Entscheidungsdatum
16.10.2018Norm
Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen §1Spruch
W216 2201107-1/7E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Marion STEINER als Vorsitzende und die Richterin Mag. Benedikta TAURER sowie die fachkundige Laienrichterin Mag. Bettina PINTER als Beisitzerinnen über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Niederösterreich, in der Fassung der Beschwerdevorentscheidung vom 09.07.2018, OB: XXXX, betreffend die Abweisung des Antrages auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung auf Grund einer Behinderung" in den Behindertenpass, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
Der Beschwerdeführer brachte am 20.03.2018 verfahrensgegenständlichen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (im Folgenden: belangte Behörde) ein.
Seitens der belangten Behörde wurde in weiterer Folge eine Fachärztin für Innere Medizin und Ärztin für Allgemeinmedizin um Erstellung eines Sachverständigengutachtens ersucht, um zu beurteilen, ob die medizinischen Voraussetzungen für die beantragte Zusatzeintragung vorlägen.
Mit Bescheid der belangten Behörde vom 16.05.2018 wurde der Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass unter Zugrundelegung des Sachverständigengutachtens vom 16.04.2018 abgewiesen.
Mit Schreiben vom 28.05.2018 erhob der Beschwerdeführer - fristgerecht - das Rechtsmittel der Beschwerde, in der im Wesentlichen vorgebracht wird, dass der Beschwerdeführer aufgrund seiner Erkrankung in seiner Gehleistung derart eingeschränkt sei, dass er längere Wegstrecken nicht zurücklegen könne, ohne alle paar Meter rasten zu müssen. Die nächste Haltestelle liege mehr als 1 km von seinem Wohnort entfernt. Da er auf dem Land lebe sei die Mitnahme seines Rollators mit einigem Aufwand verbunden und erheblich erschwert. Aufgrund der Schmerzen in seinem Knie sei es sehr schwer für ihn, Stufen zu steigen, speziell in engen Bereichen wie z.B. einem Buseinstieg.
Im Rahmen des Beschwerdevorprüfungsverfahrens ersuchte die belangte Behörde die Fachärztin für Innere Medizin und Ärztin für Allgemeinmedizin um Stellungnahme zum Beschwerdevorbringen. Diese kam in ihrer Stellungnahme vom 07.06.2018 zu dem Ergebnis, dass aus medizinischer Sicht keine Änderung objektiviert werden könne.
Mit Beschwerdevorentscheidung vom 16.05.2018 wies die belangte Behörde die Beschwerde - unter Zugrundelegung des eingeholten Sachverständigengutachtens sowie der ärztlichen Stellungnahme - ab.
Mit Schreiben vom 16.07.2018 beantragte der Beschwerdeführer - unter Vorlage neuer medizinischer Befunde und dem Vorbringen, dass eine schwere deformierende Gonarthrose beidseitig festgestellt worden sei - die Vorlage der Beschwerde zur Entscheidung an das Bundesverwaltungsgericht.
Die gegenständliche Beschwerde und die Bezug habenden Verwaltungsakten wurden von der belangten Behörde dem Bundesverwaltungsgericht am 17.07.2018 vorgelegt.
Zur Überprüfung des Beschwerdevorbringens ersuchte das Bundesverwaltungsgericht die Fachärztin für Innere Medizin und Ärztin für Allgemeinmedizin um Erstellung eines ergänzenden medizinischen Sachverständigengutachtens und insbesondere um die Beantwortung der Fragen, wodurch das Vorbringen entkräftet werden könne bzw. ob daraus eine abweichende Beurteilung resultiere, welche Gesundheitsschädigungen in welchem Ausmaß durch die vorgelegten Befunde dokumentiert würden und ob diese Befunde eine Änderung bzw. Erweiterung der Beurteilung der Zusatzeintragung bedingen würden bzw. wodurch diese im Rahmen der eingeholten Sachverständigengutachten berücksichtigt oder entkräftet würden.
Mit Schreiben des Bundesverwaltungsgerichtes vom 24.09.2018 wurden der Beschwerdeführer und die belangte Behörde über das Ergebnis der Beweisaufnahme informiert und ihnen in Wahrung des Parteiengehörs die Gelegenheit eingeräumt, zum eingeholten Sachverständigengutachten vom 18.09.2018 binnen zwei Wochen ab Zustellung des Schreibens eine Stellungnahme beim Bundesverwaltungsgericht abzugeben.
Weder der Beschwerdeführer noch die belangte Behörde erstatteten eine Stellungnahme.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der Beschwerdeführer ist Inhaber eines Behindertenpasses.
Er brachte am 20.03.2018 den gegenständlichen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass bei der belangten Behörde ein.
Der Beschwerdeführer leidet unter folgenden Funktionseinschränkungen:
1) Koronare Herzkrankheit mit Zustand nach Hinterwandinfarkt 2008
2) Insulinpflichtiger Diabetes bei stabiler Stoffwechsellage
3) Periphere arterielle Gefäßerkrankung
Der Beschwerdeführer weist ein zwar etwas verlangsamtes aber freies und ohne Hilfsmittel gegebenes sicheres Gangbild auf. Mit erhaltener Kraft aller Extremitäten sind weder die Gehleistung noch die Beweglichkeit der Arme maßgeblich eingeschränkt.
Es liegen somit keine Funktionseinschränkungen vor, die das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke (300-400 m), dass Ein- und Aussteigen bei den üblichen Niveauunterschieden ohne fremde Hilfe oder die Beförderung in einem öffentlichen Verkehrsmittel erheblich erschweren.
Beim Beschwerdeführer liegt keine schwere Erkrankung des Immunsystems vor.
Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist dem Beschwerdeführer zumutbar.
Die Voraussetzungen für die Vornahme der beantragten Zusatzeintragung liegen zum aktuellen Entscheidungszeitpunkt nicht vor.
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen zur gegenständlichen Antragstellung und zum Vorliegen eines Behindertenpasses ergeben sich aus dem Akteninhalt.
Die Feststellung, dass die Voraussetzungen für die Vornahme der beantragten Zusatzeintragung zum aktuellen Entscheidungszeitpunkt nicht vorliegen und dem Beschwerdeführer die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zumutbar ist, basiert auf dem seitens der belangten Behörde eingeholten Gutachten einer Fachärztin für Innere Medizin und Ärztin für Allgemeinmedizin vom 16.04.2018 sowie der ergänzenden medizinischen Stellungnahme vom 07.06.2018 iVm dem seitens des Bundesverwaltungsgerichtes eingeholten ergänzenden Sachverständigengutachten der Fachärztin für Innere Medizin und Ärztin für Allgemeinmedizin vom 18.09.2018. Darin wird nachvollziehbar ausgeführt, dass die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel für den Beschwerdeführer aktuell zumutbar sei. Es wird auf die Art der Leiden des Beschwerdeführers und deren Ausmaß sowie deren Auswirkung auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel vollständig, nachvollziehbar und widerspruchsfrei eingegangen. Das Gutachten vom 16.04.2018 beinhaltet auch einen ausführlichen Untersuchungsbefund, welcher mit der gutachterlichen Beurteilung übereinstimmt und unter Berücksichtigung sämtlicher vom Beschwerdeführer vorgelegten Befunde erstellt wurde.
Die Sachverständige führt vollständig, schlüssig und widerspruchsfrei aus, dass keine der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen sowie den sicheren Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht zulassen. Ebenso wenig bestehe eine schwere Immunerkrankung. Insgesamt sei daher aus gutachterlicher Sicht die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel nicht gegeben. Es hätten keine Befunde erhoben werden können, welche eine cadiorespiratorische Leistungseinschränkung ergeben würden, die das Zurücklegen kurzer Wegstrecken beeinträchtigen würde. Ebenso seien keine orthopädischen Befunde erfasst worden, welche den sicheren Transport oder das sichere Ein- und Aussteigen verhindern könnten. Auch die zu bewältigende Gehstrecke sei als ausreichend bewertet worden.
Die vorgelegten Beweismittel stehen nicht im Widerspruch zum Ergebnis des eingeholten Sachverständigenbeweises, es wird betreffend die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel kein aktuell anderes Funktionsdefizit beschrieben als gutachterlich festgestellt wurde und sie enthalten auch keine neuen fachärztlichen Aspekte, welche unberücksichtigt geblieben sind. Die Krankengeschichte des Beschwerdeführers wurde umfassend und differenziert nach dem konkret vorliegenden Krankheitsbild berücksichtigt. Der Beschwerdeführer hat das aktuelle Gutachten vom 18.09.2018 im Rahmen des ihm gewährten Parteiengehörs auch nicht bestritten.
Soweit der Beschwerdeführer die weite Entfernung seines Wohnortes von der nächsten Haltestelle moniert sowie auf dem Land zu leben, ist er darauf hinzuweisen, dass es für die Berechtigung der zusätzlichen Eintragung in den Behindertenpass hinsichtlich der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel entscheidend auf die Art und die Schwere der dauernden Gesundheitsschädigung und deren Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ankommt, nicht aber auf andere Umstände, die die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel erschweren. Aus diesem Grund ist der Umstand betreffend die mangelnde Infrastruktur (Vorhandensein und Erreichbarkeit, Entfernung zum nächsten öffentlichen Verkehrsmittel, "Leben am Land") rechtlich nicht von Relevanz und kann daher bei der Beurteilung der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel nicht berücksichtigt werden. (VwGH vom 22.10.2002, Zl. 2001/11/0258)
Das die Infrastruktur betreffende Vorbringen des Beschwerdeführer ist daher nicht zielführend.
Der Beschwerdeführer ist dem eingeholten Sachverständigengutachten im Rahmen der Beschwerde auch nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten, steht es dem Antragsteller, so er der Auffassung ist, dass seine Leiden nicht hinreichend berücksichtigt wurden, nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes doch frei, das im Auftrag der Behörde erstellte Gutachten durch die Beibringung eines Gegengutachtens eines Sachverständigen seiner Wahl zu entkräften (vgl. etwa das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 27.06.2000, Zl. 2000/11/0093).
Der Beschwerdeführer vermochte somit mit seinem Beschwerdevorbringen die erfolgte Einschätzung der Sachverständigen und die Schlussfolgerungen der belangten Behörde nicht in Zweifel zu ziehen. Die im Auftrag der belangten Behörde sowie des Bundesverwaltungsgerichtes eingeholten Sachverständigengutachten werden vom Bundesverwaltungsgericht als vollständig, nachvollziehbar, schlüssig und widerspruchsfrei angesehen.
Das Bundesverwaltungsgericht findet daher auch keinen Anlass zur Annahme, dass die Sachverständigengutachten mit den Erfahrungen des Lebens oder den Denkgesetzen in Widerspruch stehen und diese werden daher in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung zugrunde gelegt.
3. Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz - BVwGG) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Gemäß § 45 Abs. 3 Bundesbehindertengesetz, BGBl. Nr. 283/1990, idF BGBl. I. Nr. 57/2015, (BBG), hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen. Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013 idF BGBl. I Nr. 122/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben ist, den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
Zu Spruchteil A)
Die gegenständlich maßgeblichen Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes (BBG) lauten auszugsweise:
"§ 42. (1) Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.
...
§ 45. (1) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.
(2) Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben oder der Pass eingezogen wird.
(3) In Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.
(4) Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs. 3 hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen."
...
§ 47. Der Bundesminister für Arbeit und Soziales ist ermächtigt, mit Verordnung die näheren Bestimmungen über den nach § 40 auszustellenden Behindertenpaß und damit verbundene Berechtigungen festzusetzen."
§ 1 Abs. 2 der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, StF: BGBl. II Nr. 495/2013, lautet auszugsweise:
§ 1 ....
(2) Auf Antrag des Menschen mit Behinderung ist jedenfalls
einzutragen: 1. ....... 2. ...... 3. die Feststellung, dass dem
Inhaber/der Inhaberin des Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist; die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das 36. Lebensmonat vollendet ist und - erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder - erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder - erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten, Funktionen oder - eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder - eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit nach § 1 Abs. 2 Z 1 lit. b oder d
vorliegen.
(3) Grundlage für die Beurteilung, ob die Voraussetzungen für die in § 1 Abs. 2 genannten Eintragungen erfüllt sind, bildet ein Gutachten eines ärztlichen Sachverständigen des Bundessozialamtes. Soweit es zur ganzheitlichen Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen erforderlich erscheint, können Experten/Expertinnen aus anderen Fachbereichen beigezogen werden. Bei der Ermittlung der Funktionsbeeinträchtigungen sind alle zumutbaren therapeutischen Optionen, wechselseitigen Beeinflussungen und Kompensationsmöglichkeiten zu berücksichtigen.
(4)......"
Die Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, BGBl. II 495/2013, ist gemäß § 5 Abs. 1 leg.cit. mit 1. Jänner 2014 in Kraft getreten. Die Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen, BGBl. Nr. 86/1991, ist mit Ablauf des 31. Dezember 2013 außer Kraft getreten.
Gemäß § 1 Abs. 3 der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen bildet die Grundlage für die Beurteilung, ob die Voraussetzungen für die in § 1 Abs. 2 genannten Eintragungen erfüllt sind, ein Gutachten eines ärztlichen Sachverständigen des Bundessozialamtes. Soweit es zur ganzheitlichen Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen erforderlich erscheint, können Experten/Expertinnen aus anderen Fachbereichen beigezogen werden. Bei der Ermittlung der Funktionsbeeinträchtigungen sind alle zumutbaren therapeutischen Optionen, wechselseitigen Beeinflussungen und Kompensationsmöglichkeiten zu berücksichtigten.
Um die Frage der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel beurteilen zu können, hat die Behörde nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu ermitteln, ob der Antragsteller dauernd an seiner Gesundheit geschädigt ist und wie sich diese Gesundheitsschädigung nach ihrer Art und ihrer Schwere auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirkt. Sofern nicht die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auf Grund der Art und der Schwere der Gesundheitsschädigung auf der Hand liegt, bedarf es in einem Verfahren über einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung" regelmäßig eines ärztlichen Sachverständigengutachtens, in dem die dauernde Gesundheitsschädigung und ihre Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in nachvollziehbarer Weise dargestellt werden. Nur dadurch wird die Behörde in die Lage versetzt, zu beurteilen, ob dem Betreffenden die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung unzumutbar ist (vgl. VwGH 23.02.2011, 2007/11/0142, und die dort zitierten Erkenntnisse vom 18.12.2006, 2006/11/0211, und vom 17.11.2009, 2006/11/0178, jeweils mwN.).
Ein solches Sachverständigengutachten muss sich mit der Frage befassen, ob der Antragsteller dauernd an seiner Gesundheit geschädigt ist und wie sich diese Gesundheitsschädigung nach ihrer Art und ihrer Schwere auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirkt (VwGH 20.03.2001, 2000/11/0321). Dabei ist auf die konkrete Fähigkeit des Beschwerdeführers zur Benützung öffentlicher Verkehrsmittel einzugehen, dies unter Berücksichtigung der hierbei zurückzulegenden größeren Entfernungen, der zu überwindenden Niveauunterschiede beim Aus- und Einsteigen, der Schwierigkeiten beim Stehen, bei der Sitzplatzsuche, bei notwendig werdender Fortbewegung im Verkehrsmittel während der Fahrt etc. (VwGH 22.10.2002, 2001/11/0242; VwGH 14.05.2009, 2007/11/0080).
Wie oben unter Punkt II.2. eingehend ausgeführt wurde, werden der gegenständlichen Entscheidung die durch die belangte Behörde sowie dem Bundesverwaltungsgericht eingeholten Sachverständigengutachten der Fachrichtung Innere Medizin und Allgemeinmedizin zu Grunde gelegt. In diesen wird schlüssig und nachvollziehbar verneint, dass die beim Beschwerdeführer vorliegenden Funktionseinschränkungen die Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung auf Grund einer Behinderung" in den Behindertenpass rechtfertigen.
Wie ebenfalls bereits oben im Rahmen der Beweiswürdigung dargelegt wurde, waren die in der Beschwerde sowie dem Vorlageantrag erhobenen Einwendungen nicht geeignet, die vorliegenden Gutachten zu entkräften. Neue Befunde, welche die Gutachten entkräften konnten, wurden nicht vorgelegt. Es ist daher im Beschwerdefall davon auszugehen, dass dem Beschwerdeführer zum aktuellen Entscheidungszeitpunkt die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zumutbar ist.
Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass bei einer späteren Verschlechterung des Leidenszustandes die neuerliche Prüfung der "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel" nach Maßgabe des § 41 Abs.2 BBG in Betracht kommt.
Die Beschwerde war daher spruchgemäß abzuweisen.
Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:
Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.
Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn
1. der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder
2. die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist.
Gemäß § 24 Abs. 3 VwGVG hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.
Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen.
Der EGMR hat in seinen Entscheidungen vom 10. Mai 2007, Nr. 7401/04 (Hofbauer/Österreich Nr. 2), und vom 3. Mai 2007, Nr. 17.912/05 (Bösch/Österreich), unter Hinweis auf seine frühere Rechtsprechung dargelegt, dass der Beschwerdeführer grundsätzlich ein Recht auf eine mündliche Verhandlung vor einem Tribunal hat, außer es lägen außergewöhnliche Umstände vor, die eine Ausnahme davon rechtfertigten. Der EGMR hat das Vorliegen solcher außergewöhnlichen Umstände angenommen, wenn das Verfahren ausschließlich rechtliche oder "hoch-technische" Fragen ("exclusively legal or highly technical questions") betrifft. Der Gerichtshof verwies im Zusammenhang mit Verfahren betreffend ziemlich technische Angelegenheiten ("rather technical nature of disputes") auch auf das Bedürfnis der nationalen Behörden nach zweckmäßiger und wirtschaftlicher Vorgangsweise, das angesichts der sonstigen Umstände des Falles zum Absehen von einer mündlichen Verhandlung berechtige (VwGH 03.10.2013, 2012/06/0221).
In seinem Urteil vom 18. Juli 2013, Nr. 56.422/09 (Schädler-Eberle/Liechtenstein) hat der EGMR in Weiterführung seiner bisherigen Judikatur dargelegt, dass es Verfahren gebe, in denen eine Verhandlung nicht geboten sei, etwa wenn keine Fragen der Beweiswürdigung aufträten oder die Tatsachenfeststellungen nicht bestritten seien, sodass eine Verhandlung nicht notwendig sei und das Gericht auf Grund des schriftlichen Vorbringens und der schriftlichen Unterlagen entscheiden könne (VwGH 03.10.2013, 2012/06/0221).
Im gegenständlichen Fall wurde die Frage der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel betreffend den Beschwerdeführer unter Mitwirkung einer ärztlichen Sachverständigen überprüft. Der entscheidungsrelevante Sachverhalt ist vor dem Hintergrund der vorliegenden, nicht ausreichend substantiiert bestrittenen schlüssigen Sachverständigengutachten geklärt, sodass im Sinne der Judikatur des EGMR und der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16.12.2013, Zl. 2011/11/0180) eine mündliche Verhandlung nicht geboten war. Art. 6 EMRK bzw. Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union stehen somit dem Absehen von einer mündlichen Verhandlung gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG nicht entgegen.
Zu Spruchteil B)
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Dieser Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen Rechtsprechung, des Weiteren ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.
Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.
Schlagworte
Behindertenpass, Sachverständigengutachten, ZusatzeintragungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2018:W216.2201107.1.00Zuletzt aktualisiert am
02.01.2019