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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AsylG 1997 §32 Abs2;Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 99/20/0249Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Baur, Dr. Nowakowski und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Hohenecker, 1.) über den zu hg. Zl. 99/20/0218 protokollierten Antrag des Bundesministers für Inneres auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung der (zu der hg. Zl. 98/20/0249 protokollierten) Beschwerde gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 17. März 1998, Zl. 202.127/0-VII/19/98, betreffend Asylgewährung (mitbeteiligte Partei: GH; auch HG, geboren am
l. Juli 1957, Wien), 2.) über die Beschwerde des Bundesministers für Inneres gegen diesen Bescheid (hg. Zl. 98/20/0249),
Spruch
I. den Beschluss gefasst:
Gemäß § 46 VwGG wird dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand stattgegeben.
II. zu Recht erkannt:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.
Begründung
Der Mitbeteiligte ist irakischer Staatsangehöriger und reiste am 27. Jänner 1998 in das österreichische Bundesgebiet ein. Am 2. Februar 1998 beantragte er die Gewährung von Asyl. Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 5. März 1998 wurde dieser Antrag gemäß § 4 Abs. 1 des Asylgesetzes 1997, BGBl. I Nr. 76, (AsylG) als unzulässig zurückgewiesen. Der Beschwerdeführer erhob Berufung.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid behob der unabhängige Bundesasylsenat den Bescheid des Bundesasylamtes vom 5. März 1998 unter Bezugnahme auf § 32 Abs. 2 AsylG und verwies die Angelegenheit zur neuerlichen Durchführung des Verfahrens und Erlassung eines Bescheides an das Bundesasylamt zurück. Begründend führte die belangte Behörde aus, die Behörde erster Instanz habe im Zuge ihrer amtswegigen Ermittlungspflicht bzw. ihrer Beweiswürdigung mangelhafte Feststellungen getroffen und es erweise sich die darauf gestützte rechtliche Schlussfolgerung, die Slowakei sei ein sicherer Drittstaat im Sinn des § 4 Abs. 1 AsylG, als rechtswidrig.
Nach Ausweis der Verwaltungsakten wurde dieser Bescheid dem Bundesasylamt am 17. März zugestellt und am gleichen Tag in das "Asylwerberinformationssystem" eingetragen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, am 19. Mai 1998 beim Verwaltungsgerichtshof eingelangte Beschwerde des Bundesministers für Inneres, der eine inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides durch eine diesem zu Grunde liegende Fehlinterpretation des § 4 AsylG geltend macht und die Außerachtlassung fundamentaler Verfahrensgrundsätze rügt.
Die belangte Behörde erstattete dazu eine Gegenschrift, in der sie u.a. vorbrachte, dass am 23. März 1998 beim Bundesasylamt mittels Fax das Schreiben der Bezirkshauptmannschaft Neusiedl/See eingelangt sei, in dem es heiße:
"Die o.a. Person (gemeint: der Mitbeteiligte) ist mit heutigem Tag zu entlassen, da die Zurückschiebung in die Slowakei bis dato nicht durchgeführt werden konnte und bis zum Ablauf der gesetzlichen Schubhaftfrist auch nicht durchgeführt werden kann."
Bei diesem Schreiben der Bezirkshauptmannschaft Neusiedl/See vom 23. März 1998 handle es sich um eine Mitteilung gemäß § 57 Abs. 7 des Fremdengesetzes 1997 (FrG). Dementsprechend sei vom Bundesasylamt folgerichtig auf dem Schreiben vermerkt worden, dass der "Bescheid der ersten Instanz bereits aufgehoben" worden sei. Der Bescheid des Bundesasylamtes vom 5. März 1998 sei - unabhängig von einer Berufung bzw. unabhängig von einer wie auch immer gearteten Entscheidung der belangten Behörde - somit jedenfalls am 23. März 1998 von Gesetzes wegen außer Kraft getreten. Im Hinblick auf die Amtsbeschwerde müsse daher betont werden, dass die Anfechtung, welche auf ein anderes Ergebnis des bekämpften Bescheides - nämlich die Bestätigung des erstinstanzlichen Bescheides - hinziele, schon deswegen jeder Grundlage entbehre. Die Erlassung eines bestätigenden "§ 4-Bescheides" durch die belangte Behörde sei auf Grund der geänderten Sachlage von vornherein ausgeschlossen. Im vorliegenden Fall komme noch hinzu, dass selbst das Bundesasylamt mittlerweile mit Bescheid vom 23. Juli 1998 festgestellt habe, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Asylwerbers in den Irak gemäß § 8 AsylG nicht zulässig sei. Die belangte Behörde beantragte daher die Zurückweisung der Beschwerde als unzulässig. Schließlich machte die belangte Behörde zur Frage der Zulässigkeit der Beschwerde noch geltend, die Beschwerde erweise sich als verspätet. Zur geltend gemachten Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides führte sie schließlich aus, dass die Behörde erster Instanz ihrer Ermittlungspflicht nicht nachgekommen sei und dass die vom beschwerdeführenden Bundesminister geltend gemachten Verfahrensverletzungen nicht vorlägen.
