stadt Kabul keinen Wiederaufnahmegrund iSd § 32 Abs 1 Z 2 VwGVG dar.

3.6. Festzuhalten ist weiters, dass die Einschätzung des UNHCR zur Relevanz und Zumutbarkeit einer internen Flucht- und Neuansiedlungsalternative in Kabul - unbeschadet der Frage des Bestehens eines Wiederaufnahmegrundes - weder allein noch in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens voraussichtlich ein im Hauptinhalt des Spruchs anderslautendes Erkenntnis herbeigeführt hätte:

Betreffend die Nichtzuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten wurde im Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 05.06.2018 nach Wiedergabe der maßgeblichen Rechtslage und der dazu ergangenen höchstgerichtlichen Rechtsprechung auszugsweise Folgendes ausgeführt:

"Was die Sicherheitslage betrifft, wird seitens des erkennenden Gerichts im Hinblick auf die oben angeführten Länderfeststellungen zwar keineswegs verkannt, dass die Situation in der Stadt Kabul nach wie vor angespannt und schwierig ist. Dennoch ist festzuhalten, dass die afghanische Regierung die Kontrolle über Kabul und größere Transitrouten hat. Auch ist Kabul eine über den Luftweg aufgrund des vorhandenen Flughafens gut erreichbare Stadt. Aus dem vorliegenden Berichtsmaterial geht hervor, dass Terroranschläge, insbesondere auf Einrichtungen und Personen mit Symbolcharakter, in Kabul nicht auszuschließen sind und in unregelmäßigen Abständen auch stattfinden. Jedoch allein der Umstand, dass an diesen Orten ein Bombenanschlag terroristischer Gruppierungen erfolgen könnte, begründet bei der derzeitigen Gefahrenlage für die bP noch keine stichhaltigen Gründe für ein reales Risiko der Verletzung seiner durch Art 2 oder 3 EMRK garantierten Rechte bzw liegt deshalb noch keine ernsthafte Bedrohung seines Lebens oder seiner Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines innerstaatlichen Konflikts vor (VwGH 25.04.2017, 2017/01/0016, mwN). Die in der Stadt Kabul verzeichneten Anschläge ereignen sich - wie sich aus einer Gesamtschau der Länderberichte und dem notorischen Amtswissen ableiten lässt - hauptsächlich im Nahebereich staatlicher Einrichtungen und richten sich mehrheitlich gezielt gegen afghanisches Sicherheitspersonal, die Regierung (deren Mitarbeiter) und internationale Organisationen sowie Restaurants, Hotels oder ähnliche Einrichtungen, in denen vorwiegend ausländische Personen verkehren. Diese Gefährdungsquellen sind jedoch in reinen Wohngebieten - wenngleich es dort zu vereinzelten Anschlägen auf Schiiten (in Moscheen und bei Versammlungen) gekommen ist - nicht in einem solchen Ausmaß anzunehmen, dass die Lage in der Stadt Kabul nicht insgesamt als ausreichend sicher bewertet werden könnte, wenn man die gefährdeten Orte meidet. Im Übrigen ist die bP [beschwerdeführende Partei] Sunnit.

Hinsichtlich der in der Stadt Kabul bestehenden Versorgungslage und der allgemeinen Lebensbedingungen der Bevölkerung ist im Hinblick auf die oben angeführten Länderfeststellungen auszuführen, dass die Verwirklichung grundlegender sozialer und wirtschaftlicher Bedürfnisse, wie etwa der Zugang zu Arbeit, Nahrung, Wohnraum und Gesundheitsversorgung, häufig nur sehr eingeschränkt möglich ist. Die Versorgung der afghanischen Bevölkerung ist jedoch zumindest grundlegend gesichert.

