TE Bvwg Erkenntnis 2018/10/5 I416 2154802-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 05.10.2018
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Entscheidungsdatum

05.10.2018

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §57
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs3 Z1
FPG §55 Abs2

Spruch

I416 2154802-1/16E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Alexander BERTIGNOL, als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX, geb. am XXXX, StA. Tunesien, gegen die Spruchpunkte III., IV., V. und VI. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 07.04.2017, Zl. XXXX, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 04.09.2018 zu Recht erkannt:

A)

I. Die Beschwerde gegen Spruchpunkt III. wird als unbegründet abgewiesen.

II. Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheides hat zu lauten wie folgt:

"Gemäß § 55 Abs. 2 Fremdenpolizeigesetz (FPG) beträgt die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung."

III. Der Beschwerde gegen Spruchpunkt VI. des angefochtenen Bescheides wird mit der Maßgabe stattgegeben, dass die Dauer des Einreiseverbots auf drei Jahre herabgesetzt wird.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, ein tunesischer Staatsangehöriger, reiste zu einem nicht näher bestimmbaren Zeitpunkt im Jahr 1984 ins Bundesgebiet ein und heiratete am 01.02.1988 die österreichische Staatsangehörige XXXX. Im Jahr 1989 wurde der erste Sohn des Beschwerdeführers in Wien geboren. Im Jahr 1991 reiste der Beschwerdeführer mit seiner Frau und seinem Sohn nach Tunesien, wo im Jahr 1997 sein zweiter Sohn geboren wurde. Der Beschwerdeführer hielt sich laut eigenen Angaben bis 2002 in Tunesien, in XXXX auf, reiste laut eigenen Angaben im Mai 2002 wieder ins Bundesgebiet ein und wurde am 20.06.2002 aufgrund eines aufrechten Haftbefehles festgenommen. Am 29.07.2002 stellte der Beschwerdeführer einen Antrag auf Ausstellung einer Niederlassungsbewilligung und wurde dem Beschwerdeführer am 07.11.2002 eine Niederlassungsbewilligung für den Zweck "Familiengemeinschaft in Österreich" gültig bis 07.11.2003 erteilt.

2. Der Beschwerdeführer war zwischen dem 14.10.1998 bis 13.10.2003 im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis für Angehörige eines Mitgliedstaates der EU, ausgestellt von der Bundesrepublik Deutschland.

3. Mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom 09.09.2002 wurde der Beschwerdeführer wegen des Vergehens des teils vollendeten, teils versuchten schweren Betruges gemäß §§ 146, 147 Abs. 1, § 15 StGB zu einer Freiheitsstrafe von acht Monaten bedingt und einer Probezeit von drei Jahren rechtskräftig verurteilt.

4. Am 29.10.2003 stellte der Beschwerdeführer einen Antrag auf Verlängerung der Niederlassungsbewilligung und wurde diese bis 01.03.2005 erteilt.

5. Mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom 22.09.2004 wurde der Beschwerdeführer wegen des Vergehens der Körperverletzung und schweren Körperverletzung gemäß §§ 83 Abs. 1, 84 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten bedingt und einer Probezeit von drei Jahren rechtskräftig verurteilt und die bedingte Strafnachsicht aus seiner ersten Verurteilung widerrufen.

6. Am 31.01.2005 wurde dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel "Niederlassungsnachweis" gültig bis 31.01.2015 ausgestellt. Nach einer Verlustmeldung wurde dem Beschwerdeführer ein neuer Aufenthaltstitel "Niederlassungsnachweis" gültig von 21.06.2005 bis 20.06.2015 ausgestellt.

7. Mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom 28.10.2005 wurde der Beschwerdeführer wegen Diebstahl, Einbruchdiebstahls, gewerbsmäßigen Diebstahl und Körperverletzung gemäß §§ 127, 129 Abs. 1, 130 (2. Fall) und 83 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 16 Monaten rechtskräftig verurteilt.

8. Mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom 17.11.2005, Zl. XXXXwurde gegen den Beschwerdeführer ein befristetes Aufenthaltsverbot für die Dauer von 10 Jahren gültig vom 17.11.2005 bis 17.11.2015 erlassen. Der dagegen erhobenen Berufung wurde mit Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 09.01.2008, Zl. XXXX keine Folge gegeben und wurde mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 23.03.2010, Zl. 2008/18/037 die Behandlung der dagegen erhobenen Beschwerde abgelehnt.

9. Der Beschwerdeführer stellte nach Widerruf seines Aufenthaltsrechtes im Februar 2008, am 20.03.2008 einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels für den Zweck "Daueraufenthalt Familienangehöriger" der mit Bescheid des Amtes der XXXX Landesregierung, Ma 35 mit Bescheid vom 21.05.2008, Zl. XXXX, infolge des aufrechten Aufenthaltsverbotes abgewiesen wurde.

10. Im Jahr 2013 erfolgte die Scheidung des Beschwerdeführers von seiner Ehefrau.

11. Am 13.06.2013 stellte der Beschwerdeführer aus dem Stande der U-Haft einen Antrag auf internationalen Schutz. 12. Mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom 20.08.2013, rechtskräftig seit 04.12.2013, wurde der Beschwerdeführer wegen Diebstahl, schweren Diebstahl, Einbruchdiebstahl, gewerbsmäßigen Diebstahl, Nötigung, Urkundenunterdrückung und Entfremdung unbarer Zahlungsmittel gemäß §§ 241e Abs. 3, 127, 128 Abs. 1 Z 4, 129 Z 1, 130 (4. Fall), 105 Abs. 1 und 229 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 3 Jahren verurteilt.

