TE Vwgh Erkenntnis 1999/9/16 99/20/0374

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Veröffentlicht am 16.09.1999
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1997 §7;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Baur und Dr. Nowakowski als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Hohenecker, über die Beschwerde des AK in Wien, geboren am 6. November 1977, vertreten durch Dr. Thomas Buschmann, Rechtsanwalt in 1090 Wien, Universitätsstraße 6, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 22. März 1999, Zl. 208.455/0-I/02/99, betreffend Abweisung eines Asylantrages gemäß § 6 AsylG und Feststellung gemäß § 8 AsylG (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Bangladesch, reiste am 15. November 1998 unter Umgehung der Grenzkontrolle in das Bundesgebiet ein, wurde am 16. November 1998 festgenommen und gab bei seiner Einvernahme vor der Fremdenpolizei am 18. November 1998 nach dem Inhalt der darüber aufgenommenen Niederschrift an, er habe nach Europa gewollt, um zu arbeiten. Nach Österreich habe er sich deshalb schleppen lassen, weil ihm jemand versprochen habe, dass er hier Arbeit finden würde. In seinem Heimatland werde er "weder strafrechtlich, politisch noch im Sinne des § 57 FrG verfolgt". Er wolle so schnell wie möglich in seine Heimat zurückkehren.

Am 18. Jänner 1999 (Postaufgabe: 15. Jänner 1999) stellte der Beschwerdeführer einen Asylantrag. Bei der niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 19. Februar 1999 gab er an, als Mitglied der Bangla Desh Freedom Party wegen der Teilnahme an einer Demonstration am 14. August 1998, bei der eine Person ums Leben gekommen sei, von Angehörigen der Awami-League mit dem Tode bedroht und fälschlich des Mordes angezeigt worden und auch von der Polizei gesucht worden zu sein, obwohl er bei der Demonstration am 14. August 1998 sofort nach Beginn der Auseinandersetzungen geflohen sei. Die Polizei in Bangladesch sei nicht neutral, sondern sympathisiere mit der Awami-League. Man werde in Polizeihaft so lange gefoltert, bis man ein Geständnis ablege. Im Falle einer Rückkehr in seine Heimat werde der Beschwerdeführer entweder schon gleich am Flughafen verhaftet oder, wenn er es bis zu seinem Elternhaus schaffe, dort von Awami-Anhängern umgebracht werden. Bei seiner "ersten Einvernahme" vor der Fremdenpolizei habe er bereits seine "Probleme erwähnt", aber man habe ihm gesagt, dass er "keine Chance habe". Er sei total verzweifelt gewesen und habe einfach gesagt, dass er nach Hause wolle. Er widerrufe alle seine Angaben vor der Fremdenpolizei. Da ihm mitgeteilt worden sei, dass er "keine Chance habe", habe er bei der weiteren Einvernahme nicht mehr von seinen Problemen erzählt. Er habe nur aus der Haft entlassen werden wollen.

Das Bundesasylamt wies den Antrag des Beschwerdeführers mit Bescheid vom 25. Februar 1999 gemäß § 6 Z 3 AsylG mit ausführlicher Begründung als offensichtlich unbegründet ab und erklärte die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Bangladesch gemäß § 8 AsylG für zulässig.

In seiner Berufung führte der Beschwerdeführer aus, dass er über einen Erfolg der Berufung glücklich wäre, weil er im Falle einer Rückkehr in sein Heimatland getötet würde.

In Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers ab. In Spruchpunkt II. stellte sie fest, die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Bangladesch sei zulässig.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten durch die belangte Behörde in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:

In den insgesamt eine Seite langen Ausführungen zur Begründung der Beschwerde wird der Sachverhalt wie folgt dargestellt:

"Ich stamme aus Bangladesch, einem Land, das in seinen öffentlichen Bereichen durch die mohammedanische Religion stark beherrscht wird. Die Bevölkerung ist zunehmend fundamentalistisch-mohammedanisch orientiert und es ist damit zu rechnen, dass die Shira, das Gesetzbuch der Mohammedaner eingeführt wird, wie es schon im Pakistan geschehen ist.

Ich habe mir in meiner Heimat ein Delikt zu Schulden kommen lassen (Verführung einer verheirateten Frau), was nach europäischem Recht überhaupt nicht strafbar ist.

Nach mohammedanischen Gebräuchen und Sitten, insbesondere der Shira, sind jedoch Ehegatte und Brüder dazu gerechtfertigt, mich zu töten. Das bedeutet nichts anderes, als dass ich bei meiner Rückkehr nach Bangladesch damit rechnen müsste, dass die Verwandten der verführten Frau über mich herfallen würden, um mich zu töten. Die Gefährdung meines Lebens stellt einen hinreichenden Grund dar, mir Asyl zu gewähren.

Ich habe im erstinstanzlichen Verfahren und in der Berufung nur gesagt, dass ich bei meiner Rückkehr nach Bangladesch getötet werden würde und dies nicht weiter ausgeführt, weil ich gedacht habe, dass unter Umständen die österreichischen Behörden mit den Behörden in Bangladesch zusammenarbeiten und ich damit rechnen müsste, dass man mich auch in Österreich verfolgt.