In Kabul sowie im Umland und auch in anderen Städten stehen Häusern und Wohnungen zur Verfügung, wenngleich das Angebot immer knapper und die Preise immer höher werden und viele dazu gezwungen sind zumindest für eine bestimmte Zeit in sehr einfachen Behausungen oder mit mehreren anderen Personen in einer Wohnung zu leben, bietet die städtische Infrastruktur die Möglichkeit grundlegende Lebensbedürfnisse (Unterkunft, Erwerbstätigkeit, Gesundheit) zu befriedigen; Rückkehrer können bis zu 2 Wochen im IOM Empfangszentrum in Jangalak untergebracht werden. Zudem ist zu beachten, dass nur 16% der Rückkehr aus Pakistan Kabul als Niederlassungsprovinz wählen und Rückkehrer aus dem Iran sich generell in Gegenden niederlassen, wo der Friede wiederhergestellt wurde.

Das Vorhandensein einer Unterkunft und die Möglichkeit der Versorgung im Zielstaat können unter dem Gesichtspunkt des Art 3 EMRK relevant sein. Dies insbesondere dann, wenn es sich um Antragsteller handelt, bei denen individuelle Gründe bestehen, die die Annahme einer besonderen Schutzbedürftigkeit rechtfertigen, wie zB Personen mit Erkrankungen, Familien mit Kleinkindern oder schwangeren Frauen (VfGH 14.12.2011, U2495/2010; 21.09.2017, E2130-2132/2017; 11.10.2017, E1803-1805/2017).

Derartige individuelle Gründe sind im Verfahren nicht hervorgekommen, eine spezifische Vulnerabilität der bP nicht vor.

[...]

Bei der bP handelt es sich um einen Mann im erwerbsfähigen Alter. Er hat drei Jahre lang die Schule besucht und verfügt über Berufserfahrung als Automechaniker. Es kann daher grundsätzlich eine Teilnahmemöglichkeit am Erwerbsleben vorausgesetzt werden. Zudem verfügt die bP über Kontakte in Kabul.

Die Familienangehörigen der bP leben nicht in Kabul (VfGH 12.03.2013, U1674/12). In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass selbst eine fehlende familiäre Anknüpfung in Kabul nicht zu einer Unzumutbarkeit einer innerstaatlichen Fluchtalternative führt bzw eine reale Gefahr einer Verletzung des Art 3 EMRK begründet (VwGH 08.09.2016, Ra 2016/20/0063; 13.09.2016, Ra 2016/01/0096, 25.04.2017, Ra 2017/01/0016). Auch die UNHCR-Richtlinien sehen vor, dass alleinstehende leistungsfähige Männer im berufsfähigen Alter ohne spezifische Vulnerabilität keiner externen Unterstützung bedürfen.

Zudem ist auch zu beachten, dass aufgrund der aktuellen Judikatur des VwGH auch eine fehlende Schul- und Berufsausbildung bzw -erfahrungen, eine drohende Arbeitslosigkeit, eine nicht vorhandene familiäre Unterstützung in Afghanistan, nicht ausreichende Kenntnisse über die örtlichen und infrastrukturellen Gegebenheiten in Kabul keine reale Gefahr existenzbedrohender Verhältnisse und somit keine Verletzung des Art 3 EMRK begründen. Insgesamt stellen Probleme hinsichtlich Arbeitsplatz- und Wohnraumsuche sowie in wirtschaftlicher Hinsicht keine exzeptionellen Umstände dar (VwGH 08.09.2016, Ra 2016/20/0063; 18.03.2016, Ra 2015/01/0255;

25.05.2016, Ra 2016/19/0036; 23.03.2017, Ra 2016/20/0188;

10.03.2017, Ra 2017/18/0064; 25.04.2017, Ra 2017/01/0016, 20.06.2017 Ra 2017/01/0023; 08.08.2017, Ra 2017/19/0118).

