TE Bvwg Erkenntnis 2018/10/25 W207 2169094-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 25.10.2018
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

25.10.2018

Norm

AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs4
AsylG 2005 §9 Abs1 Z1
AsylG 2005 §9 Abs4
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs1a
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3
VwGVG §28 Abs2
VwGVG §28 Abs5

Spruch

W207 2169094-2/5E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Michael SCHWARZGRUBER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX .1999 , StA. Afghanistan, vertreten durch ARGE Rechtsberatung, Diakonie Flüchtlingsdienst gem. GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 26.07.2018, Zahl 1081534307-180702468, zu Recht:

A) Der Beschwerde wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid

gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG ersatzlos behoben.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang

Der Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsangehöriger, stellte nach illegaler Einreise am 04.08.2015 in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz.

Bei der am 04.08.2015 abgehaltenen Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab der Beschwerdeführer an, in Mazar-e-Sharif in Afghanistan geboren zu sein, ledig zu sein, Dari als Muttersprache zu sprechen und der Volksgruppe der Hazara sowie dem moslemischen Glauben schiitischer Ausrichtung anzugehören. Er habe in Pakistan zwei Jahre eine Grundschule besucht, beruflich sei er als Mechanikerhilfskraft tätig gewesen. Seine Mutter und eine Schwester würden in einem näher genannten Ort in Pakistan leben, beim Vater wisse er es nicht. Wann er aus Afghanistan ausgereist sei bzw. den Entschluss dazu gefasst habe, wisse er nicht, es sei lange her. Er habe in Pakistan gelebt, im Iran habe er ca. vier Monate gelebt. Zu den Gründen für das Verlassen des Herkunftsstaates, sohin zu seinen Fluchtgründen, gab der Beschwerdeführer an, der Ort, an dem er gelebt habe, sei gefährlich gewesen, es habe Krieg geherrscht durch die Taliban. Neben ihren Häusern seien Bomben explodiert, darum sei der Beschwerdeführer geflüchtet. Er habe dort keine Sicherheit. Im Falle einer Rückkehr in seine Heimat befürchte er, im Krieg zu sterben.

Nach Zulassung des Verfahrens wurde der Beschwerdeführer am 18.07.2017 durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im Beisein eines Dolmetschers der Sprache Dari niederschriftlich einvernommen. Dabei brachte der Beschwerdeführer - hier in den wesentlichen Teilen und in anonymisierter Form wiedergegeben - Folgendes vor:

"[...]

LA: Bitte geben Sie so genau wie möglich die Adresse im Heimatland an, an der Sie zuletzt gelebt haben!

VP: Wir lebten in Mazar-e-Sharif, die genaue Adresse kenne ich aber nicht, weil ich als Kind mit meinen Eltern Afghanistan verlassen habe. Wir sind nach Pakistan, X., gezogen. Nachgefragt gebe ich an, dass ich damals, laut meinen Eltern, ca. 5 Jahre alt war.

LA: An welcher Adresse haben Sie in Pakistan gelebt?

VP: Immer an der gleichen Adresse, mit meinen Eltern und meiner Schwester, in der Y. Road.

LA: Haben Sie sich jemals wieder in Afghanistan aufgehalten?

VP: Nein, nie wieder. Nachgefragt gebe ich an, dass ich auch niemals dorthin abgeschoben wurde.

LA: Wo leben Ihre Eltern und Ihre Schwester jetzt?

VP: Meine Mutter und Schwester leben noch in X., mein Vater ist schon seit ca. 4 Jahren verschollen. Wir wissen nicht, was aus ihm wurde. Es gab eine Explosion in unserer Gasse, er ist hinausgegangen, da gab es eine andere Explosion und er ist nicht mehr zurückgekommen.

LA: Haben Sie noch Angehörige in Ihrer Heimat?

VP: Nein, niemanden.

LA: Haben Sie noch Kontakt zu Ihrer Familie? (telefonisch, E-Mail, postalisch, etc.)

VP: Zu meiner Mutter und Schwester, wir telefonieren regelmäßig. Nachgefragt gebe ich an, dass diese jetzt in einem Mietshaus mit meiner ledigen Tante mütterlicherseits gemeinsam wohnen, damit sie nicht ganz alleine sind. Sonst haben wir in Pakistan keine Verwandten. Meine Mutter arbeitet für andere Menschen als Haushaltshilfe, dadurch verdient sie ihren Lebensunterhalt.

LA: Was haben Sie in Ihrem Heimatland getan, wovon haben Sie gelebt?

VP: Ich habe manchmal in einem Restaurant als Kellner gearbeitet und manchmal in einer Kfz-Werkstatt als Gehilfe.

LA: Hat Ihre Familie irgendwelche Besitztümer in Ihrem Heimatland, z. B. Häuser, Grund?

VP: Nein, gar nichts.

LA: Sind Sie nun im Rahmen Ihrer Flucht zum ersten Mal im Ausland, abgesehen von Pakistan?

VP: Ja.

LA: Möchten Sie irgendwelche Papiere/Dokumente/ärztliche Befunde etc. vorlegen? Haben Sie Dokumente bei sich?

VP: Ich hatte einen Reisepass für eine Pilgerfahrt in den Iran, die Moschee hat mir geholfen den zu bekommen. Das war aber ein pakistanischer Reisepass. Ich habe ihn dann aber verloren, im Iran, meine Tasche ist mir abhandengekommen, im Getümmel, es waren viele Leute zur Pilgerfahrt dort. Sonst habe ich nur ein Empfehlungsschreiben meiner Unterkunft.

Anm.: Empfehlungsschreiben wie angegeben vorgelegt, in Kopie zum Akt genommen, Original retourniert.