13. Am 08.03.2015 reiste der Beschwerdeführer über den FH Schwechat nach Tunesien aus.

14. Am 28.05.2015 stellte der Beschwerdeführer einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels "Daueraufenthalt-EU", der mit Bescheid des XXXX, abgewiesen wurde. Die dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien vom 05.10.2017, GZ: VGW-151/081/5339/2017-6 als unbegründet abgewiesen.

15. Mit Urteil des BG XXXX vom 21.07.2016, wurde der Beschwerdeführer wegen versuchter Entwendung gemäß §§ 15, 141 Abs. 1 StGB, zu einer Geldstrafe von 50 Tagsätzen zu je 4,00 EUR (200,00 EUR) rechtskräftig verurteilt und die Probezeit des bedingt nachgesehenen Teils der Freiheitsstrafe aus der vorhergehenden Verurteilung auf 5 Jahre verlängert.

16. Am 21.02.2017 wurde der Beschwerdeführer niederschriftlich einvernommen und führte er befragt zu seinen Fluchtgründen im Wesentlichen aus, dass seine Fluchtgründe und die damit verbundenen Probleme mittlerweile gelöst seien. Er gab weiters an, dass er eigentlich wegen seiner Sportausbildung nach Österreich gekommen sei und hier für 15 Jahre als XXXX und XXXX tätig gewesen sei. Auf Nachfrage, ob dies alles seine Fluchtgründe seien, gab er dazu wörtlich an: "Ja, ich möchte nur meinen Aufenthaltstitel verlängern." Zu seinen persönlichen Verhältnissen in Tunesien führte er aus, dass dort noch seine Mutter, sein Bruder und seine Schwester leben würden, und dass er ab und zu Kontakt zu diesen habe. Er führte weiters aus, dass er seit 30 Jahren aus seiner Heimat weg sei, dass er dort niemanden mehr kennen würde und seine Kinder und sein Lebensunterhalt in Österreich seien. In Tunesien habe er die Grund- und Hauptschule besucht und im Taxiunternehmen seines Vaters gearbeitet. Zu seinen persönlichen Verhältnissen in Österreich führte er aus, dass er in Österreich keine Kurse oder Ausbildungen mache, kein Mitglied eines Vereines oder einer Organisation sei, sowie, dass er kein Familienleben bzw. eine familienähnliche Beziehung führen würde. Er habe in Österreich als Türsteher in verschieden Clubs gearbeitet, derzeit lebe er von der Notstandshilfe, da er bereits über 50 Jahre alt sei und schwer vermittelbar. Letztlich führte er aus, dass er in Tunesien keine Zukunft haben würde.

17. Mit Urteil des BG XXXX vom 14.03.2017, wurde der Beschwerdeführer wegen versuchten Diebstahls gemäß §§ 15, 127 StGB zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 8 Wochen rechtskräftig verurteilt.

18. Mit Bescheid vom 07.04.2017, Zl. XXXX wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten "gemäß § 3 Absatz 1 iVm § 2 Absatz 1 Ziffer 13 AsylG 2005, BGBl I Nr. 100/2005 (AsylG) idgF" (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Tunesien gemäß "§ 8 Absatz 1 iVm § 2 Absatz 1 Ziffer 13 AsylG" (Spruchpunkt II.) als unbegründet ab. Zugleich wurde dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen "gemäß § 57 AsylG" nicht erteilt. "Gemäß § 10 Absatz 1 Ziffer 3 AsylG iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl I Nr. 87/2012 (BFA-VG) idgF" wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung "gemäß § 52 Absatz 2 Ziffer 2 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl I Nr. 100/2005 (FPG) idgF" erlassen. Weiters wurde "gemäß § 52 Absatz 9 FPG" festgestellt, dass seine Abschiebung "gemäß § 46 FPG" nach Tunesien zulässig ist (Spruchpunkt III.). Gemäß § 55 Absatz 1a FPG" wurde keine Frist für die freiwillige Ausreise gewährt (Spruchpunkt IV.) und einer Beschwerde gegen diese Entscheidung gemäß § 18 Abs. 1 Z 1 BFA-Verfahrensgesetz die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt V.). Zuletzt erließ die belangte Behörde "gemäß § 53 Absatz 1 iVm Absatz 3 Ziffer 1 Fremdenpolizeigesetz, BGBl. I Nr. 100/2005 (FPG) idgF" gegen den Beschwerdeführer ein auf die Dauer von zehn Jahren befristetes Einreiseverbot (Spruchpunkt VI.).

19. Mit Verfahrensanordnungen gemäß § 63 Abs. 2 AVG vom 10.04.2017 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG die Diakonie Flüchtlingsdienst gem. GmbH, als Mitglied der ARGE Rechtsberatung, Wattgasse 48, 1170 Wien, als Rechtsberater für das Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht zur Seite gestellt.