Am 11. Mai 1999 überreichte der beschwerdeführende Bundesminister einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung der Beschwerde gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 17. März 1998.
Der Mitbeteiligte hat sich am verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht beteiligt.
1. Zum Antrag auf Wiedereinsetzung (hg. Zl. 99/20/0218):
Im Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in die Frist zur Erhebung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof bringt der beschwerdeführende Bundesminister vor, am 29. April 1999 sei ihm der zur hg. Zl. 98/20/0283 ergangene Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 25. März 1999 zugestellt worden, nach dessen Begründung die Frist für die Erhebung einer Amtsbeschwerde gemäß § 38 Abs. 5 AsylG in den Fällen der Eintragung des anzufechtenden Bescheides in das "Asylwerberinformationssystem" bereits mit dieser Eintragung beginne. Hievon sei der Antragsteller bisher nicht ausgegangen, weshalb er die zu der hg. Zl. 98/20/0249 protokollierte Beschwerde gegen dn Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 17. März 1998, Zl. 202.127/0-VII/19/98, über die der Verwaltungsgerichtshof bisher nicht entschieden habe, erst am 18. Mai 1998 (richtig: 19. Mai 1999) eingebracht habe. Der angefochtene Bescheid sei ihm vom Bundesasylamt erst am 22. April 1998 mit einem Bericht vorgelegt, aber schon kurz nach seiner Zustellung an das Bundesasylamt am 17. März 1998 in das "Asylwerberinformationssystem" eingetragen worden.
Dem auf diese Begründung gestützten Wiedereinsetzungsantrag war - in dem gemäß § 12 Abs. 4 (in Verbindung mit Abs. 1 Z. 1 lit. e) VwGG gebildeten Fünfersenat - aus den im hg. Beschluss vom 17. Juni 1999, Zl. 99/20/0253, dargestellten Gründen gemäß § 46 Abs. 1 VwGG stattzugeben. Gemäß § 43 Abs. 2 und 9 VwGG wird auf den genannten Beschluss verwiesen.
2. Zur Beschwerde (hg. Zl. 98/20/0249):
Vorauszuschicken ist, dass entgegen der von der belangten Behörde in der Gegenschrift vertretenen Ansicht im oben wiedergegebenen Schreiben der Bezirkshauptmannschaft Neusiedl/See vom 23. März 1998 keine Mitteilung gemäß § 57 Abs. 7 FrG zu erblicken ist, weil aus dem Wortlaut dieses nur auf den Ablauf der Schubhaft abstellenden Schreibens nicht hervorgeht, dass sich die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Mitbeteiligten in den Drittstaat als (überhaupt) nicht möglich erwiesen hat. Damit erübrigt sich ein Eingehen auf die in diesem Zusammenhang angestellten Überlegungen der belangten Behörde zur Unzulässigkeit der vorliegenden Amtsbeschwerde; die Beschwerde erweist sich als zulässig (vgl. dazu auch das hg. Erkenntnis vom 21. Jänner 1999, Zl. 98/20/0304).
Die Beschwerde ist auch berechtigt.
Indem die belangte Behörde davon ausging, ihr stünde im Verfahren nach § 32 AsylG über eine Berufung gegen die Zurückweisung des Asylantrags gemäß § 4 AsylG eine - nicht auf § 66 Abs. 2 AVG gestützte - kassatorische Entscheidungsbefugnis zu, belastete sie ihren Bescheid mit einer Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, die zu seiner Aufhebung führen muss. Dazu und zur Beantwortung der in der Amtsbeschwerde aufgeworfenen Fragen kann gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf das hg. Erkenntnis vom 23. Juli 1998, Zl. 98/20/0175, verwiesen werden.
Aus den dort genannten Erwägungen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 und 7 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.
Wien, am 16. September 1999
Schlagworte
Besondere verfahrensrechtliche Aufgaben der Berufungsbehörde Spruch des Berufungsbescheides Inhalt der Berufungsentscheidung KassationEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1999:1999200218.X00Im RIS seit
04.05.2001