Entscheidungsdatum
29.10.2018Norm
AsylG 2005 §3 Abs1Spruch
L511 2160587-1/18E
Schriftliche Ausfertigung des am 08.10.2018 mündlich verkündeten Erkenntnisses
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag.a Sandra Tatjana JICHA als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXXStA. Irak, vertreten durch RA Dr. WAGENEDER, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, XXXX vom 05.05.2017, XXXX, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 08.10.2018 zu Recht erkannt:
A)
Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 der Status des Asylberechtigten zuerkannt.
Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass XXXXdamit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang
1.1. Der Beschwerdeführer stellte am 26.09.2015 den verfahrensgegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz. (Aktenseite des Verwaltungsverfahrensaktes [im Folgenden: AS] 1, 7). Zu diesem wurde er am 27.09.2015 durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes erstbefragt (AS 1-11) und nach Zulassung des Verfahrens am 29.03.2017 beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Außenstelle Linz / Oberösterreich [BFA] niederschriftlich einvernommen (AS 53-60).
1.2. Das BFA wies mit im Spruch bezeichneten Bescheid den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 26.09.2015 gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 [AsylG] hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I) ab. Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG wurde dem Beschwerdeführer der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II) und gemäß § 8 Abs. 4 AsylG eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 05.05.2018 erteilt (Spruchpunkt III) (AS 171-237).
Mit Verfahrensanordnung vom 08.05.2017 wurde dem Beschwerdeführer vom BFA § 52 Abs. 1 BFA-VG für das Beschwerdeverfahren amtswegig eine juristische Person als Rechtsberater zur Seite gestellt (AS 169).
1.3. Der Beschwerdeführer hat gegen den am 12.05.2017 zugestellten Bescheid (AZ 243) am 23.05.2017 fristgerecht Beschwerde gegen Spruchpunkt I erhoben (AS 247-269).
1.4. Die belangte Behörde legte am 31.05.2017 dem Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde samt durchnummeriertem Verwaltungsakt vor (Ordnungszahl des hg Gerichtsaktes [im Folgenden:] OZ 1 (AS 1-269]).
2. Mit Bescheid vom 06.06.2018 wurde die aus dem Subsidiären Schutz resultierende Aufenthaltsberechtigung des Beschwerdeführers gemäß § 8 Abs. 4 AsylG bis 05.05.2020 verlängert (OZ 15).
3. Am 06.07.2018 langte beim BVwG ein Fristsetzungsantrag des Beschwerdeführers ein (Ordnungszahl des Gerichtsaktes [im Folgenden:] OZ 4).
3.1.1. Mit verfahrensleitender Anordnung des Verwaltungsgerichtshofes vom 31.08.2018, Fr2018/18/0028-2, beim BVwG eingelangt am 06.09.2018, wurde der Fristsetzungsantrag dem BVwG gemäß § 38 Abs. 4 VwGG mit der Aufforderung zugestellt, binnen drei Monaten die Entscheidung (Erkenntnis/Beschluss) zu erlassen und eine Ausfertigung, Abschrift oder Kopie des selben, sowie eine Kopie des Nachweises über die Zustellung der Entscheidung (Erkenntnis/Beschluss) an die antragstellende Partei, dem Verwaltungsgerichtshof vorzulegen, oder anzugeben, warum eine Verletzung der Entscheidungspflicht nicht vorliege (OZ 8).
4. Das Bundesverwaltungsgericht hielt unter Beiziehung eines Dolmetschers für die Sprache Arabisch am 18.09.2018 und am 08.10.2018 eine mündliche Verhandlung ab, an der alle Verfahrensparteien teilnahmen (OZ 10, 16).
II. zu A) Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. entscheidungswesentliche Feststellungen
1.1. Der Beschwerdeführer führt den im Spruch angeführten Namen, ist 1984 geboren und Staatsangehöriger des Irak. Er stammt aus Nineveh (dt. Mossul, eng. Mosul), wo er bis zu seiner Ausreise auch gelebt hat. Er gehört der arabischen Volksgruppe und der sunnitischen Religionsgemeinschaft an, ist verheiratet und hat drei minderjährige Kinder. Der Beschwerdeführer verließ seinen Herkunftsstaat am 09.09.2015 illegal über die Türkei, reiste am 26.09.2015 in Österreich illegal ein und stellte am selben Tag den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz (AS 1, 56, OZ 10 S12-14).
1.2. Der Beschwerdeführer verfügt über eine Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG bis 05.05.2020. Der eingeholte Auszug aus dem Strafregister der Republik Österreich weist keine Einträge auf. Ein Rückkehrverbot gegen ihn wurde nicht erlassen (OZ 9, 15).
1.3. Der Beschwerdeführer erstattete chronologisch zusammengefasst folgendes Vorbringen, welches für glaubwürdig erachtet und der rechtlichen Begründung zu Grunde gelegt wird:
XXXX
XXXX
XXXX.
XXXX
XXXX
Vor einer Rückkehr nach Mossul habe er aus mehreren Gründen Angst. Zunächst sei sein Name XXXX ein großes Problem, weil es ihn klar als Sunniten auszeichne. Dies sei insofern ein Problem, weil die Milizen mehrheitlich schiitisch seien und diese bei der Rückeroberung gegen Sunniten grausam vorgegangen seien. Als XXXX, der noch dazu ein Jahr unter der IS-Herrschaft in Mossul gelebt habe, befürchte er als Terrorist verdächtigt zu werden. Darüber hinaus würden auch die Milizen in den Amerikanern ihre Feinde sehen und gegen Leute vorgehen, die mit Amerikanern zusammengearbeitet haben. Zusätzlich seien auch immer noch IS-Kämpfer im Untergrund aktiv. Beide, die verbliebenen IS-Kämpfer, sowie die Milizen würden für Geld entführen und töten und das irakische Militär sei insbesondere auch gegenüber den Milizen machtlos. Erschwerend käme hinzu, dass er jederzeit von Nachbarn denunziert werden könne, im Hinblick auf seine Tätigkeit für den XXXX und seiner Anwesenheit in Mossul unter dem IS (Bsw 5-6, OZ 10 S9, 15-16; OZ 16 S8).
