TE Bvwg Erkenntnis 2018/10/24 W111 2152565-1

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Veröffentlicht am 24.10.2018
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Entscheidungsdatum

24.10.2018

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55

Spruch

W111 2152565-1/9E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Dr. DAJANI, LL.M., als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Äthiopien, vertreten durch den XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 22.03.2017, Zl. 1019751003-14652083, zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird gemäß §§ 3, 8, 57, 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005

idgF iVm § 9 BFA-VG, §§ 52 Abs. 2 Z 2 und Abs. 9, 46, 55 FPG 2005 idgF als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer stellte am 24.05.2014 den vorliegenden Antrag auf internationalen Schutz, nachdem er zuvor illegal in das Bundesgebiet gelangt war. Anlässlich seiner Erstbefragung vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes am Tag der Antragstellung gab der Beschwerdeführer im Wesentlichen zu Protokoll, er sei ein in XXXX geborener Staatsangehöriger Somalias, welcher dem moslemischen Glauben und der Volksgruppe der Hawiye angehöre. In Somalia bzw. Äthiopien hätte er acht Jahre lang die Schule besucht. Seine Mutter und acht Geschwister, welche ebenfalls somalische Staatsbürger wären, hielten sich aktuell in Äthiopien auf. Der Beschwerdeführer habe zuletzt ebenfalls in XXXX /Äthiopien gelebt und den Entschluss zur Ausreise Anfang Jänner 2014 gefasst. Seine Heimatstadt habe er verlassen, da er dort nicht mehr weiterleben habe können. Dort seien überwiegend Ogaden, während der Beschwerdeführer der Volksgruppe der Hawiye angehöre. Der Beschwerdeführer hätte dort nichts zu essen gehabt, seine Mutter wäre sehr arm. Der Beschwerdeführer selbst habe keine Arbeit und keine Zukunft gehabt. Nach Somalia habe er nicht mehr zurückwollen, da er dort niemanden hätte; seine Eltern hätten Somalia verlassen, als er noch ein Kind gewesen wäre und seien nach

XXXX gezogen. In XXXX habe er mit Armut zu rechnen.

Nach Zulassung seines Verfahrens wurde der Beschwerdeführer am 19.07.2016 im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Somalisch niederschriftlich vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zu den Gründen seiner Antragstellung einvernommen. Dabei führte der Beschwerdeführer zusammengefasst aus, er fühle sich psychisch und physisch zur Durchführung der Einvernahme in der Lage, sei gesund und habe bislang wahrheitsgemäße Angaben erstattet. Der Beschwerdeführer sei ledig, habe keine Kinder und verfüge in Österreich über keine Verwandten. Er ginge im Bundesgebiet keiner Arbeit nach und habe hier keinen Freundeskreis. Im Heimatland würden noch seine Mutter, zwei Brüder und drei Schwestern leben. Bis auf einen Bruder, welcher bei der Mutter leben würde, seien all seine Geschwister verheiratet. Der Beschwerdeführer besuche zweimal wöchentlich einen Deutschkurs, ginge spazieren, besuche Freunde und spiele Fußball; eine Zeitlang habe er als Zeitungsverkäufer gearbeitet. Der Beschwerdeführer beherrsche die deutsche Sprache noch nicht und verfüge über keine Berufsausbildung; in Äthiopien hätte er als Schuhputzer gearbeitet.

Der Beschwerdeführer sei in XXXX /Somalia geboren worden und habe Somalia bereits als kleines Kind gemeinsam mit seiner Familie Richtung Äthiopien verlassen. Auf Vorhalt, wonach er anlässlich der Erstbefragung davon gesprochen hätte, in XXXX geboren worden zu sein, bestritt der Beschwerdeführer dies; er hätte gesagt, dass er ein Somalier-Äthiopier sei. Sowohl sein Vater, als auch seine Mutter und er selbst seien Staatsangehörige von Äthiopien. Auf Vorhalt, wonach er anlässlich seiner Erstbefragung zu Protokoll gegeben hätte, somalischer Staatsbürger zu sein, wiederholte der Beschwerdeführer, dass er "Somali-Äthiopier" wäre. Er hätte einen äthiopischen Personalausweis besessen, welcher ihm jedoch von der sudanesischen Polizei weggenommen worden wäre. Auf weiteren Vorhalt, dass er auch seine Familienangehörigen anlässlich der Erstbefragung als Staatsangehörige Somalias bezeichnet hätte, erklärte der Beschwerdeführer, sie seien Somalier, ihre Region sei jedoch von Äthiopien erobert worden, weshalb man die Somali-Äthiopier nennen würde. Auf die Frage, weshalb er in Somalia geboren worden wäre, gab der Beschwerdeführer an, das Leben in XXXX sei schwer für seinen Vater gewesen, weshalb er mit seiner Familie nach XXXX /Somalia zu seinen Verwandten gegangen wäre. Dort sei sein Vater jedoch zufällig bei einem Schusswechsel getötet worden, als der Beschwerdeführer ein kleines Kind gewesen wäre. Danach hätte ihre Mutter sie nach XXXX /Äthiopien zurückgebracht. Der Beschwerdeführer habe in Äthiopien für die Familie gearbeitet, indem er Schuhe genäht und geputzt hätte.

