TE Bvwg Erkenntnis 2018/10/30 L516 2208556-1

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Veröffentlicht am 30.10.2018
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Entscheidungsdatum

30.10.2018

Norm

BFA-VG §18 Abs1 Z5
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §13 Abs1

Spruch

L516 2208556-1/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Paul NIEDERSCHICK als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX, StA Pakistan, vertreten durch Noah Sozialbetriebe gemeinnützige GmbH, Mag. Brigitte SWOBODA, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 19.09.2018, Zahl XXXX, zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt VI des angefochtenen Bescheides stattgegeben und dieser gemäß § 18 Abs 1 Z 5 BFA-VG ersatzlos behoben.

Es wird festgestellt, dass der Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid somit gemäß § 13 Abs 1 VwGVG die aufschiebende Wirkung zukommt.

B)

Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Pakistan, stellte am 19.07.2017 einen Antrag auf internationalen Schutz. Zu diesem wurde er am selben Tag durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes erstbefragt sowie am 18.09.2018 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) niederschriftlich einvernommen.

2. Das BFA wies mit gegenständlich angefochtenem Bescheid den Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 AsylG (Spruchpunkt I des bekämpften Bescheides) sowie des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 AsylG (Spruchpunkt II) ab, erteilte dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG (Spruchpunkt III), erließ gegen diesen eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs 2 Z 2 FPG (Spruchpunkt IV) und stellte fest, dass die Abschiebung nach Bangladesch gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V).

3. Mit Spruchpunkt VI des angefochtenen Bescheides sprach das BFA aus, dass einer Beschwerde gegen diese Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 18 Abs 1 Z 5 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt werde.

4. Der Beschwerdeführer hat gegen den ihm am 20.09.2018 zugestellten Bescheid des BFA am 18.10.2018 Beschwerde erhoben.

5. Die gegenständliche Beschwerde samt Verwaltungsakten des BFA langte der Aktenlage nach am 30.10.2018 beim Bundesverwaltungsgericht, Außenstelle Linz, ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Sachverhaltsfeststellungen

1.1. Der Beschwerdeführer brachte zur Begründung des gegenständlichen Antrages vor, dass sein Vater mit seiner ersten Frau fünf Kinder habe und die Mutter des Beschwerdeführers die zweite Frau seines Vaters gewesen sei, mit welcher der Vater inklusive dem Beschwerdeführer sieben Kinder habe (AS 121). Da der Vater dessen Erbe, die Landwirtschaft und zwei Häuser, unter all seinen Kindern habe aufteilen wollen, sei ein Bruder des Beschwerdeführers von seinen Stiefbrüdern, den Söhnen der ersten Frau des Vaters, umgebracht, und er selbst von seinen Stiefbrüdern misshandelt, mit dem Umbringen bedroht und verfolgt worden, weshalb der Beschwerdeführer schließlich aus seiner Heimat geflohen sei (AS 122, 139).

1.2. Das BFA traf im angefochtenen Bescheid zu den Gründen für das Verlassen des Herkunftsstaates die Feststellung, es habe nicht festgestellt werden können, dass der Beschwerdeführer in Pakistan einer Verfolgung durch staatliche Organe oder Privatpersonen unterliege. Zu dieser Feststellung gelangte das BFA nach der folgenden Beweiswürdigung (Bescheid, S 90-92; Orthografie im Original):

"Bei der Einvernahme vor ho. Behörde am 19.09.2018 sowie im Zuge der Einvernahme vorgelegten schriftlichen Stellungnahme, brachten Sie zu Ihrem Fluchtgrund vor, dass aufgrund dessen Ihr Vater sein Vermögen auf seine acht Söhne aufteilen hätte wollen, Sie über Jahre hinweg Probleme mit Ihren Stiefbrüdern erlebt hätten. Dabei schilderten Sie körperliche Übergriffe wie auch verbale Drohungen durch Ihre Stiefbrüder. Auf Nachfrage ho. Behörde gaben Sie an abgesehen von den Problemen mit Ihren Stiefbrüdern keinerlei Probleme im Herkunftsstaat erlebt zu haben. So wären Sie nie in Konflikt mit den staatlichen Behörden gekommen, hätten sich auch nicht politisch engagiert und hätten keine Probleme aufgrund Ihrer Religion sowie Ihrer Volksgruppenzugehörigkeit erlebt. Als einziges Rückkehrhindernis führten Sie Ihre Angst vor Ihren Stiefbrüdern, ins Treffen.