20. Gegen die Spruchpunkte III., IV., V. und VI., des Bescheides der belangten Behörde erhob der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 20.04.2017 Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. Begründend führte im Wesentlichen aus, dass die Rückkehrentscheidung rechtswidrig sei, da er seit 1984 in Österreich leben würde und somit mehr Jahre in Österreich verbracht habe, als in seiner Heimat, er würde auch jetzt noch regelmäßigen engen Kontakt mit seinen Söhnen pflegen und sei aufgrund seines jahrelangen Aufenthaltes sozial und kulturell ausgezeichnet integriert. Er führte weiters aus, dass er seine Straftaten zutiefst bereuen würde und seit seiner Entlassung, also seit fast 10 Jahren ein sittsames und drogenfreies Leben führen würde. Die belangte Behörde habe es unterlassen sich im Rahmen einer niederschriftlichen Einvernahme einen unmittelbaren Eindruck von ihm und seinen Lebensverhältnissen zu verschaffen und habe bezüglich der Schutzwürdigkeit seines Privat- und Familienlebens die falschen Schlüsse gezogen. Hinsichtlich des Einreiseverbotes führte er zusammengefasst aus, dass die belangte Behörde bei der Dauer des Einreiseverbotes auf seine privaten und familiären Interessen nicht Bedacht genommen habe, und nicht begründet habe, worin die von ihm ausgehende Gefährlichkeit nach fast 10 Jahren Straffreiheit bestehen soll. Es werde daher beantragt, eine mündliche Verhandlung zur Klärung des maßgeblichen Sachverhaltes durchzuführen, den bekämpften Bescheid zur Gänze beheben und festzustellen, dass seine Abschiebung auf Dauer unzulässig sei und ihm eine Aufenthaltsberechtigung gemäß § 55 AsylG zu erteilen, in eventu den bekämpften Bescheid beheben und an die Behörde I. Instanz zurückzuverweisen, in eventu die Entscheidung über die Zulässigkeit der Abschiebung nach Tunesien aufzuheben, die Abschiebung nach Tunesien für unzulässig erklären.

21. Beschwerde und Verwaltungsakt wurden dem Bundesverwaltungsgericht am 28.04.2017 vorgelegt und die Abweisung der Beschwerde beantragt.

22. Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 02.05.2017, Zl. I410 2154802-1/3Z, wurde der Beschwerde gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG die aufschiebende Wirkung zuerkannt.

23. Aufgrund der Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses vom 19.09.2017 wurde die gegenständliche Rechtssache der Gerichtsabteilung I410 abgenommen und der Gerichtsabteilung I 416 neu zugewiesen. Am 02.10.2017 langte verfahrensgegenständlicher Beschwerdeakt bei der zuständigen Gerichtsabteilung I 416 ein. 24. Mit Schreiben des Bundesverwaltungsgerichtes vom 17.10.2017, wurde beim Verwaltungsgericht Wien hinsichtlich des anhängigen Beschwerdeverfahrens wegen Erteilung eines Aufenthaltstitels für den Zweck "Daueraufenthalt-EU" nachgefragt und das gegenständliche Erkenntnis dem Bundesverwaltungsgericht mit 19.10.2017 übermittelt.

25. Mit Schriftsatz vom 29.08.2018 wurde das Bundesverwaltungsgericht seitens der Rechtsvertretung von der Zurücklegung der erteilten Vollmacht verständigt.

26. Am 04.09.2018 erfolgte in Anwesenheit des Beschwerdeführers eine mündliche Beschwerdeverhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zum Sachverhalt und zur Person des Beschwerdeführers:

Die unter Punkt I getroffenen Ausführungen werden als entscheidungswesentlicher Sachverhalt festgestellt. Darüber hinaus werden folgende weitere Feststellungen getroffen:

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger Tunesiens, und somit Drittstaatsangehöriger im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 20b Asylgesetz. Die Identität des Beschwerdeführers steht fest.

Der Beschwerdeführer ist gesund, volljährig, geschieden, Araber und bekennt sich zum moslemischen Glauben.

Der Beschwerdeführer hat bis 1984 in Tunesien gelebt und dort neun Jahre lang die Schule besucht, hat bei seinem Vater im Taxiunternehmen gearbeitet und war XXXX beim Militär.

Der Beschwerdeführer hat am 01.02.1988 mit einer österreichischen Staatsangehörigen die Ehe geschlossen, die im November 2013 geschieden worden ist. Der Beschwerdeführer ist kein begünstigter Drittstaatsangehöriger und es kommt ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zu.

Der Beschwerdeführer hat sich zwischen 1991 und 2002 in Tunesien und der Bundesrepublik Deutschland aufgehalten und ist erst 2002 wieder ins Bundesgebiet eingereist. Der Beschwerdeführer hält sich seit 2002 durchgehend in Österreich auf. Der Beschwerdeführer ist nach 2002 wiederholt, laut eigenen Angaben 4-mal für jeweils mehrere Wochen nach Tunesien gereist.

In Österreich hat der Beschwerdeführer familiäre Anknüpfungspunkte durch seine beiden Söhne und seine zwei Enkelkinder. Der erstgeborene Sohn des Beschwerdeführers ist in Österreich geboren und hat bis zu seinem 14. Lebensjahr in Tunesien gelebt. Der zweitgeborene Sohn des Beschwerdeführers ist in Sousse in Tunesien geboren und hat dort die ersten Lebensjahre verbracht. Beide Söhne besitzen die österreichische Staatsbürgerschaft.

In Sousse leben noch seine Mutter, seine Schwester und sein Bruder, zu denen auch noch Kontakt besteht.

Der Beschwerdeführer ging während seines 16-jährigen Aufenthaltes bei verschiedenen Dienstgebern für insgesamt 14 Monate einer legalen Erwerbstätigkeit nach. Der Beschwerdeführer geht derzeit keiner Beschäftigung nach, bezieht Notstandshilfe und ist nicht selbsterhaltungsfähig.

Der Beschwerdeführer hat an keinen beruflichen Aus- oder Weiterbildungen teilgenommen oder ist Mitglied in einem Verein oder einer Institution.

Der Beschwerdeführer hat weder einen Deutschkurs besucht, noch eine Deutschprüfung abgelegt, es wird jedoch festgestellt, dass der Beschwerdeführer Deutsch spricht und versteht, es wird aber auch festgestellt, dass der Beschwerdeführer während der mündlichen Verhandlung auf einen Dolmetscher angewiesen war. Der Beschwerdeführer spricht mit seinen beiden Söhnen arabisch und hat mit seiner geschiedenen Frau französisch gesprochen.