Nach dem Grund seiner Flucht gefragt, erklärte der Beschwerdeführer, man hätte ihm vorgeworfenen, ebenso wie sein Bruder, der ONLF anzugehören. Dabei handle es sich um eine Gruppe, welche für die Freiheit von Ogadenia - einem äthiopischen Gebiet, in welchem Somalier leben würden - kämpfen würde. Der Bruder des Beschwerdeführers, welcher ein Mitglied der ONLF wäre, und dessen Freund seien eines Abends zu ihnen gekommen. Die Äthiopier hätten Informanten und Spione, welche die äthiopischen Behörden über die Anwesenheit des Bruders informiert hätten. Die äthiopische Polizei hätte ihr Haus angegriffen; dem Bruder des Beschwerdeführers und dessen Freund sei die Flucht gelungen, die Mutter des Beschwerdeführers und er selbst seien im Haus geblieben und festgenommen worden. Der Beschwerdeführer und seine Mutter seien in ein Gefängnis gebracht worden; da der Beschwerdeführer so jung gewesen wäre, hätte man ihn nach zwei Monaten freigelassen und nach Hause gebracht. Man hätte ihm mitgeteilt, dass er die Stadt nicht verlassen dürfe. Die Mitbewohner im Bezirk hätten gedacht, dass der Beschwerdeführer ein Informant oder Spion für die Regierung wäre. Niemand hätte mehr mit ihm zu tun haben wollen, wodurch er seine Kunden verloren hätte. Die Regierung hätte gewollt, dass der Beschwerdeführer für sie spioniere. Seine Mutter sei noch im Gefängnis gewesen. Da der Beschwerdeführer Angst gehabt hätte, dass man ihn wieder ins Gefängnis stecken würde, sei er geflüchtet. Jeden Abend sei die Polizei zu ihm nach Hause gekommen und hätte nach dem Aufenthaltsort seines Bruders gefragt. Seine Tante väterlicherseits hätte ihm dann zur Flucht geraten. Seine Mutter wäre immer noch im Gefängnis; seit man sie beide festgenommen hätte, habe er diese nicht mehr gesehen. Ein Umzug innerhalb Äthiopiens wäre ihm nicht möglich gewesen, da die Regierung ihre Informanten hätte und der Beschwerdeführer in Äthiopien aus diesem Grund nicht frei leben und arbeiten könnte. Auf Vorhalt, dass er den heute geschilderten Grund anlässlich seiner Erstbefragung komplett unerwähnt lassen hätte, meinte der Beschwerdeführer, nie gesagt zu haben, dass er Hawiye sei. Richtig wäre, was er heute gesagt hätte. Damals sei er müde gewesen und hätte vier Tage lang nicht geschlafen. Er wüsste nicht, was er gesagt hätte. Auf die Frage, was aus aktueller Sicht gegen eine Rückkehr nach Äthiopien, etwa nach XXXX , wo sich die Sicherheitslage als vergleichsweise unbedenklich erweisen würde, spräche, bestätigte der Beschwerdeführer, dass jene Stadt sicher sei; der äthiopische Staat habe jedoch seine Informanten, welche ihn ausspionieren würden. Nachgefragt, sei er in Äthiopien keine wichtige Person des öffentlichen Lebens, sondern nur Schuhputzer, gewesen. Das Problem habe er wegen seines Bruders, er selbst habe nichts gemacht. Für den Fall einer Rückkehr fürchte er, dass die Informanten von ihm erfahren würden und er dann wieder eingesperrt würde. Befragt, weshalb er im Falle einer tatsächlichen derartigen Wichtigkeit für die äthiopische Regierung nicht bereits eingesperrt worden wäre, als die Gelegenheit dazu bestanden hätte, meinte der Beschwerdeführer, sie hätten gewollt, dass er für sie spioniere; dies habe er jedoch nicht gewollt. Auf Vorhalt, dass der Beschwerdeführer seine Heimat nach Ansicht der Behörde aufgrund des Wunsches besserer wirtschaftlicher Lebensbedingungen verlassen hätte, erklärte dieser, in seinem Heimatland vom Schuhputzen gelebt zu haben und dadurch leben haben zu können. Er sei ausgereist, weil er dort keine Sicherheit mehr gehabt hätte. Der Beschwerdeführer verzichtete auf eine Erörterung der herangezogenen Feststellungen zu seinem Herkunftsstaat und erklärte nach erfolgter Rückübersetzung, keine Einwände gegen die aufgenommene Niederschrift zu haben.