1.4. Dem Bundesverwaltungsgericht stehen keine neueren Länderinformationsquellen zur Verfügung als dem BFA zum Zeitpunkt der Verlängerung der Aufenthaltsberechtigung im Rahmen des subsidiären Schutzes am 06.06.2018. Aufgrund dieser Länderinformationsquellen werden folgende Feststellungen getroffen:
Die Sicherheitslage im Irak hat sich nach der dramatischen Verschlechterung (vor allem durch den Vormarsch des IS ab Mitte 2014) in den Jahren 2015 und 2016 (mit Ausnahme von einigen vom IS zurückeroberten Gebieten) nicht verbessert. Es herrschen weiterhin Langzeit-Instabilität und Gewalt an mehreren Fronten gleichzeitig. Die territoriale Zurückdrängung des IS im Laufe des Jahres 2016 hat die Zahl der terroristischen Anschläge in den genannten Provinzen nicht wesentlich verringert, in manchen Fällen hat sie sogar eine asymmetrische Kriegführung des IS mit verstärkten terroristischen Aktivitäten provoziert. Schwerpunkte terroristischer Aktivitäten bleiben Bagdad sowie die Provinzen Anbar, Ninewah, Salahuddin und Dialah im Norden und Westen des Landes. [LIB S55 mN] Übergriffe auf Zivilisten, bzw. auf mutmaßliche IS-Kollaborateure oder deren Angehörige sind nicht nur durch die Hashd, sondern auch durch die Armee belegt, nicht nur in Mossul, sondern auch in den umliegenden Flüchtlingslagern. [LIBS57 mN] Neben den sicherheitsrelevanten Handlungen des IS wird auch von Gewalttaten gegen Zivilisten von Seiten der irakischen Sicherheitskräfte und Milizen berichtet. Die Milizen sind ein wichtiger Teil der Offensiven gegen den IS, gleichzeitig sind sie jedoch stark religiös/konfessionell motiviert, und es gibt zahlreiche Berichte über Racheakte insbesondere an der sunnitischen Bevölkerung (s. dazu ausführlich die Abschnitte zur Menschenrechtslage sowie den Abschnitt zu IDPs). Allgemein ergeben sich zunehmende Spannungen dadurch, dass die (vorwiegend) schiitischen Milizen der PMF zunehmend an Macht und Terrain gewinnen. Im Norden Iraks nimmt das Gebiet, das die Milizen im Zuge der Mossul-Rückeroberungsoffensive unter ihrer Kontrolle haben, stark zu. [LIBS37, S55 mN]
Mossul steht seit der Rückeroberung vom IS, den Quellen zufolge, unter der Kontrolle der irakischen Regierung bzw. der irakischen Sicherheitskräfte und Stammesmilizen und Milizen der Popular Mobilization Forces (PMF) [ABmos S2]. Die Sicherheitslage in Mossul sei zum Berichtszeitpunkt überaus fragil [orig. exceedingly fragile, Anm.], was durch die Präsenz der schiitischen PMF noch verstärkt wird. Nach dem militärischen Sieg über den IS leiden die Stabilisierungsbemühungen unter fehlender Koordination zwischen den Einheiten, die zur Absicherung Mossuls beitragen.
Verantwortlichkeiten wie das betreiben von Checkpoints, die Verfolgung von IS-Schläferzellen, die Untersuchung von kriminellen Netzwerken und die Inhaftierung von Kriminellen fallen nun an eine bunte Mischung von Untergruppierungen. Die Organisationen sind den Ministerien, denen sie angehören, loyal. Es wird angenommen, dass die PMF stark durch das Innenministerium beeinflusst sind, welches von der pro-iranischen Badr-Organisation dominiert wird. Die Organisationen des Innenministeriums zeigen sich unwillig mit den Sicherheitskräften des Verteidigungsministeriums zu kooperieren. Zudem gäbe es noch tiefgehende ideologische Klüfte innerhalb der PMF, die verschiedenen (teilweise gegnerischen) politischen und geistlichen Anführern loyal sind. Dies bedeutet, dass die Koordinierung zwischen und innerhalb der PMF und der Sicherheitsorganisationen schwierig und teilweise nicht existent ist. Trotz einer Truppeneinteilung, die die PMF nominell unter die Kontrolle der irakischen Armee stellt, deuteten manche leitenden Sicherheitsleute an, wenig Einfluss über die Handlungen der PMF zu haben. [ABmos S5]
Zuvor waren 25 IS-Kämpfer mit gefälschten Ausweisen südöstlich von Mossul in den Distrikten Sumar, al-Salam und al-Sahiroun festgenommen worden. Es gab außerdem Berichte, dass sechs von 20 Kämpfern, die Mossul infiltriert hatten, im Südosten von Mossul getötet wurden. [ABmos S8] Am Schlimmsten ist Mossul betroffen: Die U.N. schätzt, dass 40.000 Heime wieder aufgebaut oder repariert werden müssen und etwa 600.000 Bewohner noch nicht in die Stadt zurück kehren konnten. Korruption und die konfessionelle Spaltung erschweren die Situation zusätzlich. Die Gebiete, die die meiste Zerstörung erlebt haben sind großteils sunnitisch, während die Regierung in Bagdad schiitisch dominiert ist. [ABmos S9]