Die bP hat ihr ganzes Leben bis zur Ausreise in Afghanistan verbracht, wodurch sie mit den kulturellen und gesellschaftlichen Gepflogenheiten ihres Herkunftsstaates und der Sprache vertraut ist. Zudem gehört die bP keinem Personenkreis an, von dem anzunehmen ist, dass sie sich in Bezug auf die individuelle Versorgungslage qualifiziert schutzbedürftiger darstellt, als die übrige Bevölkerung, die ebenfalls für ihre Existenzsicherung aufkommen kann. Außerdem kann die bP durch die Inanspruchnahme von Rückkehrhilfe zumindest übergangsweise in Kabul das Auslangen finden; deshalb ist auch nicht zu befürchten, dass sie bereits unmittelbar nach der Rückkehr und noch bevor sie in der Lage wäre, selbst für ihren Unterhalt zu sorgen, in eine existenzbedrohende bzw wirtschaftlich ausweglose Lage geraten könnte. Die Existenz könnte sie dort als Automechaniker oder auch mit Hilfs- und Gelegenheitsarbeiten sichern, wobei ihr ihre Berufserfahrung zu Gute kommt. Es gibt somit keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass die bP in Ansehung existentieller Grundbedürfnisse (zB Nahrung, Unterkunft) einer ausweglosen bzw existenzbedrohenden Situation ausgesetzt wäre.

Ausgehend davon, ist mit Blick auf die persönliche Situation der bP weder zu erkennen, dass sie im Fall ihrer Abschiebung - bezogen auf das gesamte Staatsgebiet - in eine ausweglose Lebenssituation geraten und real Gefahr laufen würde, eine Verletzung ihre durch Art 2 EMRK, Art 3 EMRK oder der durch die Protokolle Nr 6 oder Nr 13 zur Konvention geschützten Rechte zu erleiden noch dass ihr die Inanspruchnahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative iSd § 11 Abs 2 AsylG unzumutbar wäre. Es ist ihr möglich - allenfalls nach anfänglichen Schwierigkeiten - (wieder) Fuß zu fassen und dort ein Leben ohne unbillige Härten zu führen, wie es auch andere Landsleute führen können.

Sie kann zudem auf ihre Kontakte in Kabul sowie auf die Unterstützung ihrer Großfamilie zurückgreifen (Kernfamilie in der Heimatprovinz, Onkeln und deren Nachkommen in Afghanistan), die sie aufgrund des Bankwesens finanziell auch aus der Ferne unterstützen kann.

Die Prüfung der maßgeblichen Kriterien führt im konkreten Fall zu dem Ergebnis, dass der bP eine Rückkehr in die Stadt Kabul jedenfalls sicher möglich und iSd § 11 Abs 2 AsylG auch zumutbar ist bzw von ihr iSd Art 8 Abs 1 StatusRL vernünftigerweise auch erwartet werden kann, dass sie sich dort niederlässt, weil sie aufgrund der getroffenen Feststellungen nicht Gefahr läuft in eine ausweglose Lage zu geraten (vgl zum Zumutbarkeitskalkül VwGH 08.09.1999, 98/01/0614; 23.01.2018, Ra 2018/18/0001)."

Nach der ausdrücklichen Anordnung in § 32 Abs 1 Z 2 VwGVG stellen neu hervorgekommene Tatsachen oder Beweise nur dann einen Grund für die Wiederaufnahme des Verfahrens dar, wenn sie allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens voraussichtlich ein im Hauptinhalt des Spruchs anderslautendes Erkenntnis herbeigeführt hätten.

Es muss sich also um neu hervorgekommene Tatsachen oder Beweismittel handeln, die den Sachverhalt betreffen und die, wenn sie schon im wiederaufzunehmenden Verfahren berücksichtigt worden wären, zu einer anderen Feststellung des Sachverhalts und voraussichtlich zu einer im Hauptinhalt des Spruchs anderslautenden Entscheidung geführt hätten (VwGH 14.06.1993, 91/10/0107; 27.09.1994, 92/07/0074; 30.06.1998, 98/05/0033; 22.02.2001, 2000/04/0195; 20.12.2005, 2005/12/0124).

