TE Bvwg Erkenntnis 2018/10/23 W224 2169047-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 23.10.2018
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Entscheidungsdatum

23.10.2018

Norm

AsylG 2005 §11
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs3 Z1
AsylG 2005 §3 Abs5
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W224 2169047-1/7E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Dr. Martina WEINHANDL als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX alias XXXX , geb. XXXX , StA. Syrien, vertreten durch Diakonie Flüchtlingsdienst, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 24.07.2017, Zl. 1089318810-151456129, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung, zu Recht:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX alias XXXX gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005, in der Fassung BGBl. I Nr. 145/2017, der Status eines Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass XXXX alias XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger Syriens, reiste illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 29.09.2015 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

Bei der Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 30.09.2015 gab der Beschwerdeführer an, aus XXXX , konkret aus Jaramana zu stammen, der Volksgruppe der Araber anzugehören und griechisch-orthodoxer Christ zu sein. Am 08.09.2015 habe er Syrien legal mittels eines Busses über den Libanon in die Türkei verlassen. Zu seinen Fluchtgründen gab er an, in seiner Heimat gebe es keine Zukunft mehr. Besonders als Christ sei er in seiner Heimat in großer Gefahr. Er sei wegen seiner Religion oft bedroht worden und habe Angst, im Krieg zu sterben.

2. Am 18.05.2017 wurde der Beschwerdeführer vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) niederschriftlich einvernommen. Hierbei gab er im Wesentlichen an, er stamme aus XXXX , konkret aus XXXX , sei Angehöriger der Volksgruppe der Araber und orthodoxer Christ. Er sei legal ausgereist. Nach seinen Fluchtgründen befragt gab der Beschwerdeführer an, er sei in Syrien in der Arbeit beleidigt und belästigt worden. Zwei Mal sei er verprügelt worden, weil er Christ sei. Danach sei er von unbekannter Seite bedroht worden. Er werde auf Grund seines christlichen Glaubens bedroht. Den Grundwehrdienst habe er nicht ableisten müssen, weil er der einzige Sohn der Familie sei.

3. Das BFA wies mit Bescheid vom 24.07.2017, Zl. 1089318810-151456129, den Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG (Spruchpunkt I) ab. Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG wurde dem Beschwerdeführer der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II) und ihm gemäß § 8 Abs. 4 AsylG eine befristete Aufenthaltsberechtigung erteilt (Spruchpunkt III).

Die Nichtzuerkennung des Status eines Asylberechtigten begründete das BFA damit, dass der Beschwerdeführer in Syrien keinen individuell konkreten Verfolgungshandlungen im Sinne der GFK ausgesetzt gewesen sei. Der Beschwerdeführer habe nicht glaubhaft machen können, dass in Bezug auf seine Person eine asylrelevante Verfolgung auf Grund der Religionszugehörigkeit bestehe.

4. Mit Verfahrensanordnung gemäß § 63 Abs. 2 AVG vom 25.07.2017 teilte das BFA dem Beschwerdeführer gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG mit, dass ihm für das Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht eine näher genannte juristische Person als Rechtsberater amtswegig zur Seite gestellt werde.

5. Gegen Spruchpunkt I. des Bescheides vom 23.08.2017 erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde. Die Spruchpunkte II. und III. des angefochtenen Bescheides erwuchsen hingegen in Rechtskraft. In der Beschwerde brachte er vor, das BFA habe ein mangelhaftes Ermittlungsverfahren geführt. Der Beschwerdeführer werde mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit im Falle einer Rückkehr nach Syrien verfolgt. Er habe auf Grund seiner Flucht seinen Militäraufschub nicht verlängern können und gelte aus diesem Grund als Deserteur. Daher drohe ihm Haft, Lösegeldforderungen und ein Militäreinsatz.

6. Am 18.10.2018 fand eine öffentliche mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht statt, in der Folgendes auszugsweise erörtert wurde (BF2=gegenständlicher Beschwerdeführer; BF1=Mutter des gegenständlichen Beschwerdeführers):

"[...]

R: Haben Sie zu Ihrer Familie in Syrien noch Kontakt?

BF2: Ja, ich habe das letzte Mal vor zwei oder drei Monaten mit meinem Vater gesprochen. Er lebt in Syrien.

R: Wo haben Sie in Ihrem Herkunftsstaat gelebt bevor Sie ausgereist sind?

BF2: In XXXX .

R: Unter wessen Kontrolle steht die Stadt momentan?

BF2: Das Regime.

Es wird Einsicht genommen in die Karte auf der Internetseite https://syria.liveuamap.com/ und feststellt, dass das Herkunftsgebiet des BF2 unter der Kontrolle des Regimes steht.

BF2: An das Gebiet von XXXX grenzt gleich das Gebiet von XXXX , hier ist eine Straße quasi die Trennung. In XXXX war die Opposition tätig. Ich habe im Gebiet des Regimes gewohnt.

R: Wie sind Sie aus Syrien ausgereist?

BF2: Ich bin legal mit meinem Reisepass von Syrien in den Libanon mit dem Auto gefahren.

R: Wurden Sie bei Ihrer Ausreise aus Syrien bzw. Einreise in den Libanon kontrolliert?

BF2: Ja.

[...]

R: Schildern Sie Ihre Fluchtgründe, also die Gründe, aus denen Sie die Syrien verlassen haben, abschließend.

BF2: Ich habe in Syrien in der Firma XXXX gearbeitet. Ich habe dort lange gearbeitet in dieser Firma, bevor ich Syrien verlassen habe. Der Sitz der Firma war auf der Autobahn in Richtung XXXX . Die Ortschaft hat XXXX geheißen. Ich bin täglich zur Arbeit gefahren. Ich habe tagtäglich Leichen gesehen. Ich habe dienstlich gewisse Ortschaften durchfahren müssen. Manche waren sicher und manche unsicher. Das erste Probleme habe ich im Gebiet XXXX bekommen. Ich bin dort geschlagen worden. Die meisten Angestellten und Arbeiter in der Firma waren von XXXX , sie waren alle bekannt. Zwei Kollegen waren mit mir im Auto. Ich erzähle von dem Vorfall, wo ich geschlagen worden bin. In XXXX selbst gab es manchmal Unruhen. Es gab Demonstrationen und dann kam das Militär und hat dies auseinandergetrieben. Damals war eine Demo im Gange, als ich mit meinen Kollegen hineingefahren bin. Die zwei Kollegen und ich wurden gefragt, wer wir sind. Die zwei stammen aus XXXX und man hat sie gekannt. Die Organisatoren der Demo haben mich gefragt, wer ich bin und was ich hier tue. Ich habe gesagt, dass ich XXXX heiße und dass ich für diese Firma arbeite und dass die zwei mich kennen. Sie haben sofort gewusst, dass ich Christ bin, weil ich ein Kreuz getragen habe und auch ein Kreuz auf meiner Hand tätowiert ist. In ihren Augen ist ein Christ solidarisch mit dem Regime. D.h. ich gelte als auf der Seite des Regimes Stehender. Ich wurde geschlagen. Die Leute die mich geschlagen haben, haben gesagt, sie wollen mich hier in der Gegend nicht mehr sehen. Ich hatte Glück gehabt, dass die zwei Kollegen dabei waren und sie haben mich unterstützt und geschützt wegzukommen. Diese Leute haben gesagt, ich bin Christ und ich bin Regimestehender. In Wirklichkeit bin ich weder für das Regime noch für die Opposition. Ich verabscheue Gewalt und will keine Waffen tragen. So bin ich freigekommen und wurde ins Spital gebracht. Dort wurde die Tat, weil ich verletzt war, gegen einen Unbekannten registriert worden. Dort waren Polizisten und aus diesem Grund habe ich gegen Unbekannt die Anzeige erstattet. Nach einer Weile, vor meiner Ausreise im Jahr 2015 wurde meine Mutter bedroht und sie haben gesagt, sie tun mir was an. Ich habe das nicht geglaubt und habe auch nie angenommen, dass sie mir etwas antun können. Weil sie nicht in der Lage sind.