2. Mit im Spruch angeführten Bescheid vom 22.03.2017 hat das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag der beschwerdeführenden Partei auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.) und den Antrag gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Äthiopien abgewiesen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde gemäß § 57 AsylG nicht erteilt. Gemäß § 10 Absatz 1 Ziffer 3 AsylG iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012 (BFA-VG) idgF, wurde gegen die beschwerdeführende Partei eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Absatz 2 Ziffer 2 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (FPG) idgF, erlassen und wurde gemäß § 52 Absatz 9 FPG unter einem festgestellt, dass die Abschiebung der beschwerdeführenden Partei nach Äthiopien gemäß § 46 FPG zulässig ist. Gemäß § 55 Absatz 1 bis 3 FPG wurde ausgesprochen, dass die Frist für die freiwillige Ausreise der beschwerdeführenden Partei zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkte III. und IV).

In seiner Entscheidungsbegründung stellte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl fest, dass es sich beim Beschwerdeführer um einen Staatsbürger Äthiopiens handle, dessen präzise Identität mangels Vorlage unbedenklicher Dokumente nicht feststünde und der an keiner schwerwiegenden oder gar lebensbedrohlichen Erkrankung im physischen oder psychischen Bereich leiden würde. Dessen Vorbringen hinsichtlich einer aktuellen Bedrohungssituation in Äthiopien erweise sich als nicht glaubhaft. Seine diesbezüglichen Angaben wären weder plausibel noch schlüssig nachvollziehbar, zudem hätte er eine individuelle Verfolgung anlässlich der Erstbefragung noch in keiner Weise erwähnt. Der Beschwerdeführer sei in der Lage, seine existenziellen Grundbedürfnisse selbständig zu decken und verfüge zudem über Familienangehörige in Äthiopien. Eine landesweite allgemeine extreme Gefährdungslage, in der jeder Antragsteller im Falle seiner Abschiebung mit dem Tod oder schwersten Verletzungen zu rechnen hätte, sei in Äthiopien nicht gegeben. Der Beschwerdeführer verfüge im Bundesgebiet weder über verwandtschaftliche Bindungen, noch seien sonstige private Interessen an einem Verbleib im Bundesgebiet feststellbar.

3. Gegen den oben angeführten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl richtet sich die fristgerecht am 05.04.2017 eingebrachte Beschwerde, in welcher im Wesentlichen ausgeführt wurde, der Beschwerdeführer sei Staatsangehöriger Äthiopiens und hätte seinen Herkunftsstaat aus wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung verlassen, da er willkürlich der Zusammenarbeit mit ONLF beschuldigt worden wäre. Er hätte angegeben, in seinem Heimatland aufgrund seiner somalischen Abstammung von der Regierung misshandelt und der Teilnahme an terroristischen Aktivitäten beschuldigt worden zu sein. In seiner Heimatregion Ogaden hätte große Unsicherheit geherrscht. Soweit dem Beschwerdeführer vorgeworfen werde, seine Fluchtgründe anlässlich der Erstbefragung nicht erwähnt zu haben, sei zu entgegnen, dass die Erstbefragung gesetzlich nicht zu einer erschöpfenden Darstellung der Fluchtgründe eines Antragstellers gedacht wäre. Weiters hätte sich die Behörde unzureichend mit möglichen Gründen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten befasst.

4. Die Beschwerdevorlage des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl langte am 10.04.2017 beim Bundesverwaltungsgericht ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Der Beschwerdeführer ist ein volljähriger Staatsangehöriger Äthiopiens, welcher der Volksgruppe der Ogaden angehört und sich zum islamischen Glauben bekennt. Bis zu seiner Ausreise Anfang des Jahres 2014 lebte der Beschwerdeführer in XXXX , wo sich zuletzt noch die Mutter sowie mehrere Geschwister des Beschwerdeführers aufgehalten haben. Der Beschwerdeführer gelangte im Mai 2014 illegal in das Bundesgebiet und suchte am 24.05.2014 um internationalen Schutz an. Seither hält er sich durchgehend im Bundesgebiet auf.

Nicht festgestellt werden kann, dass der Beschwerdeführer seinen Herkunftsstaat aus wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung verlassen hat oder nach einer allfälligen Rückkehr mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit asylrelevante Übergriffe zu befürchten hätte oder dass ihm eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 oder 3 EMRK oder der Prot. Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit droht.

Der Beschwerdeführer hat nicht glaubhaft gemacht, in Äthiopien eine Verfolgung durch staatliche Behörden befürchten zu müssen, in eine hoffnungslose Lage zu kommen, einem realen Risiko einer sonstigen Verfolgung oder einer Verletzung seiner Rechte auf Leben, nicht unmenschlicher Behandlung oder Folter unterworfen zu werden und/oder nicht der Todesstrafe zu unterliegen und als Zivilperson einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes unterworfen zu sein.

Der Beschwerdeführer leidet an keiner akuten oder lebensbedrohlichen psychischen oder physischen Erkrankung, welche ein Hindernis für eine Rückführung nach Äthiopien darstellen würde.

