Entscheidungsdatum
19.10.2018Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3Spruch
L511 2182539-2/8E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag.a Sandra Tatjana JICHA als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, StA. Irak, vertreten durch Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Oberösterreich, vom 06.09.2018, XXXX beschlossen:
A)
Der Beschwerde wird stattgegeben und der Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Oberösterreich, vom 06.09.2018, Zahl: 1088741609-151417298 gemäß § 28 Abs. 2 und Abs. 5 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) ersatzlos behoben.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG zulässig.
Text
BEGRÜNDUNG:
I. Verfahrensgang
1.1. Der Beschwerdeführer stellte am 23.09.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.
1.2. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl [BFA] wies diesen Antrag mit Bescheid vom 19.12.2017, Zahl: XXXX, hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I) und gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Irak (Spruchpunkt II) ab. Das BFA erteilte keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG (Spruchpunkt III) und erließ gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs 2 Z 2 FPG (Spruchpunkt IV). Das BFA stellte gemäß § 52 Abs 9 FPG fest, dass die Abschiebung in den Herkunftsstaat Irak gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V) und sprach aus, dass gemäß § 55 Abs 1 bis 3 FPG die Frist für eine freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt (Spruchpunkt VI) (OZ 3).
1.3. Der Beschwerdeführer hat gegen diesen Bescheid Beschwerde erhoben und das Beschwerdeverfahren ist unter der GZ G307 2182539-1 beim Bundesverwaltungsgericht anhängig.
2. Mit dem verfahrensgegenständlichen Bescheid änderte das BFA den Bescheid vom 19.12.2017 gemäß § 68 Abs. 2 AVG dergestalt ab, dass gegen den Beschwerdeführer erneut gemäß § 10 Abs. 1 Z3 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs 2 Z 2 FPG erlassen wurde (Spruchpunkt I). Das BFA stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG erneut fest, dass die Abschiebung in den Herkunftsstaat Irak gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt II) und sprach aus, dass der Beschwerdeführer gemäß § 13 Abs. 2 Z1 AsylG das Recht zum Aufenthalt im Bundesgebiet ab dem 12.06.2018 verloren habe (Spruchpunkt III). Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z1 FPG werde gegen den Beschwerdeführer ein auf die Dauer von 8 Jahren befristetes [sic!] (Spruchpunkt IV). Einer Beschwerde gegen diese Entscheidung werde gemäß § 18 Abs. 1 Z2 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt V). Eine Frist für eine freiwillige Ausreise bestehe gemäß § 55 Abs. 1a FPG nicht (Spruchpunkt VI)(AZ 137-291).
2.1. Der Beschwerdeführer hat gegen den am 13.09.2018 zugestellten Bescheid (AZ 313) am 04.10.2018 fristgerecht Beschwerde erhoben (AS 345-353).
3. Die gegenständliche Beschwerde samt durchnummeriertem Verwaltungsakten des BFA langte am 16.10.2018 beim Bundesverwaltungsgericht, Außenstelle Linz, ein (Ordnungszahl des hg Gerichtsaktes [im Folgenden:] OZ 1 (AS 1-357]).
II. zu A) Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. entscheidungswesentliche Feststellungen
1.1. Mit ursprünglichen Bescheid vom 19.12.2017 wurde über die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten, über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten und über einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen negativ abgesprochen. Die Abschiebung in den Irak wurde für zulässig erklärt und gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung mit einer Frist zur Ausreise von 14 Tagen ab Rechtskraft erlassen.
1.2. Das Beschwerdeverfahren über die Beschwerde gegen diesen Bescheid ist zum derzeitigen Zeitpunkt noch beim Bundesverwaltungsgericht anhängig, und somit nicht in Rechtskraft erwachsen.
1.3. Mit dem angefochtenen Abänderungsbescheid wurde dem Beschwerdeführer zusätzlich das Recht zum Aufenthalt im Bundesgebiet entzogen, gegen ihn ein auf die Dauer von 8 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen, sowie der sofortige Vollzug der Rückkehrentscheidung durch den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung ermöglicht.
2. Beweisaufnahme und Beweiswürdigung
2.1. Die Beweisaufnahme erfolgte durch Einsicht in die dem Bundesverwaltungsgericht vorliegenden Auszüge aus dem Verwaltungsverfahrensakt, aus denen sich auch der unter I. dargelegte Verfahrensgang ergibt (OZ 1).
3. Rechtliche Beurteilung
3.1. Anzuwendendes Verfahrensrecht
3.1.1. Die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes und die Entscheidung durch eine Einzelrichterin ergibt sich aus § 6 BVwGG iVm §7 BFA-VG und dem AsylG 2005.