R: Wer sind diese "Sie"?

BF2: Wir wissen es nicht. Meine Mutter hat Drohanrufe bekommen. Sie wurde von unbekannten Teilnehmer bedroht. Wir wussten nicht, ob diese Anrufe vom Regime oder von der Opposition stammen. In XXXX wurde ich einmal gemeinsam mit meinen Freunden, mit denen ich gearbeitet habe, von einem Auto gestoppt. Das Auto hat vor unserem Auto angehalten und sie sind bewaffnet gewesen. Sie sind zu mir gekommen und nicht zu meinen Arbeitskollegen. Das war in der Nähe vom XXXX Lager in XXXX . Diese Leute kamen zu mir und ich bin nicht aus dem Auto ausgestiegen. Ich habe nicht gewusst, was die von mir wollen. Es war der Fahrer, dann ein anderer Kollege und ich bin am Beifahrersitz gesessen. Sie sind zu mir gekommen, haben mich gefragt wie ich heiße. Ich fragte sie, was sie von mir wollen und wer sie sind. Sie verlangten mein Ausweis, sie haben es gesehen und sofort gewusst, dass ich Christ bin und dann wurde ich geschlagen. Ich habe nicht fragen können, warum sie mich schlagen. Meine Kollegen haben sich nicht getraut, zu fragen, wer sie sind und was sie wollen. Sie haben gesagt, nachdem sie mich zusammengeschlagen haben, es sei passiert, damit ich beim nächsten Mal "nicht noch einmal schauen" könnte, was damit gemeint ist, weiß ich nicht. Meine Eltern haben dann erfahren, was passiert ist. Ich habe nicht sagen können, wer es war. Nachdem das passiert ist, wurde ich von christlichen Freunden und Mitglieder einer christlichen Organisation aufgefordert mich ihnen anzuschließen und Waffen zu tragen. XXXX war ein Treffpunkt von verschiedenen Gruppierungen. Christen, Drusen, Moslems und alles Mögliche. XXXX liegt sehr strategisch an der Frontlinie zwischen XXXX , die unter der Kontrolle der Opposition ist und die Flughafenautobahn liegt auch dort, die ist jedoch unter der Kontrolle des Regimes. XXXX war umzingelt und hat eine sehr strategische Lage. Ob man Einzelsohn ist oder nicht, man wird aufgefordert zu den Waffen zu greifen und zwar von allen Seiten. Ich wurde aufgefordert von meinen Freunden, von der Opposition und vom Regime Waffen zu tragen und XXXX zu verteidigen, obwohl ich der einzige Sohn bin. Ich will nicht Waffen tragen. Ich habe auch Probleme und ich bin Christ und deshalb habe ich Syrien verlassen. Vor zwei oder drei Monaten habe ich Kontakt zu meinem Vater aufgenommen. Als Einzelsohn bin ich vom Militärdienst befreit, aber vor zwei oder drei Monaten sind Polizisten zu meinem Vater gekommen und haben ein Dienstbuch gebracht, wo mein Vater unterschreiben musste, dass er informiert worden ist, dass ich zum Militär muss. Im Jahr 2015 habe ich meinen Aufschub vom Militärdienst verlängert und ich habe keinen Aufschub bzw. Verlängerung mehr, deshalb wurde mein Vater informiert, weil ich nicht zu Hause war und ich gelte jetzt als Militärdienstverweigerer.

R: Haben Sie irgendwelche Beweismittel für dieses Vorbringen?

BF2: Nein, habe ich nicht. Mein Vater hat das nur unterschreiben müssen, dass er informiert wurde, aber es gibt keinen schriftlichen Beweis.

R: Wie soll ich das glauben? Aus den Länderfeststellungen geht hervor, dass einzelne Söhne gar nicht wehrdienstpflichtig sind.

BF2: Es ist so, wenn die Mutter des einzelnen Sohnes noch im gebärfähigen Alter ist, muss jährlich der Aufschub verlängert werden, weil diese Mutter noch weiterhin Söhne gebären könnte und kein Einzelsohn mehr vorliegen würde.

R: Ihre Mutter ist ja nicht im gebärfähigen Alter, also wird Ihre Befreiung nicht mehr verändert?

BF2: Ich bin im Jahr 2015 gegangen und da hätte ich den Militäraufschub verlängern sollen.

R: Im Jahr 2015 war Ihre Mutter 50 Jahre alt, also nicht im gebärfähigen Alter. Das passt daher nicht. Darüber hinaus haben Sie vorhin gesagt, dass Sie im Jahr 2015 Ihren Militäraufschub verlängern lassen haben.

BF2: Im Jahr 2015 hätte ich das machen sollen, aber ich habe das nicht gemacht, weil ich eine Bestätigung von XXXX abholen hätte müssen, dass meine Mutter damals wie sie geheiratet hat, nicht verheiratet war. Das hätte dem Nachweis dienen sollen, dass sie keinen weiteren Sohn hat. Ich habe das nicht machen können, weil ich nicht nach XXXX fahren konnte.

R: Wieso nach XXXX ?

BF2: Meine Mutter ist dort geboren. Dann bekam ich die Probleme. Ich habe Syrien verlassen, weil ich dort nicht mehr leben konnte und ich habe diesen Aufschub nicht mehr verlängern konnte. Die Probleme haben in XXXX begonnen.

R: Sie konnten im Jahr 2015 legal aus Syrien ausreisen. Jemand der legal ausreisen kann, ist jemand der nicht vom Regime gesucht wird, so geht es aus den Länderfeststellungen hervor. D.h. für mich auch, dass Sie zu dieser Zeit, also 2015 nicht verpflichtet gewesen wären Ihren Militärdienst zu leisten.

BF2: Ich habe keinen syrischen Reisepass mehr. Ich kann nicht mehr zurückkehren. Ich habe Syrien zwar legal verlassen und bin auch in den Libanon legal eingereist. Ich habe Libanon auch legal verlassen und bin in die Türkei geflogen und von der Türkei nach Griechenland habe ich meinen Reisepass ins Wasser geworfen und besitze momentan keinen Pass.

R wiederholt die Frage.

BF2: Ich bin legal ausgereist. Ich habe Probleme gehabt und bezahlte Bestechungsgelder bei der Ausreise. In Syrien ist es bekannt, dass man mit Geld alles machen kann. Der Polizist an der Grenze weiß, dass ich Syrien verlasse und er möchte Geld haben, dass ich Syrien verlasse. Ich habe auch Geld bezahlt.

R: Haben Sie abschließend jetzt alles zu Ihrer Flucht geschildert?

BF2: Ich habe alles gesagt.

R: Wann verließen Sie Syrien endgültig?

BF2: August 2015 habe ich Syrien verlassen und im September 2015 war ich in Österreich.

R: Tragen Sie heute ein Kreuz?

BF2: Ja.

R: Haben Sie das in Syrien auch getragen?

BF2: Ja.

R: Zeigen Sie mir die Tätowierung an Ihrer Hand?

BF2 zeigt ein tätowiertes Kreuz zwischen Daumen und Zeigefinger der linken Hand.

R: Wie geht es Ihrem Vater in Syrien?

BF2: Ich habe das letzte Mal vor drei Monaten mit ihm Kontakt aufgenommen. Ich weiß es nicht. Er hat mir erzählt, dass er bei Freunden zwei Wochen geschlafen hat, weil die Wohnung kontrolliert wurde.

R: Aus welchem Grund verließ Ihr Vater Syrien nicht gleichzeitig mit Ihnen?

BF2: Sein Gesundheitszustand und seine finanzielle Lage erlaubt ihm das nicht.

R: Was würde passieren, wenn Sie wieder in den Herkunftsstaat zurück müssten?