Der unbescholtene Beschwerdeführer ist im Bundesgebiet nicht berufstätig und kann seinen Lebensunterhalt in Österreich nicht eigenständig bestreiten. Er verfügt über keine familiären Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet und führt hier keine Lebensgemeinschaft. Der Beschwerdeführer besuchte einen Deutschkurs, hat jedoch keinen Nachweis über bereits vorhandene Deutschkenntnisse vorgelegt. Er hat auch keine sonstige Ausbildung absolviert, war nicht ehrenamtlich tätig und ist in keinem Verein Mitglied. Er gab an, Freundschaften im Bundesgebiet geknüpft zu haben und in seiner Freizeit Fußball zu spielen. Darüber hinaus verfügt der Beschwerdeführer über keine besonderen Anknüpfungspunkte zu Österreich. Dem Beschwerdeführer kam zu keinem Zeitpunkt seines Aufenthaltes in Österreich ein nicht auf das Asylgesetz gestütztes Aufenthaltsrecht zu.

Es besteht in Österreich kein schützenswertes Privat- oder Familienleben im Sinne des Artikels 8 EMRK.

1.2. Hinsichtlich der entscheidungsrelevanten Situation in Äthiopien wird unter der Heranziehung der im angefochtenen Bescheid dargestellten Länderberichte Folgendes festgestellt:

1. Politische Lage

Entsprechend der 1995 in Kraft getretenen Verfassung ist Äthiopien ein demokratischer Bundesstaat. Die Einführung eines föderalen Systems bedeutete eine Abkehr von der Tradition starker Zentralisierung (AA 8.2016; vgl. GIZ 1.2017a) und der früheren Dominanz der Volksgruppe der Amharen (AA 8.2016). Auf allen administrativen Ebenen werden regelmäßig Wahlen durchgeführt, zu denen Oppositionsparteien zwar zugelassen werden, jedoch faktisch in ihren Handlungsoptionen stark eingeschränkt sind (AA 8.2016). Der Präsident hat eine weitgehend repräsentative Rolle und darf keiner Partei angehören (AA 8.2016; vgl. GIZ 1.2017a). Die politische Macht liegt beim Premierminister, der die Exekutive leitet, dem Ministerrat vorsitzt und die Streitkräfte befehligt (AA 8.2016; vgl. CIA 14.12.2016; GIZ 1.2017a).

Nach dem Tod des Premierministers Meles Zenawi im August 2012 ging die Führung des Landes friedlich an den damaligen Außenminister Hailemariam Desalegn über. Unter seiner Führung haben sich Regierung und Partei zur Erhaltung des Status Quo und der politischen Kontinuität bekannt (AA 24.3.2016).

Dominierende politische Kraft ist die Ethiopian People's Revolutionary Democratic Front (EPRDF), die sich aus vier Parteien zusammensetzt, der Tigray People's Liberation Front (TPLF), der Amhara National Democratic Movement (ANDM), der Oromo People's Democratic Organisation (OPDO) und der Southern Ethiopian Peoples' Democratic Movement (SEPDM) (AA 8.2016). Traditionellen Führungsanspruch in der EPRDF hat die TPLF, die den Befreiungskrieg gegen das Derg-Regime anführte (AA 24.5.2016). Die Opposition ist ideologisch, ethnisch und regional breit gefächert und gilt nach den Parlamentswahlen 2015 weiterhin als geschwächt. Ihr Handlungsspielraum bleibt eingeschränkt (AA 8.2016).

Das Parlament besteht aus zwei Kammern, dem Oberhaus "House of Federation" mit 108 Sitzen, die für eine fünfjährige Amtszeit von der Versammlungen der Regionalstaaten ernannt werden, und dem Unterhaus "House of Peoples' Representatives" mit 547 Sitzen, die für eine ebenfalls fünfjährige Amtszeit vom Volk gewählt werden (CIA 14.12.2016; vgl. GIZ 1.2017a). Seit den letzten Parlamentswahlen im Mai 2015 hält die EPRDF alle 547 Sitze (CIA 14.12.2016; vgl. GIZ 1.2017a). Die EU kritisierte im Vorfeld der Wahl die massiven Einschüchterungsversuche gegen Oppositionsparteien und Verhaftungen unabhängiger Journalisten (GIZ 1.2017a). Der Premierminister wird nach den Parlamentswahlen von der Partei ernannt, die die Wahlen für sich entscheiden konnte (CIA 14.12.2016). Der Präsident wird von den beiden Parlamentskammern für eine sechsjährige Amtszeit gewählt. Bei den letzten Präsidentschaftswahlen am 7. Oktober 2013 wurde Teshome Wirtu MULATU gewählt (CIA 14.12.2016).

