TE Bvwg Erkenntnis 2018/10/17 W146 2184830-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 17.10.2018
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Entscheidungsdatum

17.10.2018

Norm

AsylG 2005 §11
AsylG 2005 §2 Abs1 Z15
AsylG 2005 §2 Abs1 Z22
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs4
AsylG 2005 §3 Abs5
AsylG 2005 §34 Abs2
AsylG 2005 §34 Abs4
AsylG 2005 §75 Abs24
BFA-VG §21 Abs7
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §24 Abs4
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W146 2184823-1/5E

W146 2184830-1/5E

W146 2184826-1/5E

W146 2184821-1/5E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Stefan HUBER als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX, geb. XXXX, StA. Syrien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 21.12.2017, Zl. 1096123607-170918382/BMI-BFA_NOE_RD, zu Recht:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 idgF der Status des Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 3 Abs. 4 AsylG 2005 idgF kommt XXXX eine befristete Aufenthaltsberechtigung als Asylberechtigter für drei Jahre zu. Gemäß § 3 Abs. 5 leg. cit. wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Stefan HUBER als Einzelrichter über die Beschwerde der XXXX, geb. XXXX, StA. Syrien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 20.12.2017, Zl. 1096123705-170918455/BMI-BFA_NOE_RD, zu Recht:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 34 Abs. 2 AsylG 2005 idgF der Status der Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 3 Abs. 4 AsylG 2005 idgF kommt XXXX eine befristete Aufenthaltsberechtigung als Asylberechtigte für drei Jahre zu. Gemäß § 3 Abs. 5 leg. cit. wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Stefan HUBER als Einzelrichter über die Beschwerde der XXXX, geb. XXXX, StA. Syrien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 21.12.2017, Zl. 1096123901-170918498/BMI-BFA_NOE_RD, zu Recht:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 34 Abs. 2 AsylG 2005 idgF der Status der Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 3 Abs. 4 AsylG 2005 idgF kommt XXXX eine befristete Aufenthaltsberechtigung als Asylberechtigte für drei Jahre zu. Gemäß § 3 Abs. 5 leg. cit. wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Stefan HUBER als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX, geb. XXXX, StA. Syrien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 21.12.2017, Zl. 1096123803-170918480/BMI-BFA_NOE_RD, zu Recht:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 34 Abs. 2 AsylG 2005 idgF der Status des Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 3 Abs. 4 AsylG 2005 idgF kommt XXXXeine befristete Aufenthaltsberechtigung als Asylberechtigter für drei Jahre zu. Gemäß § 3 Abs. 5 leg. cit. wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE

I. Verfahrensgang

Die Beschwerdeführer, Staatsangehörige von Syrien, stellten nach illegaler Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 22.11.2015 ihre ersten Anträge auf internationalen Schutz.

Anlässlich der (ersten) Erstbefragung des Erstbeschwerdeführers am 23.11.2015 gab er an, dass es in Syrien keine Arbeit mehr gebe. Er könne nicht einmal mehr Windeln für seine Kinder besorgen. Er sei auf der Suche nach einem besseren Leben.

Die Zweitbeschwerdeführerin gab bei der Erstbefragung am selben Tag an, dass sie in einem Stadtteil in Damaskus gewesen seien, wo syrische Offiziere gewohnt hätten. Der Ort sei mehrmals bombardiert worden, sie hätten Angst gehabt. Sie hätten das Haus verlassen und nach XXXX umziehen müssen. Dort hätten sie keine Sicherheit mehr gehabt. Das Gebiet sei von kurdischen Milizen kontrolliert worden. Sie hätten kein Haus und keine Wohnung gehabt. Sie seien bei Verwandten und Bekannten untergebracht gewesen. Dann hätten sie beschlossen, dass sie flüchten müssten. Bei einer Rückkehr befürchte sie, dass ihr Mann in den Krieg ziehen müsse.

Am 18.05.2016 wurde eine niederschriftliche Einvernahme der Beschwerdeführer durchgeführt.