Der Beschwerdeführer weist außer seinen beiden Söhnen in Österreich keine maßgeblichen privaten Beziehungen auf, es konnten keine maßgeblichen Anhaltspunkte für die Annahme einer hinreichenden Integration des Beschwerdeführers in Österreich in sprachlicher, beruflicher und gesellschaftlicher Hinsicht festgestellt werden, jedenfalls keine, die man allein aufgrund der Dauer seines Aufenthaltes von nunmehr 16 Jahren im Bundesgebiet erwarten kann.

Es existieren keine Umstände, welche einer Abschiebung aus dem Bundesgebiet der Republik Österreich entgegenstünden. Der Beschwerdeführer verfügt über keine sonstige Aufenthaltsberechtigung. Es spricht nichts dafür, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Tunesien eine Verletzung von Art. 2, Art. 3 oder auch der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention nach sich ziehen würde. Der Beschwerdeführer ist auch nicht von willkürlicher Gewalt infolge eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts bedroht.

Der Beschwerdeführer weist nachstehende strafgerichtliche Verurteilungen auf:

01) LG XXXX vom 09.09.2002 RK 13.09.2002

PAR 146, 147 ABS 1/1 15 StGB

Freiheitsstrafe 8 Monate, bedingt, Probezeit 3 Jahre

zu LG XXXX RK 13.09.2002

Bedingte Nachsicht der Strafe wird widerrufen

LG XXXX vom 28.10.2005

02) LG XXXX vom 22.09.2004 RK 25.09.2004

PAR 83/1 84/1 StGB

Freiheitsstrafe 6 Monate, bedingt, Probezeit 3 Jahre

zu LG XXXX RK 25.09.2004

Bedingte Nachsicht der Strafe wird widerrufen

LG XXXX vom 28.10.2005

03) LG XXXX vom 28.10.2005 RK 28.10.2005

PAR 127 129/1 130 (2. FALL) 83/1 StGB

Freiheitsstrafe 16 Monate

04) LG XXXX vom 22.08.2013 RK 04.12.2013

§ 241e (3) StGB

§§ 127, 128 (1) Z 4, 129 Z 1, 130 4. Fall StGB

§ 105 (1) StGB

§ 229 (1) StGB

Freiheitsstrafe 3 Jahre

zu LG XXXX RK 04.12.2013

(Teil der) Freiheitsstrafe nachgesehen, bedingt, Probezeit 3 Jahre

LG XXXX vom 15.10.2015

zu LG XXXX RK 04.12.2013

Probezeit verlängert auf insgesamt 5 Jahre

BG XXXX vom 21.07.2016

05) BG XXXX vom 21.07.2016 RK 25.07.2016

§ 15 StGB § 141 (1) StGB

Geldstrafe von 50 Tags zu je 4,00 EUR (200,00 EUR) im NEF 25 Tage Ersatzfreiheitsstrafe

06) BG XXXX vom 14.03.2017 RK 17.03.2017

§ 15 StGB § 127 StGB

Freiheitsstrafe 8 Wochen, bedingt, Probezeit 3 Jahre

1.2. Zur Situation in Tunesien:

Dem Beschwerdeführer wurde im Zuge der Ladung zur mündlichen Verhandlung das aktuelle Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Tunesien übermittelt. Daraus ergeben sich folgende Feststellungen:

Tunesien ist ein sicherer Herkunftsstaat, der willens und im Stande ist, seine Staatsbürger zu schützen. Die Grund- und Freiheitsrechte, insbesondere die Meinungs-, Presse- und Informationsfreiheit, sind in Tunesien seit der Revolution von 2011 faktisch gewährleistet. Die Versammlungsfreiheit wurde nach 2011 wiederhergestellt und eine Amnestie für politische Gefangene durchgeführt. Die neue tunesische Verfassung enthält umfangreiche Garantien bürgerlicher, politischer, wirtschaftlicher, sozialer und kultureller Grundrechte. Das Recht friedlicher Versammlungen und Demonstrationen ist verfassungsrechtlich garantiert. Die tunesische Verfassung garantiert den Schutz der Menschenwürde und der körperlichen Unversehrtheit. Tunesien hat das Zusatzprotokoll zur Konvention der Vereinten Nationen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Strafe am 29.06.2011 ratifiziert. Im Zusammenhang mit Terrorabwehrmaßnahmen werden Misshandlungen von Inhaftierten durch Sicherheitskräfte gemeldet. Die in Tunesien für Mord, Vergewaltigung mit Todesfolge und Landesverrat sowie für bestimmte Delikte im Zusammenhang mit Terrorismus und Geldwäsche vorgesehene Todesstrafe wird von Gerichten verhängt, aber seit 1991 nicht mehr vollstreckt. Todesurteile werden häufig durch Amnestie in lebenslange Haftstrafen umgewandelt. Illegal aus Tunesien ausgereisten Personen droht nach dem Gesetz eine Geld- oder Freiheitsstrafe, wobei festgestellt wird, dass der Beschwerdeführer legal aus Tunesien ausgereist ist.

Die Grundversorgung der Bevölkerung gilt als gut. Tunesien verfügt über eine moderne Wirtschaftsstruktur auf marktwirtschaftlicher Basis sowie wichtige Standortvorteile: Ein hoher Industrialisierungsgrad, gute Infrastruktur, Nähe zu Europa sowie qualifizierte Arbeitskräfte und Steuervorteile für Exportbetriebe ("Offshore-Sektor"). Die wirtschaftliche Öffnung hat Tunesien ein solides Wachstum und hohe Direktinvestitionen aus dem Ausland beschert.