Seit Ende des Jahres 2015 gab es immer wieder Proteste gegen den so genannten "Masterplan" für Addis Abeba, der eine Vergrößerung der Hauptstadt in den umliegenden Bundesstaat Oromia hinein vorsah. Im Januar 2016 gab die äthiopische Regierung nach anhaltenden (teils gewalttätigen) Protesten die Rücknahme des "Masterplans" bekannt. Die regierungskritischen Proteste hatten sich in 2016 stetig ausgeweitet. Angehörige der ethnischen Gruppen der Oromo und Amhara protestierten gegen die Korruption und die politische Dominanz der regierenden EPRDF, forderten eine bessere Verteilung der Früchte des Wirtschaftswachstums und mehr politische Mitbestimmung. Die Regierung ging weiterhin rigide gegen die Proteste vor. Hunderte Personen kamen ums Leben, Tausende sollen im Rahmen des im Oktober 2016 verhängten Ausnahmezustandes verhaftet worden sein. Es ist davon auszugehen, dass die Regierung durch ihre Maßnahmen im Rahmen des Ausnahmezustandes die Lage weitestgehend wieder unter ihre Kontrolle gebracht hat. Inwieweit politische Maßnahmen wie der Austausch des Regierungskabinetts durch Premierminister Hailemariam langfristig zu einer Harmonisierung beitragen können, bleibt abzuwarten (GIZ 1.2017).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (24.5.2016): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in Äthiopien

-

AA - Auswärtiges Amt (8.2016): Länderinformationen - Äthiopien - Innenpolitik,

http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Aethiopien/Innenpolitik_node.html, Zugriff 29.12.2016

-

CIA - Central Intelligence Agency (14.12.2016): The World Factbook

-

Ethiopia,

https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/et.html, Zugriff 3.1.2017

-

GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (1.2017a): Äthiopien - Geschichte & Staat, http://liportal.giz.de/aethiopien/geschichte-staat/#c74, Zugriff 3.1.2017

2. Sicherheitslage

Die äthiopische Regierung hat am 9. Oktober 2016 den Ausnahmezustand verhängt. Vorausgegangen waren Massendemonstrationen und teils gewaltsame Proteste gegen die Regierung, überwiegend in den Regionen Oromia und Amhara (AA 3.1.2017). Diese hatten bereits Ende des Jahres 2015 begonnen, als die Hauptstadt Addis Abeba in den umliegenden Bundesstaat Oromia hinein vergrößert werden sollte. Die Proteste erweiterten sich später mit Forderungen nach einem Ende willkürlicher Festnahmen und ethnischer Ausgrenzung sowie gegen die Dominanz der Regierungspartei und mit der Forderung nach mehr politischer Mitbestimmung. Die Regierung ging rigide gegen die Proteste vor wobei mehrere hundert (AI: 800, GIZ: 400) Personen durch Sicherheitskräfte getötet wurden (AI 9.11.2016; vgl. GIZ 1.2017a). Nachdem sich die Sicherheitssituation in den Provinzen Oromia und Amhara und im Gebiet Konso in der SNNPR (Region der südlichen Nationen, Nationalitäten und Völker) zwischen Juli und Anfang Oktober 2016 zeitweise massiv verschlechtert hat, ist in der Provinz Amhara nunmehr eine gewisse Beruhigung eingetreten. In der Provinz Oromia sowie im Konso-Gebiet bleibt die Lage jedoch weiterhin angespannt. Mit einem Wiederaufflammen gewalttätiger Proteste und einer erneuten Verschlechterung der Sicherheitslage in den Provinzen Oromia und Amhara muss gerechnet werden (BMEIA 3.1.2017a).

Die Grenze zu Eritrea ist gesperrt und die Lage im Grenzgebiet ist angespannt (BMEIA 3.1.2017b). Bei Fahrten in das direkte Grenzgebiet zu Eritrea und in die Danakilsenke in Nord-Afar können Überfälle durch Banditen und örtliche Untergrundorganisationen sowie Entführungen nicht ausgeschlossen werden (AA 3.1.2017).

In den letzten Jahren gab es vereinzelte (versuchte) Sprengstoffanschläge in Addis Abeba. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass Äthiopien auch zukünftig Ziel von Anschlägen sein wird (AA 3.1.2017). In vielen Regionen Äthiopiens sind Minen verlegt, vor allem bis 80 km innerhalb der Grenzen zu Eritrea, Somalia, Sudan, Südsudan und Kenia (Borana Region); aber auch das Landesinnere ist teilweise vermint (BMEIA 3.1.2017b).