3.1.2. Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) geregelt (§ 1 VwGVG). Soweit im VwGVG nicht anderes bestimmt ist, ist auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art 130 Abs 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl Nr 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl Nr 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl Nr 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte (§ 17 VwGVG), wobei entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des VwGVG bereits kundgemacht wurden, in Kraft bleiben (§ 58 Abs. 2 VwGVG).
3.1.3. Die Beschwerde ist rechtzeitig und auch sonst zulässig.
3.2. zur ersatzlosen Behebung des bekämpften Bescheides
3.2.1. Gemäß § 68 Abs. 2 AVG können von Amts wegen Bescheide, aus denen niemandem ein Recht erwachsen ist, sowohl von der Behörde, die den Bescheid erlassen hat, als auch in Ausübung des Aufsichtsrechtes von der sachlich in Betracht kommenden Oberbehörde aufgehoben oder abgeändert werden.
Belastende Abänderungen von der Berufung nicht (mehr) unterliegenden Bescheiden können nicht auf § 68 Abs. 2 AVG gestützt werden (vgl VwGH 27. 5. 2014, 2011/10/0197, auch dann nicht, wenn es sich um Bescheide handelt, aus denen niemandem (ieS [Rz 82]) ein Recht erwachsen ist (Hengstschläger/Leeb, AVG § 68(Stand 1.3.2018, rdb.at) Rz81 mwN). Aus einem Bescheid, mit dem im Einparteienverfahren das Begehren der Partei abgewiesen oder zurückgewiesen, ihr ein Recht aberkannt oder eine Verpflichtung auferlegt wird erwächst niemandem ein Recht iSd § 68 Abs. 2 AVG. Wesentlich ist dabei, dass die durch einen rechtskräftigen Bescheid begründete Rechtsstellung einer Partei durch seine Aufhebung (Abänderung) nicht verschlechtert werden darf. Die Aufhebung oder Abänderung eines rechtskräftigen Bescheides nach § 68 Abs. 2 AVG ist somit nach ständiger Rechtsprechung des VwGH dann gesetzwidrig, wenn hiedurch die Lage der Partei ungünstiger als durch den aufgehobenen bzw abgeänderten Bescheid gestaltet wird (VwGH 20.03.1996, 1995/21/0369 mwN).
3.2.2. Ausgehend von dieser Rechtslage erweist sich der angefochtene Bescheid als rechtswidrig.
3.2.3. Dem Beschwerdeführer wurde mit dem angefochtenen Abänderungsbescheid das Recht zum Aufenthalt im Bundesgebiet entzogen, gegen ihn ein auf die Dauer von 8 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen, sowie der sofortige Vollzug der Abschiebung durch den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung ermöglicht.
3.2.4. Dies stellt in Bezug auf die im ursprünglichen Bescheid bereits bestehende aber mangels Rechtskraft nicht vollziehbare Rückkehrentscheidung zweifellos eine Verschlechterung seiner Rechtsstellung im offenen Beschwerdeverfahren dar, zumal der Abänderungsbescheid nunmehr eine sofortige Abschiebung während eines offenen Asylverfahrens ermöglichen würde.
3.2.5. Damit ergibt sich aber für den Beschwerdeführer eine weitaus ungünstigere Rechtslage als durch den ursprünglichen Bescheid, was einen Abänderungsbescheid gemäß § 68 Abs. 2 AVG unzulässig macht (vgl. VwGH 09.09.2016, 2013/12/0196 mwN), weshalb der bekämpfte Bescheid spruchgemäß aufzuheben ist.
4. Entfall der mündlichen Verhandlung
Eine Verhandlung kann entfallen, wenn der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist, oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist (§ 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG). Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist kann das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, [EMRK] noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 [GRC] entgegenstehen (§ 24 Abs.4 VwGVG).
Aufgrund der Behebung des angefochtenen Bescheides konnte eine Verhandlung gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG entfallen.
III. ad B) Unzulässigkeit der Revision
Das Verwaltungsgericht hat im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Dieser Ausspruch ist zu begründen (§ 25a Abs. 1 VwGG). Die Revision ist (mit einer hier nicht zum Tragen kommenden Ausnahme) zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird (Art. 133 Abs. 4 B-VG).
Die gegenständliche Entscheidung stützt sich auf eine umfangreiche und einheitliche Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 68 Abs. 2 AVG und weicht von dieser auch nicht ab. Zum Verbot der Verschlechterung vgl. VwGH 09.09.2016, 2013/12/0196; 27.05.2014, 2011/10/0197; 24.02.2005, 2004/11/0215 jeweils mwN. Der Entfall der mündlichen Verhandlung ergibt sich unmittelbar aus dem Gesetz und es ergeben sich auch keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage, so dass insgesamt die Voraussetzungen für die Zulässigkeit einer Revision gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht vorliegen
Schlagworte
Abänderung eines Bescheides, Behebung der Entscheidung, ersatzloseEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2018:L511.2182539.2.00Zuletzt aktualisiert am
03.01.2019