BF2: Einvernahme, Militärdienst und ich werde als Verräter angesehen, weil ich mein Militärdienst nicht abgeleistet habe und ich muss Waffen tragen.

R: Wenn Sie die geschilderten Probleme nicht hätten, könnten Sie dann im Herkunftsstaat leben?

BF2: Nein.

R: Hat sich an den Gründen Ihrer Asylantragstellung seit Erhalt des angefochtenen Bescheids etwas geändert?

BF2: Ich arbeite und ich bin integriert in die Gesellschaft und lebe ganz normal hier.

R: Ich habe zu Ihrem Verfahren vorerst keine weiteren Fragen.

R an BF2 und RV: Wollen Sie noch etwas Ergänzendes vorbringen oder Beweisanträge stellen?

RV: Keine Fragen.

BF2: Nein.

R fragt den BF2, ob er den Dolmetscher gut verstanden habe; dies wird bejaht.

[...]"

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer ist ein volljähriger, syrischer Staatsangehöriger. Er gehört der Volksgruppe der Araber an und ist orthodoxer Christ. Er lebte bis zu seiner legalen Ausreise im August 2015 in XXXX im Umland von XXXX . Der Beschwerdeführer hatte bei seiner Ausreise aus Syrien einen Aufschub von der Ableistung des Militärdienstes und war aus diesem Grund (noch) nicht wehrpflichtig. Der Beschwerdeführer war zuletzt in Syrien Arbeiter. Er reiste unter Verwendung seines syrischen Reisepasses aus Syrien aus.

Er ist in Österreich unbescholten.

Mit Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides wurde dem Beschwerdeführer der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Staat Syrien wegen der realen Gefahr einer ernsthaften individuellen Bedrohung seines Lebens aufgrund des innerstaatlichen Konfliktes in Syrien zuerkannt.

Der Beschwerdeführer lebte mit seiner Familie in Jaramana, in der Umgebung von Damaskus und hat Syrien legal verlassen. Er ist nicht verheiratet und hat keine Kinder.

Dem Beschwerdeführer droht in Syrien (bei einer nunmehrigen Rückkehr) die reale Gefahr, zum Militärdienst bei der syrischen Armee eingezogen zu werden und er ist in Zusammenhang mit der Einziehung, der Ableistung und der Verweigerung des Militärdienstes der Gefahr erheblicher Menschenrechtsverletzungen ausgesetzt. Der Beschwerdeführer hat Syrien mit verlassen, damit er sich seiner Wehrdienstverpflichtung in Syrien entziehen kann.

Eine hinsichtlich des Reiseweges zumutbare und legale Rückkehr nach Syrien ist nur über den Flughafen in Damaskus möglich, der sich in der Hand der Regierung befindet. Einreisende Personen werden im Falle einer Abschiebung oder einer Rückkehr ohne Reisedokument einer intensiven Überprüfung unterzogen. Es liegen hinsichtlich des Beschwerdeführers keine Asylausschluss- oder -endigungsgründe vor.

Zur Lage in Syrien wird festgestellt (entnommen aus:

Länderinformationsblatt der Staatendokumentation 3.3.2014 und 5.1.2017 sowie 25.1.2018; UNHCR-Erwägungen zum Schutzbedarf von Personen, die aus der Arabischen Republik Syrien fliehen, 4. Aktualisierte Fassung; UNHCR-Berichte: Relevante Herkunftslandinformation zur Unterstützung bei der Anwendung der UNHCR Richtlinien für Syrien, Februar 2017, sowie Syrien:

Militärdienst, November 2016):

1. Folter und unmenschliche Behandlung

Seit Beginn des Aufstands setzten die Sicherheitskräfte zehntausende Menschen willkürlichen Verhaftungen, ungesetzlicher Haft, dem Verschwindenlassen, Misshandlungen und Folter in einem breiten Netzwerk von Haftanstalten aus. Viele der Häftlinge sind junge Männer im Alter von 20 bis 30 Jahren, jedoch sind auch Kinder, Frauen und ältere Menschen unter den Inhaftierten (HRW 27.1.2016). Berichten zufolge wurden Familienmitglieder durch die Sicherheitskräfte der syrischen Regierung festgenommen, darunter auch Kinder, um gesuchte Personen dazu zu bewegen, sich den Sicherheitskräften zu stellen (HRW 27.1.2016; vgl. USDOS 13.4.2016). Schätzungen zufolge sind seit 2011 in Gefängnissen der syrischen Regierung 17.723 Menschen durch Folter, Misshandlungen und katastrophale Haftbedingungen ums Leben gekommen (AI 18.8.2016).

Freigelassene Gefangene und MitarbeiterInnen der Sicherheitskräfte, die sich abgesetzt haben ("defectors"), berichten von einer Anzahl von Foltermethoden, die von den syrischen Sicherheitskräften verwendet werden. Dazu zählen langes Schlagen - oft mit Schlagstöcken und Drähten - schmerzhafte Stresspositionen, Elektroschocks, sexuelle Angriffe, das Ziehen von Fingernägeln und Scheinhinrichtungen. (HRW 21.1.2014)

Bewaffnete Oppositionsgruppen begehen in wachsendem Ausmaß schwere Menschenrechtsverletzungen, darunter auch Folter. Ausländische Kämpfer und jihadistische Gruppen sind unter den schlimmsten Tätern. (HRW 21.1.2014) Aber auch die Freie Syrische Armee foltert einem Überläufer zufolge - manchmal mit tödlichem Ausgang. (UK 11.09.2013)

Von den Aufständischen gefangengenommene syrische Sicherheitskräfte oder ihre angeblichen UnterstützerInnen machen unter Folter Geständnisse. Dazu gibt es viele Videoaufzeichnungen, welche Gefangene mit Zeichen physischer Misshandlungen zeigen. (UK 11.09.2013)

Vergewaltigungen, meist von Frauen, aber auch von Männern und Buben, sind zu einer Kriegswaffe geworden. Laut Menschenrechtsgruppen werden die meisten Vergewaltigungen von Gruppen begangen, die den Regimekräften zuzuordnen sind. (FH 23.1.2014)

Regierungskräfte verhafteten, folterten und töteten Hunderte von Angestellten des Gesundheitsbereichs und PatientInnen. Sie griffen absichtlich Fahrzeuge an, die PatientInnen und Vorräte transportierten. (HRW 21.1.2014) Ambulanzfahrer, Krankenschwestern, ÄrztInnen und Helfer würden attackiert, verhaftet oder verschwinden. Auch Schwerverwundete wurden aus Krankenhäusern entführt, weil ihre Verletzungen als Beweise für oppositionelle Unterstützung gewertet wurden. Die extremsten Beispiele lieferte ein Militärkrankenhaus in Homs. Dort wurden Verletzte gefoltert und ÄrztInnen befohlen, die Opfer am Leben zu erhalten, um sie weiter verhören zu können. (ARD 16.9.2013)

2. Risikoprofile

Werden Asylanträge von Asylsuchenden aus Syrien auf Einzelfallbasis gemäß bestehenden Asylverfahren oder Verfahren zur Feststellung der Flüchtlingseigenschaft geprüft, so ist UNHCR der Ansicht, dass Personen mit einem oder mehreren der unten beschriebenen Risikoprofilen wahrscheinlich internationalen Schutz im Sinne der GFK benötigen, sofern keine Ausschlussklauseln anwendbar sind (siehe Absatz 39). Bei Familienangehörigen und Personen, die auf sonstige Weise Menschen mit den nachfolgend aufgeführten Risikoprofilen nahestehen, ist es je nach den Umständen des Einzelfalls ebenfalls wahrscheinlich, dass sie internationalen Flüchtlingsschutz benötigen. Sofern relevant, sollte besonderes Augenmerk auf jegliche Verfolgung gelegt werden, der Asylsuchende in der Vergangenheit möglicherweise ausgesetzt waren.