Als weitere Sicherheitsbedrohung gilt eine Reihe von bewaffneten Gruppen die von der äthiopischen Regierung als Terrororganisation eingestuft werden, wie die Oromo Liberation Front (OLF), die Ogaden National Liberation Front (ONLF) und Ginbot 7 (DCR 18.5.2016).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (3.1.2017): Länderinformationen - Äthiopien - Reise- und Sicherheitshinweise, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Laenderinformationen/00-SiHi/Nodes/AethiopienSicherheit_node.html, Zugriff 3.1.2017

-

AI - Amnesty International (9.11.2016): Ethiopia: After a year of protests, time to address grave human rights concerns, http://www.ecoi.net/local_link/331838/459747_en.html, Zugriff 4.1.2017

-

BMEIA - Bundesministerium für Europa, Integration und Äußeres (3.1.2017a): Reise & Aufenthalt - Äthiopien - Aktuelle Hinweise, http://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/aethiopien/, Zugriff 3.1.2017

-

BMEIA - Bundesministerium für Europa, Integration und Äußeres (3.1.2017b): Reise & Aufenthalt - Äthiopien - Sicherheit und Kriminalität,

http://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/aethiopien/, Zugriff 3.1.2017

-

DCR - Dutch Council for Refugees (18.5.2016): Country of Origin Information Report Ethiopia,

http://www.refworld.org/pdfid/573f2f334.pdf, Zugriff 3.1.2017

-

GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (1.2017a): Äthiopien - Geschichte & Staat, http://liportal.giz.de/aethiopien/geschichte-staat/#c74, Zugriff 3.1.2017

3. Rechtsschutz/Justizwesen

Das äthiopische Rechtssystem enthält Elemente mehrerer westlicher Rechtssysteme und ist schwer zu systematisieren (GIZ 1.2017a). Gesetzlich ist eine unabhängige Justiz vorgesehen (USDOS 13.4.2016; vgl. GIZ 1.2017a), dennoch kommt es regelmäßig zu Einschränkungen von Rechtsstaatlichkeit, zuletzt durch die Erklärung des Ausnahmezustandes für eine Dauer von 6 Monaten am 9. Oktober 2016 (AA 8.2016). Durch den Ausnahmezustand werden den Provinzverwaltungen Kompetenzen für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung entzogen und bei der äthiopischen Bundesregierung zentralisiert. Diese kann damit auf zukünftige Unruhen schneller reagieren (AA 3.1.2017).

Das Justizwesen wird als korrupt und undurchsichtig wahrgenommen. Richter gelten als schlecht ausgebildet und nicht immer über die geltenden Gesetze ausreichend informiert. Dies schlägt sich entsprechend in den Verfahren nieder (GIZ 1.2017a). Zivilgerichte arbeiten weitgehend unabhängig, die Strafgerichte sind aber weiterhin schwach, überlastet und werden politisch beeinflusst. Sowohl religiöse als auch traditionelle Gerichte sind verfassungsmäßig anerkannt. Viele Bürger in ländlichen Gebieten haben kaum Zugang zum formalen Justizsystem und sind auf traditionelle Konfliktlösungsmechanismen angewiesen. Scharia-Gerichte können religiöse und Familienrechtsfälle übernehmen, die Muslime betreffen. Scharia-Gerichte erhalten finanzielle Unterstützung durch den Staat und urteilten in der Mehrheit der Fälle in den vorwiegend muslimischen Somali- und Afar-Gebieten. Daneben gibt es noch weitere traditionelle Rechtssysteme, wie etwa Ältestenräte. Einige Frauen stellten fest, dass sie im traditionellen Rechtssystem keinen Zugang zu freien und fairen Verhandlungen haben, da sie traditionellerweise von der Teilnahme an Ältestenräten ausgeschlossen sind und in ländlichen Gebieten Diskriminierung aufgrund des Geschlechts verbreitet ist (USDOS 13.4.2016).

Eine Strafverfolgungs- oder Strafzumessungspraxis, die nach Merkmalen wie Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischer Überzeugung diskriminiert, ist nicht ersichtlich. Die äthiopische Regierung bestreitet zudem Strafverfolgung aus politischen Gründen. Allerdings berichten Oppositionspolitiker, Journalisten und inzwischen auch vereinzelt muslimische Aktivisten von Einschüchterungen, willkürlichen Hausdurchsuchungen und Verhaftungen. Dies geschieht inzwischen oft unter dem Vorwand der Terrorbekämpfung und Wahrung der Sicherheit und Integrität des Landes. Bei einer vermuteten Nähe zu gewaltbereiten Gruppen (OLF, ONLF, Ginbot 7) oder einem (teilweise noch unbestätigten) Verdacht, zu Terrorismus anstiften zu wollen, wird hart durchgegriffen (AA 24.5.2016).

Das in der Verfassung verankerte Recht, nach der Verhaftung innerhalb von 48 Stunden einem Richter vorgeführt zu werden, wird - unter anderem wegen Überlastung der Justiz - häufig nicht umgesetzt. Darüber hinaus gibt es regelmäßig Berichte über Misshandlungen, insbesondere in Untersuchungshaft, unbekanntem Verbleib zwischen Verhaftung und Vorführung vor Gericht bzw. Einlieferung in ein staatliches Gefängnis oder auch darüber, dass Familienangehörige von Verhafteten unter Druck gesetzt werden. Hinzu kommen weitreichende Befugnisse, die z.B. das Antiterrorgesetz den Sicherheits- und Strafverfolgungsbehörden einräumt, z.T. auch ohne gerichtliche Überwachung (AA 24.5.2016).