In Tunesien gibt es ein gewisses strukturiertes Sozialsystem. Es bietet zwar keine großzügigen Leistungen, stellt aber dennoch einen gewissen Basis-Schutz für Bedürftige, Alte und Kranke dar. Der Deckungsgrad beträgt 95%. Folgende staatlichen Hilfen werden angeboten: Rente, Arbeitslosengeld, Kindergeld, Krankengeld, Mutterschaftsgeld, Sterbegeld, Witwenrente, Waisenrente, Invalidenrente, Hilfen für arme Familien, Erstattung der Sach- und Personalkosten bei Krankenbehandlung, Kredite für Familien. Es existiert ein an ein sozialversichertes Beschäftigungsverhältnis geknüpftes Kranken- und Rentenversicherungssystem (CNAM und CNSS). Nahezu alle Bürger finden Zugang zum Gesundheitssystem. Die Regelungen der Familienmitversicherung sind großzügig und umfassen sowohl Ehepartner, als auch Kinder und sogar Eltern der Versicherten. Allerdings gibt es keine allgemeine Grundversorgung oder Sozialhilfe.

Die medizinische Versorgung (einschließlich eines akzeptabel funktionierenden staatlichen Gesundheitswesens) hat das für ein Schwellenland übliche Niveau. Die medizinische Grundversorgung ist grundsätzlich gewährleistet, jedoch gibt es große regionale Unterschiede. Eine weitreichende Versorgung mit Medikamenten ist in den Ballungsräumen (Tunis, Sfax, Sousse) gewährleistet; Probleme gibt es dagegen in den entlegenen Landesteilen. Auch die Behandlung psychischer Erkrankungen ist möglich.

Eine nach Tunesien zurückkehrende Person, bei welcher keine berücksichtigungswürdigen Gründe vorliegen, wird durch eine Rückkehr nicht automatisch in eine unmenschliche Lage versetzt.

Zusammenfassend ist somit festzustellen, dass der Beschwerdeführer im Falle seiner Rückkehr keiner lebensbedrohenden Situation überantwortet wird, er selbst hat hinsichtlich einer ihm drohenden Gefährdung in seinem Herkunftsstaat im Falle seiner Rückkehr auch kein Vorbringen erstattet und haben sich auch amtswegig keine Anhaltspunkte dafür ergeben.

Es wurden zwischenzeitlich auch keine Anhaltspunkte dafür bekannt, wonach die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 50 FPG idgF in seinen Heimatstaat Tunesien unzulässig wäre.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zum Sachverhalt:

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes. Auskünfte aus dem Strafregister, dem Zentralen Melderegister (ZMR), der Grundversorgung (GVS), des AJ-WEB, wurden ergänzend zum vorliegenden Akt eingeholt.

Außerdem konnte im vorliegenden Beschwerdefall auf die Ermittlungsergebnisse im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 04.09.2018 vor dem Bundesverwaltungsgericht zurückgegriffen werden.

2.2. Zur Person des Beschwerdeführers:

Die Feststellungen hinsichtlich der Staatsangehörigkeit, der Identität des Beschwerdeführers, des Familienstandes des Beschwerdeführers sowie hinsichtlich seines Aufenthaltes im österreichischen Bundesgebiet und zu seinen familiären und privaten Verhältnissen in Tunesien und in Österreich ergeben sich aus dem Akteninhalt, den vorgelegten Dokumenten und seinen glaubhaften Angaben im Rahmen der mündlichen Verhandlung.

Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer zwischen 1991 und 2002 nicht im Bundesgebiet aufhältig gewesen ist, sondern sich überwiegend in seinem Heimatstaat bzw. in der Bundesrepublik Deutschland aufgehalten hat, ergibt sich aus seinen diesbezüglichen glaubhaften Angaben im Rahmen der mündlichen Verhandlung, sowie den Angaben seiner beiden Söhne und einem Abgleich aus dem ZMR, sodass von einem durchgehenden Aufenthalt im Bundesgebiet erst seit 2002 auszugehen ist, wodurch seine Aufenthaltsdauer nicht wie angegeben über 30 Jahre beträgt, sondern 16 Jahre.

Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer an keinen Aus- und Weiterbildungen teilgenommen hat, derzeit kein Mitglied eines Vereines oder einer Institution ist, dass er keine Deutschkurse besucht hat, bzw. Deutschprüfungen abgelegt hat ergibt sich aus seinen Angaben im Rahmen der mündlichen Verhandlung, wo er befragt zu diesem Thema ausführte, dass er mit seinen Söhnen arabisch sprechen würde und mit seiner geschiedenen Frau französisch gesprochen hat, wobei durchaus zu berücksichtigen ist, dass der Beschwerdeführer aufgrund seines langen Aufenthaltes im Bundesgebiet Deutschkenntnisse aufweist.

Dass keine hinreichende Integration in Österreich weder in sprachlicher, beruflicher oder gesellschaftlicher Hinsicht festgestellt werden konnte, ergibt sich aus den obigen Ausführungen und insbesondere aus den übereinstimmenden Angaben des Beschwerdeführers und seiner beiden Söhne auf die Frage nach Freunden und wie er denn seine Freizeit verbringen würde, wie der nachfolgende Auszug aus der mündlichen Verhandlungsschrift verdeutlicht:

"RI: Wie verbringen Sie Ihre Freizeit?

BF: Da liegt das Problem. Ich gehe mit Freunden raus und trinke Alkohol. Deshalb hat mich meine Frau verlassen.