Als Wiederaufnahmegrund könnten die vom Antragsteller ins Treffen geführten UNHCR-Richtlinien vom 30.08.2018 daher nur dann maßgeblich sein, wenn sie nach ihrem objektiven Inhalt (und unvorgreiflich ihrer inhaltlichen Bewertung) geeignet wären, dass es im wieder aufzunehmenden Verfahren bei ihrer Zugrundelegung voraussichtlich zu einer im Hauptinhalt des Spruchs anders lautenden Entscheidung gekommen wäre (vgl auch VwGH 08.08.2017, Ra 2017/19/0118; 23.01.2018, Ra 2018/18/0001).

Dies ist aus nachfolgend dargelegten Gründen nicht der Fall:

Im wiederaufzunehmenden Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes führte die Prüfung der maßgeblichen Kriterien im konkreten Fall des Antragstellers zu dem Ergebnis, dass diesem eine Ansiedelung in der Stadt Kabul möglich und zumutbar ist.

Nach den aktualisierten Richtlinien vom 30.08.2018 ist UNHCR vor dem näher dargestellten Hintergrund der Ansicht, dass eine vorgeschlagene innerstaatliche Flucht- und Neuansiedlungsalternative nur sinnvoll möglich (und zumutbar) ist, wenn die Person Zugang zu Unterkünften, grundlegenden Dienstleistungen wie Sanitärversorgung, Gesundheitsversorgung und Bildung sowie Möglichkeiten für den Lebensunterhalt oder nachgewiesene und nachhaltige Unterstützung für den Zugang zu einem angemessenen Lebensstandard hat. Darüber hinaus hält UNHCR eine innerstaatliche Flucht- und Neuansiedlungsalternative nur für zumutbar, wenn die Person Zugang zu einem Unterstützungsnetzwerk von Mitgliedern ihrer (erweiterten) Familie oder Mitgliedern ihrer größeren ethnischen Gemeinschaft in der Gegend der potenziellen Umsiedlung hat, die beurteilt wurden, bereit und in der Lage zu sein, dem Antragsteller in der Praxis echte Unterstützung zu leisten.

UNHCR ist weiters der Ansicht, dass die einzige Ausnahme von der Anforderung der externen Unterstützung alleinstehende, leistungsfähige Männer und verheiratete Paare im erwerbsfähigen Alter sind, soweit keine spezifischen Vulnerabilitäten (wie näher beschrieben) vorliegen. Unter bestimmten Umständen können diese Personen ohne familiäre und soziale Unterstützung in urbaner und semi-urbaner Umgebung leben, soweit diese Umgebung über die notwendige Infrastruktur und Lebensgrundlagen verfügt, um die Grundbedürfnisse des Lebens zu decken und soweit diese einer wirksamen staatlichen Kontrolle unterliegt (vgl S 109 f).

Insoweit ist keine maßgebliche Änderung im Vergleich zu den dem wiederaufzunehmenden Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes ua zugrunde gelegten UNHCR-Richtlinien vom 19.04.2016 zu sehen.

3.7. Aus den dargelegten Erwägungen sind die Voraussetzungen des § 32 Abs 1 Z 2 VwGVG nicht erfüllt, weshalb der gegenständliche Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens spruchgemäß abzuweisen ist. Aus denselben Gründen bleibt auch für eine amtswegige Wiederaufnahme des Verfahrens kein Raum.

3.8. Da der Antrag auf Wiederaufnahme als unbegründet abgewiesen wurde, konnte ein Abspruch über den Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Anordnung nach dem Unionsrecht unterbleiben.

Zu Spruchteil B):

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Die hier anzuwendenden Regelungen erweisen sich als klar und eindeutig (vgl zur Unzulässigkeit der Revision bei eindeutiger Rechtslage trotz fehlender Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes etwa VwGH 28.05.2014, Ro 2014/07/0053). Im Übrigen ergeht die vorliegende Entscheidung in Anlehnung an die zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu den maßgeblichen Bestimmungen des § 69 AVG bzw § 32 VwGVG.

Schlagworte

Voraussetzungen, Wiederaufnahme, Wiederaufnahmeantrag,
Wiederaufnahmegrund

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W208.2186050.2.00

Zuletzt aktualisiert am

07.01.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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