Kurdistan 24 schreibt, dass drei Anwälte in der Provinz Ninawa getötet wurden, wobei die Angreifer vermutlich Verbindungen zum IS hatten. Der Angriff fand auf einer Hauptstraße statt, die die Stadt Mossul mit Hammam al-Alil verbindet. Die Opfer bearbeiteten Fälle vor Gericht, die im Zusammenhang mit Terrorismus standen, insbesondere mit Verbrechen von IS-Mitgliedern oder Sympathisanten. Keine Gruppe hatte zum Berichtszeitpunkt den Angriff für sich beansprucht. Die Kämpfer töteten außerdem drei Mitglieder der örtlichen Polizei. Die Woche zuvor wurden neun Mitglieder des IS während einer Operation in Mossul festgenommen. wurden neun Mitglieder des IS während einer Operation in Mossul festgenommen. Der IS führt weiterhin sporadische Angriffe im Irak durch. [ABmos S12]
Außerdem wurden 20 IS-Mitglieder in einer Operation in West-Mossul festgenommen. Experten der U.N. sagten, dass es "viele Jahre" dauern könnte um die Explosiva zu entfernen. Während in vielen Teilen des Landes staatliche Stellen von Korruption und Misswirtschaft gezeichnet sind, sehen viele Bewohner Mossuls das Versagen in der Wiederherstellung der grundlegendsten Strukturen in der sunnitischen Stadt als Beweis für etwas, das noch mehr Schaden erzeugt. Der Aussage eines Bewohners zufolge liegt der Grund dieses Versagens im Konfessionalismus. Er beschreibt wie die Stadt Tal Afar, die eine große schiitische Population aufweist, gleich wieder aufgebaut wurde. Abgesehen von der großen Anzahl an Sprengkörpern ist die Stadt Mossul relativ sicher -die IS-Kämpfer, die die Stadt kontrollierten sind beinahe alle tot. Die lokale Polizei wurde jedoch noch nicht in Mossul eingesetzt. Stattdessen bemannen paramilitärische Kämpfer aus dem Südirak die mit schiitischen Flaggen markierten Checkpoints. Die Kämpfer sagen, sie seien seit Monaten nicht bezahlt worden. Die Bewohner tolerieren sie, beschuldigen sie aber Häuser auszuplündern und sogar die Kupferdrähte aus den Stromkabeln zu stehlen, um sie zu verkaufen. [ABmos S15]
Die irakische Armee hat wenig Einfluss über die Handlungen der PMF [Milizen] und speziell in Mossul ist die Sicherheitslage überaus fragil, was durch die Präsenz der schiitischen PMF noch verstärkt werde. Die Milizen sind stark religiös/konfessionell motiviert, und es gebe zahlreiche Berichte über Racheakte insbesondere an der sunnitischen Bevölkerung. Im Jahr 2017 waren auch Übergriffe auf Zivilisten, bzw. auf mutmaßliche IS-Kollaborateure oder deren Angehörige nicht nur durch die Hashd [Milizen], sondern auch durch die Armee belegt. Verschiedene Auskunftspersonen berichteten den von Landinfo und Lifos [die länderkundliche Rechercheeinheit der schwedischen Asylbehörden] interviewten Rechercheuren, dass die Milizen als "unantastbar" gesehen werden, und dass weder die Polizei, noch eine andere Behörde sie davon abhalten könnten, Verbrechen zu begehen. Ein irakischer Politiker, den Landinfo und Lifos in Bagdad interviewte, gab an, dass bei den meisten Übergriffen, die von Milizen in Bagdad ausgeübt werden, die Opfer Sunniten sind. Der Politiker gab weiters an, dass die PMF die Möglichkeit haben, in jede Privatwohnung einzudringen, sogar in die Wohnung von Parlamentsmitgliedern. Er meint, dass nicht einmal Premierminister Haider al-Abadi diese stoppen könne. Dass die Milizen im Irak - auch in Bagdad - Menschen in ihren Wohnhäusern festnehmen, wurde auch von Amnesty International (AI) berichtet. Laut Amnesty International und Reuters beitreiben Milizen eigene Haftanstalten, in denen Folterungen und Misshandlungen stattfinden, ohne dass es zur Einmischung von Seiten der Behörden kommt (LIB S37, 57; ABmos S2, S5, ABmiliz S2, 6).
Zu Mitarbeitern amerikanischer NGOs führt eine diesbezügliche Anfragebeantwortung (a-9910-1) aus dem Jahr 2016 aus, dass insbesondere bis zum Jahr 2011, dem Truppenabzug der Amerikaner, Personen, die für die von den USA angeführte Koalition, Zivilisten die für ausländische NGOs oder internationale Firmen gearbeitet hätten, Opfer von Misshandlungen durch Milizen, darunter auch schiitische Milizen, geworden seien. 2016 sei die Gefahr für diesen Personenkreis, insbesondere für irakische Soldaten, vom IS ausgegangen (a-9910-1 S2). Einige schiitische Anführer haben auch vor der Befreiung Mossuls angegeben, diesen Kampf ohne die Amerikaner führen zu wollen und US-Personal weiter zu bekämpfen ["es dürste sie nach dem Blut der Amerikaner"] (a-9910-1 S7-8). Der Bericht des Auswärtigen Amtes vom 12.02.2018 hält fest, dass Zivilisten, die für internationale Regierungs- und Nichtregierungsorganisationen oder ausländische Unternehmen arbeiten sowie medizinisches Personal werden nach wie vor immer wieder Ziel von Entführungen oder Anschlägen werden (AA18 S16).