RI: Kennen Sie Freunde ihres Vaters und können Sie etwas zu diesen sagen?

Z1: Seine Freunde bezeichne ich als Hauptschuldige der Suchtkrankheit meines Vaters. Er hat keine anderen Leute, bis auf uns. Dadurch dass mein Vater viel Freizeit hat, sitzt man nun mal im Kaffeehaus. Das ist wirklich sehr schwer.

RI: Wie verbringt Ihr Vater seinen Alltag, wissen sie etwas darüber?

Z1: Er verbringt die meiste Zeit im Kaffeehaus. Die meiste Zeit ist er betrunken.

RI: Kennen Sie Freunde ihres Vaters und können Sie etwas zu diesen sagen?

Z2: Ich kenne einen Freund von ihm. So wirklich kann ich nichts über ihm sagen.

RI: Wie verbringt Ihr Vater seinen Alltag, wissen sie etwas darüber?

Z2: Er ist ein Typ, er geht viel Kaffee trinken und sitzt im Kaffeehaus. Im Gegensatz zu früher hat er sich verbessert, was seine Suchtkrankheit angeht. Er versucht Arbeit zu finden und läuft viel herum."

Die Zeiten der Berufstätigkeit gehen aus Sozialversicherungsdatenauszug hervor, ebenso, dass der Beschwerdeführer derzeit keiner Erwerbstätigkeit nachgeht und Notstandshilfe bezieht und somit nicht selbsterhaltungsfähig ist.

Die Feststellungen zu der strafrechtlichen Verurteilung entsprechen dem Amtswissen des Bundesverwaltungsgerichtes (Einsicht in das Strafregister der Republik Österreich).

Die Feststellung betreffend die Zulässigkeit der Abschiebung gemäß § 46 FPG iVm § 50 FPG nach Tunesien beruht darauf, dass der Beschwerdeführer weder vor der belangten Behörde noch in seinem Beschwerdeschriftsatz noch im Rahmen der mündlichen Verhandlung Angaben getätigt hat, denen zufolge eine rechtliche oder tatsächliche Unzulässigkeit der Abschiebung anzunehmen gewesen wäre. Es wurden keine Umstände vorgebracht, die nahelegen würden, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr nach Tunesien in irgendeiner Form gefährdet wäre.

2.4. Zum Herkunftsstaat:

Bezüglich der Erkenntnisquellen zur Lage im Herkunftsstaat wurden sowohl Berichte verschiedener ausländischer Behörden, etwa die allgemein anerkannten Berichte des Deutschen Auswärtigen Amtes, als auch jene von internationalen Organisationen, wie bspw. dem UNHCR, sowie Berichte von allgemein anerkannten unabhängigen Nachrichtenorganisationen, wie zum Beispiel der Schweizerischen Flüchtlingshilfe, herangezogen.

Die Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat in Tunesien ergeben sich insbesondere aus den folgenden Meldungen und Berichten:

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AA - Auswärtiges Amt (4.2017): Tunesien - Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Tunesien/Innenpolitik_node.html, Zugriff 19.7.2017

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GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (6.2017a): Tunesien - Geschichte & Staat, http://liportal.giz.de/tunesien/geschichte-staat/, Zugriff 19.7.2017

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HRW - Human Rights Watch (12.1.2017): World Report 2017 - Tunisia, http://www.ecoi.net/local_link/334720/476550_de.html, Zugriff 12.7.2017

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USDOS - U.S. Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Tunisia, http://www.ecoi.net/local_link/337230/479995_de.html, Zugriff 12.7.2017

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AA - Auswärtiges Amt (16.1.2017): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Tunesischen Republik

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AA - Auswärtiges Amt (3.2016): Tunesien - Wirtschaft, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Tunesien/Wirtschaft_node.html, Zugriff 19.7.2017

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GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (6.2017b): Tunesien - Gesellschaft, http://liportal.giz.de/tunesien/gesellschaft/, Zugriff 19.7.2017

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GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (5.2017): Tunesien - Wirtschaft & Entwicklung, http://liportal.giz.de/tunesien/wirtschaft-entwicklung/, Zugriff 19.7.2017

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ÖB - Österreichische Botschaft Tunis (11.2016): Asylländerbericht Tunesien

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BMEIA - Bundesministerium für Europa, Integration und Äußeres (20.7.2017): Reiseinformationen Tunesien, http://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/tunesien/, Zugriff 20.7.2017

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USDOS - U.S. Department of State (20.12.2016): Tunisia - Country Information,

http://travel.state.gov/content/passports/english/country/tunisia.html, Zugriff 20.7.2017

Angesichts der Seriosität und Plausibilität der angeführten Erkenntnisquellen sowie dem Umstand, dass diese Berichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängigen Quellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wissentliche Widersprüche darbieten, besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln. Darüberhinaus hat der Beschwerdeführer im Rahmen der mündlichen Verhandlung, selbst ausgeführt, dass er keine Probleme in Tunesien habe.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zur anzuwendenden Rechtslage:

Die maßgeblichen Bestimmungen des § 55 und § 57 Abs. 1 Asylgesetz 2005, BGBl I Nr. 100/2005, in der Fassung BGBl I Nr. 145/2017, lauten:

Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK

§ 55. (1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung plus" zu erteilen, wenn

1. dies gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist und

2. der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 14a NAG erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG), BGBl. I Nr. 189/1955) erreicht wird.

(2) Liegt nur die Voraussetzung des Abs. 1 Z 1 vor, ist eine "Aufenthaltsberechtigung" zu erteilen.

"Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz"

§ 57. (1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zu erteilen:

1. wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Z 3 FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht,

2. zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel oder

3. wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO, RGBl. Nr. 79/1896, erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist."