LA: Welche Staatsangehörigkeit haben Sie?

VP: Die afghanische Staatsangehörigkeit, ich bin Afghane. Der Pass war gefälscht, der war gar nicht echt.

LA: Welchen Aufenthaltsstatus hatten Sie in Pakistan?

VP: Ich war illegal dort. Es war nicht möglich einen legalen Aufenthaltsstatus zu bekommen.

LA: Welche Moschee hat Ihnen dabei geholfen den pakistanischen Reisepass zu bekommen?

VP: I. heißt die Moschee. Sie haben das für mehrere Afghanen gemacht, gefälschte Reisepässe besorgt, damit sie eine Pilgerfahrt machen. In Pakistan funktioniert alles mit Korruption.

LA: Haben Sie sich jemals eine Tazkira oder einen afghanischen Reisepass ausstellen lassen?

VP: Nein, ich hätte das nicht bekommen glaube ich.

LA: Waren oder sind Sie im Heimatland Mitglied einer politischen Organisation oder eines politische Vereins?

VP: Nein, ich war ja nie mehr dort

LA: Leisteten Sie jemals einen offiziellen Militärdienst? Wenn ja, in welcher Verwendung?

VP: Nein.

LA: Welcher Volksgruppe / Religion gehören Sie an?

VP: Ich bin Hazara und Schiit.

LA: Welche Schulbildung /Ausbildung haben Sie?

VP: Ja, ein Jahr lang, in X.

LA: Können Sie lesen und schreiben?

VP: Ja, ich habe es vor allem auf dem Weg hierher und hier in Österreich gelernt.

LA: Wie würden Sie Ihre wirtschaftliche / finanzielle Situation zuletzt (vor der Flucht) im Heimatland gemessen am landesüblichen Durchschnitt bezeichnen?

VP: Es war in Pakistan ok, manchmal hat es gereicht, manchmal aber auch nicht.

LA: Haben Sie bereits woanders um Asyl angesucht? (wenn ja, wann? - wo? Ausgang d. Verfahrens?)

VP: Nein.

LA: War Österreich Ihr Zielland?

VP: Nein, ich wollte nur nach Europa.

LA: War Ihre Flucht schlepperunterstützt?

VP: Ja, ich habe in Pakistan gearbeitet und im Iran, damit ich mir die Weiterreisen leisten kann und in der Türkei und in Griechenland auch.

LA: Haben Sie im Herkunftsland, oder hier Strafrechtsdelikte begangen?

VP: Nein.

LA: Besteht ein offizieller Haftbefehl gegen Sie im Heimatland?

VP: Nein.

LA: Würden Sie nun bitte alle Ihre Gründe für die Asylantragstellung hier in Österreich ausführlich darlegen? Aus welchen Gründen verließen Sie das Heimatland? Was war Ihrer Meinung nach der zuletzt ausschlaggebende Grund für Sie zu flüchten? Warum stellen Sie einen Asylantrag?

VP: Afghanistan habe ich als kleines Kind verlassen. In Pakistan ist die Sicherheitslage genauso schlecht wie in Afghanistan. Auch in Pakistan verfolgen die Taliban die Hazara und töten sie. Wir sind das Ziel der Taliban. Ich hatte Angst, dass mir etwas passieren könnte, darum bin ich ausgereist.

LA: Warum sind Sie nicht nach Afghanistan zurückgekehrt?

VP: In Afghanistan ist eben die Sicherheitslage sehr schlecht und ich habe dort auch niemanden, zu wem sollte ich gehen. Meine Familie in Pakistan hätte mich auch nicht unterstützen können, sie haben kein Geld.

LA: Hatten Sie noch weitere Fluchtgründe?

VP: Das war alles.

LA: Wurden Sie von staatlicher Seite bedroht oder verfolgt?

VP: Nein.

LA: Hatten Sie aufgrund Ihrer Volksgruppenzugehörigkeit bzw. Religionszugehörigkeit Probleme in der Heimat?

VP: Ich selbst nicht.

LA: Was wäre passiert, wenn Sie in Afghanistan geblieben wären und was würden Sie im Falle einer Rückkehr in Ihren Heimatstaat befürchten? Was würde Sie dort erwarten?

VP: Ich habe dort niemanden, ich war ja nie wieder dort, ich weiß doch gar nicht, wie es dort ist. Und die Taliban töten die Hazara habe ich im Fernsehen gesehen und gehört.

Länderfeststellungen:

Der VP wird das aktuelle Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Afghanistan ausgehändigt. Sie hat die Möglichkeit binnen 14 Tagen dazu Stellung zu nehmen.

VP: Ich verzichte, ich höre die Nachrichten und verfolge die Situation über Facebook und Internet. Das benötige ich nicht.

.......

[...]"

Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 19.07.2017 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) abgewiesen. Hingegen wurde dem Antrag des Beschwerdeführers bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan stattgegeben und dem Beschwerdeführer der Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 AsylG zuerkannt (Spruchpunkt II.) und dem Beschwerdeführer eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 19.07.2018 erteilt (Spruchpunkt III.).

Die belangte Behörde stellte fest, dass es sich beim Beschwerdeführer um einen volljährigen Staatsangehörigen Afghanistans handle, welcher der moslemisch-schiitischen Glaubensrichtung sowie der Volksgruppe der Hazara angehöre. Der Beschwerdeführer habe Afghanistan bereits im Kindesalter gemeinsam mit seiner Familie verlassen und habe seither in Pakistan gelebt. Eine persönliche Verfolgung oder Bedrohung aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung habe nicht festgestellt werden können. Auch aufgrund der Ausreise des Beschwerdeführers und seiner Antragstellung auf Gewährung von internationalen Schutz in Österreich oder aufgrund von Umständen, die sich außerhalb seines Heimatstaates ereignet hätten, drohe dem Beschwerdeführer keine Verfolgung. Die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan wurde hingegen damit begründet, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan wahrscheinlich in eine existenzielle Notlage wegen der allgemeinen Versorgungslage in Afghanistan geraten würde.