Zur Lage der Sunniten hält der aktuellste (noch nicht im LIB eingearbeitete) Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak des Deutschen Auswärtigen Amtes vom 12.02.1018 (Stand: Dezember 2017) auf Seite 16 fest, dass ua Intellektuelle eine besonders gefährdete Gruppe seien. Zudem heißt es dort, die arabisch-sunnitische Minderheit, die über Jahrhunderte die Führungsschicht des Landes gebildet habe, sei nach Entmachtung Saddam Husseins 2003 aus öffentlichen Positionen gedrängt worden. Oftmals würden Sunniten einzig aufgrund ihrer Glaubensrichtung als IS-Sympathisanten stigmatisiert oder gar strafrechtlich verfolgt. Zwangsmaßnahmen und Vertreibungen aus ihren Heimatorten richteten sich 2017 vermehrt auch gegen unbeteiligte Familienangehörige vermeintlicher IS-Anhänger. Aus einer diesbezüglichen Anfragebeantwortung (ABnam) hervor, dass XXXX ein besonders riskanter Name sei. Viele würden versuchen ihre Namen zu ändern, was das Innenministerium veranlasst habe, dass nur mehr der Name "Saddam" geändert werden könne. Diskriminierung von sunnitischen Bewohnern und Flüchtlingen sei "ein sehr großes Problem". Es komme zu Misshandlungen an Checkpoints. Es habe auch Fälle gegeben, wo junge Männer mit sunnitischen Namen unter dem Vorwand eines Sicherheitschecks festgenommen worden seien und in der Folge verschwunden seien (ABnam S2-6). Insbesondere in der Anfragebeantwortung zur Quellenaufschlüsselung im LIB (ABlib) werden seitens der Staatendokumentation all jene Quellen im Detail zitiert, welche der Feststellung im LIB, dass es in Gebieten, die vom IS zurückerobert wurden, zu Massenvergeltungsmaßnahmen an sunnitisch-arabischen und turkmenischen Einwohnern und Rückkehrern aufgrund ihrer tatsächlichen oder vermuteten Verbindung zum IS komme, zu Grunde liegen (ABlib S3-8).
2. Beweisaufnahme und Beweiswürdigung
2.1. Die Beweisaufnahme erfolgt durch:
2.1.1. Einsicht in den dem Bundesverwaltungsgericht vorliegenden Verwaltungsverfahrensakt (OZ 1) beinhaltend insbesondere die Erstbefragung, die Niederschrift(en), den Bescheid und die Beschwerde, sowie insbesondere in folgende vorgelegte Unterlagen und Dokumente
* Identitätsdokumente: Irakischer Reisepass (AS 143-155) samt Untersuchungsergebnis, Personalausweis (wurde vorgelegt, aber keine Kopie im Akt, AS 13)
* Führerschein (wurde vorgelegt, aber keine Kopie im Akt, AS 13).
* Universitätsabschluss samt Übersetzung (AS 13, 139, 141)
* Arbeitsverhältnisse: Arbeitsausweis (AS 75); Arbeitsverträge (AS 101-109, 121-123), Fotos (AS87-91);
* Personenstandsurkunden: Heiratsurkunde samt Übersetzung (AS 135-137); Sterbeurkunden Verwandte (AS 131-133), Geburtsurkunde Sohn (AS 129)
2.1.2. Einsicht in das Zentrale Melderegister (ZMR), das Strafregister der Republik Österreich (SA, SC), das Informationsverbundsystem Zentrales Fremdenregister des Bundesministeriums für Inneres (IZR), sowie das Betreuungsinformationssystem über die Gewährleistung der vorübergehenden Grundversorgung für hilfs- und schutzbedürftige Fremde in Österreich (GVS) (OZ 9).
2.1.3. Einsicht in folgende länderspezifische Berichte
* Staatendokumentation Länderinformationsblatt Irak, 24.08.2017 aktualisiert 18.05.2018 [LIB]
* Staatendokumentation Anfragebeantwortung zum Irak: Sicherheitslage Mossul, Hammam al-Alil, Übergriffe auf Sunniten und Rückkehrer, 23.04.2018 [ABmos]
* ACCORD Anfragebeantwortung zum Irak: Lage von Personen, die für NGOs und/oder amerikanische Organisationen gearbeitet haben; Bedrohung durch schiitische Milizen; aktuelle Aktivitäten der schiitischen Milizen im Land, insbesondere Saraya al-Salam, 17.11.2016 [a-9910-1]
* ACCORD Anfragebeantwortung zum Irak: Lage von (sunnitischen) Rückkehrern in vom IS befreiten und von schiitischen Milizen kontrollierten Gebieten, 27.03.2017 [a-10081]
* Staatendokumentation Anfragebeantwortung zum Irak:
Quellenaufschlüsselung LIB Irak vom 24.8.2017, 30.04.2018 [ABlib]
* Staatendokumentation Anfragebeantwortung zum Irak: Verfolgung aufgrund eines sunnitischen Namens, 07.05.2018 [ABnam]
* Staatendokumentation Anfragebeantwortung zum Irak: Von schiitischen Milizen dominierte Gebiete (Ergänzung zum LIB), 04.01.2018 [ABmiliz]
* Dt. Auswärtiges Amt: Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak (Stand: Dezember 2017), 12.02.2018 [AA18]
* Staatendokumentation Anfragebeantwortung zum Irak: Lage der Sunniten in Basra, Sunniten aus dem Süden in Mossul, 12.09.2018 [OZ 16/H]
2.2. Beweiswürdigung
2.2.1. Die Feststellungen zur Identität und Herkunft des Beschwerdeführers, seiner Religionszugehörigkeit, seinem Familienstand und seiner Ausreise (Punkt 1.1.) ergeben sich aus den diesbezüglich nicht anzuzweifelnden Angaben im Verfahren (AS 1, 56, OZ 10 S12-14), welche durch (teilweise im Original) vorgelegte Dokumente gestützt werden (AS 13, 129-155). Der Reisepass (AS 145-155) des Beschwerdeführers wurde bereits im erstinstanzlichen Verfahren einer kriminaltechnischen Untersuchung unterzogen und als authentisch bewertet (AS 143).