Personen, die eine oppositionelle Einstellung haben oder denen eine solche unterstellt wird: Die Regierung wendet für die Definition von oppositioneller Einstellung sehr breite Kriterien an: So kann jede Form von Kritik, Opposition oder mangelnde Loyalität der Regierung gegenüber, in welcher Art auch immer ausgedrückt, zu ernsthaften Konsequenzen für die Person führen. Viele Protestierende, Aktivisten/Aktivistinnen, Wehrdienst-verweigerer, Deserteure, partizipative (Bürger-) Journalisten/Journalistinnen ("citizen journalists"), Ärzte/Ärztinnen und Personen, die humanitäre Hilfe leisten, und denen eine oppositionelle Haltung unterstellt wurde, wurden willkürlich verhaftet, gefoltert, misshandelt und standrechtlich hingerichtet. Viele wurden unter Anti-Terrorismusgesetzen verurteilt, die schwere Strafen vorsehen, wobei "Terrorismus" in diesem Gesetz sehr vage und breit definiert wird. Die meisten Gefangenen werden nie angeklagt. Tausende Zivilisten/Zivilistinnen wurden vor Strafgerichten, dem Anti-Terrorismus-Gericht in Damaskus und Militärgerichten in Verfahren verurteilt, die keine internationalen Fairness-Standards einhalten; häufig nach mehrmonatiger Haft in Untersuchungshafteinrichtungen, die von Sicherheitsbehörden geführt werden, und auf Basis von erzwungenen Geständnissen. Strafen sind Berichten zufolge hart. Die Regierung überwacht politische Treffen, die Post und Onlineaktivitäten. Unzählige Personen wurden verhaftet, weil sie auf social media Fotos oder Videos "geliked" oder geteilt haben, die oppositionelle Meinungen vertreten oder unterstützen. Die sog. Syrische Elektronische Armee hackt Websites und social media Seiten von oppositionellen Gruppen, westlichen Medien und Menschenrechtsorganisationen.

Syrer_innen, die im Ausland in regierungsgegnerische Proteste verwickelt waren, wurden systematisch überwacht, eingeschüchtert und teilweise physisch durch Botschaftsangestellte und andere angegriffen. Familienangehörige von Syrer_innen, die sich im Ausland an Protesten oder ähnlichen Aktivitäten beteiligen, wurden in Syrien befragt, bedroht, verhaftet, körperlich misshandelt oder sogar getötet.

Die echte oder unterstellte regierungsgegnerische Einstellung einer Person wird häufig auch Personen in ihrem Umfeld zugeordnet, wie Familienangehörigen, Nachbarn oder Kollegen/Kolleginnen. Familienangehörige von Aktivisten/Aktivistinnen, Mitgliedern von Oppositionsparteien, Deserteuren oder Wehrdienstverweigerern wurden Ziel von willkürlichen Verhaftungen, Folter, Misshandlungen, auch sexueller Gewalt und standrechtlicher Exekution. In Fällen, in denen eine gesuchte Person, der eine oppositionelle Haltung unterstellt wird, nicht gefunden werden kann, werden Familienangehörige verhaftet und misshandelt, um zu erfahren, wo die Person ist, damit sie sich stellt, oder um ihre Handlungen zu bestrafen. Weibliche Familienangehörige werden Berichten zu Folge auch zum Tausch bei Gefangenenaustauschen mit regierungsgegnerischen bewaffneten Gruppen verwendet. Nachbarn, Freunde und Kollegen waren ebenfalls Ziele solcher Praktiken.

Aus Angst wird häufig Abstand genommen, sich über eine Verhaftung zu beschweren; stattdessen werden Bestechungsgelder bezahlt, um einen Verhafteten verlegen zu lassen oder freizubekommen. Präsidentielle Amnestien ermöglichten auch Bestechungen von Richtern/Richterinnen. In besonders schweren Fällen wurden ganze Familien von Oppositionellen oder Deserteuren verhaftet oder ermordet, zB während einer Hausdurchsuchung.

Personen, die leicht von den syrischen Behörden als regierungskritisch wahrgenommen werden, oder die Sympathisanten sind oder Verbindungen zur Opposition haben, werden wahrscheinlich internationalen Schutz wegen ihrer auch nur unterstellten politischen Gesinnung benötigen. Der reine Verdacht einer solchen Haltung reicht aus, um eine wohlbegründete Furcht vor Verfolgung auszulösen.

Die nachstehend aufgeführten Risikoprofile sind nicht unbedingt abschließend und können sich überschneiden. Die Reihenfolge der aufgeführten Profile impliziert keine Hierarchie. Die Profile basieren auf Informationen, die UNHCR zum Zeitpunkt der Erstellung dieses Dokuments vorlagen. Ein Antrag sollte daher nicht automatisch als unbegründet erachtet werden, weil er keinem hier aufgeführten Profil entspricht.

* Personen, die tatsächlich oder vermeintlich in Opposition zur Regierung stehen, einschließlich, jedoch nicht beschränkt auf Mitglieder politischer Oppositionsparteien; Aufständische, Aktivisten und sonstige Personen, die als Sympathisanten der Opposition angesehen werden; Mitglieder bewaffneter oppositioneller Gruppen bzw. Personen, die als Mitglieder bewaffneter oppositioneller Gruppen angesehen werden; Wehrdienstverweigerer und Deserteure der Streitkräfte; Mitglieder der Regierung und der Baath-Partei, die ihre Ämter niedergelegt haben; Familienangehörige von tatsächlichen oder vermeintlichen Regierungsgegnern sowie andere Personen, die mit tatsächlichen oder vermeintlichen Regierungsgegnern in Verbindung gebracht werden; Zivilisten, die in vermeintlich regierungsfeindlichen städtischen Nachbarschaften, Städten und Dörfern leben.

* Personen, die tatsächlich oder vermeintlich die Regierung unterstützen, einschließlich, jedoch nicht beschränkt auf Mitglieder von Parteien, die der Regierung verbunden sind; tatsächliche und vermeintliche Mitglieder von Streitkräften der Regierung sowie Zivilbürger, von denen angenommen wird, dass sie mit Streitkräften der Regierung zusammenarbeiten; Familienangehörige von Personen, die tatsächlich oder vermeintlich die Regierung unterstützen; Zivilisten, die in vermeintlich regierungsnahen städtischen Nachbarschaften, Städten und Dörfern leben.

* Personen, die tatsächliche oder vermeintliche Gegner von ISIS sind, und sich in Gebieten aufhalten, in denen ISIS de facto die Kontrolle oder Einfluss ausübt.

* Personen, die tatsächliche oder vermeintliche Gegner bewaffneter oppositioneller Gruppen sind, und sich in Gebieten aufhalten, in denen diese Gruppen de facto die Kontrolle ausüben.

* Personen, die tatsächliche oder vermeintliche Gegner von PYD/YPG sind und sich in Gebieten aufhalten, in denen PYD/YPG de facto die Kontrolle ausüben.

* Angehörige bestimmter Berufsgruppen, insbesondere Journalisten und andere in der Medienbranche tätige Personen, Laienjournalisten;

Ärzte und andere im Gesundheitswesen tätige Personen;

Menschenrechtsaktivisten; humanitäre Helfer; Künstler; Unternehmer und andere Personen, die tatsächlich oder vermeintlich vermögend oder einflussreich sind.

* Mitglieder religiöser Gruppen, einschließlich Sunniten, Alawiten, Ismailis, Zwölfer-Schiiten, Drusen, Christen und Jesiden.

* Personen, die vermeintlich gegen die Scharia verstoßen und in Gebieten leben, die unter der Kontrolle oder dem Einfluss extremistischer islamistischer Gruppen stehen.

* Angehörige ethnischer Minderheiten, einschließlich Kurden, Turkmenen, Assyrer, Tscherkessen und Armenier.