Lediglich gegen Spruchpunkt I. dieses Bescheid vom 19.07.2017, mit dem der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen worden war, brachte der Beschwerdeführer durch seine Rechtsvertretung mit Schriftsatz vom 23.08.2017 fristgerecht Beschwerde ein.

Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 20.09.2018, GZ.:

W207 2169094-1/6E, wurde diese gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Mit rechtskräftigem Urteil des Bezirksgerichtes Amstetten vom 01.02.2018 wurde der Beschwerdeführer wegen des Vergehens der Sachbeschädigung nach § 125 StGB sowie wegen des Vergehens des versuchten Diebstahls nach §§ 15, 127 StGB zu einer Freiheitsstrafe von einem Monat, bedingt nachgesehen für eine Probezeit von drei Jahren, verurteilt.

Am 05.06.2018 brachte der Beschwerdeführer einen Antrag auf Verlängerung des subsidiären Schutzes gemäß § 8 Abs. 4 AsylG ein. Am 25.07.2018 wurde er durch die belangte Behörde niederschriftlich einvernommen. Dabei brachte der Beschwerdeführer - hier in den wesentlichen Teilen und in anonymisierter Form wiedergegeben - Folgendes vor:

[...]

LA: Wie verstehen Sie den anwesenden Dolmetscher? Was ist Ihre Muttersprache?

VP: Gut. Meine Muttersprache ist Dari. Außerdem spreche ich Urdu und Englisch.

LA: Fühlen Sie sich psychisch und physisch in der Lage, die gestellten Fragen wahrheitsgemäß zu beantworten? Sind Sie gesund? Müssen Sie Medikamente einnehmen?

VP: Ja, ich bin gesund und nehme keine Medikamente. Ich könnte auch arbeiten gehen.

....

LA: Welcher Volksgruppe und welcher Religionsgemeinschaft gehören Sie an?

VP: Ich gehöre der Volksgruppe der Hazara an und bin schiitischer Moslem. Ich bin in Mazar-e-Sharif geboren.

LA: Geben Sie einen Lebenslauf von sich an!

VP: Ich wurde am 01.01.1999 in Mazar-e-Sharif geboren. Als ich fünf Jahre alt war sind wir nach Pakistan gegangen. In Pakistan bin ich aufgewachsen. Mit 16 Jahre bin ich dann nach Österreich gekommen. Ich habe in Pakistan ein Jahr die Schule besucht. Gearbeitet habe ich als Automechaniker. Das habe ich von meinem siebenten bis zum 16. Lebensjahr gemacht.

LA: Schildern Sie bitte Ihren bisherigen Aufenthalt in Österreich! Was haben Sie alles gemacht?

VP: Ich habe ein Monat die Schule besucht. Danach war ich in den verschiedenen Unterkünften und habe Kurse besucht. Nachdem, ich den Schutz erhalten habe bin ich nach Wien gezogen. Dort habe ich den A1 Kurs besucht. Nach zwei Monaten musste ich den Kurs wieder verlassen weil in meinem Bescheid der Name falsch war. Ich habe im Jänner den Berichtigungsbescheid erhalten. In den letzten Monaten habe nur den A1 Kurs besucht. Gearbeitet habe ich noch nicht.

LA: Haben Sie derzeit eine Unterkunft?

VP. Ja. Ich bin bei einem anderen gemeldet und zahle dort miete. Das ist in der X.gasse in Wien.

LA: Haben Sie familiäre oder private Bindungen an Österreich?

VP: Nein.

LA: Haben Sie hier in Österreich zum dauernden Aufenthalt berechtigte Verwandte?

VP: Nein.

LA: Wovon leben Sie bzw. wie bestreiten Sie hier in Österreich Ihren Lebensunterhalt?

VP: Der Staat erhält mich.

LA: Sind Sie hier in Österreich Mitglied in einem Verein oder einer sonstigen Organisation?

VP: Nein.

LA: Besuchen Sie in Österreich Kurse, Schule, Vereine oder die Universität?

VP: Nur den A1 Kurs. Nachgefragt gebe ich an, dass ich fünf Tage die Woche für drei Monate diesen besuche.

LA: Haben Sie während Ihres Aufenthaltes in Österreich strafbare Handlungen begangen?

VP: Ich konnte einmal eine Geldstrafe nicht zahlen und aus diesem Grund musste ich für 48 Stunden in Haft. Ich weiß nicht genau, ob es 48 Stunden waren. Es kam mir aber so vor.

LA: Warum mussten Sie eine Geldstrafe zahlen?

VP: Von meiner alten Unterkunft war noch eine Geldstrafe offen. Ich wusste nichts davon. Plötzlich hieß es ich muss es bezahlen oder in Haft gehen.

LA: Warum mussten Sie eine Geldstrafe zahlen?

VP: Ich bekam eine Strafe weil die Polizei da war.

LA: Nur wenn die Polizei kommt, wird man nicht bestraft?

VP: Ich hatte Streit und weil die Polizei kam musste ich Strafe zahlen. Der Polizist war auch ungut zu mir. Ich habe ihm gesagt, dass er nicht so mit mir reden darf und ich denke, dass ich aus diesem Grund die Strafe bekommen habe.

LA: Sonst hat es keine Vorfälle gegeben?

VP: Nein. Nur dieser Vorfall.

LA: Sie wurden somit auch nicht gerichtlich Verurteilt?

VP: Doch. Nach dieser Sache war ich vor Gericht.