Mit Bescheiden vom 18.07.2016 wurden die Anträge auf internationalen Schutz vom 22.11.2015 ohne in die Sache einzutreten gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass Kroatien gemäß Art. 13 Abs. 1 iVm Art. 22 Abs. 7 Dublin III-VO zur Prüfung der Anträge zuständig sei (Spruchpunkt I), sowie II. die Außerlandesbringung der Beschwerdeführer gemäß § 61 Abs. 1 Z 1 FPG angeordnet und festgestellt, dass die Abschiebung der Beschwerdeführer nach Kroatien gemäß § 61 Abs. 2 FPG zulässig sei.

Dagegen wurden Beschwerden an das Bundesverwaltungsgericht erhoben.

Mit Erkenntnissen des Bundesverwaltungsgerichtes vom 26.08.2016 wurden die Beschwerden gemäß § 5 AsylG 2005 und § 61 FPG als unbegründet abgewiesen.

Aufgrund des Ablaufes der Dublin-Überstellungsfrist wurden die Asylverfahren der Beschwerdeführer in Österreich zugelassen.

Am 07.08.2017 stellten die Beschwerdeführer erneut Anträge auf internationalen Schutz in Österreich.

Bei der (zweiten) Erstbefragung am 07.08.2017 gab der Erstbeschwerdeführer zum Fluchtgrund an, dass in Syrien Krieg herrsche. Er habe der kurdischen Armee beitreten sollen. Dies habe er nicht gewollt, weshalb sie geflohen seien. Bei einer Rückkehr befürchte er, zum Militär zu müssen und in der Folge im Krieg zu sterben.

Bei der Erstbefragung am selben Tag gab die Zweitbeschwerdeführerin zum Fluchtgrund an, dass in Syrien Krieg herrsche, zudem habe ihr Mann zur YPK eingezogen werden sollen. Sie hätten Angst um sein Leben gehabt, daraufhin seien sie geflohen. Bei einer Rückkehr befürchte sie, dass ihr Mann zum Militär, sie ihre Kinder alleine aufziehen müsse und ihnen im Krieg "etwas" passieren könnte.

Am 19.12.2017 wurde der Erstbeschwerdeführer vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl einvernommen. Dabei gab er im Wesentlichen an, dass er Kurde und Moslem sei.

Er sei verheiratet und habe zwei Kinder.

Bis zur Ausreise habe er in der Umgebung von Damaskus gelebt. Er habe 6 Jahre die Grundschule absolviert. Er habe als Hilfsarbeiter auf Baustellen gearbeitet. Er habe auch im Supermarkt Gemüse verkauft.

Er sei zum Reservedienst einberufen worden und habe wegen des Einberufungsbefehles das Land verlassen.

Die Zweitbeschwerdeführerin wurde ebenfalls am selben Tag vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl befragt. Dabei gab sie im Wesentlichen an, dass in Syrien Krieg geherrscht habe und die Lage schlecht gewesen sei. Auch sei der Erstbeschwerdeführer zum Reservedienst einberufen worden. Er habe seinen Wehrdienst bei der Artillerie abgeleistet. In XXXXhätte er auch von der YPG einberufen werden können.

Bei einer Rückkehr befürchte sie, dass ihr Mann inhaftiert werden oder zum Reservedienst eingezogen werden könnte.

Mit Bescheiden des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 21.12.2017 bzw. 20.12.2017 wurden die Anträge der Beschwerdeführer auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.), gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 bzw. § 8 Abs. 1 iVm § 34 Abs. 3 AsylG 2005 wurde den Beschwerdeführern der Status von subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II.) und ihnen gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 befristete Aufenthaltsberechtigungen bis zum 21.12.2018 bzw. 20.12.2018 erteilt (Spruchpunkt III.).

Begründend wurde zum Erstbeschwerdeführer und zur Zweitbeschwerdeführerin zunächst festgestellt, dass ihre Identität feststehe. Sie seien syrische Staatsangehörige, würden der kurdischen Volksgruppe angehören und sich zum sunnitischen Islam bekennen. Der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin seien verheiratet und hätten zwei Kinder.

Eine asylrelevante Verfolgung habe nicht glaubhaft gemacht werden können.

Der Begründung zum Drittbeschwerdeführer und zur Viertbeschwerdeführerin ist im Wesentlichen zu entnehmen, dass sie syrische Staatsangehörige seien. Asylrelevante Fluchtgründe seien nicht glaubhaft gemacht worden.

Gegen Spruchpunkt I. dieser Bescheide wurde von den Beschwerdeführern fristgerecht Beschwerde erhoben und im Wesentlichen ausgeführt, dass die belangte Behörde bei richtiger Beweiswürdigung feststellen hätte müssen, dass der Erstbeschwerdeführer aufgrund seiner Weigerung für die syrische bzw. kurdische Armee zu kämpfen, nicht mehr unbehelligt in Syrien leben hätte können und er wohlbegründete Furcht vor Verfolgung und objektiv wahrscheinlicher Gefährdung seines Lebens oder seiner körperlichen Unversehrtheit haben hätte müssen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die Beschwerdeführer sind Staatsangehörige von Syrien und führen die im Spruch genannten Namen.

Der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin sind verheiratet, die Drittbeschwerdeführerin und der Viertbeschwerdeführer sind ihre minderjährigen Kinder.

Die Beschwerdeführer waren vor ihrer Ausreise in der Umgebung von Damaskus wohnhaft, das unter Kontrolle der Regierung steht.

Mit Bescheiden des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 21.12.2017 bzw. 20.12.2017 wurden die Anträge der Beschwerdeführer auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.), gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 bzw. § 8 Abs. 1 iVm § 34 Abs. 3 AsylG 2005 wurde den Beschwerdeführern der Status von subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II.) und ihnen gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 befristete Aufenthaltsberechtigungen bis zum 21.12.2018 bzw. 20.12.2018 erteilt (Spruchpunkt III.).

Gegen Spruchpunkt I. erhoben die Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerden.

Der Erstbeschwerdeführer ist ein im Entscheidungszeitpunkt 35jähriger syrischer Staatsangehöriger muslimischen Glaubens und Angehöriger der kurdischen Volksgruppe.

Der Erstbeschwerdeführer hat in Syrien seinen Militärdienst in der syrischen Armee geleistet und muss bei einer Rückkehr nach Syrien damit rechnen, vom syrischen Regime für die Teilnahme an den Kampfhandlungen des syrischen Regimes (in der syrischen Armee oder in einer Miliz der syrischen Regierung) gegen "oppositionelle" Kräfte angeworben und rekrutiert zu werden. Dass Reservisten wieder rekrutiert werden und es dabei zu Willkür kommt, hat bereits die belangte Behörde in ihrem Bescheid betreffend des Erstbeschwerdeführers (Seite 24 ff) ausgeführt.

Eine hinsichtlich des Reiseweges zumutbare und legale Rückkehr nach Syrien ist nur über den Flughafen in Damaskus möglich, der sich in der Hand der Regierung befindet. Bei Männern im wehrfähigen Alter wird überprüft, ob diese ihren Militärdienst bereits abgeleistet haben.

Zur hier relevanten Situation in Syrien

Politische Lage

Die Familie al-Assad regiert Syrien bereits seit über 50 Jahren, seit Hafez al-Assad 1963 mit fünf anderen Offizieren einen Staatsstreich durchführte und sich dann 1971 als der Herrscher Syriens ernannte. Nach seinem Tod im Jahr 2000 übernahm sein Sohn, der jetzige Präsident Bashar al-Assad diese Position. Seit dieser Zeit haben Vater und Sohn keine politische Opposition geduldet. Jegliche Versuche eine politische Alternative zu schaffen wurden sofort unterbunden, auch mit Gewalt (USCIRF 26.4.2017). 2014 wurden Präsidentschaftswahlen abgehalten, welche zur Wiederwahl von Präsident Assad führten (USDOS 3.3.2017). Bei dieser Wahl gab es erstmals seit Jahrzehnten zwei weitere mögliche, jedoch relativ unbekannte, Kandidaten. Die Präsidentschaftswahl wurde nur in den von der Regierung kontrollierten Gebieten abgehalten, wodurch ein großer Teil der syrischen Bevölkerung nicht an der Wahl teilnehmen konnte. Die Wahl wurde als undemokratisch bezeichnet. Die syrische Opposition bezeichnete sie als "Farce" (Haaretz 4.6.2014; vgl. USDOS 13.4.2016).

Die syrische Verfassung sieht die Baath-Partei als die regierende Partei vor und stellt sicher, dass sie die Mehrheit in allen Regierungs- und Volksverbänden hat (USDOS 3.3.2017). Am 13.4.2016 fanden in Syrien Parlamentswahlen statt. Das Parlament wird im Vier-Jahres-Rhythmus gewählt, und so waren dies bereits die zweiten Parlamentswahlen, welche in Kriegszeiten stattfanden (Reuters 13.4.2016; vgl. France24 17.4.2017). Die in Syrien regierende Baath-Partei gewann gemeinsam mit ihren Verbündeten unter dem Namen der Koalition der "Nationalen Einheit" 200 der 250 Parlamentssitze. Die syrische Opposition bezeichnete auch diese Wahl, welche erneut nur in den von der Regierung kontrollierten Gebieten stattfand, als "Farce". Jeder der 200 Kandidaten auf der Liste der "Nationalen Einheit" bekam einen Parlamentssitz. Die Vereinten Nationen gaben an, die Wahl nicht anzuerkennen (France24 17.4.2016). Die Verfassungsreform von 2012 lockerte die Regelungen bezüglich der politischen Partizipation anderer Parteien. In der Praxis unterhält die Regierung jedoch noch immer einen mächtigen Geheimdienst- und Sicherheitsapparat zur Überwachung von Oppositionsbewegungen, die sich zu ernstzunehmenden Konkurrenten zur Regierung Assads entwickeln könnten (FH 1.2017)

Seit 2011 tobt die Gewalt in Syrien. Aus anfangs friedlichen Demonstrationen ist ein komplexer Bürgerkrieg geworden, mit unzähligen Milizen und Fronten. Die tiefer liegenden Ursachen für den Konflikt sind die Willkür und Brutalität des syrischen Sicherheitsapparats, die soziale Ungleichheit und Armut vor allem in den ländlichen Gegenden Syriens, die weit verbreitete Vetternwirtschaft und nicht zuletzt konfessionelle Spannungen (Spiegel 10.8.2016). Die Arabische Republik Syrien existiert formal noch, ist de facto jedoch in vom Regime, von der kurdischen Partei der Demokratischen Union (PYD) und von anderen Rebellen-Fraktionen oder dem sogenannten Islamischen Staat (IS) kontrollierte Gebiete aufgeteilt (BS 2016). Der IS übernahm seit 2014 vermehrt die Kontrolle von Gebieten in Deir ez-Zour und Raqqa, außerdem in anderen Regionen des Landes und rief daraufhin ein "islamisches Kalifat" mit der Hauptstadt Raqqa aus (USDOS 3.3.2017). Mitte des Jahres 2016 kontrollierte die syrische Regierung nur ca. ein Drittel des syrischen Staatsgebietes, inklusive der "wichtigsten" Städte im Westen, in denen der Großteil der Syrer, die noch nicht aus Syrien geflohen sind, leben (Reuters 13.4.2016). Verschiedene oppositionelle Gruppen mit unterschiedlichen Ideologien und Zielen kontrollieren verschiedene Teile des Landes. Vielfach errichten diese Gruppierungen Regierungsstrukturen bzw. errichten sie wieder, inklusive irregulär aufgebauter Gerichte (USDOS 3.3.2017). Seit 2016 hat die Regierung große Gebietsgewinne gemacht, jedoch steht noch beinahe die Hälfte des syrischen Territoriums nicht unter der Kontrolle der syrischen Regierung. Alleine das Gebiet, welches unter kurdischer Kontrolle steht wird auf etwa ein viertel des syrischen Staatsgebietes geschätzt (DS 23.12.2017; vgl. Standard 29.12.2017).

Russland, der Iran, die libanesische Hisbollah-Miliz und schiitische Milizen aus dem Irak unterstützen das syrische Regime militärisch, materiell und politisch. Seit 2015 schickte Russland auch Truppen und Ausrüstung nach Syrien und begann außerdem Luftangriffe von syrischen Militärbasen aus durchzuführen. Während Russland hauptsächlich auf von Rebellen kontrollierte Gebiete abgezielt, führt die von den USA geführte internationale Koalition Luftangriffe gegen den IS durch (FH 27.1.2016; vgl. AI 24.2.2016).

Im Norden Syriens gibt es Gebiete, welche unter kurdischer Kontrolle stehen und von den Kurden Rojava genannt werden (Spiegel 16.8.2017). 2011 soll der damalige irakische Präsident Jalal Talabani ein Übereinkommen zwischen der syrischen Regierung, der iranischen Regierung und der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK), deren Mitglieder die PYD gründeten, vermittelt haben: Im September 2011 stellte der iranische Arm der PKK, die Partei für ein Freies Leben in Kurdistan (Partiya Jiyana Azad a Kurdistanê - PJAK), ihren bewaffneten Kampf gegen den Iran ein. Etwa zur selben Zeit wurde die PYD in Syrien neu belebt. Informationen zahlreicher Aktivisten zufolge wurden bis zu zweihundert PKK-Kämpfer aus der Türkei und dem Irak sowie Waffen iranischer Provenienz nach Syrien geschmuggelt. Aus diesem Grundstock entwickelten sich die Volksverteidigungseinheiten (YPG). Ausgestattet mit einem bewaffneten Flügel begann die PYD, die kurdische Bevölkerung davon abzuhalten, sich effektiv an der Revolution zu beteiligen. Demonstrationen wurden aufgelöst, Aktivisten festgenommen, Büros des Kurdischen Nationalrats in Syrien, einer Dachorganisation zahlreicher syrisch-kurdischer Parteien, angegriffen. Auf diese Weise musste die syrische Armee keine "zweite Front" in den kurdischen Gebieten eröffnen und konnte sich auf die Niederschlagung der Revolution in anderen Gebieten konzentrieren. Als Gegenleistung zog das Baath-Regime Stück für Stück seine Armee und seinen Geheimdienst aus den überwiegend kurdischen Gebieten zurück. In der zweiten Jahreshälfte 2012 wurden ?Afrin, ?Ain al-?Arab (Kobanî) und die Dschazira von PYD und YPG übernommen, ohne dass es zu erwähnenswerten militärischen Auseinandersetzungen mit der syrischen Armee gekommen wäre (ES BFA 8.2017). Im März 2016 wurde die Democratic Federation of Northern Syria ausgerufen, die sich über Teile der Provinzen Hassakah, Raqqa und Aleppo und auch über Afrin erstreckte. Afrin steht zwar unter kurdischer Kontrolle, ist jedoch nicht mit dem Rest des kurdischen Gebietes verbunden (ICC 4.5.2017; vgl. IRIN 15.9.2017). Das von der PYD in den kurdischen Gebieten etablierte System wird von der PYD als "demokratische Autonomie" bzw. "demokratischer Konföderalismus" bezeichnet. "Demokratischer Konföderalismus" strebt danach, die lokale Verwaltung durch Räte zu stärken, von Straßen- und Nachbarschaftsräten über Bezirks- und Dorfräte bis hin zu Stadt- und Regionalräten. "Demokratischer Konföderalismus" muss somit als Form der Selbstverwaltung verstanden werden, in der Autonomie organisiert wird. Die Realität sieht allerdings anders aus. Tatsächlich werden in "Rojava" Entscheidungen weder von den zahlreichen (lokalen) Räten getroffen, noch von Salih Muslim und Asya Abdullah in ihrer Funktion als Co-Vorsitzende der PYD, stattdessen liegt die Macht bei der militärischen Führung im Kandilgebirge, die regelmäßig hochrangige Parteikader nach Syrien entsendet (ES BFA 8.2017 und ICC 4.5.2017). In den kurdischen Gebieten haben die Bürger durch die PYD auch Zugang zu Leistungen, wobei die Partei unter anderem die Bereitstellung von Leistungen nutzt, um ihre Macht zu legitimieren. Die Erbringung öffentlicher Leistungen variiert jedoch. In Gebieten, in denen die PYD neben Behörden der Regierung existiert, haben sich zahlreiche Institutionen entwickelt und dadurch wurden Parallelstrukturen geschaffen. In Gebieten in denen die PYD mehr Kontrolle besitzt, bleibt die Macht in der Hand der PYD zentralisiert, trotz den Behauptungen der PYD die Macht auf die lokale Ebene zu dezentralisieren (CHH 8.12.2016).

Noch sind die beiden größeren von Kurden kontrollierten Gebietsteile voneinander getrennt, das Ziel der Kurden ist es jedoch entlang der türkischen Grenze ein zusammenhängendes Gebiet unter ihre Kontrolle zu bringen (Spiegel 16.8.2016). Der Ton zwischen Assad und den an der Seite der USA kämpfenden syrischen Kurden hat sich in jüngster Zeit erheblich verschärft. Assad bezeichnete sie zuletzt als "Verräter". Das von kurdischen Kämpfern dominierte Militärbündnis der Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF) konterte, Assads Regierung entlasse "Terroristen" aus dem Gefängnis, damit diese "das Blut von Syrern jeglicher Couleur vergießen" könnten (Standard 29.12.2017).

Quellen:

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AI - Amnesty International (24.2.2016): Amnesty International Report 2015/16-The State of the World's Human Rights-Syria, https://www.ecoi.net/local_link/319684/458913_de.html, Zugriff 22.12.2017

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BS - Bertelsmann Stiftung (2016): Syria Country Report, http://www.bti-project.org/fileadmin/files/BTI/Downloads/Reports/2016/pdf/BTI_2016_Syria.pdf, Zugriff 22.12.2017

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CHH - Chatham House (8.12.2017): Governing Rojava - Layers of Legitimacy in Syria,

https://www.chathamhouse.org/sites/files/chathamhouse/publications/research/2016-12-08-governing-rojava-khalaf.pdf, Zugriff 11.12.2017

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DS - The Daily Star (23.12.2017): Syria war winds down but tangled map belies conflict ahead,

https://www.dailystar.com.lb/News/Middle-East/2017/Dec-23/431317-syria-war-winds-down-but-tangled-map-belies-conflict-ahead.ashx, Zugriff 28.12.2017

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ES BFA - Eva Savelsberg: Der Aufstieg der kurdischen PYD im syrischen Bürgerkrieg (2011 bis 2017) in BFA Staatendokumentation (8.2017): Fact Finding Mission Report Syrien - mit ausgewählten Beiträgen zu Jordanien, Libanon und Irak, https://www.ecoi.net/file_upload/5618_1507116516_ffm-bericht-syrien-mit-beitraegen-zu-jordanien-libanon-irak-2017-8-31-ke.pdf, Zugriff 12.12.2017

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FH - Freedom House (27.1.2016): Freedom in the World 2016 - Syria, https://www.ecoi.net/local_link/327745/468444_de.html, Zugriff 22.12.2017

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FH - Freedom House (1.2017): Freedom in the World 2017 - Syria, https://www.ecoi.net/local_link/341821/485142_de.html, Zugriff 17.1.2018

-

France24 (17.4.2016): Assad's Party wins majority in Syrian election,

http://www.france13.4.201624.com/en/20160417-syria-bashar-assad-baath-party-wins-majority-parliamentary-vote, Zugriff 17.8.2017

-

Haaretz (4.6.2014): Landslide Win for Assad in Syria's Presidential Elections,

http://www.haaretz.com/middle-east-news/1.597052, Zugriff 17.8.2017

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ICC - International Crisis Group (4.5.2017): The PKK's Fateful Choice in Northern Syria,

https://www.ecoi.net/file_upload/5351_1499082102_176-the-pkks-fateful-choice-in-northern-syria.pdf, Zugriff 22.12.2017

-

IRIN - Integrated Regional Information Networks (15.9.2017): The Kurdish struggle in northern Syria, http://www.irinnews.org/analysis/2017/09/15/kurdish-struggle-northern-syria, Zugriff 2.1.2018

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Reuters (13.4.2016): Assad holds parliamentary election as Syrian peace talks resume,

http://www.reuters.com/article/us-mideast-crisis-syria-idUSKCN0XA2C5, Zugriff 22.12.2017

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Spiegel - Spiegel Online (10.8.2016a): Die Fakten zum Krieg in Syrien: 1. Was sind die Ursachen des Konflikts in Syrien?, http://www.spiegel.de/politik/ausland/krieg-in-syrien-alle-wichtigen-fakten-erklaert-endlich-verstaendlich-a-1057039.html#sponfakt=1, Zugriff 22.12.2017

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Spiegel - Spiegel Online (16.8.2016b): Ankara sieht kurdischen Militärerfolg mit Sorge,

http://www.spiegel.de/politik/ausland/syrien-kurden-traeumen-nach-eroberung-von-manbidsch-von-eigenem-staat-rojava-a-1107785.html, Zugriff 22.12.2017

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Der Standard (29.12.2017): Syrien: USA warnen Assad vor Offensive gegen Kurden,

https://derstandard.at/2000071227330/USA-warnen-Assad-vorOffensive-gegen-Kurden, Zugriff 3.1.2018

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USCIRF - US Commission on International Religious Freedom (26.4.2017): United States Commission on International Religious Freedom 2017 Annual Report; 2017 Country Reports: USCIRF Recommended Countries of Particular Concern (CPC): Syria, https://www.ecoi.net/file_upload/5250_1494489917_syria-2017.pdf, Zugriff 11.1.2017

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USDOS - US Department of State (13.4.2016): Country Report on Human Rights Practices 2015 - Syria, http://www.ecoi.net/local_link/322447/461924_de.html, Zugriff 22.12.2017

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USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Syria,

https://www.ecoi.net/local_link/337226/479990_de.html, Zugriff 17.8.2017

Sicherheitslage

Der im März 2011 begonnene Aufstand gegen das Regime ist in eine komplexe militärische Auseinandersetzung umgeschlagen, die grundsätzlich alle Städte und Regionen betrifft. Nahezu täglich werden landesweit Tote und Verletzte gemeldet. Die staatlichen Strukturen sind in zahlreichen Orten zerfallen und das allgemeine Gewaltrisiko ist sehr hoch (AA 27.12.2017).

Grob gesagt stehen auf der Seite der syrischen Regierung Russland, der Iran, die libanesische Hisbollah und schiitische Milizen, die vom Iran im Irak, in Afghanistan und im Jemen rekrutiert werden. Auf der Seite der diversen Gruppierungen, die zur bewaffneten Opposition bzw. zu den Rebellen gehören, stehen die Türkei, die Golfstaaten, die USA und Jordanien, wobei diese Akteure die Konfliktparteien auf unterschiedliche Arten unterstützen. Zudem sind auch die Kurden in Nordsyrien und der sogenannte Islamische Staat (IS) am Konflikt beteiligt (BBC 7.4.2017).

Mitte September des Jahres 2016 wurde von den USA und Russland, nach monatelangen Gesprächen, eine Waffenruhe ausgehandelt. Diese sollte ermöglichen, dass humanitäre Hilfe die Kampfgebiete erreichen kann; ausserdem sollte den Luftangriffen des syrischen Regimes auf die Opposition Einhalt geboten werden. Die Waffenruhe sollte sieben Tage bestehen und galt für das syrische Regime und die Rebellen, jedoch nicht für die terroristischen Gruppierungen "Islamischer Staat" (IS) und Jabhat Fatah ash-Sham (CNN 12.9.2016). Es soll in verschiedenen Gebieten mehr als 300 Verstöße gegen die Waffenruhe gegeben haben. Nach ungefähr einer Woche wurde die Waffenruhe von der syrischen Armee bzw. vom syrischen Regime für beendet erklärt. In dieser Zeit konnten keine humanitären Hilfslieferungen die Kampfgebiete erreichen (Zeit 19.9.2016).

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AA - Auswärtiges Amt (27.12.2017): Länderinformationen - Syrien:

Reisewarnung,

https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/syrien-node/syriensicherheit/204278, Zugriff 27.12.2017

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Al Jazeera (18.10.2016): Aleppo: Russia calls humanitarian pause in Syrian city,

http://www.aljazeera.com/news/2016/10/aleppo-russia-calls-humanitarian-pause-syrian-city-161018063851618.html, Zugriff 27.12.2017

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Al Jazeera (23.10.2016): Air strikes, fighting mark end of Aleppo ceasefire,

http://www.aljazeera.com/news/2016/10/air-strikes-fighting-mark-aleppo-ceasefire-161022203809648.html, Zugriff 27.12.2017

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BBC News (22.10.2016): Syria war: Aleppo ceasefire ends with clashes, http://www.bbc.com/news/world-middle-east-37741969, Zugriff 27.12.2017

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Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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