* Frauen, insbesondere Frauen ohne Schutz durch Männer, Frauen, die Opfer von sexueller Gewalt, von Kinder- und Zwangsheirat, häuslicher Gewalt, Verbrechen zur Verteidigung der Familienehre ("Ehrendelikt") und Menschenhandel wurden, oder einem entsprechenden Risiko ausgesetzt sind.

* Kinder, insbesondere Kinder, die in der Vergangenheit festgenommen wurden, oder die einem entsprechenden Risiko ausgesetzt sind; sowie Kinder, die Opfer von Zwangsrekrutierung als Kindersoldaten, sexueller und häuslicher Gewalt, Kinderarbeit, Menschenhandel und systematischer Verweigerung des Zugangs zu Bildungsangeboten wurden, oder die einem entsprechenden Risiko ausgesetzt sind.

* Personen mit unterschiedlicher sexueller Orientierung und/oder geschlechtlicher Identität.

* Palästinensische Flüchtlinge.

Prinzipiell können Syrer_innen unter Verwendung ihrer Pässe (oder ID-Karten für den Libanon) das Land über jeden Grenzposten, der in Betrieb ist, verlassen. Personen, die ohne gültige Ausweise, nicht über offizielle Grenzübergänge oder ohne Genehmigung ein- oder ausreisen, können mit Haft- oder einer Geldstrafe belegt werden.

Eine Ausreisegenehmigung benötigen Beamte/Beamtinnen (von ihrem Ministerium/ihrer Dienststelle); Berufssoldaten (die, die ohne Genehmigung das Land verlassen, werden wie Deserteure behandelt); Kinder (benötigen die schriftliche Zustimmung des Vaters); Männer im wehrfähigen Alter zwischen 18 und 42 (benötigen die Zustimmung der Einrichtung, die Einberufungen vornimmt. Nach Informationen des UNHCR betrifft diese Genehmigungspflicht auch Personen, die eine Ausnahmegenehmigung haben; nach Ablauf der Ausnahmegenehmigung wird erwartet, dass sie zum Militärdienst antreten, andernfalls werden sie als Wehrdienstverweigerer angesehen).

3. Religionsfreiheit

In Syrien gibt es keine offizielle Staatsreligion, wobei die Verfassung jedoch vorsieht, dass der syrische Präsident Muslim sein muss, und dass die islamische Rechtsprechung eine Hauptquelle des Gesetzes darstellt (USDOS 15.8.2017). Die Behandlung von Angelegenheiten des Personenstandsrechtes erfordert die Zugehörigkeit jedes Bürgers zum Christentum, Islam oder Judentum, und die Personen fallen unter die jeweilige Gesetzgebung ihrer religiösen Gruppe in Fällen von Eheschließungen oder Scheidung (USDOS 15.8.2017; vgl. Eijk 2013). Die Religionszugehörigkeit einer Person wird nicht auf der Identitätskarte vermerkt, muss jedoch beim Zivilregister registriert werden. Es ist nicht möglich, "keine Religion" zu haben. Atheisten existieren in Syrien nicht, zumindest nicht laut dem Zvilregister (Eijk 2013). Das Gesetz schränkt Missionierung und Konversionen ein. Es verbietet die Konversion vom Islam zu anderen Religionen, erkennt die Konversion zum Islam jedoch an. Das Strafgesetz verbietet auch "das Verursachen von Spannungen zwischen religiösen Gemeinschaften" (SWP 5.2014; vgl. USDOS 15.8.2017). Ein zum Islam konvertierter Erwachsener kann außerdem nicht zu seinem ursprünglichen Glauben zurück konvertieren (Eijk 2013).

Am Beginn des Konfliktes waren Angriffe auf Minderheiten kein zentraler Bestandteil des Krieges, wobei manche Minderheiten der Gewalt mehr ausgesetzt waren als andere. Die Handlungen von Seiten des Regimes haben jedoch dazu beigetragen, dass die konfessionelle Dimension des Konfliktes eskalierte, was zu willkürlichen Angriffen gegen Zivilisten, auf Basis ihrer Identität und wahrgenommenen Verbindung mit der Regierung oder der Opposition, führte (MRG 12.7.2016; vgl. Welt 4.4.2016). Auch die vermehrte Beteiligung von internationalen Akteuren verstärkte die konfessionellen Spannungen (MRG 12.7.2016).

Die syrische Regierung und die mit ihr verbündeten schiitischen Milizen töten, verhaften und misshandeln Sunniten und Mitglieder von bestimmten Minderheiten physisch, als Teil der Bemühungen den bewaffneten Aufstand von oppositionellen Gruppierungen niederzuschlagen. Laut mehreren Beobachtern des Konfliktes wandte das Regime Taktiken an, die darauf abzielten die extremsten Elemente der sunnitisch-islamistischen Opposition zu stärken, um den Konflikt dahingehend zu formen, dass dieser als ein Konflikt gesehen wird, in dem eine religiös moderate Regierung einer religiös extremistischen Opposition gegenübersteht. Die Revolution wurde somit mit der sunnitischen Bevölkerung assoziiert, die Regierung zielte Berichten zufolge auf Städte und Nachbarschaften mit Belagerung, Beschuss und Luftangriffen auf Basis der Religionszugehörigkeit der Bewohner ab. Während sich Rebellen in Statements und Veröffentlichungen explizit als sunnitische Araber oder sunnitische Islamisten identifizierten und eine Unterstützerbasis haben, die fast ausschließlich aus Sunniten besteht, und dadurch das Abzielen der Regierung konfessionell motiviert erscheint, merkten Beobachter jedoch an, dass zweifellos auch andere Motivationen für die Gewalt existierten. Experten argumentierten, dass Gewalt auf beiden Seiten oft religiös motiviert sei (USDOS 15.8.2017). Auch der IS ist für Menschenrechtsverletzungen Sunniten gegenüber verantwortlich (USDOS 2.6.2016; vgl. USDOS 3.3.2017).

4. Wehr- und Reservedienst und Rekrutierungen

Für männliche Syrer und Palästinenser, welche in Syrien leben, ist ein Wehrdienst von 18 oder 21 Monaten ab dem Alter von 18 Jahren verpflichtend, außerdem gibt es einen freiwilligen Militärdienst. Frauen können ebenfalls freiwillig einen Militärdienst ableisten (CIA 19.10.2016; vgl. FIS 23.8.2016). Seit Jahren versuchen immer mehr Männer die Rekrutierung zu vermeiden, indem sie beispielsweise das Land verlassen oder bewaffneten Gruppen beitreten, die das Regime unterstützen. Jenen, die den Wehrdienst verweigern, oder auch ihren Familienangehörigen, können Konsequenzen drohen (FIS 23.8.2016).

Es ist schwer zu sagen, in welchem Ausmaß die Rekrutierung durch die syrische Armee in verschiedenen Gebieten Syriens, die unter der Kontrolle verschiedener Akteure stehen, tatsächlich durchgesetzt wird, und wie dies geschieht (FIS 23.8.2016).

In der syrischen Armee herrscht zunehmende Willkür und die Situation kann sich von einer Person zur anderen unterscheiden (FIS 23.8.2016).

Oppositionsgruppen haben ihre eigenen Vorgangsweisen bei der Rekrutierung, und die Situation kann von der jeweils verantwortlichen Person abhängen (FIS 23.8.2016).

Regierungseinheiten, Pro-Regime-Milizen, bewaffnete oppositionelle Gruppen und terroristische Organisationen rekrutieren Kinder und nutzen sie als Soldaten, menschliche Schutzschilde, Selbstmordattentäter, Henker und auch in unterstützenden Funktionen. Kinder werden als Zwangsarbeiter oder Informanten benutzt, wodurch sie dem Risiko von Vergeltungsakten oder extremen Bestrafungen ausgesetzt sind. Manche bewaffnete Gruppierungen, die auf der Seite der Regierung kämpfen, zwangsrekrutieren Kinder - manche nicht älter als 6 Jahre (USDOS 30.6.2016).