LA: Und warum wussten Sie dann nicht, dass Sie Strafe zahlen müssen?

VP: Ich wusste es nicht.

LA. Welche Strafe haben Sie erhalten?

VP: Was meinen Sie?

LA: Es gab ein Urteil?

VP: Der Richter hat gesagt, dass es keine Strafe gibt. Wenn ich in den drei Jahren wieder einen Streit habe, dann bekomme ich eine Strafe. Dann muss ich ein Monat ins Gefängnis und zusätzlich bekomme ich dann noch eine Strafe.

LA: Was sagt Ihre Mutter dazu, dass Sie in Österreich Verurteilt wurden?

VP: Sie weiß es nicht.

LA: Warum weiß sie es nicht?

VP: Sie ist krank. Warum soll ich es ihr sagen.

LA: Unterstützen Sie Ihre Mutter?

VP: Nein.

LA: Stellen Sie Ihre Familienverhältnisse dar.

VP: Meine Schwester und meine Mutter leben in Pakistan. Andere Geschwister habe ich nicht.

LA: Haben Sie weitere Verwandte?

VP: Es gibt viele Verwandte. Ich habe zwei Onkel väterlicherseits in Pakistan. Drei Tanten väterlicherseits in Pakistan. Eine Tante mütterlicherseits in Pakistan und es gibt dann auch noch Onkel mütterlicherseits. Bei denen weiß ich aber nicht wie viele das sind. Mein Vater ist nach einem Anschlag in unserer Gegend verschwunden.

LA: Haben Sie einen Kontakt zu Ihrer Familie?

VP: Ja.

LA: Wann hatten Sie den letzten Kontakt zu Ihrer Familie?

VP: Das war vor eineinhalb Monaten.

LA: Wie geht es Ihrer Familie?

VP: Es geht ihnen Gut

LA: Wer versorgt Ihre Mutter und Ihre Schwester?

VP: Meine Mutter versorgt sich selbst. Sie arbeitet bei anderen als Haushälterin.

LA: Was ist mit der Schwester?

VP: Sie ist erst acht oder neun Jahre alt.

LA: Bekommt Ihre Mutter auch Unterstützung von den Geschwistern?

VP: Nein.

LA: Warum nicht?

VP: Das weiß ich nicht.

LA: Was berichtet Ihre Familie über die Situation im Heimatland Afghanistan?

VP: Was denn? Sie sagen nichts darüber.

LA: Was sprechen Sie mit Ihrer Familie?

VP: Ich frage sie wie es ihnen geht und erzähle ihnen wie es mir geht. Sonst nichts.

LA: Welche Angehörigen haben Sie noch im Heimatland Afghanistan?

VP: Niemanden. Wir sind schon damals ausgereist. Ich bin in Pakistan aufgewachsen.

LA: Haben Sie in Pakistan in einem Bereich gelebt wo viele afghanische Flüchtlinge gelebt haben?

VP: Ja.

LA: Haben Sie in Österreich auch Kontakt zu vielen Afghanen?

VP: Ja zu einigen. Das sind jene die ich in den Flüchtlingsunterkünften kennengelernt habe.

LA: Haben Sie auch österreichische Freunde?

VP: Ja. Zwei aus X. Nachgefragt gebe ich an, dass ich, wenn ich in X. bin, mit denen hinausgehe.

LA: Sprechen Sie schon Deutsch?

VP: Ja.

Anmerkung: Es werden einfache Fragen auf Deutsch gestellt. Diese konnten jedoch nicht verstanden und auch nicht beantwortet werden.

LA: Welche aktuellen Befürchtungen haben Sie aktuell für den Fall einer Rückkehr in Ihr Heimatland?

VP: Ich fürchte mich vor den Taliban und kenne mich dort nicht aus.

LA: Hatten Sie Probleme mit den Taliban?

VP: In Afghanistan weiß ich es nicht in Pakistan werden die Hazara von denen getötet.

LA: Und in Afghanistan?

VP: Dort gibt es die auch. Es gibt dort Anschläge und dort sterben alle. Es ist in der ganzen Provinz so.

LA: Welche Befürchtungen haben Sie aktuell für den Fall einer Rückkehr speziell nach Kabul?

VP: Auch dort fürchte ich die Taliban.

LA: Welche Befürchtungen haben Sie aktuell für den Fall einer Rückkehr speziell nach Mazar-e-Sharif?

VP: Ich war ein Kind als ich ausgereist bin.

LA: Sie waren 16 als Sie nach Europa gingen wo Sie weder die Sprache noch die Kultur kannten?

VP: Hier ist es sicher und dort wird man getötet.

LA: Werden Sie persönlich von jemanden gesucht?

VP: Nein.

LA: Gibt es noch weitere Gründe warum Sie nicht nach Afghanistan zurückkehren können?

VP: Nein.

LA: Denken Sie, dass Sie mit einer finanziellen Unterstützung sich ein Leben aufbauen könnten?

VP: Nein. Ich bin jetzt hier und will hier bleiben.

LA: Denken Sie, dass Sie als Mechaniker in einer der Großstädte Arbeit finden könnten?

VP: Ja.

LA: Haben Sie noch etwas hinzuzufügen?

VP: Nein.

LA: Möchten Sie Beweismittel vorlegen?