2.2.2. Das Bundesverwaltungsgericht erachtet das in sich schlüssige und widerspruchsfreie Vorbringen des Beschwerdeführers zu seinem Fluchtgrund und seiner Rückkehrbefürchtung (Punkt 1.3) als glaubwürdig, da der Beschwerdeführer dieses im gesamten Verfahren stringent vorbrachte (AS 9, 57-59, OZ 10, OZ 16). Der mündliche Vortrag des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung war von sich aus derart detailreich und von umfassendem Wissen geprägt, was das Bundesverwaltungsgericht von der Glaubhaftigkeit des Vorbringens des Beschwerdeführers überzeugte. Der Beschwerdeführer war in seinem Redefluss kaum einbremsbar, war aber nach jeder nachfragenden Unterbrechung der Richterin in der Lage, an jeder Stelle seiner Schilderung der Vorgänge das Vorbringen wiederaufzunehmen, wie dies bei selbst erlebtem zu erwarten ist. Hinzu kommt, dass das vorgelegte Abschlusszeugnis, die Arbeitsverträge und -ausweise sowie die Fotos - welche allesamt auch vom BFA nicht in Zweifel gezogen wurden - mit dem Vorbringen im Einklang stehen und dieses somit zusätzlich stützen (AS 141, 75, 87-91, 101-109, 121-123). Für die Glaubhaftigkeit spricht auch, dass der Beschwerdeführer auch für ihn nicht Vorteilhaftes offen erzählt hat, etwa dass weder seine noch die Familienmitglieder seiner Frau zum derzeitigen Zeitpunkt größere Probleme auf Grund ihrer Religionszugehörigkeit hätten.
2.2.2.1. Das BVwG vermag darüber hinaus die vom BFA im Bescheid herangezogenen - und in der Verhandlung aufrecht erhaltenen (OZ 16 S4) - Argumente zur Begründung der Unglaubwürdigkeit des Beschwerdeführers nicht zu teilen. So ging das BFA in seinem Bescheid davon aus, dass es sich bei der Schilderung der Bürostürmung und der Entführung des Direktors von XXXX um ein gesteigertes Vorbringen gegenüber der Erstbefragung handelte (Bescheid S56-57). Dies vermag nicht geteilt werden, da es sich dabei zweifellos im Kern um das Vorbringen handelt, "ich bekam Angst, dass die IS-Kämpfer in Erfahrung bringen könnten, dass ich für die Organisation gearbeitet habe" (AS 9). Dass dieses in der Einvernahme, detaillierter ausfällt liegt bereits in der Natur der Sache. Dass der Beschwerdeführer im Jahr 2015 seinen Aussagen nach bei der Erstbefragung angehalten wurde, seine Fluchtgründe nur kurz zu schildern (AS 59), ist vor dem Hintergrund der großen Anzahl an Anträgen auf internationalen Schutz im Jahr 2015 auch durchaus vorstellbar.
Soweit das BFA festhielt, dass das Vorbringen von schiitischen Milizen Bedrohung zu befürchten in der Erstbefragung nicht vorkam, so teilt das Bundesverwaltungsgericht die diesbezüglichen Aussagen des Beschwerdeführers (OZ 10 S6, Bsw S3), dass die Situation in Mossul bei der Erstbefragung im Jahr 2015 eine völlig andere war, als jene im März 2017, wo bereits ein Teil der Stadt durch schiitische Milizen vom IS rückerobert worden war.
Das BFA hielt dem Beschwerdeführer auch vor, er habe in der Einvernahme angegeben, Mossul sei am 19.08.2015 vom IS eingenommen worden (Bescheid S57). Für das BVwG ergibt sich aus dem diesbezüglichen Protokollierungszusammenhang (AS 57) aber schlüssig, dass der Beschwerdeführer gemeint hatte, dass an diesem Tag das Büro des XXXX vom IS gestürmt worden war.
2.2.2.2. Zur Glaubhaftigkeit des Beschwerdeführers trägt nicht zuletzt auch bei, dass sich seine Schilderungen in den Länderfeststellungen zum Irak, insbesondere zu Mossul, wiederfinden. So ergibt sich auch aus den Länderberichten, dass die irakische Armee wenig Einfluss über die Handlungen der PMF [Milizen] habe und speziell in Mossul die Sicherheitslage überaus fragil ist, was durch die Präsenz der schiitischen PMF noch verstärkt werde (LIB S37, 57; ABmos S2, S5, ABmiliz S2, 6). Seine Befürchtungen im Hinblick auf seine Religion und seinen Vornamen finden Deckung in einer explizit auf diesen Vornamen bezogenen Anfragebeantwortung (ABnam), wonach dieser ein besonders riskanter Name sei. Dass die Sicherheitslage der Sunniten prekär ist findet sich etwa im Länderinformationsblatt Irak (LIB S37, 57), in Anfragebeantwortungen (ABmos S2, S5; ABlib S3-8) sowie auch aktuell im Bericht des Auswärtigen Amtes (AA18 S16) wieder. Auch die Bedrohung von Mitarbeitern amerikanischer NGOs spiegelt sich Anfragebeantwortungen und dem aktuellsten Bericht des Auswärtigen Amtes wider (a-9910-1; AA18 S16).
2.2.3. Dass dem BVwG keine aktuelleren Länderberichte zur Verfügung stehen, als dem BFA bei der Verlängerung der Aufenthaltsberechtigung im Rahmen des subsidiären Schutzes am 06.06.2018 (Punkt 1.4.), ergibt sich aus dem Umstand, dass zum Entscheidungszeitpunkt zur allgemeinen Situation im Irak keine aktuelleren Dokumente als das am 28.05.2018 aktualisierte Länderinformationsblatt zum Irak vorliegen (OZ 10/E, 14, 15). Die vom BFA im Rahmen der Verhandlung vorgelegte aktuellere Anfragebeantwortung (OZ 16/H) vom 12.09.2018 ist sehr speziell auf Sunniten aus den südlichen Regionen des Irak bezogen und zeichnet im Allgemeinen kein anderes Bild der Lage der Sunniten im Irak, als die übrigen Länderdokumentationsquellen (vgl. dazu auch OZ 16 S8).