Die maßgeblichen Bestimmungen des § 50, § 52 Abs. 2 Ziffer 2 und Abs. 9 sowie § 55 Abs. 1 und 1a und § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Ziffer 1 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005, in der Fassung BGBl. I Nr. 145/2017, lauten:

"Verbot der Abschiebung

§ 50. (1) Die Abschiebung Fremder in einen Staat ist unzulässig, wenn dadurch Art. 2 oder 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, oder das Protokoll Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde oder für sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts verbunden wäre.

(2) Die Abschiebung in einen Staat ist unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort ihr Leben oder ihre Freiheit aus Gründen ihrer Rasse, ihrer Religion, ihrer Nationalität, ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder ihrer politischen Ansichten bedroht wäre (Art. 33 Z 1 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974), es sei denn, es bestehe eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG 2005).

(3) Die Abschiebung in einen Staat ist unzulässig, solange der Abschiebung die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entgegensteht.

(Anm.: Abs. 4 aufgehoben durch BGBl. I Nr. 87/2012)

Rückkehrentscheidung

§ 52. (2) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt unter einem (§ 10 AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn

2. dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,

und kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 AsylG 2005 vorliegt und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.

(9) Das Bundesamt hat mit einer Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, dass eine Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist, es sei denn, dass dies aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich sei.

Einreiseverbot

§ 53. (1) Mit einer Rückkehrentscheidung kann vom Bundesamt mit Bescheid ein Einreiseverbot erlassen werden. Das Einreiseverbot ist die Anweisung an den Drittstaatsangehörigen, für einen festgelegten Zeitraum nicht in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten einzureisen und sich dort nicht aufzuhalten.

(2) ...

(3) Ein Einreiseverbot gemäß Abs. 1 ist für die Dauer von höchstens zehn Jahren, in den Fällen der Z 5 bis 8 auch unbefristet zu erlassen, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt. Als bestimmte Tatsache, die bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbotes neben den anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen relevant ist, hat insbesondere zu gelten, wenn

1. ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten, zu einer bedingt oder teilbedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten oder mehr als einmal wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden strafbaren Handlungen rechtskräftig verurteilt worden ist;"-4. ...

2. -8. ...

Frist für die freiwillige Ausreise

§ 55. (1) Mit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 wird zugleich eine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt.

(1a) Eine Frist für die freiwillige Ausreise besteht nicht für die Fälle einer zurückweisenden Entscheidung gemäß § 68 AVG sowie wenn eine Entscheidung auf Grund eines Verfahrens gemäß § 18 BFA-VG durchführbar wird."

Die maßgebliche Bestimmung des § 18 Abs. 1 Ziffer 1 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012, in der Fassung BGBl. I Nr. 25/2016, lautet:

"Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde

§ 18. (1) Einer Beschwerde gegen eine abweisende Entscheidung über einen Antrag auf internationalen Schutz kann das Bundesamt die aufschiebende Wirkung aberkennen, wenn

1. der Asylwerber aus einem sicheren Herkunftsstaat (§ 19) stammt;"

Zu Spruchpunkt A)

3.2. Zur Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides:

Vorausgeschickt wird, dass der Beschwerdeführer ausdrücklich nur gegen die Spruchpunkte III., IV., V. und VI. des gegenständlichen Bescheides Beschwerde erhoben hat, weshalb die Spruchpunkte I. und II. (Asyl- und subsidiärer Schutz) bereits in Rechtskraft erwachsen sind.

3.2.1. Zur Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides):

3.2.3.1. Zur Nichtgewährung eines Aufenthaltstitels nach § 57 Asylgesetz 2005 (Spruchpunkt III., erster Teil des angefochtenen Bescheides):

Im ersten Spruchteil, erster Satz des Spruchpunktes III. des angefochtenen Bescheides sprach die belangte Behörde (u.a.) aus, dass der Beschwerdeführer einen "Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen" gemeint war wohl "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" gemäß § 57 Asylgesetz 2005 nicht erteilt werde.

Das Vorliegen der Voraussetzungen für die Erteilung einer solchen Aufenthaltsberechtigung wurde weder vom Beschwerdeführer behauptet, noch gibt es dafür im Verwaltungsakt irgendwelche Hinweise.

Da somit die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 57 Asylgesetz 2005 nicht gegeben sind, war die Beschwerde gegen Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides - im Umfang des ersten Spruchteiles - gemäß § 28 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz als unbegründet abzuweisen.

Hinsichtlich seines Antrages auf Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung gemäß § 55 Asylgesetz 2005 ist gemäß § 55 Abs. 1 Z 1 leg. cit. auszuführen, dass diese zu erteilen ist, wenn dies gemäß § 9 Abs. 2 BFA-Verfahrensgesetz zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist.

Dazu wird auf die untenstehenden Ausführungen zu Punkt 3.2.3.2. verwiesen, aufgrund derer die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung gemäß § 55 Asylgesetz 2005 zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK daher jedenfalls nicht angezeigt ist, weshalb dem Antrag nicht stattzugeben war.

3.2.3.2. Zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung und zur Zulässigkeit der Abschiebung (Spruchpunkt III., zweiter und dritter Teil des angefochtenen Bescheides):

Da das Asylverfahren negativ abgeschlossen wurde, hat sich die belangte Behörde zutreffend auf § 52 Abs. 2 Ziffer 2 Fremdenpolizeigesetz 2005 gestützt.