VP: Ich möchte vorlegen:

* Teilnahmebestätigung an einem Werte und Orientierungskurs; Anlage 1

* Kursbesuchsbestätigung ÖIF Deutsch A1; Anlage 2

* Terminkarte ÖIF; Anlage 3

LA: Es wird nunmehr mit Ihnen erörtert, auf welcher Basis und unter Zugrundelegung welcher Länderfeststellungen das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) in Ihrem Fall zur Entscheidung gelangen wird. Sie haben die Möglichkeit, im Anschluss dazu Stellung zu nehmen. Die auf die allgemeine Situation im Herkunftsstaat stützenden Aussagen basieren auf einer Zusammenstellung der Staatendokumentation des BFA vom 29.06.2018. Diese ist zur Objektivität verpflichtet und unterliegt der Beobachtung eines Beirates. Es ist daher davon auszugehen, dass sämtliche Feststellungen von angesehenen staatlichen und nichtstaatlichen Einrichtungen stammen, ausgewogen zusammengestellt wurden und somit keine Bedenken bestehen, sich darauf zu stützen.

Ihre subjektive Lage hat sich im Vergleich zum seinerzeitigen Entscheidungszeitpunkt, als Ihnen subsidiärer Schutz gewährt wurde, geändert; es ist nichts festzustellen, dass eine reale Gefahr für Ihre Leben oder die Gesundheit bedeuten würde oder für Sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. Weder lässt sich eine solche Gefahr aus der allgemeinen Situation im Herkunftsstaat noch aus einer etwaigen lebensbedrohlichen und in Ihrem Herkunftsstaat nicht ausreichend behandelbaren Erkrankung Ihrer Person ableiten. Es ist festzuhalten, dass Ihnen eine Rückkehr nach Afghanistan zuzumuten ist, da Sie insbesondere in Kabul und Mazar-e-Sharif Sicherheit erlangen könnten und auch eine zumutbare Lebenssituation vorfänden. Zudem ist festzuhalten, dass es Ihnen zuzumuten ist, selbst unter durchaus schweren Bedingungen am Arbeitsmarkt nach einer Beschäftigung zu suchen und möglicherweise durch das Verrichten von Gelegenheitsarbeiten Ihren Lebensunterhalt zu bestreiten, umso mehr Sie auch auf Ihre Berufserfahrung als Mechaniker zurückgreifen könnten.

In Anbetracht der Kürze Ihres Aufenthaltes sowie auch fehlender familiärer oder privater Bindungen in Österreich ist nicht ersichtlich, dass eine Rückkehrentscheidung einen ungerechtfertigten Eingriff in Ihr Recht auf Achtung des Familien- und Privatlebens darstellen würde.

Stellungnahme AW

VP: Danke. Ich möchte nichts dazu sagen.

LA: Möchten Sie noch weitere Angaben machen? Konnten Sie zum Verfahren alles umfassend vorbringen und gibt es zur Einvernahme irgendwelche Einwände?

VP: Ich möchte keine weiteren Angaben machen. Ich konnte alles umfassend vorbringen. Ich habe keine Einwände.

LA: Wie haben Sie den Dolmetscher verstanden?

VP: Sehr gut.

Anmerkung: Die gesamte Niederschrift wird wortwörtlich rückübersetzt.

LA: Haben Sie nun nach Rückübersetzung Einwendungen gegen die Niederschrift selbst, wurde alles richtig und vollständig protokolliert?

VP: Ich habe keine Einwendungen, es wurde alles richtig protokolliert.

[...]

Mit - dem nunmehr angefochtenen - Bescheid der belangten Behörde vom 26.07.2018, Zahl 1081534307-180702468, wurde der dem Beschwerdeführer mit Bescheid vom 19.07.2017 zuerkannte Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG von Amts wegen aberkannt (Spruchpunkt I.). Sein Antrag vom 08.06.2018 auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung wurde gemäß § 8 Abs. 4 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gem. § 57 AsylG wurde dem Beschwerdeführer nicht erteilt (Spruchpunkt III.) und gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gem. § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.) sowie festgestellt, dass seine Abschiebung gem. § 46 FPG nach Afghanistan zulässig ist (Spruchpunkt V.). Gemäß 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde festgelegt, dass die Frist für die freiwillige Ausreise 2 Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt VI.).

Die auf § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG gestützte Aberkennung des subsidiären Schutzes begründete die belangte Behörde in diesen Bescheid im Wesentlichen damit, dass sich die subjektive Lage des Beschwerdeführers im Vergleich zum seinerzeitigen Entscheidungszeitpunkt, als ihm subsidiärer Schutz gewährt worden sei, geändert habe. Die Gründe für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten lägen nicht mehr vor. Eine aktuelle bzw. individuelle Furcht vor Verfolgung in Afghanistan habe der Beschwerdeführer nicht glaubhaft machen können, in seinem Fall bestehe eine taugliche innerstaatliche Fluchtalternative, der Beschwerdeführer könne seinen Lebensunterhalt in der Heimatprovinz wie auch in Kabul bestreiten und würde ebendort Arbeitsmöglichkeiten vorfinden. Konkret tätigte die belangte Behörde - neben der Feststellung, dass der Beschwerdeführer in Österreich straffällig geworden sei - folgende Ausführungen:

"Ihnen wurde mit Bescheid vom 19.07.2017 der Status des subsidiär Schutzberechtigten lediglich zuerkannt, weil Sie damals (zum Entscheidungszeitpunkt) noch sehr jung waren und es damals einem alleinstehenden jungen Mann noch nicht zumutbar war ohne Anknüpfungspunkte zurückzukehren. Aufgrund dessen ist die Behörde davon ausgegangen, dass Sie im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan einer realen Gefahr im Sinne des Art. 3 EMRK ausgesetzt gewesen wären.

