TE Bvwg Erkenntnis 2018/11/2 W217 2204216-2

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Veröffentlicht am 02.11.2018
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Entscheidungsdatum

02.11.2018

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AVG §71
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §33 Abs4

Spruch

W217 2204216-2/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Julia STIEFELMEYER über die Beschwerde des XXXX, geb. XXXX, Staatsangehörigkeit Afghanistan, vertreten durch den MigrantInnenverein St. Marx, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, vom 14.08.2018, Zahl: XXXX, betreffend den Antrag auf Wiedereinsetzung in vorigen Stand, zu Recht erkannt:

I.

Der Beschwerde gegen die Abweisung des Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird gemäß § 71 AVG in Verbindung mit § 33 Abs. 4 VwGVG abgewiesen.

II.

DIE REVISION IST GEMÄß ART 133 ABS. 4 B-VG NICHT ZULÄSSIG.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang:

1. Herr XXXX (in der Folge BF oder Beschwerdeführer), ein afghanischer Staatsangehöriger, Angehöriger der Volksgruppe der Hazara und schiitischer Moslem reiste illegal und schlepperunterstützt in das Bundesgebiet ein und stellte am 25.02.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 13 Asylgesetz 2005 (in der Folge AsylG).

2. Der BF wurde am 26.02.2016 durch Organe der Landespolizeidirektion Wien einer Erstbefragung unterzogen. Hierbei führte der BF aus, er stamme aus XXXX, Iran. Zu seinem Fluchtgrund befragt, gab der BF an, dass ihm im Iran eine Gefängnisstrafe drohe, da er als Afghane mit gefälschtem Personalausweis und unter falschem Namen im Iran 12 Jahre die Grundschule besucht und danach 4 Jahre studiert hätte.

3. Am 20.06.2017 wurde der BF vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Niederösterreich (im Folgenden BFA oder belangte Behörde), niederschriftlich einvernommen. Zunächst ergänzte der BF, dass ihm illegale Dokumente eine Schulausbildung sowie einen Universitätszugang ermöglicht hätten. Er sei noch ein Kind gewesen, als ihm ein Identitätsausweis einer fremden Person besorgt worden sei. Aufgrund der nachfolgenden Weigerung des BF, die Einvernahme ohne Beisein seines bevollmächtigten Vertreters XXXX vom Verein ZEIGE fortzusetzen, wurde diese unterbrochen.

Am 12.09.2017 wurde die Einvernahme fortgesetzt. Der BF machte nunmehr ausführliche Angaben darüber, dass er 26 Jahre unter falscher Identität im Iran gelebt habe. Weiters führte der BF aus, er habe 12 Jahre die Schule besucht, danach habe er 8 Jahre die Universität in der Provinz Mazandaran, in der Stadt XXXX besucht. Als er mit 26 Jahren einen iranischen Pass beantragen habe wollen, sei ihm gedroht worden, dass er ins Gefängnis komme bzw. nach Afghanistan abgeschoben würde.

Der BF legte diverse Belege für seine Integration, unter anderem ein Zertifikat über die bestandene Deutschprüfung auf A1 Niveau sowie einen Taufschein vor.

4. Am 08.11.2017 wurde der BF erneut vom BFA niederschriftlich einvernommen. Der BF wurde zu seiner Konversion und der Ausübung des christlichen Glaubens befragt. Zudem machte der BF detaillierte Angaben zu den Umständen betreffend seine falsche Identität im Iran. Sein Studium habe er 1389 (=2010) begonnen.

5. Mit Schreiben vom 18.12.2017 wurde bekannt gegeben, dass der Verein ZEIGE den BF ab sofort nicht mehr vertrete.

6. Mit Bescheid vom 27.02.2018 wies das BFA den Antrag des BF auf internationalen Schutz vom 25.02.2016 gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG ab (Spruchpunkt I.), erkannte ihm den Status des Asylberechtigten ebenso wie gemäß § 8 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG den Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan nicht zu (Spruchpunkt II.) und erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG (Spruchpunkt III.). Weiters wurde gegen den BF gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des BF nach Afghanistan gemäß § 46 FPG zulässig sei. Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für eine freiwillige Ausreise des BF 2 Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.).

In der Bescheidbegründung traf die belangte Behörde Feststellungen zur Person des BF und zur Lage in Afghanistan. Aus dem Vorbringen des BF wären keine Gründe ersichtlich, die im Falle der Rückkehr unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder eine im gesamten Herkunftsstaat vorliegende extreme Gefährdungslage erkennen ließen. Den Ausführungen des BF habe nicht entnommen werden können, dass er im Falle seiner Rückkehr in eine lebensbedrohliche Notlage geraten würde, weshalb die Erteilung von subsidiären Schutz zu versagen gewesen sei.