Artikel 1 Abschnitt A Ziffer 2 GFK beschränkt den Anspruch auf Gewährung von Asyl auf Personen die aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung von Verfolgung bedroht sind. Die Aufzählung ist abschließend; alle anderen als die genannten Gründe stellen keine für die Asylgewährung relevanten Verfolgungsmotive dar (vgl. zB VwGH 15.3.2001, 99/20/0128; 24.2.2000, 99/20/0542)

Somit stellt sich der behauptete Fluchtgrund - bei hypothetischer Wahrunterstellung - als rechtlich nicht relevant dar, da er keine Asylrelevanz begründet, weil Ihre behauptete Furcht vor Ihren Stiefbrüdern, keine Verfolgungshandlung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention darstellt. Ihre Angst vor Ihren Stiefbrüdern, stellt eine Bedrohung durch Privatpersonen dar und ist keine Verfolgung von staatlicher Seite aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Gesinnung.

Unter richtlinienkonformer Interpretation (d.h. in Hinblick auf Art 6 der RL 2004/83/EG des Rates vom 29.04.2004) kann eine Verfolgung im Sinne von § 3 Asylgesetz von nichtstaatlichen Akteuren nur dann ausgehen, wenn der Staat oder die Parteien bzw. Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen, "erwiesenermaßen" nicht in der Lage oder nicht willens sind, Schutz vor Verfolgung zu bieten. Damit besteht für Sie ein erhöhtes Maß an erforderlichem Überzeugungsgrad der Behörde. Die bloße Glaubhaftmachung im Sinne des Art. 6 der RL 2004/83 EG ist demnach hier als Beweismaß nicht ausreichend, sondern es muss "erwiesen" sein, dass der Staat nicht schutzfähig oder -willens ist. (vgl. dazu Asylgerichtshof 09.03.2009, E13 403.433-1/2008)

In Ihrem Fall kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Staat Pakistan nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, eine Verfolgung, welche von Ihren Stiefbrüdern ausgeht, zu unterbinden. Selbst im Fall einer tatsächlichen Bedrohung ergibt sich aus den Länderfeststellungen, dass es im Regelfall möglich und zumutbar ist, sich in einem Landesteil, im konkreten Fall in Gebieten fernab Ihrer Stiefbrüder, niederzulassen und sich auf diese Weise mit hinreichender Wahrscheinlichkeit einer Gefahr zu entziehen. Die Berichte im LIB geben dazu an, dass es in Pakistan die Bewegungs- und Niederlassungsfreiheit rechtlich garantiert ist und praktisch von den Behörden auch respektiert wird; lediglich in bestimmten Gebieten der (ehem.) FATA, gibt es Beschränkungen.

Zusammengefasst konnten in Ihrem konkreten Fall somit keine stichhaltigen Gründe für die Annahme festgestellt werden, dass Sie aktuell Gefahr laufen könnten, im Herkunftsstaat einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe oder der Todesstrafe bzw. einer sonstigen konkreten individuellen Gefahr ausgesetzt zu sein. Insbesondere ist laut den Länderfeststellungen im Herkunftsstaat die Basisversorgung der Bevölkerung mit Grundnahrungsmitteln grundsätzlich gewährleistet und es herrscht keine Hungersnot. Sie sind volljährig, gesund und arbeitsfähig, sodass Sie im Herkunftsstaat das nötige Einkommen erzielen könnten, um sich eine Existenzgrundlage zu schaffen. Sie können lesen und schreiben und verfügen über Berufserfahrung in der Landwirtschaft.

Sie können auch durch die Inanspruchnahme von österreichischer Rückkehrhilfe zumindest übergangsweise in Ihrem Herkunftsstaat das Auslangen finden; deshalb ist auch nicht zu befürchten, dass Sie bereits unmittelbar nach Ihrer Einreise und noch bevor Sie in der Lage wären, selbst für Ihren Unterhalt zu sorgen, in eine existenzbedrohende bzw. wirtschaftlich ausweglose Lage geraten könnten.

Zudem gibt es in Pakistan eine Reihe von Wohlfahrt NGO¿s welche uneingeschränkt agieren können und deren Unterstützung Sie ebenfalls in Anspruch nehmen können (vgl. LIB, S. 145)."

1.3. Die auf § 18 Abs 1 Z 5 BFA-VG gestützte Aberkennung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde begründete das BFA wie folgt (Bescheid, S 104):

"Hat das Bundesamt die aufschiebende Wirkung aberkannt, gilt das als Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde gegen eine mit der abweisenden Entscheidung über einen Antrag auf internationalen Schutz verbundenen Rückkehrentscheidung. Wie oben ausgeführt, liegt Ziffer 5 in Ihrem Fall vor.