Ihre subjektive Lage hat sich jedoch im Vergleich zum seinerzeitigen Entscheidungszeitpunkt dahingehend geändert, dass Ihnen nun nicht nur Ihre Heimatprovinz Balkh zur Verfügung steht, sondern Sie nun auch eine IFA (innerstaatliche Fluchtalternative) mit Kabul zur Verfügung hätten. Als volljährig junger Mann mit jahrelanger Berufserfahrung als Mechaniker, hier haben Sie selbst ausgeführt, dass Sie der Meinung sind, dass Sie in diesem Bereich auch in den Städten Afghanistans eine Beschäftigung finden werden, ist es Ihnen nun auch auf sich alleine gestellt zuzumuten, dass Sie Ihre Lebensunterhalt bestreiten können. Gerade darin liegt der Unterschied zum Entscheidungszeitpunkt, als Ihnen subsidiärer Schutz gewährt wurde. Damals konnte Ihnen nicht zugemutet werden, die schwierigen Bedingungen in Zusammenhang mit den Möglichkeiten, den Lebensunterhalt zu bestreiten, in Kauf zu nehmen. Überdies musste in der Einvernahme vom 25.07.2018 auch festgestellt werden, dass Sie nicht nur Ihre Mutter und Schwester haben, sondern auch über weitere Verwandte in Pakistan verfügen würden, welche Sie im Falle der Rückkehr auch unterstützen könnten. Sie wären damit im Falle einer finanziellen Notlage nicht auf sich alleine gestellt. Diese Einschätzungen werden durch unzählige aktuelle Entscheidungen des BVwG gestützt. Wie den Länderinformationen zu entnehmen ist, kommt hinzu, dass Sie in den Großstädten nun auch auf internationale Einrichtungen zurückgreifen können, welche Rückkehrer unterstützen.

Dass Sie den Lebensunterhalt in Mazar-e-Sharif wie auch in Kabul bestreiten könnten, ist einerseits eindeutig den diesbezüglichen Länderinformationen zu entnehmen und andererseits machten Sie im Rahmen Ihres Verfahrens glaubhaft, dass Sie bereits ein Jahr die Schule besucht hätten, lesen und schreiben können, Berufserfahrung als Mechaniker besitzen und des Weiteren gesund seien. Überdies ist nochmals anzumerken, dass Sie bereits volljährig sind und es Ihnen nun zuzumuten ist, dass Sie auch unter durchaus schweren Bedingungen am Arbeitsmarkt nach einer Beschäftigung suchen und möglicherweise durch das Verrichten von Gelegenheitsarbeiten Ihren Lebestunterhalt bestreiten könnten. Darüber hinaus könnten Sie, wie den Feststellungen zum Herkunftsland klar hervorgeht, zum Zwecke des Bestreitens des Lebensunterhaltes Unterstützungen, insbesondere in Zusammenhang mit einer Rückkehr, vom UNHCR oder IOM in Anspruch nehmen.

Zudem geht der Länderinformation klar hervor, dass Kabul und Mazar-e-Sharif gefahrlos über den Luftweg zu erreichen ist."

Die belangte Behörde traf in diesem Bescheid darüber hinaus umfangreiche Länderfeststellungen zur Sicherheits- und Versorgungslage in Afghanistan; sie führte in ihrer rechtlichen Beurteilung diesbezüglich aus, aus der allgemeinen Lage in Afghanistan allein ergebe sich keine Gefährdungslage im Sinne des § 8 AsylG, demnach sei auch kein Abschiebungshindernis ersichtlich und erscheine eine Neuansiedlung trotz der insgesamt als prekär zu bezeichnenden Sicherheitslage im Heimatland Afghanistan insgesamt als durchaus zumutbar. Insbesondere sei keine allgemein relevante Gefährdungslage in Bezug auf Kabul und Mazar Sharif erkennbar.

Gegen diesen Bescheid brachte der Beschwerdeführer durch seine Rechtsvertretung mit Schriftsatz vom 28.08.2018 fristgerecht Beschwerde ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Festgestellt wird, dass dem damals 18jährigen Beschwerdeführer, einem Staatsangehörigen von Afghanistan, der der Volksgruppe der Hazara angehört und der Muslim schiitischer Ausrichtung ist, wurde mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 19.07.2017 der Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 AsylG zuerkannt und dem Beschwerdeführer eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 19.07.2018 erteilt wurde. Festgestellt wird, dass die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan in diesem Bescheid - unter Bezugnahme auf die getroffenen Länderfeststellungen - damit begründet wurde, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan dort über keine familiären Anknüpfungspunkte und auch keine sonstigen sozialen Anknüpfungspunkte, z.B. auf Basis seiner Ausbildung oder bisherigen beruflichen Tätigkeit, verfüge und daher wahrscheinlich in eine existenzielle Notlage wegen der allgemeinen Versorgungslage in Afghanistan geraten würde. Seine Verwandten in Pakistan, seine Mutter, Schwester und Tante, seien nicht in der Lage, den Beschwerdeführer finanziell zu unterstützen. Da der Beschwerdeführer in Pakistan aufgewachsen sei, sei er in seinem Heimatland zudem nicht ortskundig.

Festgestellt wird, dass mit Bescheid der belangten Behörde vom 26.07.2018, Zahl 1081534307-180702468, der dem - nunmehr neunzehnjährigen - Beschwerdeführer mit Bescheid vom 19.07.2017 zuerkannte Status des subsidiär Schutzberechtigten auf der Rechtsgrundlage des § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG von Amts wegen aberkannt wurde. Festgestellt wird, dass diese auf § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG gestützte Aberkennung des subsidiären Schutzes von der belangten Behörde im Wesentlichen damit begründet wurde, dass sich die subjektive Lage des Beschwerdeführers im Vergleich zum seinerzeitigen Entscheidungszeitpunkt, als ihm subsidiärer Schutz gewährt worden sei - also dem 19.07.2017 -, geändert habe. Als volljähriger junger Mann mit jahrelanger Berufserfahrung als Mechaniker, der selbst ausgeführt habe, dass er in diesem Bereich auch in den Städten Afghanistans eine Beschäftigung finden werde, sei es dem Beschwerdeführer nun auch auf sich alleine gestellt zuzumuten, dass er seinen Lebensunterhalt bestreiten könne.

