TE OGH 2018/12/6 27Ds4/17w

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Veröffentlicht am 06.12.2018
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Der Oberste Gerichtshof als Disziplinargericht für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter hat am 6. Dezember 2018 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden sowie den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm und die Rechtsanwälte Mag. Vas und Dr. Hausmann als Anwaltsrichter in Anwesenheit der AAss Pelikan als Schriftführerin in der Disziplinarsache gegen *****, Rechtsanwältin in *****, wegen der Disziplinarvergehen der Berufspflichtenverletzung und der Beeinträchtigung von Ehre oder Ansehen des Standes nach § 1 Abs 1 erster und zweiter Fall DSt über den Einspruch der Disziplinarbeschuldigten und über die Berufung gegen das Erkenntnis des Disziplinarrats der Rechtsanwaltskammer Wien vom 23. November 2016, AZ D 213/15, nach öffentlicher mündlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreterin der Generalprokuratur, Oberstaatsanwältin Dr. Schreiber, des Kammeranwalts Dr. Meyenburg, des Verteidigers Dr. Kafka und der Disziplinarbeschuldigten

I. den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Einspruch der Disziplinarbeschuldigten wird zurückgewiesen;

II. zu Recht erkannt:

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Der Disziplinarbeschuldigten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Gründe:

Rechtliche Beurteilung

Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Disziplinarrats der Rechtsanwaltskammer Wien vom 23. November 2016, AZ D 213/15, wurde ***** der Disziplinarvergehen der Berufspflichtenverletzung und der Beeinträchtigung von Ehre oder Ansehen des Standes nach § 1 Abs 1 erster und zweiter Fall DSt schuldig erkannt und hiefür zu einer Geldbuße von 2.000 Euro sowie zur Tragung der Kosten des Disziplinarverfahrens verurteilt.

Nach dem Inhalt des Schuldspruchs hat sie in einem Schreiben vom 30. September 2015 an die Notariatskammer für Wien, Niederösterreich und Burgenland angedroht, bei nicht fristgerechter Stellungnahme bis 9. Oktober 2015 zu von ihr am 2. Juli 2015 und am 20. August 2015 erstatteten Anzeigen wegen standeswidrigen Verhaltens des Notars ***** diese Vorfälle der Öffentlichkeit zugänglich zu machen, um Klienten dieses Notars vor weiteren krass rechtswidrigen Handlungen und Verrechnungen zu schützen und die Öffentlichkeit vor der Notariatskammer für Wien, Niederösterreich und Burgenland zu warnen, da diese das krass rechtswidrige Verhalten des Notars ***** als zulässig betrachtet.

Gegen die Durchführung der mündlichen Disziplinarverhandlung in ihrer Abwesenheit richtet sich der Einspruch der Disziplinarbeschuldigten, während sie das Erkenntnis selbst bloß im Strafausspruch mit Berufung bekämpft.

Gemäß § 25 DSt kann die Verhandlung dann in Abwesenheit der Disziplinarbeschuldigten durchgeführt werden, wenn sie bereits vorher Gelegenheit zur Stellungnahme hatte, ihr die Ladung ordnungsgemäß zugestellt wurde und sie dennoch ohne ausreichende Entschuldigung nicht teilnimmt (vgl Lehner in Engelhart/Hoffmann/Lehner/Rohregger/Vitek, RAO9, § 35 DSt Rz 2).

Fallbezogen äußerte sich ***** mit Schreiben vom 21. Jänner 2016 zum wider sie erhobenen Vorwurf. Die Ladung zur mündlichen Disziplinarverhandlung wurde ihr am 17. Oktober 2016 zugestellt. Mit Schreiben vom 21. November 2016 ersuchte die Disziplinarbeschuldigte, sie für den „anberaumten Verhandlungstermin zu entschuldigen“, weil sie von einer langjährigen Mandantin beauftragt worden sei, „einen Schriftsatz in Zusammenhang mit einem höchst komplexen Sachverhalt“ mit Frist 25. November 2016 zu verfassen.