Der IS setzt aktiv Kinder - manche lediglich 8 Jahre alt - in Kampfhandlungen ein, teils auch bei der Enthauptung von Soldaten des syrischen Regimes. Der IS zielt bewusst auf Kinder ab, um diese zu indoktrinieren und nutzt Schulen für militärische Zwecke, wodurch Kinder gefährdet werden und ihr Zugang zu Bildung eingeschränkt wird (USDOS 30.6.2016).

Auch die Kurdischen Volksverteidigungseinheiten (YPG) rekrutieren Burschen und Mädchen, indoktrinieren sie und bringen sie in Trainings-Camps (USDOS 30.6.2016).

4.1. Die syrischen Streitkräfte - Wehr- und Reservedienst

Die syrische Armee hat durch Todesfälle, Desertionen und Überlaufen zu den Rebellen einen schweren Mangel an Soldaten zu verzeichnen. Viele weigern sich, der Armee beizutreten. Die regulären Rekrutierungsmethoden werden in Syrien noch immer angewendet, weil das Regime zeigen will, dass sich nichts verändert hat, und das Land nicht in totaler Anarchie versinkt. Es werden Rekrutierungsschreiben verschickt, wenn Männer das wehrfähige Alter erreichen. Männer, die sich außer Landes oder in Gebieten, die nicht von der Regierung kontrolliert werden, befinden, erhalten ihre Rekrutierungsschreiben häufig nicht (FIS 23.8.2016). Wenn eine persönliche Benachrichtigung nicht möglich ist, können Männer, welche das wehrfähige Alter erreichen, auch durch Durchsagen im staatlichen Fernsehen, Radio oder der Zeitung zum Wehrdienst aufgerufen werden (DIS 26.2.2016). Männer werden jedoch auch auf der Straße an Checkpoints oder an anderen Orten rekrutiert. Es gibt auch Massenverhaftungen und Tür-zu-Tür-Kampagnen, um Wehrdienstverweigerern habhaft zu werden (FIS 23.8.2016; vgl. UNHCR 30.11.2016). Berichten zufolge besteht aber auch für - teils relativ junge - Minderjährige die Gefahr, in Zusammenhang mit der Wehrpflicht an Checkpoints aufgehalten zu werden und dabei Repressalien ausgesetzt zu sein (UNHCR 30.11.2016). Christliche und muslimische religiöse Führer können weiterhin den Kriegsdienst verweigern, wobei muslimische Führer eine Abgabe bezahlen müssen, um vom Kriegsdienst befreit zu werden (USDOS 10.8.2016).

Bestechung als Mittel, um den Wehrdienst zu vermeiden, ist mittlerweile schwieriger geworden - zumindest wenn jemand keine großen Geldsummen zur Verfügung hat. Es gibt auch Männer im wehrpflichtigen Alter, die frei in Syrien leben. Dem Regime liegt nicht daran, alle wehrtauglichen Personen in die Flucht zu treiben. Es werden nämlich auch künftig motivierte Kämpfer benötigt (FIS 23.8.2016).

Nach der Massenwanderung von Syrern im Jahr 2015 wurde das Wehrdienstalter erhöht, und mehr Männer wurden an Checkpoints rekrutiert, auch solche, die ihren Militärdienst bereits beendet hatten. Für junge Männer im Alter von 16 und 17 Jahren ist es schwer, einen Reisepass zu erhalten, oder sie erhalten nur einen Pass, der zwei Jahre gültig ist (FIS 23.8.2016; vgl. UNHCR 30.11.2016).

Das Höchstalter für den Militärdienst betrug zuvor 42 Jahre, wurde jedoch inzwischen erhöht, wobei es hierzu keine offizielle Regelung und daher auch kein offizielles Höchstalter mehr gibt (FIS 23.8.2016).

Reservisten können je nach Gebiet und Fall auch im Alter von 50 bis 60 Jahren zum aktiven Dienst einberufen werden. Sie werden mittels Brief, den die Polizei persönlich zustellt, oder an Checkpoints rekrutiert (FIS 23.8.2016). Bei der Einberufung von Reservisten ist das Alter weniger entscheidend als der Beruf oder die Ausbildung einer Person, sowie Rang und Position während des bereits abgeleisteten Militärdienstes oder die Einheit, in der gedient wurde (DIS 26.2.2016).

Es gibt verschiedene Gründe, um vom Militärdienst befreit zu werden. Der einzige Sohn einer Familie, Studenten oder Versorger der Familie können vom Wehrdienst befreit werden. Außerdem sind Männer mit Doppelstaatsbürgerschaft, die den Wehrdienst bereits in einem anderen Land abgeleistet haben, üblicherweise vom Wehrdienst befreit. Möglicherweise kommt es bei diesen Ausnahmen zum Wehrdienst derzeit jedoch auch zu Willkür (FIS 23.8.2016; vgl. DIS 26.2.2015, UNHCR 30.11.2016). Durch den erhöhten Bedarf an Soldaten wird mittlerweile ebenso auf "geschützte" Gruppen wie Studierende, Beamte und Minderheiten zurückgegriffen (UNHCR 30.11.2016).

Entlassungen aus dem Militärdienst sind sehr selten geworden. Es gibt Männer in der Armee, die seit dem Beginn der Revolution 2011 in der Armee sind. Die Dauer des Militärdienstes hat sich verlängert, möglicherweise ist sie auch nicht mehr begrenzt. 2011 konnte der Wehrdienst noch um ein paar Monate verlängert werden, und danach wurde man entlassen. Mittlerweile ist Desertion häufig der einzige Ausweg (FIS 23.8.2016; vgl. DIS 26.2.2015).

Bei der Einreise nach Syrien über den Flughafen Damaskus oder andere Einreisepunkte in Gebiete, die vom syrischen Regime kontrolliert werden, wird bei Männern im wehrfähigen Alter überprüft, ob diese ihren Militärdienst bereits abgeleistet haben. Selbst wenn sie ihren Militärdienst bereits absolviert haben, kommt es vor, dass Männer im wehrfähigen Alter erneut zwangsrekrutiert werden (IRB 19.1.2016).

4.2. Die Kräfte der Nationalen Verteidigung (National Defence Forces - NDF)

Die Kräfte der Nationalen Verteidigung (National Defence Forces - NDF), sind das größte Netzwerk von Milizen in Syrien (CMEC 2.3.2015; vgl. DIS 26.2.2015). Das Netzwerk verfügt über eine 2013 gegründete Dachorganisation für verschiedene, mit dem Regime alliierte Milizen und paramilitärische Gruppierungen. Die genaue Mannstärke der NDF ist nicht bekannt, Schätzungen reichen jedoch von 60.000 bis 100.000 Mitgliedern. Kämpfer der NDF gelten als dem Regime loyaler als die Wehrdienstleistenden in der Armee. Die Vorgehensweise der NDF variiert stark zwischen den einzelnen Gebieten. In manchen Gebieten sind Gruppierungen der NDF disziplinierter und in anderen agieren sie eher wie bewaffnete und gewalttätige Banden (FIS 23.8.2016).

In den NDF sind auch Gruppen organisiert, die auf religiöser Zugehörigkeit basieren. So gibt es zum Beispiel eigene Gruppen für Alawiten oder Christen. Manchmal findet die Rekrutierung zu den NDF auf Stammesbasis statt. Rekrutierung durch den Stamm ist vor allem in ländlichen Gegenden wichtig (FIS 23.8.2016). Die NDF sind unter Provinzkommandeuren organisiert (CMEC 2.3.2015). Indem man den NDF beitritt, kann man den Wehrdienst bei der syrischen Armee vermeiden und den eigenen Einsatzort besser beeinflussen und entscheiden, um in der Nähe der eigenen Familie stationiert zu werden. Dies macht den Dienst bei den NDF für jene attraktiver, die sich weigern, zur Armee zu gehen, weil sie dann von zu Hause weggeschickt würden (FIS 23.8.2016).