2.2.3.1. Die getroffenen länderspezifischen Feststellungen (Punkt 1.4.) ergeben sich aus den Berichten und Anfragebeantwortungen der Staatendokumentation (OZ 10/E, 14, 16/H). Die Staatendokumentation des BFA berücksichtigt im "Länderinformationsblatt Irak" [LIB] und den Anfragebeantwortungen Berichte verschiedener staatlicher Spezialbehörden, etwa des Deutschen Auswärtigen Amtes und des deutschen Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge oder des US Department of State, ebenso, wie auch Berichte von Nichtregierungsorganisationen, wie etwa von ACCORD, Amnesty international, Human Rights Watch, oder der Schweizerischen Flüchtlingshilfe. Angesichts der Ausgewogenheit und Seriosität der genannten Quellen sowie der Plausibilität der weitestgehend übereinstimmenden Aussagen darin, besteht für das Bundesverwaltungsgericht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln. Die herangezogenen Quellen sind aktuell, das LIB ist im Mai 2018 aktualisiert worden, die spezielleren Anfragebeantwortungen sind aus den Jahren 2016 bis 2018. Auch die Parteien sind weder den in das Verfahren eingeführten Quellen, noch den, auf diesen beruhenden Feststellungen entgegengetreten (OZ 16 S8).
2.2.4. Die Unbescholtenheit des Beschwerdeführers und das Nichtbestehen eines Rückkehrverbotes (Punkt 1.2.) ergibt sich aus behördlich geführten Datenregistern. Es bestand kein Anlass an der Richtigkeit der Auszüge daraus zu zweifeln (OZ 9).
3. Rechtliche Beurteilung
3.1.1. Die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes und die Entscheidung durch eine Einzelrichterin ergibt sich aus § 6 BVwGG iVm §7 BFA-VG und dem AsylG 2005.
3.1.2. Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 33/2013 idgF (VwGVG) geregelt (§ 1 VwGVG). Soweit im VwGVG nicht anderes bestimmt ist, ist auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art 130 Abs 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl Nr 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl Nr 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl Nr 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte (§ 17 VwGVG), wobei entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des VwGVG bereits kundgemacht wurden, in Kraft bleiben (§ 58 Abs. 2 VwGVG).
3.1.3. Die Beschwerde ist rechtzeitig und auch sonst zulässig (§ 7 VwGVG).
3.2. zur Feststellung der Flüchtlingseigenschaft gemäß §3 AsylG 2005
3.2.1. Einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, ist, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 [Anmerkung: Drittstaatssicherheit, Schutz im EWR-Staat oder in der Schweiz oder Zuständigkeit eines anderen Staates] zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht (§ 3 Abs. 1 AsylG 2005). Der Antrag auf internationalen Schutz ist bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11) offen steht (§ 3 Abs. 3 Z 1 AsylG 2005) oder der Fremde einen Asylausschlussgrund (§ 6) gesetzt hat (§ 3 Abs. 3 Z 2 AsylG 2005). Die Entscheidung, mit der einem Fremden von Amts wegen oder auf Grund eines Antrags auf internationalen Schutz der Status des Asylberechtigten zuerkannt wird, ist mit der Feststellung zu verbinden, dass diesem Fremden damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt (§ 3 Abs. 5 AsylG 2005).
Nach Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 28. Juli 1951, BGBl Nr. 55/1955, idF des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 31. Jänner 1967, BGBl Nr. 78/1974 (GFK), ist als Flüchtling im Sinne dieses Abkommens anzusehen, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.
3.2.2. Die begründete Furcht einer Person vor Verfolgung muss in kausalem Zusammenhang mit einem oder mehreren Konventionsgründen stehen. Dies ergibt sich schon aus der Definition des Flüchtlingsbegriffs in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK, wonach als Flüchtling im Sinne dieses Abkommens anzusehen ist, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, "aus Gründen" (Englisch: "for reasons of"; Französisch: "du fait de") der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen. Ebenso verlangt Art. 9 Abs. 3 der Richtlinie 2011/95/EU (Statusrichtlinie) eine Verknüpfung zwischen den als Verfolgung eingestuften Handlungen oder dem Fehlen von Schutz vor solchen Handlungen einerseits und den Verfolgungsgründen andererseits. Dafür reicht es nach der jüngeren Ansicht des UNHCR aus, dass der Konventionsgrund ein (maßgebender) beitragender Faktor ist, er muss aber nicht als einziger oder überwiegender Grund für die Verfolgung oder das Fehlen von Schutz vor solchen Handlungen nachgewiesen werden (VwGH 23.02.2016, Ra2015/20/0113 mHa UNHCR-Richtlinien zum Internationalen Schutz Nr. 1 (Geschlechtsspezifische Verfolgung) 07.05.2002, Rz20; Nr. 7 (Opfer von Menschenhandel) 07.04.2006, Rz29; und Nr. 9 (Sexual Orientation and/or Gender Identity) 23.10.2012, Rz38; Hathaway/Foster, The Causal Connection ("Nexus") to a Convention Ground, International Journal of Refugee Law Vol. 15 No. 3 (2003), S476 mwN; und Marx, Handbuch zur Qualifikationsrichtlinie (2009), S248 mit Hinweis auf UNHCR, Auslegung von Artikel 1 des Abkommens von 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom April 2001, Rz23).