Für die Behörde steht fest, dass für Sie bei Rückkehr in Ihren Herkunftsstaat keine reale Gefahr einer Menschenrechtsverletzung gegeben ist. Sie bedürfen daher nicht des Schutzes Österreichs. Es ist in Ihrem Fall davon auszugehen, dass die sofortige Umsetzung der aufenthaltsbeendenden Maßnahme im Interesse eines geordneten Fremdenwesens geboten ist. Da Ihrem Antrag auf internationalen Schutz keine Aussicht auf Erfolg beschieden ist und Ihnen auch keine sonstige reale und menschenrechtsrelevante Gefahr im Herkunftsstaat droht, ist es Ihnen zumutbar, den Ausgang Ihres Asylverfahrens im Herkunftsstaat abzuwarten. Ihr Interesse auf einen Verbleib in Österreich während des gesamten Asylverfahrens tritt hinter das Interesse Österreichs auf eine rasche und effektive Durchsetzung der Rückkehrentscheidung zurück."

2. Beweiswürdigung

Verfahrensgang und Sachverhalt ergeben sich aus den vom BFA vorgelegten und unverdächtigen Verwaltungsverfahrensakten zum Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz. Die Feststellungen zu den Angaben des Beschwerdeführers im gegenständlichen Verfahren sowie zu den Ausführungen des BFA im angefochtenen Bescheid ergeben sich konkret aus den im Akt einliegenden Niederschriften und dem angefochtenen Bescheid, wobei zu den jeweiligen Feststellungen die entsprechenden Aktseiten (AS) bzw Seiten des angefochtenen Bescheides angeführt sind.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

Ersatzlose Behebung von Spruchpunkt VI des angefochtenen Bescheides

Rechtsgrundlage

3.1. Gemäß § 18 Abs 1 Z 5 BFA-VG kann das Bundesamt einer Beschwerde gegen eine abweisende Entscheidung über einen Antrag auf internationalen Schutz die aufschiebende Wirkung aberkennen, wenn das Vorbringen des Asylwerbers zu seiner Bedrohungssituation offensichtlich nicht den Tatsachen entspricht.

Zum gegenständlichen Verfahren

3.2. Das BFA hat die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung im vorliegenden Fall auf § 18 Abs 1 Z 5 BFA-VG gestützt, was demnach voraussetzt, dass " das Vorbringen des Asylwerbers zu seiner Bedrohungssituation offensichtlich nicht den Tatsachen entspricht".

3.3. Tatsächlich hat das BFA das BFA die Abweisung des Antrages hinsichtlich der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten nicht etwa darauf gestützt, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers offensichtlich nicht den Tatsachen entspreche. Das BFA hat sich vielmehr mit der Glaubhaftigkeit des Vorbringens überhaupt nicht auseinandergesetzt, sondern vielmehr - disloziert im Rahmen der Beweiswürdigung - die rechtliche Beurteilung getroffen, dass sich das Vorbringen "bei hypothetischer Wahrunterstellung" als rechtlich nicht relevant darstelle (Bescheid, S 91).

3.4. Für den vorliegenden Fall hat dies daher zur Folge, dass entgegen der Annahme des BFA die Voraussetzung für die Ziffer 5 gegenständlich nicht vorlag und damit die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung unzulässig war.

3.5. Es war daher der Spruchteil VI des angefochtenen Bescheides spruchgemäß ersatzlos zu beheben und festzustellen, dass der Beschwerde somit gemäß § 13 Abs 1 VwGVG die aufschiebende Wirkung zukommt. Dem Beschwerdeführer ist daher vom BFA bis auf weiteres auch eine Aufenthaltsberechtigungskarte auszustellen (§ 51 AsylG).

3.6. Im gegenständlichen Verfahren war ein Vorgehen gemäß § 59 Abs 1 letzter Satz AVG zulässig, da die Entscheidung über Spruchpunkt VI spruchreif war und die Trennung - auf Grund der Folgen einer Aberkennung der aufschiebenden Wirkung für den Betroffenen - auch zweckmäßig erscheint.

3.7. Über die Beschwerde gegen die Spruchpunkte I bis V des angefochtenen Bescheides ergeht eine gesonderte Entscheidung.

Zu B)

Revision

3.8. Die für den vorliegenden Fall relevante Rechtslage ist durch die zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes geklärt, weshalb die Revision nicht zulässig ist.

3.9. Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte

aufschiebende Wirkung, aufschiebende Wirkung - Entfall, ersatzlose
Behebung, Feststellungsentscheidung, Spruchpunktbehebung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:L516.2208556.1.00

Zuletzt aktualisiert am

03.01.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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