Quellen:

-

AA - Auswärtiges Amt (24.5.2016): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in Äthiopien

-

AA - Auswärtiges Amt (8.2016): Länderinformationen - Äthiopien - Innenpolitik,

http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Aethiopien/Innenpolitik_node.html, Zugriff 29.12.2016

-

AA - Auswärtiges Amt (3.1.2017): Länderinformationen - Äthiopien - Reise- und Sicherheitshinweise, http://www.auswaertiges-amt.de/sid_7B87E3EFFF842E034C71AA5B64A842E2/DE/Laenderinformationen/00-SiHi/Nodes/AethiopienSicherheit_node.html, Zugriff 3.1.2017

-

GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (1.2017a): Äthiopien - Geschichte & Staat, http://liportal.giz.de/aethiopien/geschichte-staat/#c74, Zugriff 3.1.2017

-

USDOS - U.S. Department of State (13.4.2016): Country Report on Human Rights Practices 2015 - Ethiopia, http://www.ecoi.net/local_link/322481/461958_de.html, Zugriff 29.12.2016

4. Sicherheitsbehörden

Die Bundespolizei untersteht dem Ministerium für Bundesangelegenheiten, das wiederum parlamentarischer Aufsicht unterliegt. Diese Aufsicht ist allerdings locker. Jeder der neun Regionalstaaten hat eine eigene Staats- oder Sonderpolizeieinheit, die jeweils den regionalen zivilen Behörden untersteht (USDOS 13.4.2016). Im ganzen Land gibt es zudem lokale Milizen, die sich in ihrer Arbeit mit regionalen und föderalen Polizei- und Militäreinheiten lose abstimmen. Das Ausmaß der Abstimmung variiert in den einzelnen Regionen. In vielen Fällen sind die Milizen der verlängerte Arm der Regierungspartei (USDOS 13.4.2016). Die Milizen sind von Gemeindevertretern gewählte, jedoch bewaffnete Personen, die ehrenamtlich militärische und Polizeidienste leisten und im Wesentlichen Polizeiaufgaben in (teilweise sehr entlegenen) ländlichen Gebieten erfüllen (vergleichbar mit "Community Police"). In manchen Fällen werden Milizen auch im Kampf gegen bewaffnete Rebellen eingesetzt, insbesondere in der Somali-Region im Osten Äthiopiens gegen die Ogaden National Liberation Front (ONLF) (AA 24.5.2016).

Die Sicherheitskräfte handeln im Allgemeinen diszipliniert und sind effektiv (AA 24.5.2016; vgl. USDOS 13.4.2016), sind aber oftmals schlecht ausgebildet, schlecht ausgerüstet und ohne Kenntnis der gesetzlichen Vorschriften (AA 24.5.2016). Straffreiheit ist weiterhin ein ernstes Problem. Mechanismen zur Untersuchung von Missbräuchen durch die Bundespolizei sind nicht bekannt und die Regierung gibt die Untersuchungsergebnisse nur selten öffentlich bekannt. Sie bemüht sich aber, Menschenrechtsschulungen für Polizei- und Militärschüler anzubieten (USDOS 13.4.2016). Es wird zudem berichtet, dass sich in Einzelfällen die Sicherheitsorgane oder andere Behörden über Gerichtsurteile hinweggesetzt haben (z.B. in Ostäthiopien/ Ogaden) (AA 24.5.2016).

Die Streitkräfte wurden in den letzten Jahren mit dem Ziel umstrukturiert, sie von Aufgaben der inneren Sicherheit, die der Polizei obliegen, zu entbinden. Dies ist noch nicht landesweit umgesetzt. In einigen Regionen (Oromia, Somali Region/Ogaden, Gambella, Sidamo) gehen Polizei und Militär weiterhin gezielt gegen vermutete und tatsächliche Unterstützer und Angehörige der dort aktiven, z.T. militant bis terroristisch operierenden oppositionellen Gruppierungen ONLF, OLF, Ethiopian National United Patriotic Front (ENUPF) und Sidamo Liberation Front (SLF) vor (AA 24.5.2016).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (24.5.2016): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in Äthiopien

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USDOS - U.S. Department of State (13.4.2016): Country Report on Human Rights Practices 2015 - Ethiopia, http://www.ecoi.net/local_link/322481/461958_de.html, Zugriff 30.12.2016

5. Opposition

Die zugelassene politische Opposition hat nur wenige Möglichkeiten, sich zu entfalten und zu arbeiten. Parteibüros werden durchsucht, Parteimitglieder und -anhänger (gelegentlich) verhaftet oder - v.a. von den Sicherheitskräften - eingeschüchtert. Weite Teile der Opposition werden von der Regierung nicht als legitime politische Akteure anerkannt. Die Regierung hat wiederholt versucht, die legalen Oppositionsparteien als "Schirm" für Terroristen, extremistische islamische Gruppierungen oder ethnische Separatisten dazustellen. Die Vorgehensweise gegen Oppositionelle begründet die Regierung regelmäßig mit gesetzlichen Bestimmungen (Antiterrorgesetz, Strafrecht), Sicherheitsgründen sowie der Bekämpfung des Terrorismus (AA 24.5.2016). Zu den wichtigsten Oppositionsparteien gehören das Forum for Democratic Dialogue in Ethiopia (Medrek), Oromo Federalist Democratic Movement (OFDM), Unity for Democracy and Justice (UDJ), Semayawi Party und All Ethiopian Unity Party (AEUP) (UKHO 12.2016a).