Der BF erfülle nicht die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG, der Erlassung einer Rückkehrentscheidung stehe sein Recht auf Achtung des Privat- oder Familienlebens angesichts der kurzen Aufenthaltsdauer und des Fehlens von familiären oder privaten Bindungen im Inland nicht entgegen. Angesichts der abweisenden Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz ergebe sich die Zulässigkeit einer Abschiebung des BF nach Afghanistan. Die Frist für die freiwillige Ausreise von 14 Tagen ergebe sich aus § 55 FPG, da besondere Umstände, die der BF bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen habe, nicht gegeben seien.

Beweiswürdigend führte das BFA (zusammengefasst) aus, dass der BF bezüglich seiner behaupteten Herkunftsregion, Volks- und Staatsangehörigkeit aufgrund seiner nachvollziehbaren, glaubhaften Angaben glaubwürdig wäre. Als unglaubwürdig erachtete das BFA die Angaben des BF zu seiner Konversion zum Christentum und der Ausübung des christlichen Glaubens in Österreich. Dies deshalb, da der BF in seiner zweiten Einvernahme in der Lage war Angaben zu Fragen zu machen, die er in der ersten Einvernahme nicht beantworten konnte, was auf eine gezielte Vorbereitung schließen lasse. Zudem indiziere die kurze Vorbereitungszeit für die Taufe von 4 Monaten das Vorliegen einer "Schein-Taufe". Generell weise der wenig glaubhafte und kaum engagierte Eindruck darauf hin, dass der BF lediglich aus Opportunitätsgründen zum Christentum konvertiert sei.

Die Feststellungen zur Situation in Afghanistan wären glaubhaft, weil sie verlässlichen, seriösen, aktuellen und unbedenklichen Quellen entstammten.

Subsidiärer Schutz wurde ihm nicht zuerkannt, da im Falle einer Rückkehr des BF in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 oder 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder 13 zur GFK oder eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt oder im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes nicht gegeben sei.

Auch Gründe für eine Unzumutbarkeit einer Fluchtalternative in Kabul, Herat oder Mazar-e Sharif lägen nicht vor, zumal er als junger, gesunder Mann im arbeitsfähigen Alter in der Lage sei, seinen notwendigen Lebensunterhalt zu bestreiten und sich ein Existenzminimum zu sichern.

7. Die Zustellung dieses Bescheides vom 27.02.2018 erfolgte, nachdem dem BF das Schriftstück bei einem Zustellversuch an der Abgabestelle nicht hatte eigenhändig zugestellt werden können, durch Hinterlegung beim Postamt am 02.03.2018. Die Rechtsmittelfrist endete somit am 30.03.2018. In der Folge wurde der Bescheid als nicht behoben an das BFA retourniert und langte am 21.03.2018 dort ein.

Mit Schreiben vom 01.03.2018 wurde dem BF gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG durch das BFA mitgeteilt, dass ihm für das Beschwerdeverfahren (§ 3 neg. §8 neg. RückE) die juristische Person Verein Menschenrechte Österreich (in der Folge: VMÖ) als Rechtsberater amtswegig zur Seite gestellt werde.

8. Mit Schreiben des BFA vom 03.04.2018 an die Landesleitstelle Grundversorgung Niederösterreich wurde mitgeteilt, dass der Bescheid am 31.03.2018 in I. Instanz in Rechtskraft erwachsen sei.

9. Mit am 19.04.2018 beim BFA eingelangtem Schreiben stellte der BF einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 71 Abs. 1 AVG wegen Versäumung der Beschwerdefrist und erhob gleichzeitig Beschwerde gegen den Bescheid vom 27.02.2018.

Den Antrag auf Wiedereinsetzung begründete der BF damit, dass er den Bescheid, nachdem ihm am 05.03.2018 ein Kontaktbrief vom Verein Menschenrechte zugegangen sei, nicht zugestellt erhalten habe. Da normalerweise einige Tage nach dem Kontaktbrief der Bescheid per Post komme, habe er einige Tage abgewartet. Als er ca. eine Woche später noch immer keinen Bescheid erhalten habe, habe er einen Mitbewohner, der auch zum VMÖ gegangen sei, gebeten, für ihn nachzufragen. Die Mitarbeiter vom VMÖ hätten jedoch seinem Freund gesagt, dass der BF mit dem Bescheid kommen müsse, damit man eine Beschwerde erheben könne. Sodann sei der BF zum Postamt nach XXXX gefahren und habe nachgefragt, aber man habe auch dort nichts gefunden. Danach habe der BF seinen rechtsfreundlichen Vertreter beim Verein ZEIGE aufgesucht. Obwohl das Vollmachtsverhältnis bereits seit Dezember 2017 aufgelöst gewesen sei, habe er gedacht, dass der Bescheid vielleicht diesem zugestellt worden wäre. Jedoch ebenfalls vergeblich. Am 10.04.2018 habe der BF letztlich den VMÖ in Wien aufgesucht und persönlich nachgefragt. Dort sei ihm geraten worden, selber zum BFA zu gehen. Am nächsten Tag sei der BF zum BFA Wien gefahren, jedoch habe ihm die Referentin den Bescheid nicht mitgegeben, sondern seinen Aufenthaltstitel weggenommen. Gleich danach sei der BF zum VMÖ gefahren und habe um Unterstützung gebeten. Es sei dem BF geraten worden, zum BFA, Regionaldirektion Niederösterreich, zu fahren und darum zu bitten, eine Kopie des Bescheides zu erhalten. Letztlich sei dem BF am 12.04.2018 eine Kopie ausgehändigt worden, worauf vermerkt sei, dass der Bescheid mit 31.03.2018 rechtskräftig geworden sei. Am selben Tag habe der BF den VMÖ aufgesucht und um Unterstützung gebeten.

Aufgrund der Tatsache, dass der BF davon ausgegangen sei, dass der Bescheid wie auch die andere Post im Heim zugestellt werde und er nicht damit rechnen habe können, dass er selbst den Bescheid holen müsse, sei ein unvorhergesehenes Ereignis eingetroffen, das der BF nicht einberechnet habe. Dieses unvorhergesehene Ereignis sei kausal für die Verspätung der Beschwerdefrist gewesen. Der BF sei der ihn als ordentliche Prozesspartei treffenden Sorgfaltspflicht insofern nachgekommen, als er die ihm angebotene Rechtsberatung in Anspruch genommen habe. Somit treffe ihn kein den minderen Grad des Versehens übertreffendes Verschulden. Erst aufgrund des Gespräches am 10.04.2018 sei dem BF der beschriebene Sachverhalt bekannt geworden. Das bedeute, dass der 10.04.2018 der Tag des Beginnes der Frist für die Wiedereinsetzung sei und der Antrag daher rechtzeitig gestellt worden sei.

Der BF führte weiters in seiner Beschwerde aus, er habe im Iran maturiert und das Bachelorstudium Bauingenieurwesen abgeschlossen.

10. Ein Mitarbeiter des BFA, Herr AAss XXXX, verfasste folgenden Aktenvermerk vom 22.05.2018 über ein Telefonat mit dem Quartiergeber des BF (Aktenseiten 445 und 477):

"Nach telefonischer Auskunft von Herrn XXXX (Tel. xxx) wurde mir mitgeteilt, dass das Quartier ‚XXXX' einen internen Postplatz hat, in welchen die Postler alle gelben Zettel sowie anderes hinterlegt. Jeder Asylwerber ist selbst verantwortlich täglich dorthin zu gehen und zu schauen ob etwas für ihn gekommen sei. Somit konnte mir Hr. XXXX auch nicht mitteilen, ob bzw. wann Herr XXXX, den gelben Zettel erhalten hat."

11. Am 09.08.2018 wurde der BF vom BFA niederschriftlich zum Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 71 AVG einvernommen. Der BF gab im Wesentlichen an, den Brief nicht behoben zu haben, da er keinen gelben Brief erhalten habe. An der von ihm bewohnten Unterkunft gebe es nur einen Postkasten für das gesamte Haus - für 20 dort wohnende Personen. Der Postkasten sei an einem Baum befestigt. Poststücke würden jedoch auch vor die Tür gelegt, wo sie Wind und Regen ausgesetzt seien und auch von anderen Asylwerbern zerrissen werden können. Die Post werde von niemandem entgegengenommen. Er habe die Post jedoch nicht täglich kontrolliert, da er davon ausgegangen sei, dass diese ihm ausgehändigt werde. Aufgrund des Kontaktbriefes des VMÖ, den er so glaube er am 08.03.2018 erhalten habe, habe er gewusst, dass er einen negativen Bescheid bekommen werde, da alle, die einen negativen Bescheid erhielten, einen derartigen Kontaktbrief erhalten hätten. Auf Anfrage bei der Poststelle XXXX nach 3 Tagen habe man ihm gesagt, er solle auf die Hinterlegungsanzeige warten. Er habe sich selbst nicht an den VMÖ gewandt, da er kein Geld für die Fahrkarte gehabt habe, aber einen Freund ersucht, für ihn dort nachzufragen. Etwa zwei Tage nachdem der BF bei der Poststelle gewesen sei, habe dieser Freund für ihn nachgefragt und erfahren, dass es etwa noch einen Monat dauern werde bis er den Bescheid erhalten würde. Erst einen Monat später habe er sich persönlich an den VMÖ gewandt. Der BF wisse nicht wann, aber er sei zwischenzeitig auch mit dem Zug zu Herrn XXXXgefahren, da dieser sein Vertreter gewesen sei.

12. Das BFA wies mit Bescheid vom 14.08.2018 den Antrag des BF auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 71 Abs. 1 AVG ab und erkannte dem Antrag gemäß § 71 Abs. 6 AVG die aufschiebende Wirkung zu.

Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die ins Treffen geführten Gründe für die verspätete Einbringung der Beschwerde einerseits nicht glaubhaft und andererseits auf die Nachlässigkeit des BF zurückzuführen seien. Dieser hätte jedenfalls zum damaligen Zeitpunkt Erkundigungen hinsichtlich des Asylverfahrens einholen können. Er habe trotz Kenntnis darüber, dass es einen negativen Bescheid gebe, fünf Wochen verstreichen lassen, bis er sich persönlich an den VMÖ gewendet habe. Zudem hätte er zu jeder Zeit das BFA kontaktieren können.

13. Dagegen erhob der BF nunmehr vertreten durch den Migrantinnenverein St. Marx fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde wegen unrichtiger Feststellungen, Mangelhaftigkeit des Verfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung und führte dazu im Wesentlichen aus, dass die belangte Behörde zentrale Teile des Vorbringens des BF, wie etwa, dass der BF keinen Hinterlegungszettel der Post erhalten habe und auch vom BFA den Bescheid nicht erhalten habe, ignoriere. Zudem sei es lebensfremd, dass der BF jeden Tag auf den Briefträger warten sollte. Der BF habe sogar ein hohes Maß an Sorgfalt bewiesen, indem er regelmäßig die Post kontrolliert und einige Versuche unternommen habe, den Bescheid zu erhalten. Ein unabwendbares Ereignis liege aufgrund der vorgebrachten Umstände vor und hätte von der belangten Behörde bei tatsächlicher Prüfung festgestellt werden müssen.

14. Am 20.09.2018 langte die Beschwerde gegen den Bescheid des BFA vom 14.08.2018 beim Bundesverwaltungsgericht ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der BF ist ein afghanischer Staatsangehöriger, Angehöriger der Volksgruppe der Hazara und schiitischer Moslem. Er wurde im Iran geboren. Er reiste illegal und schlepperunterstützt in das Bundesgebiet ein und stellte am 25.02.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG. Der Antrag wurde mit Bescheid vom 27.02.2018 von der belangten Behörde abgewiesen.

Der BF ging 12 Jahre zur Schule und besuchte die Universität im Iran. Er hat das Bachelorstudium Bauingenieurwesen abgeschlossen.

Die Zustellung des Bescheides des BFA vom 27.02.2018 erfolgte, nachdem dem BF das Schriftstück bei einem Zustellversuch an der Abgabestelle nicht hatte eigenhändig zugestellt werden können, durch Hinterlegung beim Postamt am 02.03.2018. Der Bescheid wurde vom BF nicht behoben. Der Bescheid erwuchs nach Ende der Rechtsmittelfrist am 31.03.2018 in Rechtskraft. In der Folge wurde der Bescheid an das BFA retourniert.

Der BF erhielt am 08.03.2018 einen Kontaktbrief vom VMÖ. Damit war dem BF bewusst, dass er einen negativen Bescheid in seinem Asylverfahren bekommen werde. Drei Tage später, somit am 11.03.2018, erkundigte sich der BF bei der zuständigen Poststelle nach eingelangten Poststücken. Dort wurde ihm gesagt, er solle auf die Hinterlegungsanzeige warten. Weitere zwei Tage später bat der BF einen Freund, der zum VMÖ fuhr, sich für den BF zu erkundigen.

Am 10.04.2018 wurde der BF erstmalig beim VMÖ vorstellig. Am 12.04.2018 wurde ihm durch das BFA eine Kopie des Bescheides ausgehändigt. Der Antrag auf Wiedereinsetzung langte am 19.04.2018 bei der belangten Behörde ein.

Der BF erlangte durch ein Gespräch mit dem VMÖ am 10.04.2018 davon Kenntnis, dass bereits ein Bescheid in seiner Sache ergangen und die Rechtsmittelfristfrist verstrichen war. Der Antrag auf Wiedereinsetzung langte am 19.04.2018 und damit fristgerecht bei der belangten Behörde ein.

Der BF konnte nicht glaubhaft machen, dass er regelmäßig (täglich) an seiner Unterkunft von Hrn. XXXX in XXXX kontrolliert hat, ob für ihn Post hinterlegt worden sei. Der BF hat vielmehr darauf gewartet, dass ihm der Bescheid ausgehändigt wird.

Der BF konnte nicht glaubhaft machen, dass ihn an der Versäumung der Rechtsmittelfrist kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft.

2. Beweiswürdigung:

Die getroffenen Feststellungen ergeben sich aus dem Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des BFA.

Dass der BF die Schule und die Universität im Iran besucht hat, ergibt sich aus seinen Angaben im Zuge der Einvernahme am 12.06.2017 bzw. 12.09.2017. In der Beschwerde gegen den Bescheid vom 27.02.2018 führt der BF selbst an, er habe im Iran maturiert und das Bachelorstudium Bauingenieurwesen abgeschlossen (Abl. 465).

Zum Zustellvorgang gibt der BF in seiner Beschwerde an, dass er regelmäßig die Post kontrolliert und häufig auf den Briefträger gewartet habe und dadurch sogar ein hohes Ausmaß an Sorgfalt bewiesen habe. Auch in der niederschriftlichen Einvernahme vom 09.08.2018 gab der BF zunächst an, er sehe täglich nach, ob für ihn Post eingelangt sei. Diese Aussage korrigierte der BF sodann in dem er ausführte, "Nicht jeden Tag, immer wenn Post kommt." Doch auch diese Behauptung schränkte der BF in der Folge ein "Befragt, der Postmann kommt einmal um acht einmal um neun einmal um zehn. Weiters befragt, ich ging nicht immer hin, um nachzusehen, ob für mich Post da ist." Zudem führte er an, "Es müsste einen Postkasten geben. Man kann doch nicht jeden Tag nachsehen." bzw. "Ich bin nicht hingegangen, weil ich darauf gewartet habe, dass es mir ausgehändigt wird."

Die Angaben des BF hinsichtlich der Regelmäßigkeit der Kontrolle der eingelangten Post sind somit widersprüchlich und können vom erkennenden Gericht nicht als glaubhaft gewertet werden.

Dass der BF durch den Erhalt des Kontaktbriefes des VMÖ glaublich am 08.03.2018 von einem negativen Bescheid in seinem Asylverfahren Kenntnis erlangt hat, ergibt sich aus dessen Aussage in der niederschriftlichen Einvernahme durch das BFA am 09.08.2018.

Dass der BF erst am 10.04.2018 beim VMÖ vorstellig wurde, ergibt sich aus den im Wesentlichen übereinstimmenden Angaben des BF in der niederschriftlichen Einvernahme vom 09.08.2018 und im Antrag auf Wiedereinsetzung vom 19.04.2018.

3. Rechtliche Beurteilung

Gesetzliche Bestimmungen:

Gegenständlich sind die Verfahrensbestimmungen des AVG, des BFA-VG und des VwGVG anzuwenden.

Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz - BVwGG, BGBl. I Nr. 10/2013 in der geltenden Fassung entscheidet das BVwG durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013 in der geltenden Fassung geregelt (§ 1 leg. cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes - AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit es nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.

§ 28 Abs. 1 VwGVG lautet:

(1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn

1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder

2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

§ 1 BFA-Verfahrensgesetz - BFA-VG, BGBl. I Nr. 87/2012 in der geltenden Fassung bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem BFA, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem BVwG gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG und Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG bleiben unberührt.

Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 des BFA-VG, BGBl. I Nr. 87/2012 in der geltenden Fassung, entscheidet über Beschwerden gegen Entscheidungen (Bescheide) des BFA das BVwG.

§ 16 Abs. 6 und § 18 Abs. 7 BFA-VG bestimmen für Beschwerdevorverfahren und Beschwerdeverfahren, dass §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG nicht anzuwenden sind.

Gemäß § 39 Abs. 1 AVG sind für die Durchführung des Ermittlungsverfahrens die Verwaltungsvorschriften maßgebend.

§ 39 Abs. 2 AVG lautet:

Soweit die Verwaltungsvorschriften hierüber keine Anordnungen enthalten, hat die Behörde von Amts wegen vorzugehen und unter Beobachtung der in diesem Teil enthaltenen Vorschriften den Gang des Ermittlungsverfahrens zu bestimmen. Sie kann insbesondere von Amts wegen oder auf Antrag eine mündliche Verhandlung durchführen und mehrere Verwaltungssachen zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbinden oder sie wieder trennen. Die Behörde hat sich bei allen diesen Verfahrensanordnungen von Rücksichten auf möglichste Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis leiten zu lassen.

§ 17 Zustellgesetz lautet: (Hinterlegung)

Abs. 1: Kann das Dokument an der Abgabestelle nicht zugestellt werden und hat der Zusteller Grund zur Annahme, dass sich der Empfänger oder ein Vertreter im Sinne des § 13 Abs. 3 regelmäßig an der Abgabestelle aufhält, so ist das Dokument im Falle der Zustellung durch den Zustelldienst bei seiner zuständigen Geschäftsstelle, in allen anderen Fällen aber beim zuständigen Gemeindeamt oder bei der Behörde, wenn sie sich in derselben Gemeinde befindet, zu hinterlegen.

Abs. 2: Von der Hinterlegung ist der Empfänger schriftlich zu verständigen. Die Verständigung ist in die für die Abgabestelle bestimmte Abgabeeinrichtung (Briefkasten, Hausbrieffach oder Briefeinwurf) einzulegen, an der Abgabestelle zurückzulassen oder, wenn dies nicht möglich ist, an der Eingangstüre (Wohnungs-, Haus-, Gartentüre) anzubringen. Sie hat den Ort der Hinterlegung zu bezeichnen, den Beginn und die Dauer der Abholfrist anzugeben sowie auf die Wirkung der Hinterlegung hinzuweisen.

