TE OGH 2018/11/27 4Ob157/18v

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Veröffentlicht am 27.11.2018
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr.

 Vogel als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Schwarzenbacher, Hon.-Prof. Dr. Brenn, Dr. Rassi und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der Klägerin Stadtgemeinde H*****, vertreten durch Mag. Rainer Ebert und Mag. Gerhard Holzer, Rechtsanwälte in Hollabrunn, gegen die Beklagte A***** OG, *****, vertreten durch Dr. Johann Etienne Korab, Rechtsanwalt in Wien, wegen Aufkündigung (Streitwert 2.000 EUR), über die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Korneuburg als Berufungsgericht vom 26. Juni 2018, GZ 22 R 11/18z-26, womit das Urteil des Bezirksgerichts Hollabrunn vom 29. Jänner 2018, GZ 2 C 594/17h-21, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die Beklagte ist schuldig, der Klägerin die mit 418,78 EUR (darin enthalten 69,80 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

Die Klägerin als Grundeigentümerin schloss mit der Beklagten im Jahr 2016 einen „Pachtvertrag“ an einem Grundstück samt Superädifikat („Hütterl am Teich“) zum Betrieb eines Gastgewerbes in den Sommermonaten. Das auf unbestimmte Zeit begründete Bestandverhältnis sollte von beiden Teilen unter Einhaltung einer sechsmonatigen Kündigungsfrist zum Ende eines jeden Kalendermonats gekündigt werden können. Unter Einhaltung dieser Frist kündigte die Klägerin den Bestandvertrag zum 31. 10. 2017 gerichtlich auf.

Das Erstgericht erkannte die Aufkündigung für rechtswirksam. Es liege mangels der Qualifikationskriterien für einen Pachtvertrag ein Mietvertrag vor. Auch wenn das MRG für Superädifikate bzw die gegenständliche Fläche analog anzuwenden sei, werde seine Anwendung schon durch die Ausnahmebestimmung des § 1 Abs 2 Z 5 MRG (nicht mehr als zwei Geschäftsräumlichkeiten) ausgeschlossen. Die Berechtigung der Kündigung hänge daher nicht vom Vorliegen eines wichtigen Grundes nach § 30 MRG ab.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, dass die ordentliche Revision mangels höchstgerichtlicher Rechtsprechung zur Frage, unter welchen Voraussetzungen eine analoge Anwendung der Kündigungsschutzbestimmungen auf nach dem 31. 12. 2001 abgeschlossene Mietverhältnisse über „Superädifikats-Freiflächen“ in Betracht komme, zulässig sei.

Die Beklagte beantragt in ihrer Revision, die Kündigung als rechtsunwirksam aufzuheben, die Klägerin beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, die Revision zurückzuweisen bzw ihr nicht Folge zu geben.

Die Revision ist, ungeachtet des – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden – Zulassungsausspruchs des Berufungsgerichts, in Ermangelung von erheblichen Rechtsfragen nicht zulässig.

Rechtliche Beurteilung

1. Die Miete von unbebauten Flächen als solche fällt nicht in den Geltungsbereich des MRG (RIS-Justiz RS0069471, RS0066883).

2.1. Nach ständiger Rechtsprechung sind aufgrund der gleichgelagerten Schutzbedürftigkeit des Mieters auf die Vermietung von Grundstücken zwecks Errichtung eines Superädifikats zu Wohn- oder zu Geschäftszwecken die Kündigungsschutzbestimmungen des MRG analog anzuwenden (RIS-Justiz RS0020986, RS0069454, RS0069261).

2.2. Geschäftsräumlichkeiten sind nach der Rechtsprechung dreidimensional abgeschlossene, geschäftlichen Zwecken dienende Gebilde (RIS-Justiz RS0110398 [T3]; vgl auch RS0069255). Zu 7 Ob 31/06v wurde eine Schirmbar mit Windverglasung als Geschäftsräumlichkeit angesehen.

2.3. Die Vorinstanzen haben daher das im vorliegenden Fall bestehende „Hütterl am Teich“ vertretbar als Geschäftsräumlichkeit beurteilt.

3.1. Der Oberste Gerichtshof hat bereits mehrfach ausgesprochen, dass im Fall der Gleichstellung der Vermietung einer Grundfläche zwecks Errichtung eines Superädifikats zu Wohn- oder Geschäftszwecken mit der Raummiete nach § 1 MRG auch die Ausnahmereglungen des § 1 Abs 2– 4 MRG sinngemäß herangezogen werden müssen (10 Ob 62/11g; vgl zuletzt zu § 1 Abs 2 Z 5 MRG [Vollausnahme für Mietgegenstände in einem Gebäude mit nicht mehr als zwei selbstständigen Wohnungen oder Geschäftsräumlichkeiten] 1 Ob 189/17a).

3.2. Nach den Feststellungen befinden sich auf dem Grundstück das „Hütterl“ und zwei WC-Container, die keine eigene Geschäftsräumlichkeit sind. Die Ausführungen der Revision zu weiteren Superädifikaten gehen nicht von den Feststellungen aus und sind insoweit unzulässige Neuerungen. Die Vorinstanzen sind daher nicht von höchstgerichtlicher Rechtsprechung abgewichen, wenn sie das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen des § 1 Abs 2 Z 5 MRG bejaht haben.

3.3. Der Oberste Gerichtshof hat zu 6 Ob 88/05t ausgesprochen, dass mit der Neufassung des § 1 Abs 4 MRG seit 1. 1. 2002 „Ein- oder Zwei-Objekt-Häuser“ von der Anwendung der Bestimmungen des MRG vollständig ausgenommen sind, derartige Häuser als Superädifikate also wohl nicht mehr den Kündigungsschutz im Sinne der analogen Anwendung des MRG genießen werden. Diese Auffassung wird auch im Schrifttum geteilt (vgl H. Böhm/Prader in GeKo Wohnrecht I § 1 MRG Rz 42; Kletecka, Superädifikate: Haftungsfalle Mietrechtsnovelle 2001, ecolex 2003, 229; generell zur Kritik an der analogen Anwendung des MRG auf die Flächenmiete vgl Vonkilch in immolex 2016, 166; T. Hausmann in Hausmann/Vonkilch, Österreichisches Wohnrecht3 § 1 MRG Rz 54 f; Böhm/Prader, immolex 2017, 112).

4. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.

Textnummer

E123636

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2018:0040OB00157.18V.1127.000

Im RIS seit

07.01.2019

Zuletzt aktualisiert am

24.10.2019
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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