Der Beitritt zu den NDF ist grundsätzlich freiwillig und anders als in der Armee kann man einen Vertrag unterschreiben, um eine begrenzte Zeit bei den NDF zu dienen. Junge Menschen treten den NDF bei, um in der Nähe ihrer Familien bleiben zu können, um Geld zu verdienen oder eine Waffe zu bekommen. Die Bevölkerung traut diesen Gruppen mehr als der Armee, ihr Fundament sind regionale und lokale Netzwerke. Obwohl generell der Beitritt zu den NDF freiwillig geschieht, kann auch sozialer Druck herrschen, den NDF beizutreten (FIS 23.8.2016).

Milizen der NDF sollen auch Kinder zwangsrekrutiert haben (USDOS 30.6.2016). Es gab Fälle in denen junge Männer von 16 oder 17 Jahren rekrutiert wurden, da die NDF nicht dem Gesetz unterstehen. Rekruten der NDF bekommen einen Identitätsausweis. Als dezidiert Freiwillige sind Angehörige der NDF bei Rebellen verhasster, als reguläre Soldaten - die unter Umständen zwangsrekrutiert worden sind, weshalb diese in noch größere Gefahr laufen, bei Gefangennahme getötet zu werden (FIS 23.8.2016).

4.3. Die kurdischen Volksverteidigungskräfte (YPG/YPJ)

Die kurdischen Volksverteidigungskräfte (YPG) sind der bewaffnete Flügel der kurdischen Partei der Demokratischen Union (PYD) (FIS 23.8.2016). Bis 2014 war der Militärdienst bei der YPG freiwillig. Seit 2014 gibt es jedoch in den Gebieten unter Kontrolle der PYD eine gesetzliche Verordnung zum verpflichtenden Wehrdienst. Jede Familie ist dazu verpflichtet, ein Familienmitglied im Alter von 18 bis 30 Jahren als "Freiwilligen" für einen sechsmonatigen Wehrdienst bei der YPG aufzubieten. Wird dieser Verpflichtung nicht nachgekommen, kommt es zu Zwangsrekrutierungen, sowohl von Erwachsenen als auch von Minderjährigen, oder zu rechtlichen Konsequenzen (KurdWatch 30.6.2016; vgl. SEM 21.12.2015). Das Grundproblem dieses Gesetzes besteht zum einen darin, dass es nicht von einer dazu legitimierten staatlichen Instanz beschlossen wurde, sondern von einem von der PYD eingesetzten Gremium. Beim bewaffneten Arm der PYD, den Volksverteidigungseinheiten (YPG), handelt es sich nicht um eine quasistaatliche Armee, sondern um eine Parteimiliz. Zum anderen sieht das Gesetz keine Möglichkeit der Wehrdienstverweigerung aus Gewissensgründen vor (KurdWatch 5.2015).

4.4. Wehrdienstverweigerung / Desertion

Es gab Amnestien der syrischen Regierung, um Deserteure und Wehrdienstverweigerer zu ermutigen, sich zum Dienst zu melden (FIS 23.8.2016; vgl. Reuters 20.7.2016). Es ist jedoch nicht bekannt, ob Männer, die dieses Angebot in Anspruch nehmen, Konsequenzen erfahren oder nicht (FIS 23.8.2016). Besonders aus dem Jahr 2012 gibt es Berichte von desertierten syrischen Soldaten, welche gezwungen wurden, auf unbewaffnete Zivilisten und Protestierende, darunter Frauen und Kinder, zu schießen. Falls sie sich weigerten, wären sie Gefahr gelaufen, erschossen zu werden (AI 6.2012).

Auf Desertion steht die Todesstrafe. Es ist jedoch nicht bekannt, wieweit die Todesstrafe wirklich angewendet wird. Ein Deserteur würde jedoch zumindest inhaftiert werden. Wenn ein Deserteur an einem Checkpoint rekrutiert wird, kann er direkt zum Dienst - auch an die Front - oder ins Gefängnis geschickt werden. Die Konsequenzen für Desertion hängen vom Bedarf an der Front und von der Position und dem Rang des Deserteurs ab. Für ‚desertierte', vormals bei der Armee arbeitende Zivilisten gelten dieselben Konsequenzen wie für einen Deserteur. Solche Personen werden als Verräter angesehen, weil sie über Informationen über die Armee verfügen (FIS 23.8.2016).

Auch Familien von Deserteuren oder Wehrdienstverweigerern haben mit Konsequenzen zu rechnen. Eine Familie könnte von der Regierung unter Druck gesetzt werden, wenn der Deserteur dadurch vielleicht gefunden werden kann. Familienmitglieder (auch weibliche) können festgenommen werden, um den Deserteur dazu zu bringen, sich zu stellen. Manchmal wird ein Bruder oder der Vater eines Deserteurs ersatzweise zur Armee rekrutiert (FIS 23.8.2016).

Wenn ein Wehrdienstverweigerer von den Behörden aufgegriffen würde, würde er verhaftet und überprüft werden. Anschließend könnte die Person zum Dienst in der Armee geschickt werden. Die Konsequenzen hängen jedoch vom Profil und den Beziehungen der Person ab. Wenn es eine Verbindung zu einer oppositionellen Gruppe gibt, wären die Konsequenzen ernster (DIS 26.02.2015).

5. Behandlung nach Rückkehr

Laut der International Organization for Migration (IOM) sind zwischen Januar und Juli 2017 602.759 vertriebene Syrer in ihre Heimatgebiete zurückgekehrt. 93 Prozent davon sind Binnenvertriebene gewesen und 7 Prozent kehrten aus der Türkei, dem Libanon, Jordanien und dem Irak nach Syrien zurück. Rückkehrer aus der Türkei und Jordanien kehrten hauptsächlich in die Provinzen Aleppo und Hassakah zurück (IOM 11.8.2017). Am Beginn des Jahres kam es zur Rückkehr von etwa 150.000 Personen (Zeitraum Januar-April 2017) nach Ost-Aleppo, wobei die Dauerhaftigkeit dieser Rückkehr fragwürdig ist, da die Zahl der beschädigten Unterkünfte in Ost-Aleppo sehr hoch ist (IDMC 2017).

Die Hauptfaktoren, die die Entscheidung zurückzukehren, beeinflussen, sind primär die Wiedervereinigung mit Familienmitgliedern, den Zustand des eigenen Besitzes/Grundstücks zu prüfen und in manchen Fällen auch die tatsächliche oder wahrgenommene Verbesserung der Sicherheitslage in Teilen des Landes (UNHCR 30.6.2017 und IOM 11.8.2017). Andere Rückkehrgründe können eine Verschlechterung der ökonomischen Situation am Zufluchtsort oder soziokulturelle Probleme sein (Die Presse 14.8.2017, vgl. IOM 11.8.2017).

Das Konzept von Binnenvertriebenen ist jedoch viel weiter gefasst, als jenes von Flüchtlingen. Binnenvertriebene sind all jene, die ihr Zuhause verlassen haben und dabei sehr kurze oder auch weite Entfernungen zurückgelegt haben. Kürzere Distanzen erhöhen die Wahrscheinlichkeit einer Rückkehr. Beispielsweise kehren viele IDPs aus West-Aleppo nach Ost-Aleppo zurück, oder viele IDPs aus den Vorstädten von Damaskus kehrten in die Vororte Qabun oder Qudsaya zurück, nachdem diese von der syrischen Armee wieder erobert wurden. Das hauptsächliche Hindernis bei der Rückkehr bleibt das Fehlen von Sicherheit, wobei diese Einschätzung von der geographischen Herkunft, sozioökonomischen Lage und einer potentiellen Beteiligung im Widerstand gegen das syrische Regime beeinflusst wird (WI 7.7.2017).