Abs. 3: Das hinterlegte Dokument ist mindestens zwei Wochen zur Abholung bereitzuhalten. Der Lauf dieser Frist beginnt mit dem Tag, an dem das Dokument erstmals zur Abholung bereitgehalten wird. Hinterlegte Dokumente gelten mit dem ersten Tag dieser Frist als zugestellt. Sie gelten nicht als zugestellt, wenn sich ergibt, dass der Empfänger oder dessen Vertreter im Sinne des § 13 Abs. 3 wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte, doch wird die Zustellung an dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag innerhalb der Abholfrist wirksam, an dem das hinterlegte Dokument behoben werden könnte.

Abs. 4: Die im Wege der Hinterlegung vorgenommene Zustellung ist auch dann gültig, wenn die im Abs. 2 genannte Verständigung beschädigt oder entfernt wurde.

§ 71 AVG lautet:

(1) Gegen die Versäumung einer Frist oder einer mündlichen Verhandlung ist auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn:

1. die Partei glaubhaft macht, daß sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten oder zur Verhandlung zu erscheinen und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft, oder

2. die Partei die Rechtsmittelfrist versäumt hat, weil der Bescheid keine Rechtsmittelbelehrung, keine Rechtsmittelfrist oder fälschlich die Angabe enthält, daß kein Rechtsmittel zulässig sei.

(2) Der Antrag auf Wiedereinsetzung muß binnen zwei Wochen nach dem Wegfall des Hindernisses oder nach dem Zeitpunkt, in dem die Partei von der Zulässigkeit der Berufung Kenntnis erlangt hat, gestellt werden.

(3) Im Fall der Versäumung einer Frist hat die Partei die versäumte Handlung gleichzeitig mit dem Wiedereinsetzungsantrag nachzuholen.

(4) Zur Entscheidung über den Antrag auf Wiedereinsetzung ist die Behörde berufen, bei der die versäumte Handlung vorzunehmen war oder die die versäumte Verhandlung angeordnet oder die unrichtige Rechtsmittelbelehrung erteilt hat.

(5) Gegen die Versäumung der Frist zur Stellung des Wiedereinsetzungsantrages findet keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand statt.

(6) Die Behörde kann dem Antrag auf Wiedereinsetzung aufschiebende Wirkung zuerkennen.

(7) Der Wiedereinsetzungsantrag kann nicht auf Umstände gestützt werden, die die Behörde schon früher für unzureichend befunden hat, um die Verlängerung der versäumten Frist oder die Verlegung der versäumten Verhandlung zu bewilligen.

Rechtlich folgt daraus:

Zu Spruchpunkt I:

Nach ständiger Rechtsprechung des VwGH ist als Ereignis im Sinne des § 71 Abs. 1 Z 1 AVG jedes Geschehen ohne jede Beschränkung auf Vorgänge in der Außenwelt anzusehen (VwGH 26.06.1985, 83/03/0134, u. a.). Ein Ereignis ist dann unabwendbar, wenn es durch einen Durchschnittsmenschen objektiv nicht verhindert werden konnte.

Als unvorhergesehen ist zu werten, wenn die Partei es tatsächlich nicht miteingerechnet hat und dessen Eintritt auch unter Bedachtnahme auf die zumutbare Aufmerksamkeit und Vorsicht nicht erwarten konnte (VwGH 17.02.1994, 93/16/0020).

Der Begriff des minderen Grades des Versehens ist als leichte Fahrlässigkeit im Sinne des § 1332 ABGB zu verstehen. Die Bewilligung der Wiedereinsetzung kommt sohin nur in Betracht, wenn der Partei kein Verschulden oder ein nur minderer Grad des Versehens angelastet werden kann (VwGH 22.01.1992, 91/13/0254).

Der Wiedereinsetzungswerber darf also nicht auffallend sorglos gehandelt haben; somit die in Verkehr mit einer Verwaltungsbehörde oder für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt nicht außer Acht gelassen haben (VwGH 14.07.1993, 93/03/0136).

Wie der VwGH wiederholt ausgesprochen hat, liegt ein "minderer Grad des Versehens" (§ 1332 ABGB) nur dann vor, wenn es sich um leichte Fahrlässigkeit handelt, also dann, wenn ein Fehler begangen wurde, der gelegentlich auch einem sorgfältig handelnden Menschen widerfahren kann. Der Wiedereinsetzungswerber (bzw. der ihm zurechenbare Rechtsvertreter) darf nicht auffallend sorglos gehandelt haben, das heißt, die im Verkehr mit Gerichten und Verwaltungsbehörden und für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt außer Acht gelassen haben, wobei berufliche Parteienvertreter sicherlich einen strengeren Sorgfaltsmaßstab zu beachten haben (vgl. die Erkenntnisse des VwGH 29.11.1994, 94/05/0318, und 15.12.1995, 95/17/0469; vgl. VwGH 23.05.2001, 99/06/0039).

Der Bescheid des BFA vom 27.02.2018, Zl. XXXX, wurde dem BF durch Hinterlegung beim zuständigen Postamt am 02.03.2018 zugestellt. Die vierwöchige Beschwerdefrist endete daher mit Ablauf des Freitags vier Wochen später, sohin mit Ablauf des 30.03.2018.

Der VwGH hat wiederholt ausgesprochen, dass im Hinblick auf § 17 Abs. 4 ZustG zwar weder die Beschädigung noch die Entfernung der Hinterlegungsanzeige durch andere Personen Einfluss auf die Gültigkeit der Zustellung hat, darin jedoch ein Grund für eine Wiedereinsetzung liegen kann (vgl. VwGH 13.10.2016, 2015/08/2013). Die Unkenntnis von der Zustellung eines Bescheides kann einen Wiedereinsetzungsgrund bilden, sofern die Unkenntnis nicht auf einem Verschulden beruht, welches den Grad minderen Versehens überschreitet (VwGH 06.05.1997, 97/08/0022). Nach der genannten Judikatur stellt beispielsweise das Vorbringen eines BF, während des Hinterlegungszeitraumes keine Hinterlegungsanzeige vorgefunden zu haben, dann einen Wiedereinsetzungsgrund dar, wenn bei Entleerung des Hausbrieffaches täglich mit der entsprechenden Sorgfalt erfolgt ist (vgl. VwGH 06.05.1997, 97/08/0022).

Im vorliegenden Fall bringt der BF vor, keine Hinterlegungsanzeige erhalten und trotz intensiver Bemühungen den Bescheid nicht rechtzeitig erhalten zu haben, weshalb ihn an der Fristversäumnis kein Verschulden treffe. Zum Zustellvorgang gibt der BF in seiner Beschwerde vom 18.09.2018 an, dass er regelmäßig die Post kontrolliert und häufig auf den Briefträger gewartet habe und dadurch sowie durch seine sonstigen Versuche, den Bescheid zu erhalten, nicht nur das erforderliche Ausmaß an Sorgfalt, sondern sogar ein hohes Ausmaß an Sorgfalt bewiesen habe. Hierzu ist jedoch auf die niederschriftliche Vernehmung vom 09.08.2018 zu verweisen, worin der BF auf Befragung angibt, er habe nicht jeden Tag nachgesehen, ob Post für ihn da sei. Er habe darauf gewartet, dass ihm diese ausgehändigt würde. Hierzu erklärte der BF jedoch selbst, dass es in der Unterkunft niemanden gibt, der die Post verteilt. So hat auch der Quartiergeber bestätigt, dass jeder Asylwerber selbst verantwortlich dafür ist, zum internen Postplatz zu gehen und zu schauen, ob Post für ihn gekommen sei. Völlig unklar bleibt sohin, von wem der BF die Aushändigung seiner Post erwarten würde.

Sofern der BF in seiner Beschwerde ferner ausführt, dass der von der Behörde geforderte Sorgfaltsmaßstab unrealistisch und lebensfremd sei, so ist zu entgegnen, dass vom BF, der aufgrund seine Schulbildung und seines abgeschlossenen Bachelorstudiums Bauingenieurwesen einen überdurchschnittlichen Ausbildungsgrad besitzt, grundsätzlich die Fähigkeit erwartet werden kann, bei der selbständigen Besorgung der eigenen Agenden eine entsprechend hohe Sorgfalt an den Tag zu legen. Im Sinne der oben genannten Judikatur ist es dem BF daher jedenfalls im Rahmen seiner persönlichen Fähigkeiten zumutbar, täglich die Abgabestelle an seiner Unterkunft zu kontrollieren oder auch regelmäßig die zuständige Poststelle aufzusuchen, um sich nach eingelangten Schriftstücken zu erkundigen.

Im Übrigen ist anzumerken, dass der BF in der niederschriftlichen Vernehmung vom 09.08.2018 selbst angibt, dass der Erhalt eines Kontaktbriefes vom VMÖ indiziert, dass der Betroffene einen negativen Asylbescheid erhalten werde. Der BF musste also bereits mit Erhalt des mit 05.03.2018 datierten Schreibens des VMÖ damit rechnen, einen negativen Asylbescheid zugestellt zu bekommen. Er hätte sich in der Folge im Rahmen seiner Sorgfaltspflicht aktiv darum bemühen müssen, den Bescheid von der zuständigen Stelle ausgehändigt zu bekommen. Dies gilt umso mehr, wenn - wie vom BF selbst vorgebracht - eine verlässliche postalische Zustellung von Zusendungen oder Hinterlegungsanzeigen an der Unterkunft des BF durch den Zugriff anderer Mitbewohner oder anderen äußeren Einflüssen wie Wind und Regen nur unzureichend gewährleistet ist.

Dass der BF solche Bemühungen unternommen hätte, haben sich im Laufe des Verfahrens nicht ergeben:

Der BF hat sich bei der Einholung von Informationen zu dem allfällig bereits ergangenen Bescheid weder an die bescheiderlassende Behörde gewandt, noch ist er selbst mit dem VMÖ in Kontakt getreten, sondern hat dies an einen Dritten delegiert. Der diesbezügliche Einwand des BF, er hätte für die Anfahrt zur Geschäftsstelle des VMÖ nicht genug Geld gehabt, scheint in Anbetracht dessen, dass er es vorzog, zu seinem früheren(!) Rechtsvertreter mit dem Zug zu fahren, nicht nachvollziehbar. Dessen ungeachtet wäre es dem BF offen gestanden, entsprechende Informationen auf anderem Wege, zum Beispiel telefonisch, einzuholen.

Darüber hinaus vermochte der BF nicht schlüssig darzulegen, weshalb er in der Folge erst am 10.04.2018, sohin über 4 Wochen nach Erhalt des Kontaktbriefes, persönlich beim VMÖ vorstellig geworden ist.

Mag auch der VwGH den Umstand, dass sich eine Partei auf die unrichtige Auskunft der Mitarbeiter jener Betreuungsstelle, in der sie untergebracht war, verlassen hat und etwa einen Monat nichts Weiteres unternommen hat, in dem konkreten Fall als keine auffallende Sorglosigkeit im Sinn der angeführten Judikatur beurteilt haben (VwGH 07.06.2000, 99/01/0337), so hat es im vorliegenden Fall der BF jedoch unterlassen, sich unverzüglich an den VMÖ zu wenden. Ebenso hat er es unterlassen, die bescheiderlassende Stelle telefonisch zu kontaktieren. Er hat sohin gar nicht erst den Versuch unternommen, selbst eine Auskunft zu seinem Verfahren einzuholen. Er hat überdies die diesbezügliche Aufforderung in dem Kontaktbrief des VMÖ unbeachtet gelassen, obwohl er sich bereits bewusst war, dass er einen negativen Bescheid bekommen würde. Im Gegensatz zur Sachlage in dem oben genannten Erkenntnis ist das Abwarten des BF über mehrere Wochen, bevor er beim VMÖ vorstellig wurde, daher als auffallend sorgloses Verhalten zu qualifizieren. Dass der BF einen Freund ersuchte, für ihn Informationen einzuholen, genügt für die Erfüllung der geforderten Sorgfaltspflicht jedenfalls nicht.

Wenn der BF vorbringt, dass die belangte Behörde ignoriert habe, dass der BF in der Folge bei VMÖ und beim BFA Wien den Bescheid nicht ausgehändigt erhalten hätte, so verkennt er, dass sich diese Vorgänge nach eigener Angabe erst nach dem 10.04.2018, somit bereits nach Eintreten der Rechtskraft des Bescheids, zugetragen haben. Für die hier vorliegende Frage des Verschuldens an der Versäumung der Rechtsmittelfrist, war dieses Vorbringen daher nicht relevant.

Die über den Wiedereinsetzungsantrag entscheidende Behörde ist, wie sich aus § 71 Abs. 1 Z 1 AVG ableiten lässt, bei der Entscheidung über den Wiedereinsetzungsantrag gehalten, eine abschließende Beurteilung darüber zu treffen, ob sie das angegebene Ereignis als unabwendbar bewertet und bejahendenfalls, ob den Antragsteller ein Verschulden bzw. nur ein minderer Grad des Versehens trifft, wobei grundsätzlich der Antragsteller verpflichtet ist, initiativ alles vorzutragen, was seiner Entlastung dient (vgl. VwGH 30.05.1995, 95/05/0060).

Die dem BF zuzurechnende verspätete Einbringung seiner Beschwerde gegen die Entscheidung der Erstbehörde in der Hauptsache war als ein über einen geringergradigen Sorgfaltsfehler hinausgehendes Verschulden zu qualifizieren.

Somit handelt es sich nach Beurteilung durch das BVwG bei dem vom BF ins Treffen geführten Vorbringen nicht um ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis im Sinne des § 71 Abs. 1 Z 1 AVG, durch welches er an der Einhaltung der Frist gehindert gewesen war und an dem ihn kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft, weshalb die Beschwerde gegen den Bescheid vom 14.08.2018, mit dem der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand abgewiesen worden war, abzuweisen war.

Die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG in Verbindung mit § 24 VwGVG unterbleiben, da der Sachverhalt auf Grund der Aktenlage und des Inhaltes der Beschwerde geklärt war und Widersprüchlichkeiten in Bezug auf die maßgeblichen Sachverhaltselemente nicht vorlagen. Insbesondere ist zu betonen, dass auf der Sachverhaltsebene keine Fragen offengeblieben sind, sondern diese vielmehr - sowohl aufgrund diverserer Ermittlungstätigkeiten des BFA als auch aus den vom BF vorgelegten Beweismitteln - aus den Verwaltungsakten beantwortet werden konnten. Es wurden keine konkreten Angaben gemacht, die weiter zu überprüfen gewesen wären.

Zu Spruchpunkt II:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.

Schlagworte

Fristversäumung, Hinterlegung, Rechtsmittelfrist, Sorgfaltspflicht,
Verschulden, Wiedereinsetzung, Wiedereinsetzungsantrag

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W217.2204216.2.00

Zuletzt aktualisiert am

07.01.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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