Festgestellt wird, dass seit Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 19.07.2017 keine Veränderung der allgemeinen Sicherheits- und Versorgungslage in Afghanistan im Sinne einer Verbesserung dieser Lage eingetreten ist.

Festgestellt wird, dass seit Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 19.07.2017 keine wesentliche Veränderung in der subjektiven Lage des Beschwerdeführers eingetreten ist.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zur durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl erfolgten bescheidmäßigen Zuerkennung und nachfolgenden Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten und zu den jeweiligen Begründungen gründen sich auf den Akteninhalt bzw. auf den Inhalt der betreffenden Bescheide.

Die Feststellung, dass seit Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 19.07.2017 und seit der Aberkennung dieses Status mit Bescheid der belangten Behörde vom 26.07.2018 keine Veränderung der allgemeinen Sicherheits- und Versorgungslage in Afghanistan im Sinne einer entscheidungserheblichen Verbesserung dieser Lage eingetreten ist, gründet sich auf einen Vergleich der in diesen beiden Bescheiden getroffenen Länderfeststellungen.

Die Feststellung, dass seit Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 19.07.2017 und seit der Aberkennung dieses Status mit Bescheid der belangten Behörde vom 26.07.2018 keine wesentliche Veränderung in der subjektiven Lage des Beschwerdeführers eingetreten ist, gründet sich auf den Inhalt der diesen Bescheiden zu Grunde liegenden Verwaltungsakten, die eine entscheidungserhebliche Veränderung in den subjektiven Umständen des Beschwerdeführers nicht erkennen lassen.

Das von der belangten Behörde am 26.07.2018 als zentrale Entscheidungsgrundlage für die nunmehrige Aberkennung des subsidiären Schutzes herangezogene Argument, damals am 19.07.2017 sei der Beschwerdeführer noch sehr jung gewesen und sei es ihm damals als einem alleinstehenden jungen Mann noch nicht zumutbar gewesen, ohne soziale Anknüpfungspunkte zurückzukehren, als volljähriger junger Mann mit jahrelanger Berufserfahrung als Mechaniker stehe dem Beschwerdeführer nun nicht nur seine eigene Heimatprovinz Balkh für eine Rückkehr zur Verfügung, sondern hätte der Beschwerdeführer nun auch eine innerstaatliche Fluchtalternative mit Kabul zur Verfügung, gilt unverändert auch gegenwärtig mit der einzigen Maßgabe, dass der Beschwerdeführer, der damals volljährig war wie er es auch heute ist, zwischenzeitlich lediglich ein Jahr älter geworden ist. Die Tätigkeit als Mechaniker wurde vom Beschwerdeführer bereits im Rahmen des Verfahrens, das zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten geführt hat, vorgebracht, ebenso wie Tätigkeiten als Kellner; eine Änderung in der subjektiven Lage des Beschwerdeführers im Vergleich zum Entscheidungszeitpunkt der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten liegt diesbezüglich nicht vor. Auch sind weder dem Vorbringen des Beschwerdeführers im gegenständlichen Aberkennungsverfahren noch dem Inhalt des zu Grunde liegenden Verwaltungsaktes der belangten Behörde Anhaltspunkte dafür zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer zwischenzeitlich in diesem einen Jahr in Österreich allfällige Aus- bzw. Fortbildungsschritte gesetzt hätte, welche ihm auch im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan maßgeblich zu Gute kommen und ihm auch bei seinem dortigen Fortkommen förderlich sein könnten, woraus in der Folge der Schluss gezogen werden könnte, dass sich die subjektive Lage des Beschwerdeführers insofern verändert hätte; auch der Begründung des angefochtenen Bescheides ist solches nicht zu entnehmen.

Insofern aber die belangte Behörde zu dem Schluss gekommen sein mag, dass bereits die vormalige Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten mit Bescheid vom 19.07.2017 rechtsunrichtig erfolgt sein könnte, weil bereits zum damaligen Entscheidungszeitpunkt die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten unter Zugrundelegung der subjektiven Verhältnisse des Beschwerdeführers, bewertet vor dem Hintergrund der allgemeinen Sicherheits- und Versorgungslage in Afghanistan, nicht vorgelegen sind, so kann aus einer allfälligen damaligen anderen rechtlichen Beurteilung der damals (ebenso wie heute) vorliegenden Sachverhaltselemente keine Veränderung in den nunmehrigen subjektiven Verhältnissen des Beschwerdeführers abgeleitet werden.

Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Stattgabe der Beschwerde:

§ 9 AsylG lautet:

"Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten

§ 9. (1) Einem Fremden ist der Status eines subsidiär Schutzberechtigten von Amts wegen mit Bescheid abzuerkennen, wenn

1. die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8 Abs. 1) nicht oder nicht mehr vorliegen;

2. er den Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen in einem anderen Staat hat oder

3. er die Staatsangehörigkeit eines anderen Staates erlangt hat und eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen neuen Herkunftsstaat keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention oder für ihn als Zivilperson keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

(2) Ist der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht schon aus den Gründen des Abs. 1 abzuerkennen, so hat eine Aberkennung auch dann zu erfolgen, wenn

1. einer der in Art. 1 Abschnitt F der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründe vorliegt;

2. der Fremde eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Republik Österreich darstellt oder

3. der Fremde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt worden ist. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB, BGBl. Nr. 60/1974, entspricht.