3.2.3. Aus dem glaubhaften Vorbringen des Beschwerdeführers ergibt sich, dass in seiner Person mehrere Risikofaktoren kumulativ zusammentreffen, nämlich seine sunnitische Religionszugehörigkeit, welche auf Grund seines Namens auch immer sichtbar ist, seine Zugehörigkeit zur sunnitischen Bildungselite, seine frühere Tätigkeit für eine amerikanische NGO und sein Verbleib in Mossul während der IS-Herrschaft.
3.2.3.1. Aus den Länderberichten ergibt sich, dass die irakische Armee wenig Einfluss über die Handlungen der PMF [Milizen] habe und speziell in Mossul die Sicherheitslage überaus fragil ist, was durch die Präsenz der schiitischen PMF noch verstärkt werde. Die Milizen seien stark religiös/konfessionell motiviert, und es gebe zahlreiche Berichte über Racheakte insbesondere an der sunnitischen Bevölkerung. Im Jahr 2017 waren auch Übergriffe auf Zivilisten, bzw. auf mutmaßliche IS-Kollaborateure oder deren Angehörige nicht nur durch die Hashd [Milizen], sondern auch durch die Armee belegt. Verschiedene Auskunftspersonen berichteten den von Landinfo und Lifos [die länderkundliche Rechercheeinheit der schwedischen Asylbehörden] interviewten Rechercheuren, dass die Milizen als "unantastbar" gesehen werden, und dass weder die Polizei, noch eine andere Behörde sie davon abhalten könnten, Verbrechen zu begehen. Ein irakischer Politiker, den Landinfo und Lifos in Bagdad interviewte, gab an, dass bei den meisten Übergriffen, die von Milizen in Bagdad ausgeübt werden, die Opfer Sunniten sind. Der Politiker gab weiters an, dass die PMF die Möglichkeit haben, in jede Privatwohnung einzudringen, sogar in die Wohnung von Parlamentsmitgliedern. Er meint, dass nicht einmal Premierminister Haider al-Abadi diese stoppen könne. Dass die Milizen im Irak, auch in Bagdad, Menschen in ihren Wohnhäusern festnehmen, wurde auch von Amnesty International (AI) berichtet. Laut Amnesty International und Reuters betreiben Milizen eigene Haftanstalten, in denen Folterungen und Misshandlungen stattfinden, ohne dass es zur Einmischung von Seiten der Behörden komme (LIB S37, 57; ABmos S2, S5, ABmiliz S2, 6).
3.2.3.2. Der aktuellste (noch nicht im LIB eingearbeitete) Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak des Deutschen Auswärtigen Amtes vom 12.02.1018 (Stand: Dezember 2017) listet auf Seite 16 ua Intellektuelle als eine besonders gefährdete Gruppe auf. Zudem heißt es dort, die arabisch-sunnitische Minderheit, die über Jahrhunderte die Führungsschicht des Landes gebildet habe, sei nach Entmachtung Saddam Husseins 2003 aus öffentlichen Positionen gedrängt worden. Oftmals würden Sunniten einzig aufgrund ihrer Glaubensrichtung als IS-Sympathisanten stigmatisiert oder gar strafrechtlich verfolgt. Zwangsmaßnahmen und Vertreibungen aus ihren Heimatorten richteten sich 2017 vermehrt auch gegen unbeteiligte Familienangehörige vermeintlicher IS-Anhänger, wie dies auch der Beschwerdeführer im Hinblick auf seine Frau geschildert hatte. In einer diesbezüglichen Anfragebeantwortung zitiert die Staatendokumentation all jene Quellen im Detail, welche der Feststellung im Länderinformationsblatt, dass es in Gebieten, die vom IS zurückerobert wurden, zu Massenvergeltungsmaßnahmen an sunnitisch-arabischen und turkmenischen Einwohnern und Rückkehrern aufgrund ihrer tatsächlichen oder vermuteten Verbindung zum IS komme, zu Grunde liegen (ABlib S3-8). Aus einer explizit auf den Vornamen XXXX bezogenen Anfragebeantwortung (ABnam) geht überdies hervor, dass XXXX ein besonders riskanter Name sei. Viele würden versuchen ihre Namen zu ändern, was das Innenministerium veranlasst habe, dass nur mehr der Name "Saddam" geändert werden könne. Diskriminierung von sunnitischen Bewohnern und Flüchtlingen sei "ein sehr großes Problem". Es komme zu Misshandlungen an Checkpoints. Es habe auch Fälle gegeben, wo junge Männer mit sunnitischen Namen unter dem Vorwand eines Sicherheitschecks festgenommen worden seien und in der Folge verschwunden seien (ABnam S2-6).
3.2.3.3. Auch die jüngste vom BFA in der Verhandlung vorgelegte Anfragebeantwortung (OZ 16/H) führt auf Seite 12 aus, dass sich die Sicherheitslage in vielen Teilen des Landes seit 2016 zwar verbessert habe, diese sei aber immer noch begleitet von konfessionell motivierter Gewalt, vor allem durch konfessionelle, bewaffnete Gruppen. Diese würden Sunniten weiterhin ins Visier nehmen, es hätte Exekutionen-ähnliche Morde gegeben, Häuser und Geschäfte seien zerstört worden. Sunnitische Araber hätten auch von konfessionell motiviertem Profiling durch Behörden bei Verhaftungen berichtet [...]. Es hätte Berichte gegeben, nach denen irakische Sicherheitskräfte, unter ihnen auch Volksmobilmachungseinheiten und Peschmerga und schiitische Milizen sunnitische Gefangene getötet hätten. Einige schiitische Milizen wären an Angriffen auf sunnitische Zivilisten beteiligt gewesen, als Racheakte für Taten des IS. Einige Regierungskräfte und Milizen vertrieben angebliche IS-Sympathisanten in einigen Gouvernements aus ihren Häusern.