Wenn die Verhandlung von der Disziplinarbeschuldigten nicht durch ein unabweisbares Hindernis, aber doch wegen eines Umstands versäumt wurde, der auch gewissenhafte Menschen in gleicher Lage vom Erscheinen abgehalten hätte, dann ist der Hinweis auf diesen Umstand als ausreichende Entschuldigung anzusehen (RIS-Justiz RS0057021). So sind beispielsweise die unvorhergesehen lange Dauer einer Streitverhandlung oder die Mitteilung einer Terminkollision mit einer anderen Verhandlung, die wegen des Umfangs und der Schwierigkeit dieser Sache eine persönliche Vertretung erfordere, eine ausreichende Entschuldigung (vgl RIS-Justiz RS0057027).

Mit Blick darauf, dass jedoch weder die Vorlage einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung, aus der kein Grund für eine Verhandlungsunfähigkeit hervorgeht (RIS-Justiz RS0057027) noch die Bekanntgabe einer Verhinderung, weil sich ein Disziplinarbeschuldigter unaufschiebbar geschäftlich im Ausland aufhalte (vgl Lehner in Engelhart/Hoffmann/Lehner/Rohregger/Vitek, RAO9 § 35 DSt Rz 7) als ausreichende Entschuldigung anzusehen sind, kann eine solche in einem unbescheinigten Vorbringen, am Montag, 21. November 2016 mit der Verfassung eines Schriftsatzes bis Freitag, 25. November 2016 beauftragt worden zu sein, für die am Mittwoch, 23. November 2016 anberaumte Verhandlung keinesfalls erblickt werden.

Da die Disziplinarbeschuldigte dementsprechend ohne ausreichende Entschuldigung der Verhandlung fernblieb, jedoch ohnehin Gelegenheit zur Stellungnahme hatte, war der Disziplinarrat gemäß § 35 erster Satz DSt zur Durchführung der Verhandlung in Abwesenheit berechtigt.

Der Einspruch war daher gemäß § 427 Abs 3 StPO iVm § 35 letzter Satz DSt zurückzuweisen.

Mit Berufung wegen des Ausspruchs über die Strafe macht die Rechtsmittelwerberin geltend, dass die emotionale Situation, in der sie sich durch das In-Streit-Ziehen ihrer beiden Söhne durch den Notar Dr. ***** als Mutter befunden habe, nicht als Milderungsgrund angesehen wurde. Eine aus der Sicht der Disziplinarbeschuldigten unberechtigte Klagsführung gegen deren Söhne kann vor dem Hintergrund ihrer jedenfalls gegebenen Berufserfahrung eine standeswidrige emotionale Überreaktion keinesfalls als mildernd erscheinen lassen.

Im Übrigen ging der Disziplinarrat bei der Strafbemessung davon aus, dass die Erfüllung beider Tatbestände des § 1 DSt als erschwerend zu werten war; Milderungsgründe konnten keine festgestellt werden.

In Anbetracht der angenommenen durchschnittlichen Vermögensverhältnisse verhängte der Disziplinarrat daher eine Geldbuße von 2.000 Euro.

Mit der konkret vorgenommenen Bemessung der Geldbuße wurde – obwohl in der Entscheidung nicht angesprochen – auch die überlange Verfahrensdauer ausreichend berücksichtigt, denn aufgrund des erheblichen Gewichts der inkriminierten Disziplinartatbestände, mit der unter anderem die „Bloßstellung“ einer Berufskammer in der Öffentlichkeit angedroht wurde, wäre richtigerweise eine Geldbuße in Höhe von 3.000 Euro angemessen gewesen. Der überlangen dreijährigen Verfahrensdauer wurde mit der um 1.000 Euro reduzierten Geldbuße im Sinne des Milderungsgrundes nach § 34 Abs 2 StGB ausreichend Rechnung getragen, sodass keine Veranlassung für eine Herabsetzung der verhängten Strafe besteht.

Einem bloßen Verweis im Sinn des § 16 Abs 1 Z 1 DSt – wie von der Berufungswerberin angestrebt – steht das als erheblich zu wertende Unrecht der mehrfachen Tatbegehung und das keinesfalls als bloß gering einzustufendes Verschulden der Disziplinarbeschuldigten entgegen.

Der Berufung wegen des Ausspruchs über die Strafe war daher keine Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 54 Abs 5 DSt iVm § 36 Abs 2 DSt.

Textnummer

E123634

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2018:0270DS00004.17W.1206.000

Im RIS seit

04.01.2019

Zuletzt aktualisiert am

07.01.2020
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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