Wird durch eine Rückkehrentscheidung in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung dieser Maßnahme gemäß § 9 Abs. 1 BFA-VG (nur) zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Ziele dringend geboten ist. Bei der Beurteilung der Rechtskonformität von behördlichen Eingriffen ist nach ständiger Rechtsprechung des EGMR und VfGH auf die besonderen Umstände des Einzelfalls einzugehen. Die Verhältnismäßigkeit einer solchen Maßnahme ist (nur) dann gegeben, wenn ein gerechter Ausgleich zwischen den Interessen des Betroffenen auf Fortsetzung seines Privat- und Familienlebens im Inland einerseits und dem staatlichen Interesse an der Wahrung der öffentlichen Ordnung andererseits gefunden wird. Bei Beurteilung dieser Frage ist unter Bedachtnahme auf alle Umstände des Einzelfalles eine gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses an einer Aufenthaltsbeendigung mit den gegenläufigen privaten und familiären Interessen des Fremden, insbesondere unter Berücksichtigung der in § 9 Abs. 2 BFA-VG genannten Kriterien und unter Einbeziehung der sich aus § 9 Abs. 3 BFA-VG ergebenden Wertungen, in Form einer Gesamtbetrachtung vorzunehmen (vgl. VwGH 12.11.2015, Ra 2015/21/0101).

Maßgeblich sind dabei etwa die Aufenthaltsdauer, das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens und dessen Intensität sowie die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, weiters der Grad der Integration des Fremden, der sich in intensiven Bindungen zu Verwandten und Freunden, der Selbsterhaltungsfähigkeit, der Schulausbildung, der Berufsausbildung, der Teilnahme am sozialen Leben, der Beschäftigung und ähnlichen Umständen manifestiert sowie die Bindungen zum Heimatstaat (vgl. VwGH 5.9.2016, Ra 2016/19/0074; VwGH 7.9.2016, Ra 2016/19/0168; VwGH 22.2.2017, Ra 2017/19/0043). Für den Aspekt des Privatlebens spielt zunächst die zeitliche Komponente im Aufenthaltsstaat eine zentrale Rolle, wobei die bisherige Rechtsprechung keine Jahresgrenze festlegt, sondern eine Interessenabwägung im speziellen Einzelfall vornimmt (vgl. dazu Chvosta, Die Ausweisung von Asylwerbern und Art. 8 MRK, in ÖJZ 2007, 852 ff.). Eine von Art. 8 EMRK geschützte Integration ist erst nach einigen Jahren im Aufenthaltsstaat anzunehmen (vgl. Thym, EuGRZ 2006, 541).

Im Lichte des Art. 8 EMRK ist zunächst zu berücksichtigen, dass der Aufenthalt des volljährigen und gesunden Beschwerdeführers im Bundesgebiet seit seiner Einreise in das Bundesgebiet rund sechzehn Jahre gedauert hat. (vgl. dazu etwa das Urteil des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte vom 8. April 2008, Nnyanzi gegen das Vereinigte Königreich, Nr. 21878/06, demzufolge der Gerichtshof es nicht erforderlich erachtete, sich mit der Frage auseinanderzusetzen, ob während des fast zehnjährigen Aufenthalts des betreffenden Beschwerdeführers ein Privatleben iS von Art. 8 EMRK entstanden ist).

Sofern der Beschwerdeführer vermeint, dass ihm insbesondere auch aufgrund seines bereits seit mittlerweile rund sechzehn Jahre andauernden Aufenthalts ein Aufenthaltsrecht zukäme, ist zunächst herauszustreichen, dass es in diesem Zusammenhang keinen Rechtserwerb allein durch Zeitablauf (im Sinne einer "Ersitzung") geben kann, zumal dafür keine gesetzliche Grundlage existiert. Vielmehr enthält § 9 Abs. 2 BFA-Verfahrensgesetz eine bloß demonstrative Aufzählung jene Umstände, die bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK zu berücksichtigen sind (arg: "insbesondere"). Die "Dauer des bisherigen Aufenthaltes" ist dabei nur einer von mehreren Aspekten, die zugunsten oder zuungunsten des Fremden ins Kalkül zu ziehen sind.

Ein Aufenthalt von 16 Jahren stellt zwar eine grundsätzlich beachtliche Zeitspanne dar, es ist aber im gegenständlichen Fall zu berücksichtigen, dass der Beschwerdeführer während dieser Zeit 6-mal straffällig geworden und zu Freiheitsstrafen von insgesamt knapp 5 Jahren verurteilt worden ist, wovon er zumindest 3 Jahre und 4 Monate in Strafhaft verbrachte, dessentwegen wegen der reinen Aufenthaltsdauer auf die Unzulässigkeit der Ausweisung zu erkennen nicht indiziert ist. Darüberhinaus liegen im gegenständlichen Fall nämlich trotz der langen Aufenthaltsdauer keine Hinweise, dass der Beschwerdeführer in Österreich einen maßgeblichen Grad an Integration erlangt hätte, der seinen persönlichen Interessen ein entscheidendes Gewicht verleihen würde, bzw. der der Dauer seines Aufenthaltes entsprechen würde, vor.

Der Beschwerdeführer hat trotz der langen Aufenthaltsdauer keine Deutschkurse besucht oder Deutschprüfungen abgelegt, hat in Österreich an keinen Aus- oder Weiterbildungen teilgenommen, hat trotz der ihm durch seinen Aufenthaltstitel ermöglichten Arbeitsaufnahme während des gesamten Zeitraumes lediglich für insgesamt 14 Monate gearbeitet und dies überwiegend nur für jeweils ein paar Wochen, so hat das längste Beschäftigungsverhältnis des Beschwerdeführers gerade einmal drei Monate gedauert.

Er hat weder gemeinnützige Tätigkeiten ausgeübt, noch ist e

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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