Ich wurde nunmehr über die Bedeutung des Asylrechtes aufgeklärt und habe diesbezüglich keine Befürchtungen mehr."

Daran anknüpfend werden folgende Verfahrensrügen erhoben:

"Gem § 28 AsylG und den allgemeinen Vorschriften des Verwaltungsverfahrensgesetzes wäre die Behörde verpflichtet gewesen, mir den Begriff des Flüchtlings im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention darzulegen, damit ich den wesentlichen Sachverhalt vollständig und richtig angeben kann und in der Folge nicht mit einer überraschenden Rechtsansicht konfrontiert werde. Ich wurde weder im erstinstanzlichen Verfahren genau belehrt, noch hat man mir vor der Berufungsbehörde, dem Unabhängigen Bundesasylsenat, persönlich die Möglichkeit gegeben, den Grund meines Asylantrages zu erörtern.

Es ist davon auszugehen, dass ich bei einer persönlichen Erörterung des Problemes und Anleitung durch die Behörde, die rechtliche Situation klar erkannt hätte.

Ich hätte die Umstände meiner Verfolgung im Detail, und zwar unter der richtigen Gewichtung so dargelegt, dass zweifelsohne entschieden worden wäre, dass ein Asylgrund iS des Gesetzes vorliege.

Der Verzicht auf meine Einvernahme vor dem Unabhängigen Bundesasylsenat stellt einen schweren Verfahrensfehler dar. Mit dieser Einvernahme vor der zweiten Instanz hätte das fehlerhafte erstinstanzliche Verfahren, in dem man mich nicht angeleitet und keine Erörterung der Rechtslage vorgenommen hat, geheilt werden können.

Dieser Mangel an Parteiengehör wird ausdrücklich als Verfahrensfehler geltend gemacht, welcher die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides bewirkt."

Mit diesen Ausführungen zeigt der Beschwerdeführer jedenfalls nicht auf, dass er den nach der Aktenlage erstmals in der Berufung vorgetragenen Fluchtgrund schon im Verwaltungsverfahren geltend gemacht hätte, wozu er im Rahmen seiner ausführlichen Befragung nach den Gründen, aus denen er sein Heimatland verlassen habe, schon im erstinstanzlichen Verfahren und jedenfalls auch in der Berufung ausreichend Gelegenheit gehabt hätte. Das in der Beschwerde erstattete neue Vorbringen ist daher eine im verwaltungsgerichtlichen Verfahren unbeachtliche Neuerung, weshalb sich eine inhaltliche Auseinandersetzung damit erübrigt.

Zur Erteilung abstrakter Rechtsbelehrungen über den Flüchtlingsbegriff sind die Behörden des Verwaltungsverfahrens entgegen der vom Beschwerdeführer vertretenen Auffassung weder nach § 28 AsylG noch nach Bestimmungen des AVG (gemeint offenbar: § 13a und/oder §§ 37 ff AVG) verpflichtet. Da der erstinstanzliche Bescheid eine umfassende Auseinandersetzung mit dem zu beurteilenden Sachverhalt enthielt und die Berufung der Begründung dieses Bescheides nicht mit konkreter Kritik der Beweiswürdigung oder neuen Behauptungen zum Sachverhalt entgegentrat, war die belangte Behörde gemäß Art. II Abs. 2 Z 43a EGVG auch nicht verpflichtet, eine mündliche Verhandlung anzuberaumen und den Beschwerdeführer persönlich anzuhören.

In seinem Recht auf Parteiengehör wurde der Beschwerdeführer schon deshalb nicht verletzt, weil die belangte Behörde sich in der Begründung ihrer Entscheidung im Wesentlichen mit einer Verweisung auf den erstinstanzlichen Bescheid begnügte. Zu dessen Begründung hätte der Beschwerdeführer in der Berufung Stellung nehmen können. Die behaupteten Verfahrensfehler liegen daher nicht vor, weshalb sich die Frage ihrer allenfalls erkennbaren Relevanz für die Beurteilung der im Verwaltungsverfahren behaupteten Fluchtgründe nicht stellt.

Geht man von der - im erstinstanzlichen Bescheid, auf den der angefochtene Bescheid insoweit verweist, nicht unschlüssig begründeten - Annahme aus, beim Vorbringen des Beschwerdeführers im Asylverfahren handle es sich um eine "reine Konstruktion", mit der der Beschwerdeführer fremdenpolizeiliche Maßnahmen zu verhindern bzw. zu verzögern versuche, so ist die Entscheidung der belangten Behörde auch nicht inhaltlich rechtswidrig.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Von der beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG abgesehen werden. Art. 6 Abs. 1 MRK steht dem nicht entgegen.

Ein Ausspruch über den Aufwandersatz entfällt, weil die belangte Behörde keinen darauf abzielenden Antrag gestellt hat.

Wien, am 16. September 1999

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1999200374.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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