Geschätzte 67 Prozent der Rückkehrer (405.420 Personen) kehrten in die Provinz Aleppo zurück, 27.620 nach Idlib, 75.209 nach Hama,

45.300 nach Raqqa, 21,346 nach Damaskus-Umland und 27.861 in andere Provinzen. Berichten zufolge kehrten 97 Prozent der Vertriebenen zu ihrem eigenen Haus zurück, 1,8 Prozent leben bei Gastgebern, 1,4 Prozent in verlassenen Häusern, 0,14 Prozent in informellen Siedlungen und 0,03 Prozent in gemieteten Unterkünften. Der Zugang zu Nahrung und Haushaltsgegenständen der Rückkehrer liegt dieser Studie zufolge bei 80 und 83 Prozent, der Zugang zu Wasser und Gesundheitsversorgung nur bei 41 und 39 Prozent, weil die Infrastruktur des Landes durch den Konflikt extrem beschädigt wurde. Im Jahr 2016 lag die Zahl der Rückkehrer bei 685,662. Von diesen Rückkehrern wurden jedoch geschätzte 20.752 im selben Jahr und 21.045 im Jahr 2017 erneut vertrieben. Während die Zahl der Rückkehrer in Syrien steigt, ist die Zahl der Vertreibungen weiterhin hoch. So wurden von Januar bis Juli 2017 geschätzte

808.661 Personen aufgrund des Konfliktes vertrieben, viele davon zum zweiten oder dritten Mal. Laut IOM war die Rückkehr von IDPs hauptsächlich spontan, aber nicht notwendigerweise freiwillig, sicher oder nachhaltig (IOM 11.8.2017).

Länger zurückliegende Gesetzesverletzungen im Heimatland (z.B. illegale Ausreise) können von den syrischen Behörden bei einer Rückkehr verfolgt werden. In diesem Zusammenhang kommt es immer wieder zu Verhaftungen (AA 17.8.2017). Im Prinzip steht es syrischen Staatsangehörigen frei, mit ihrem syrischen Pass (oder bei einer Ausreise in den Libanon: mit gültigem Personalausweis) über alle funktionsfähigen Grenzübergänge, einschließlich dem Flughafen Damaskus, das Land zu verlassen. Syrische Staatsangehörige müssen eine Ausreisegebühr in einer Höhe zahlen, die vom Ausreisepunkt (Landgrenze oder Flughafen) abhängt. Auf Grundlage des Gesetzes Nr. 18 aus dem Jahr 2014 kann die Ausreise oder Rückkehr ohne gültigen Pass oder ohne die erforderliche Genehmigung oder über einen nicht genehmigten Ausreisepunkt je nach Umständen des Einzelfalls Freiheits- und/oder Geldstrafen nach sich ziehen. Es ist nicht klar, ob das Gesetz tatsächlich angewandt wird und ob Personen, die aus dem Ausland zurückkehren, gemäß Gesetz Nr. 18 von 2014 einer Strafverfolgung ausgesetzt sind (UNHCR 2.2017).

Personen werden bei der Einreise nach Syrien über den internationalen Flughafen Damaskus oder andere Einreiseorte kontrolliert. Bei männlichen Personen im wehrfähigen Alter wird auch kontrolliert, ob diese ihren Militärdienst bereits abgeleistet haben (IRB 19.1.2016; vgl. Zeit 10.12.2017). Männer im wehrfähigen Alter sind bei der Einreise besonders gefährdet, Opfer von Misshandlungen durch das Sicherheitspersonal zu werden. Die Sicherheitsorgane haben am Flughafen freie Hand, und es gibt keine Schutzmechanismen, wenn eine Person verdächtigt und deswegen misshandelt wird. Es kann passieren, dass die Person sofort inhaftiert und dabei Opfer von Verschwindenlassen oder Folter wird. Oder der Person wird die Einreise nach Syrien erlaubt, sie muss sich jedoch zu einem anderen Zeitpunkt erneut melden und verschwindet dann. Eine Person kann auch Opfer von Misshandlungen werden, ohne dass es dafür einen bestimmten Grund gibt. Das System ist sehr unberechenbar (IRB 19.1.2016). Bereits im Jahr 2012 hat ein britisches Gericht festgestellt, dass für einen nach Syrien zurückkehrenden, abgelehnten Asylwerber im Allgemeinen bei der Ankunft die reale Gefahr besteht, aufgrund einer angenommenen politischen Gesinnung inhaftiert zu werden, und in der Folge schweren Misshandlungen ausgesetzt zu sein. Seit dieser Feststellung hat sich die Situation weiter verschlimmert. Es kann jedoch auch sein, dass eine Person, trotz eines abgelehnten Asylantrages, auch nach der Rückkehr nach Syrien noch als Unterstützer des Assad-Regimes angesehen wird (UK HOME 8.2016).

Das syrische Gesetz bestraft auch Personen, welche versuchen in einem anderen Land Asyl zu suchen, um eine Strafe in Syrien zu vermeiden (USDOS 3.3.2017).

In den von oppositionellen Gruppierungen wie Jabhat Fatah ash-Sham oder dem sogenannten Islamischen Staat (IS) kontrollierten Gebieten verfügen die bewaffneten Gruppen ebenfalls über Listen von "Dissidenten". Ihnen drohen Misshandlung und Verschwindenlassen. Auch oppositionelle Gruppen kontrollieren Rückkehrende, wobei die Bekanntgabe des Wohn- und Geburtsortes wichtig ist. SyrerInnen, die aus der Türkei in oppositionelle Gebiete zurückkehren, werden befragt. Es kommt außerdem zu Entführungen und Lösegelderpressungen durch bewaffnete Gruppen (SFH 21.3.2017).

Wie aus Berichten hervorgeht, betrachtet die Regierung bestimmte Aktivitäten von im Ausland lebenden Syrern als Ausdruck einer oppositionellen Einstellung, darunter Anträge auf Asyl, Teilnahme an regierungskritischen Protesten, Kontakte zu Oppositionsgruppen oder andere Ausdrucksformen der Kritik an der Regierung, einschließlich über soziale Medien (UNHCR 2.2017). Die syrische Regierung hat Interesse an politischen Aktivitäten von Syrern im Ausland, auch deshalb, um oppositionelle Alternativen zum gegenwärtigen Regime zu unterbinden. Die Regierung überwacht Aktivitäten dieser Art im Ausland, auch in Österreich. Dass die syrische Regierung Kenntnis von solchen Aktivitäten hat, ist wahrscheinlich, und sie hat die Möglichkeit, ihr diesbezügliches Wissen zu nützen, wenn sich dazu die Gelegenheit ergibt. Eine Überwachung von exilpolitischen Aktivitäten passiert hauptsächlich an Orten mit einer größeren syrischen Gemeinde, weil sich dort eher Informanten der Regierung befinden können. Eine Gefährdung eines Rückkehrers im Falle von exilpolitischer Aktivität hängt jedoch von den Aktivitäten selbst, dem Profil der Person und von zahlreichen anderen Faktoren, wie dem familiären Hintergrund und den Ressourcen ab, die der Regierung zur Verfügung stehen (BFA 8.2017).

Im September 2017 sprach der damalige Generalmajor der syrischen Republikanischen Garden Issam Zahreddine eine Drohung gegen syrische Flüchtlinge aus. In einem Live-Interview mit dem syrischen Staatsfernsehen sagte er "Kehrt nicht zurück! Selbst wenn der Staat euch vergibt, wir werden niemals vergessen und verzeihen. Ein Rat von diesem Bart: Kommt nicht zurück!", umstehende Offiziere hätten dazu gelacht. Zum Berichtszeitpunkt befehligte er mehrere tausend Soldaten und leitete die Eroberung von Deir ez-Zour. Offiziell gibt das Assad-Regime vor, eine "nationale Versöhnung" in Syrien anzustreben. Syrer, die nicht gegen die Regierung kämpften, hätten demnach

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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