3.2.3.4. Zur Bedrohung von Mitarbeitern amerikanischer NGOs führt eine diesbezügliche Anfragebeantwortung (a-9910-1) aus dem Jahr 2016 aus, dass insbesondere bis zum Jahr 2011, dem Truppenabzug der Amerikaner, Personen, die für die von den USA angeführte Koalition, Zivilisten die für ausländische NGOs oder internationale Firmen gearbeitet hätten, Opfer von Misshandlungen durch Milizen, darunter auch schiitische Milizen, geworden seien. 2016 sei die Gefahr für diesen Personenkreis, insbesondere für irakische Soldaten, vom IS ausgegangen (a-9910-1 S2). Einige schiitische Anführer haben auch vor der Befreiung Mossuls angegeben, diesen Kampf ohne die Amerikaner führen zu wollen und US-Personal weiter zu bekämpfen ["es dürste sie nach dem Blut der Amerikaner"] (a-9910-1 S7-8). Der Bericht des Auswärtigen Amtes vom 12.02.2018 hält aktuell dazu fest, dass Zivilisten, die für internationale Regierungs- und Nichtregierungsorganisationen oder ausländische Unternehmen arbeiten sowie medizinisches Personal nach wie vor immer wieder Ziel von Entführungen oder Anschlägen werden (AA18 S16).
3.2.4. Vor diesem länderspezifischen Hintergrund kann nun aber nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit (vgl. diesbezüglich VwGH 06.09.2018, Ra2018/18/0121) ausgeschlossen werden, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat asylrelevanten Übergriffen ausgesetzt ist, sondern muss vielmehr davon ausgegangen werden, dass ihm mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine Verfolgung droht (vgl. zur aus Gründen der Zugehörigkeit zur Gruppe der Muslime sunnitischer Glaubensrichtung bestehenden Gefahr der Verfolgung durch schiitische Milizen im Irak beispielsweise VwGH 18.10.2017, Ra 2017/19/0141; speziell zu Mossul, dem Herkunftsort des Beschwerdeführers VwGH 13.12.2017, Ra2017/19/0166; zur sunnitischen Bildungselite VG Göttingen, 22.03.2018, 2A495/16).
3.2.4.1. Soweit das BFA dazu in der Verhandlung darauf hinwies, dass eine Gefährdung gar nicht vorliegen könne, weil es in der Familie des Beschwerdeführers Sunniten gebe, die offensichtlich (noch) unbehelligt im Irak und in Mossul lebten (OZ 16 S8), ist festzuhalten, dass dies die Gefährdung des Beschwerdeführers weder ausschließt noch unwahrscheinlicher macht. Auch das BVwG geht im Einklang mit den ausführlich zitierten Länderberichten nicht davon aus, dass im Irak ein Genozid der Sunniten stattfindet; aus den Länderberichten ergibt sich jedoch durchaus, dass (ua) Sunniten einem Gefährdungspotential unterliegen. Die Gefährdung des Beschwerdeführers liegt darüber hinaus auch nicht ausschließlich in seiner sunnitischen Glaubensrichtung, sondern - wie bereits dargelegt - in einer Gesamtschau unter Einbeziehung sämtlicher Aspekte des vorliegenden Falles.
3.2.5. Eine innerstaatliche Fluchtalternative liegt nicht vor, da dem Beschwerdeführer rechtskräftig subsidiärer Schutz mit einer Aufenthaltsberechtigung bis 05.05.2020 gewährt wurde. Eine wesentliche Sachverhaltsänderung seit der letzten Entscheidung vom 06.06.2018 ist nicht eingetreten, da zum Entscheidungszeitpunkt keine neueren Länderquellen vorhanden sind, als die in das Verfahren eingeführten und es sich dabei um die selben handelt, die bereits zum Entscheidungszeitpunkt dem BFA zur Verfügungen standen (vgl. dazu VwGH 28.02.2017, Ra2016/01/0206 mwN).
3.2.6. Im Verfahren haben sich auch keine Hinweise auf die in Artikel 1 Abschnitt C und F der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Endigungs- und Ausschlussgründe ergeben.
3.3. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 war die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten mit der Feststellung zu verbinden, dass dem Beschwerdeführer damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
3.4. Da der verfahrensgegenständliche Antrag auf internationalen Schutz vor dem 15.11.2015 gestellt wurde, kommt dem Beschwerdeführer das dauernde Einreise- und Aufenthaltsrecht gemäß § 2 Abs. 1 Z 15 AsylG 2005 idF vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl I Nr 24/2016 zu (§ 75 Abs. 24 AsylG 2005).
III. ad B) Unzulässigkeit der Revision
Das Verwaltungsgericht hat im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Dieser Ausspruch ist zu begründen (§ 25a Abs. 1 VwGG). Die Revision ist (mit einer hier nicht zum Tragen kommenden Ausnahme) zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere, weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird (Art. 133 Abs. 4 B-VG).
Die sich aus dem festgestellten Sachverhalt ergebende rechtliche Subsumtion bedurfte angesichts der einheitlichen im Zuge der rechtlichen Ausführungen ausführlich wiedergegebenen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zur Flüchtlingskonvention keiner Lösung einer erheblichen Rechtsfrage. Zur aus Gründen der Zugehörigkeit zur Gruppe der Muslime sunnitischer Glaubensrichtung bestehenden Gefahr der Verfolgung durch schiitische Milizen im Irak beispielsweise VwGH 18.10.2017, Ra 2017/19/0141; speziell zu Mossul, dem Herkunftsort des Beschwerdeführers VwGH 13.12.2017, Ra2017/19/0166. Es ergeben sich auch keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage, so dass insgesamt die Voraussetzungen für die Zulässigkeit einer Revision gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht vorliegen.
Schlagworte
asylrechtlich relevante Verfolgung, Einzelfallentscheidung, gesamtesEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2018:L511.2160587.1.00Zuletzt aktualisiert am
03.01.2019