TE Vwgh Erkenntnis 1999/9/16 99/07/0081

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Veröffentlicht am 16.09.1999
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
40/01 Verwaltungsverfahren;
80/04 Wettbewerbsrecht;

Norm

AVG §67a Abs1;
B-VG Art129a Abs1;
SaatG 1997 §42;
SaatG 1997 §43;
SaatG 1997 §72 Abs1;
SaatG 1997 §72 Abs2;
VStG §17;
VStG §18;
VStG §39 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Hargassner, Dr. Bumberger, Dr. Pallitsch und Dr. Beck als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hofmann, über die Beschwerde der F GmbH & Co KG in G, vertreten durch Dr. Johann Postlmayr, Rechtsanwalt in Mattighofen, Stadtplatz 6, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich vom 9. April 1999, Zl. Senat-PL-98-191, betreffend Beschlagnahme, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben.

Der Bund hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 21. September 1998 ordnete die Bezirkshauptmannschaft St. Pölten (BH) gemäß § 42 Abs. 4 des Saatgutgesetzes 1997, BGBl. I Nr. 72/1997, (SaatG 1997), die Beschlagnahme von 15.325 kg undeklariertem Senf ("Industriesenf") der beschwerdeführenden Partei an.

Gegen diesen Bescheid erhob die beschwerdeführende Partei Berufung.

Mit Straferkenntnis vom 18. Dezember 1998 erkannte die BH F.R. einer Verwaltungsübertretung nach dem SaatG 1997 für schuldig (Spruchabschnitt I).

Unter Spruchabschnitt II dieses Straferkenntnisses wurde unter Berufung auf § 72 Abs. 1 Z. 2 SaatG 1997 der mit Bescheid der BH vom 21. September 1998 beschlagnahmte undeklarierte Senf (15.325 kg "Industriesenf") nicht für verfallen erklärt und die Beschlagnahme aufgehoben. Spruchabschnitt II dieses Straferkenntnisses (Aufhebung der Beschlagnahme) blieb unbekämpft.

Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid vom 9. April 1999 gab die belangte Behörde der Berufung der beschwerdeführenden Partei gegen den Bescheid der BH vom 21. September 1998, mit welchem die Beschlagnahme angeordnet worden war, keine Folge und bestätigte den erstinstanzlichen Bescheid.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde geltend gemacht werden.

Die beschwerdeführende Partei bringt vor, die belangte Behörde sei zu einer meritorischen Entscheidung über die Berufung der beschwerdeführenden Partei gegen den Beschlagnahmebescheid der BH nicht mehr zuständig gewesen, da zum Zeitpunkt der Erlassung des nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Berufungsbescheides der mit Berufung bekämpfte erstinstanzliche Beschlagnahmebescheid bereits durch den nachfolgenden Bescheid der BH vom 18. Dezember 1998 aus dem Rechtsbestand eliminiert worden sei.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in der Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Die belangte Behörde vertritt in der Gegenschrift die Auffassung, bei der Entscheidung über eine Berufung gegen eine Beschlagnahme habe die Berufungsbehörde von jenem Sachverhalt auszugehen, wie er sich zum Zeitpunkt der Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides dargestellt habe. Die belangte Behörde habe zu prüfen gehabt, ob die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Beschlagnahme für die Behörde erster Instanz zum Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides dieser Behörde vorgelegen seien oder nicht. Auch wenn die Beschlagnahme bereits vor der Erlassung des Berufungsbescheides wieder aufgehoben worden sei, ändere dies nichts an der Tatsache, dass die Beschlagnahme durch die Behörde erster Instanz zum Zeitpunkt der Erlassung ihres Bescheides rechtmäßig erfolgt sei. Die beschwerdeführende Partei verkenne, dass von der Berufungsbehörde keineswegs auf den Sachverhalt zum Zeitpunkt der Erlassung der Berufungsentscheidung, sondern vielmehr auf jenen zum Zeitpunkt der Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides abzustellen sei. Selbst wenn man aber der Ansicht der beschwerdeführenden Partei folgen wollte, dass die Berufung zurückzuweisen gewesen wäre, könne dies an der rechtlichen Situation der beschwerdeführenden Partei nichts ändern. Die Erlassung eines Beschlagnahmebescheides zähle zum Strafverfahren. Die unabhängigen Verwaltungssenate seien nicht bloß zur Entscheidung über Berufungen gegen Straferkenntnisse zuständig, sondern auch zur Entscheidung über alle bescheidmäßigen Anordnungen, die im Rahmen eines Strafverfahrens getroffen würden, weshalb auch im vorliegenden Fall die Zuständigkeit der belangten Behörde zur Entscheidung über Berufungen gegen den Beschlagnahmebescheid gegeben sei.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach § 66 Abs. 4 AVG hat außer dem in Abs. 2 erwähnten Fall die Berufungsbehörde, sofern die Berufung nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden.

Eine Entscheidung in der Sache kommt nur in Betracht, wenn nicht mit einer Zurückweisung vorzugehen ist.

Wenn die Berufungsbehörde einen im Zeitpunkt der Erlassung ihres Bescheides nicht mehr existenten Bescheid der Unterbehörde aufrecht erhält, anstatt die Berufung infolge Fehlens eines Anfechtungsgegenstandes als unzulässig zurückzuweisen, überschreitet sie die Grenzen ihrer (funktionellen) Zuständigkeit (vgl. die bei Walter-Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2, 1261, unter Nr. 95 wiedergegebene Rechtsprechung).

Im Beschwerdefall wurde der Beschlagnahmebescheid der BH durch dieselbe Behörde noch vor der Erlassung des angefochtenen Bescheides behoben. Selbst wenn die belangte Behörde, wie sie in der Gegenschrift meint, zu einer Entscheidung über die Beschlagnahme überhaupt zuständig gewesen wäre, hätte diese Entscheidung nur in einer Zurückweisung, nicht aber in einer meritorischen Entscheidung bestehen können.

Die belangte Behörde war aber zu einer Entscheidung über die Berufung der beschwerdeführenden Partei gegen den Beschlagnahmebescheid überhaupt nicht zuständig.

Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Beschluss vom 15. Juli 1999, 99/07/0083, auf dessen Begründung gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, dargelegt hat, gehören Beschlagnahme und Verfall nach dem SaatG 1997 nicht zur Kategorie der Verwaltungsstrafsachen und sind, da auch keine sonstige Zuständigkeit der unabhängigen Verwaltungssenate zur Entscheidung in Angelegenheiten einer bescheidmäßig verfügten Beschlagnahme vorliegt, der Zuständigkeit der Unabhängigen Verwaltungssenate und somit auch der belangten Behörde entzogen. Die belangte Behörde war daher unzuständig, über die Berufung der beschwerdeführenden Partei zu entscheiden.

Aus den dargestellten Erwägungen erweist sich der angefochtene Bescheid als rechtswidrig infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 2 VwGG aufzuheben war.

Der Ausspruch über den Kostenersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 16. September 1999

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1999070081.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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