In diesen Fällen ist die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten mit der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme und der Feststellung zu verbinden, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat unzulässig ist, da dies eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

(3) Ein Verfahren zur Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten ist jedenfalls einzuleiten, wenn der Fremde straffällig geworden ist (§ 2 Abs. 3) und das Vorliegen der Voraussetzungen gemäß Abs. 1 oder 2 wahrscheinlich ist.

(4) Die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten ist mit dem Entzug der Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter zu verbinden. Der Fremde hat nach Rechtskraft der Aberkennung Karten, die den Status des subsidiär Schutzberechtigten bestätigen, der Behörde zurückzustellen."

Die belangte Behörde stützte die im angefochtenen Bescheid vorgenommene Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht auf § 9 Abs. 2 AsylG und somit nicht auf seine in Österreich erfolgte rechtskräftige strafgerichtliche Verurteilung, sondern sie stützte diese Aberkennung ausdrücklich auf § 9 Abs. 1 Z. 1 AsylG und begründete dies im Wesentlichen damit, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten deshalb nicht mehr vorliegen würden, weil in den subjektiven Verhältnissen des Beschwerdeführers seit Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten mit Bescheid vom 19.07.2017 eine Änderung eingetreten sei. Ein solche Änderung in der subjektiven Lage des Beschwerdeführers ist jedoch, wie oben ausgeführt, auf Grundlage des Vorbringens des Beschwerdeführers sowie auf Grundlage des Inhaltes des dem den Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkennenden Bescheides zu Grunde liegenden Verwaltungsaktes nicht erkennbar.

Die belangte Behörde ging im angefochtenen Bescheid - dies zutreffend - erkennbar nicht von einer zwischenzeitlich eingetretenen Veränderung der allgemeinen Sicherheits- und Versorgungslage in Afghanistan im Sinne einer entscheidungserheblichen Verbesserung dieser Lage seit Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten mit Bescheid vom 19.07.2017 aus.

Da daher eine Änderung in den Umständen, die zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten mit Bescheid vom 19.07.2017 geführt haben, nicht eingetreten ist und daher nicht davon ausgegangen werden kann, dass gemäß dem von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid herangezogenen § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht mehr vorliegen, war der Beschwerde spruchgemäß stattzugeben und der angefochtene Bescheid in seinem Spruchpunkt I. gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG ersatzlos zu beheben.

Da die Spruchpunkte II. bis VI. des angefochtenen Bescheides dem rechtlichen Schicksal des Spruchpunktes I. folgen, war der gesamte angefochtene Bescheid in sämtlichen Spruchpunkten zu beheben.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Unter Bedachtnahme auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 28.01.2005, Zl. 2002/01/0354, ist der Vollständigkeit halber darauf hinzuweisen, dass sich die ersatzlose Behebung des angefochtenen Bescheides lediglich auf den von der belangten Behörde herangezogenen Aberkennungsgrund des § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG, nicht aber auf allfällige andere Aberkennungstatbestände bezieht.

Gemäß § 24 Abs. 1 des VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Gemäß § 21 Abs. 7 erster Fall BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint.

Der Verwaltungsgerichtshof hat sich ausführlich in seinem Erkenntnis vom 28.05.2014, Ra 2014/20/0017 und 0018, mit dem Verständnis dieser Bestimmung auseinandergesetzt und geht seitdem in seiner ständigen Rechtsprechung (vgl. dazu statt vieler die Erkenntnisse vom 12. November 2014, Ra 2014/20/0029, vom 2. September 2015, Ra 2014/19/0127, vom 15. März 2016, Ra 2015/19/0180, vom 18. Mai 2017, Ra 2016/20/0258, und vom 20. Juni 2017, Ra 2017/01/0039) davon aus, dass für die Auslegung der in § 21 Abs. 7 BFA-VG enthaltenen Wendung "wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint" folgende Kriterien beachtlich sind:

Der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt muss von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben worden sein und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweisen. Die Verwaltungsbehörde muss die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in ihrer Entscheidung in gesetzmäßiger Weise offen gelegt haben und das Bundesverwaltungsgericht die tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung teilen. In der Beschwerde darf kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinaus gehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten des von der Verwaltungsbehörde festgestellten Sachverhaltes ebenso außer Betracht bleiben kann wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA-VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt. Auf verfahrensrechtlich festgelegte Besonderheiten ist bei der Beurteilung Bedacht zu nehmen.

Im gegenständlichen Fall hat das Bundesverwaltungsgericht in inhaltlicher Hinsicht keine neuen Beweismittel beigeschafft und sich für seine Feststellungen über die Person des Beschwerdeführers und zur Lage in Afghanistan in inhaltlicher Hinsicht auf jene, die dem angefochtenen Bescheid zu Grunde liegen, gestützt; eine maßgebliche Änderung ist diesbezüglich in Bezug auf den Beschwerdegegenstand nicht eingetreten (VwGH vom 20.12.2016, Ra 2016/01/0102). Es wurden keine Sachverhaltselemente aufgezeigt, welche einer mündlichen Erörterung bedürften.

Das Bundesverwaltungsgericht konnte daher im vorliegenden Fall von einem geklärten Sachverhalt im Sinne des § 21 Abs. 7 BFA-VG ausgehen; es war nach den oben dargestellten Kriterien nicht verpflichtet, eine mündliche Verhandlung durchzuführen.

Zu B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten des angefochtenen Bescheides wiedergegeben.

Schlagworte

Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten,
Aberkennungstatbestand, befristete Aufenthaltsberechtigung, Behebung
der Entscheidung, ersatzlose Behebung, Rückkehrentscheidung behoben,
Sicherheitslage, Versorgungslage, wesentliche Änderung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W207.2169094.2.00

Zuletzt aktualisiert am

07.01.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten