TE Bvwg Erkenntnis 2018/10/16 W218 2202168-1

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Veröffentlicht am 16.10.2018
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Entscheidungsdatum

16.10.2018

Norm

BBG §40
BBG §41
BBG §45
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W218 2202168-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Benedikta TAURER als Vorsitzende und die Richterin Mag. Marion STEINER sowie die fachkundige Laienrichterin Mag. Bettina PINTER als Beisitzerinnen über die Beschwerde des XXXX, geboren am XXXX, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Wien vom 09.07.2018, betreffend Abweisung des Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Mit Bescheid vom 09.07.2018 stellte das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (Kurzbezeichnung: Sozialministeriumservice; in der Folge belangte Behörde genannt) fest, dass mit einem Grad der Behinderung von 30 vH die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses nicht gegeben seien.

2. Gegen diesen Bescheid wurde vom Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde erhoben. Ohne Vorlage von Beweismitteln wurde im Wesentlichen vorgebracht, dass er um eine nochmalige Überprüfung bitte.

3. Die gegenständliche Beschwerde und die Bezug habenden Verwaltungsakten langten am 30.07.2018 beim Bundesverwaltungsgericht ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Gesamtgrad der Behinderung beträgt 30 vH.

Der Beschwerdeführer leidet an folgenden Funktionseinschränkungen:

1. Gelenksabnützung im Bereich des Stütz- und Bewegungsapparates,

Pos.Nr.: 02.02.02, Grad der Behinderung 30 %

2. Chronisch venöse Insuffizienz, Zustand nach mehrfachen

Thrombosen, Pos.Nr.: 05.08.01, Grad der Behinderung 20 %

3. Diabetes mellitus, Pos.Nr.: 09.02.01, Grad der Behinderung 20 %

4. Abnützung der Wirbelsäule, Pos.Nr.: 02.01.01, Grad der Behinderung 20%

Da der Beschwerdeführer keinen Gesamtgrad der Behinderung von 50% (fünfzig v.H.) erreicht, sind die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses nicht erfüllt.

2. Beweiswürdigung:

Das eingeholte ärztliche Sachverständigengutachten ist schlüssig und nachvollziehbar, es weist keine Widersprüche auf. Es wurde auf die Art der Leiden und deren Ausmaß ausführlich eingegangen. Die getroffenen Einschätzungen, basierend auf dem im Rahmen persönlicher Untersuchung des Beschwerdeführers erhobenen klinischen Befund, entsprechen den festgestellten Funktionseinschränkungen.

Im medizinischen Sachverständigengutachten eines Arztes für Allgemeinmedizin, wird, basierend auf der persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers, am 27.04.2018, im Wesentlichen Folgendes ausgeführt:

Der Sachverständige schätzte das führende Leiden unter laufender Nummer 1 Gelenksabnützung im Bereich der Stütz- und Bewegungsapparates nach den Kriterien der Einschätzungsverordnung unter der Positionsnummer 02.02.02 mit einem Grad der Behinderung von 30 % ein, da zwar eine Mehrgelenksbeteiligung vorliegt, jedoch nur leichtgradige funktionelle Einbußen bestehen. Bei der persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers war die Beugung der Hüftgelenke des Beschwerdeführers jeweils zu

100 % möglich und die Rotation betrug 30-0-30°. Die Beweglichkeit der Kniegelenke betrug 0-0-90 rechts und 0-0-120 links. Die Varusstellung betrug 5°. Bei den Sprunggelenken besteht beidseitig eine annähernd normale Beweglichkeit und das Fußheben bzw. -senken ist beidseitig durchführbar, alle Funktionen sind ungestört. Der Beschwerdeführer war in der Lage, den Zehen- und den Fersenstand sowie den Einbeinstand beidseitig durchzuführen. Aus dem Attest eines Arztes für Allgemeinmedizin, fälschlicherweise datiert mit 18.06.2019, geht hervor, dass der Beschwerdeführer an einer Gonarthrose beidseits, einer Coxarthrose bei coxvara und einer deutlichen Hallux- rigidus- Arthrose leidet. Dieses Attest wurde zwar nach Gutachtenerstellung nachgereicht, führt jedoch zu keiner abweichenden Beurteilung, da der Sachverständige die Mehrgelenksbeteiligung der Gelenksabnützung im Gutachten berücksichtigte und dementsprechend eingestuft hat. Das genannte Attest zeigt auch lediglich eine Auflistung von Beschwerden ohne weitergehende Befunde und Untersuchungen, sodass keine höhere Funktionseinschränkung festgestellt werden kann. Das ärztliche Attest einer Fachärztin für Orthopädie und orthopädische Chirurgie vom 14.06.2018 zeigt auch eine Retropatellarthrose, wobei die Symptome rechts stärker als links sind. Auch bei der persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers durch den Sachverständigen wurde beim rechten Knie eine größere Einschränkung der Beweglichkeit als beim linken Knie festgestellt und bereits mitberücksichtigt. Aus diesem Attest kann sohin keine höhere Funktionseinschränkung festgestellt werden, als gutachterlich beurteilt wurde, zumal das Attest lediglich eine Diagnose stellt und keine weiteren, über die gutachterliche Beurteilung hinausgehenden, Erkenntnisse zu Tage bringt. Da der Beschwerdeführer bei der persönlichen Untersuchung in der Lage war, im Untersuchungsraum ohne Gehilfe und ohne Rollator sich fortbewegen zu können und sich das Gangbild lediglich rechts leicht hinkend darstellte, ist die gutachterliche Einschätzung des Grades der Behinderung mit 30 % schlüssig und nachvollziehbar, zumal unter die angeführte Positionsnummer mäßige Funktionseinschränkungen fallen und sohin mit dem unteren Rahmensatz der tatsächlichen Funktionseinschränkung entsprochen wurde.

Die unter laufender Nummer 2 angeführte chronisch venöse Insuffizienz, Zustand nach mehrfachen Thrombosen wurde vom Sachverständigen schlüssig und nachvollziehbar nach den Kriterien der Einschätzungsverordnung unter der Positionsnummer 05.08.01 mit einer Stufe über dem unteren Rahmensatz eingestuft, da eine Schwellungsneigung an beiden Unterschenkeln vorhanden ist und eine Dauermarcoumarisierung erforderlich ist. Aus den vom Beschwerdeführer vorgelegten Befunden vom 09.08.2017 und vom 13.09.2017 geht hervor, dass der Beschwerdeführer an beiden Beinen an einer Thrombose leidet. Grundsätzlich ist das Leiden gut komprimierbar, lediglich im Bereich des proximalen und mittleren Unterschenkeldrittels ist das Leiden nicht komprimierbar und nahezu vollständig von thrombotischen Material ausgefüllt. Aus der fachärztlichen Begutachtung vom 23.11.2017 geht zudem hervor, dass trotz Kompressionsstrümpfen eine Schwellungsneigung besteht und die Daflontherapie fortgeführt werden muss, es konnte jedoch die Therapie mit Lovenox beendet werden. Bei der persönlichen Untersuchung stellte der Sachverständige fest, dass leichte Ödeme bestehen, welche rechts ausgebildeter sind als links, es lagen jedoch keine postthrombotischen Veränderungen vor. Daher erfolgte die Einstufung des Grades der Behinderung mit 20 % zu Recht, da nach den Kriterien der Einschätzungsverordnung eine ausgeprägte Schwellungsneigung von dieser Beurteilung mitumfasst ist.

Der Sachverständige schätzte den Diabetes mellitus unter der Positionsnummer 09.02.01 mit einem Grad der Behinderung von 20 vH, sohin einer Stufe über dem unteren Rahmensatz, ein, da unter oraler antidiabetischer Medikation eine befriedigende Stoffwechselsituation besteht. Eine höhere Einschätzung des Grades der Behinderung ist durch die vorgelegten Befunde nicht vorzunehmen.

Der Sachverständige beurteilte bei der persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers auch die Beweglichkeit der Wirbelsäule. Die HWS war altersentsprechend frei beweglich, die Drehung und Seitneigung war dabei beidseits frei, der KJA betrug 1 cm. Bei der BWS bestehen endlagige Bewegungseinschränkungen und eine leichte Skoliose. Bei der LWS bestehen ebenfalls endlagige Bewegungseinschränkungen, der FBA betrug 30 cm. Die Rückenmuskulatur ist symmetrisch ausgebildet und besteht kein wesentlicher Hartspann der Rückenmuskulatur. Im - nach gutachterlicher Beurteilung vorgelegten - ärztlichen Attest vom 14.06.2018 von einer Fachärztin für Orthopädie und orthopädische Chirurgie wurde ein Lumbago diagnostiziert, doch führt dieser zu keiner höheren Einschätzung der Funktionseinschränkung. Der Sachverständige beurteilte die Funktionseinschränkung "Abnützungen der Wirbelsäule" nach den Kriterien der Einschätzungsverordnung unter der Positionsnummer 02.01.01 mit dem oberen Rahmensatz aufgrund der mäßigen radiologischen Veränderungen und des nur geringfügigen Vorliegens von Funktionseinschränkungen und des Nichtvorliegens radikulärer Symptomatik. Eine höhere Einschränkung der Funktionseinschränkung ist befundmäßig nicht dokumentiert und wurde vom Beschwerdeführer auch nicht vorgebracht.

Der Gesamtgrad der Behinderung beträgt 30 vH, da das führende Leiden unter der Position 1 durch die anderen Leiden nicht erhöht wird. Es besteht kein maßgebliches ungünstiges Zusammenwirken der festgestellten Leiden.

Die Behörde (bzw. das Gericht) hat ein Gutachten auf seine Vollständigkeit und Schlüssigkeit zu überprüfen. Weitere Gutachten hat die Behörde nur dann einzuholen, wenn sich die vorliegenden Gutachten als nicht vollständig oder nicht schlüssig und damit als nicht ausreichend erweisen; will eine Partei außer dem vorliegenden schlüssigen und vollständigen Gutachten noch ein weiteres in das Verfahren einbezogen wissen, steht es ihr frei, selbst ein Gutachten eines privaten Sachverständigen zu beschaffen und vorzulegen. Die belangte Behörde und der Beschwerdeführer sind den getroffenen Feststellungen nicht entgegengetreten, weshalb das Gericht die im Gutachten getroffenen Feststellungen ohne weitere Ermittlungen dem Sachverhalt zugrunde gelegt hat.

Das Bundesverwaltungsgericht erachtet das eingeholte Sachverständigengutachten als schlüssig, vollständig und nachvollziehbar. In einer Zusammenschau der vorliegenden Befunde, des Gutachtens und dem Umstand, dass der Beschwerdeführer dem Gutachten nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegentreten ist, geht der erkennende Senat davon aus, dass das Sachverständigengutachten bzw. der darin festgelegte Grad der Behinderung von 30 v.H. der Entscheidung zugrunde zu legen ist.

Die vorgelegten Unterlagen enthalten keine neuen fachärztlichen Aspekte bzw. wurden diese bereits bei der Beurteilung berücksichtigt. Das nach erfolgter Begutachtung vorgelegte ärztliche Attest eines Arztes für Allgemeinmedizin datiert mit 18.06.2019 ist eine Auflistung von beim Beschwerdeführer vorliegenden Beschwerden und lässt sich daraus keine schlechtere Einschätzung der festgestellten Funktionseinschränkungen ableiten. Die im ärztlichen Attest einer Fachärztin für Orthopädie und orthopädische Chirurgie vom 14.06.2018 diagnostizierten Funktionseinschränkungen wurden im Sachverständigengutachten bereits berücksichtigt und führen zu keiner höheren Einschätzung der festgestellten Funktionseinschränkung. Das vom Beschwerdeführer vorgelegte handschriftliche ärztliche Attest, datiert mit Februar 2018, stellt eine Auflistung von Beschwerden dar, welche bereits aus den andren Attesten ableitbar sind. Es ist nicht erkennbar, welcher Arzt dieses Attest ausgestellt hat bzw. welchem Fachbereich der Arzt zuzuschreiben sei, daher kann dieses Attest bei der Beurteilung der Funktionseinschränkungen nicht berücksichtigt werden.

Das eingeholte Sachverständigengutachten steht mit den Erfahrungen des Lebens, der ärztlichen Wissenschaft und den Denkgesetzen nicht in Widerspruch. Auch war dem Vorbringen sowie den eingeholten und vorgelegten Beweismitteln kein Anhaltspunkt zu entnehmen, die Tauglichkeit des befassten Sachverständigen oder dessen Beurteilung beziehungsweise Feststellungen in Zweifel zu ziehen.

Das Sachverständigengutachten wird daher in freier Beweiswürdigung der Entscheidung zu Grunde gelegt.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen. Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.

Zu A)

1. Zur Entscheidung in der Sache:

Unter Behinderung im Sinne dieses Bundesgesetzes ist die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten. (§ 1 Abs. 2 BBG)

Behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% ist auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpaß auszustellen, wenn

1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder

2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder

3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder

4. für sie erhöhte Familienbeihilfe bezogen wird oder sie selbst erhöhte Familienbeihilfe beziehen oder

5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderten-einstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.

(§ 40 Abs. 1 BBG)

Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn

1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder

2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder

3. ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt.

(§ 41 Abs. 1 BBG)

Auszug aus der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend nähere Bestimmungen über die Feststellung des Grades der Behinderung (Einschätzungsverordnung) idgF:

"Grad der Behinderung

§ 2. (1) Die Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen sind als Grad der Behinderung zu beurteilen. Der Grad der Behinderung wird nach Art und Schwere der Funktionsbeeinträchtigung in festen Sätzen oder Rahmensätzen in der Anlage dieser Verordnung festgelegt. Die Anlage bildet einen Bestandteil dieser Verordnung.

(2) Bei Auswirkungen von Funktionsbeeinträchtigungen, die nicht in der Anlage angeführt sind, ist der Grad der Behinderung in Analogie zu vergleichbaren Funktionsbeeinträchtigungen festzulegen.

(3) Der Grad der Behinderung ist nach durch zehn teilbaren Hundertsätzen festzustellen. Ein um fünf geringerer Grad der Behinderung wird von ihnen mit umfasst. Das Ergebnis der Einschätzung innerhalb eines Rahmensatzes ist zu begründen.

Gesamtgrad der Behinderung

§ 3. (1) Eine Einschätzung des Gesamtgrades der Behinderung ist dann vorzunehmen, wenn mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen. Bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung sind die einzelnen Werte der Funktionsbeeinträchtigungen nicht zu addieren. Maßgebend sind die Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen zueinander.

(2) Bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung ist zunächst von jener Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, für die der höchste Wert festgestellt wurde. In der Folge ist zu prüfen, ob und inwieweit dieser durch die weiteren Funktionsbeeinträchtigungen erhöht wird. Gesundheitsschädigungen mit einem Ausmaß von weniger als 20 vH sind außer Betracht zu lassen, sofern eine solche Gesundheitsschädigung im Zusammenwirken mit einer anderen Gesundheitsschädigung keine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung verursacht.

Bei Überschneidungen von Funktionsbeeinträchtigungen ist grundsätzlich vom höheren Grad der Behinderung auszugehen.

(3) Eine wechselseitige Beeinflussung der Funktionsbeeinträchtigungen, die geeignet ist, eine Erhöhung des Grades der Behinderung zu bewirken, liegt vor, wenn

-

sich eine Funktionsbeeinträchtigung auf eine andere besonders nachteilig auswirkt,

-

zwei oder mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen, die gemeinsam zu einer wesentlichen Funktionsbeeinträchtigung führen.

(4) Eine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung ist dann gegeben, wenn das Gesamtbild der Behinderung eine andere Beurteilung gerechtfertigt erscheinen lässt, als die einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen alleine.

Grundlage der Einschätzung

§ 4. (1) Die Grundlage für die Einschätzung des Grades der Behinderung bildet die Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen im körperlichen, geistigen, psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung in Form eines ärztlichen Sachverständigengutachtens. Erforderlichenfalls sind Experten aus anderen Fachbereichen - beispielsweise Psychologen - zur ganzheitlichen Beurteilung heran zu ziehen.

(2) Das Gutachten hat neben den persönlichen Daten die Anamnese, den Untersuchungsbefund, die Diagnosen, die Einschätzung des Grades der Behinderung, eine Begründung für die Einschätzung des Grades der Behinderung innerhalb eines Rahmensatzes sowie die Erstellung des Gesamtgrades der Behinderung und dessen Begründung zu enthalten."

Da ein Grad der Behinderung von 30 (dreißig) vH festgestellt wurde und somit die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses nicht erfüllt sind, war spruchgemäß zu entscheiden.

2. Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 24 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013 idgF hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. In diesem Sinne ist eine Verhandlung als erforderlich anzusehen, wenn es nach Art. 6 EMRK bzw. Art. 47 Abs. 2 GRC geboten ist, wobei gemäß Rechtsprechung des VfGH der Umfang der Garantien und des Schutzes der Bestimmungen ident sind.

Der Rechtsprechung des EGMR kann entnommen werden, dass er das Sozialrecht auf Grund seiner technischen Natur und der oftmaligen Notwendigkeit, Sachverständige beizuziehen, als gerade dazu geneigt ansieht, nicht in allen Fällen eine mündliche Verhandlung durchzuführen (vgl. Eriksson v. Sweden, EGMR 12.4.2012; Schuler-Zgraggen v. Switzerland, EGMR 24.6.1993).

Im Erkenntnis vom 18.01.2005, GZ. 2002/05/1519, nimmt auch der Verwaltungsgerichtshof auf die diesbezügliche Rechtsprechung des EGMR (Hinweis Hofbauer v. Österreich, EGMR 2.9.2004) Bezug, wonach ein mündliches Verfahren verzichtbar erscheint, wenn ein Sachverhalt in erster Linie durch seine technische Natur gekennzeichnet ist. Darüber hinaus erkennt er bei Vorliegen eines ausreichend geklärten Sachverhalts das Bedürfnis der nationalen Behörden nach zweckmäßiger und wirtschaftlicher Vorgangsweise an, welches das Absehen von einer mündlichen Verhandlung gestatte (vgl. VwGH vom 4.3.2008, 2005/05/0304).

Der im gegenständlichen Fall entscheidungsrelevante Sachverhalt wurde auf gutachterlicher Basis ermittelt. Zudem wurde von der beschwerdeführenden Partei in der Beschwerde kein Vorbringen erstattet, welches eine weitere Erörterung notwendig erschienen ließ.

Im Hinblick auf obige Überlegungen sah der erkennende Senat daher unter Beachtung der Wahrung der Verfahrensökonomie und -effizienz von einer mündlichen Verhandlung ab, zumal auch eine weitere Klärung der Rechtssache hierdurch nicht erwartbar war.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG) hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Vielmehr hängt die Entscheidung von Tatsachenfragen ab. Maßgebend sind die Art des Leidens und das festgestellte Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigungen.

Schlagworte

Behindertenpass, Grad der Behinderung, Sachverständigengutachten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W218.2202168.1.00

Zuletzt aktualisiert am

02.01.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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