Einer Studie von Amnesty International vom Oktober 2014 zufolge sind zwischen 2011 und 2014 mindestens 5.000 Angehörige der Volksgruppe der Oromos (ca. 35% der äthiopischen Bevölkerung) aufgrund einer tatsächlichen oder vermuteten Gegnerschaft zur Regierung verhaftet worden, die Mehrzahl hiervon offenbar ohne Haftbefehl oder wochenbis jahrelang ohne Anklage. Die in der Studie behauptete systematische Verfolgung der Oromo konnte allerdings auf im November 2014 stattfindenden Feldmissionen westlicher Botschaften nach Oromia nicht belegt werden (AA 24.5.2016). Bei den Protesten von 2015/2016 die in der Region Oromia begonnen haben und immer wieder als gewalttätig und terroristisch bezeichnet wurden, ging die äthiopische Regierung besonders gegen die Oromos und die Protestierenden dort vor. Dabei kam es zu vielen Toten und zahlreichen - zum Teil willkürlichen - Verhaftungen. Besonders betroffen waren u.a. Studierende, Aktivisten und Oppositionsmitglieder (UKHO 12.2016b).

Neben der legalen politischen Opposition gibt es militante "Befreiungs"-Bewegungen (AA 8.2016). Gegen diese militanten Gruppen, insbesondere diejenigen, die vom Parlament als Terrororganisation gelistet wurden und/oder sich für Waffengewalt und Terrorismus aussprechen, wird hart vorgegangen. Wer in führender oder verantwortlicher Stellung in einer solchen Organisation tätig war bzw. ist oder dessen verdächtigt wird, muss mit Strafverfolgung wegen terroristischer Aktivitäten rechnen. Dies betrifft vor allem die OLF, Teile der ONLF, Ginbot 7, al Qaida und al Shabaab, aber auch "al-Ittihad Al-Islamia" (AIAI), ENUPF und SLF. 2010 wurde jeweils ein Friedensabkommen mit Teilen der ONLF und der United Western Somali Liberation Front (UWSLF) abgeschlossen, das die Freilassung von Gefangenen, die Reintegration ehemaliger Kämpfer und eine Amnestie für diejenigen zusichert, die ihre Waffen freiwillig abgeben. Allerdings ist die Umsetzung der Abkommen weit hinter den Erwartungen zurückgeblieben. Manche ehemaligen Kämpfer wurden nach Freilassung wieder eingesperrt, andere Kämpfer sind zu dem noch kämpfenden Flügel der ONLF übergelaufen (AA 24.5.2016). Schätzungen bezüglich der Anzahl politischer Gefangener variieren erheblich (USDOS 13.4.2016).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (24.5.2016): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in Äthiopien

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AA - Auswärtiges Amt (8.2016): Länderinformationen - Äthiopien - Innenpolitik,

http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Aethiopien/Innenpolitik_node.html, Zugriff 2.1.2017

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UKHO - UK Home Office (12.2016a): Country Information and Policy Note Ethiopia: Opposition to the government, http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1482333473_cpin-eth-pol-opp-v1.pdf, Zugriff 9.1.2017

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UKHO - UK Home Office (12.2016b): Country Information and Guidance Note Ethiopia: Ethiopia: Oromos and the 'Oromo Protests', https://www.gov.uk/government/uploads/system/uploads/attachment_data/file/575515/CPIN_ETH_Oromo_and_Oromo_protests.v1.pdf, Zugriff 9.1.2017

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USDOS - U.S. Department of State (13.4.2016): Country Report on Human Rights Practices 2015 - Ethiopia, http://www.ecoi.net/local_link/322481/461958_de.html, Zugriff 2.1.2017

6. Haftbedingungen

Es gibt in Äthiopien 6 Bundes- und 120 regionale Gefängnisse. Die Behörden sperren manchmal Jugendliche mit Erwachsenen ein. Männliche und weibliche Gefangene werden in der Regel getrennt. Die Bedingungen in Gefängnissen und Untersuchungshaftanstalten sind weiterhin schlecht, in einigen Fällen lebensbedrohlich (USDOS 13.4.2016) und jedenfalls nicht mit europäischen Standards vergleichbar (AA 24.5.2016). Die Gefängnisse sind überfüllt (AA 24.5.2016; vgl. USDOS 13.4.2016). In der Regel erfolgt die Unterbringung in großen Gemeinschaftszellen. Verpflegung und sanitäre Anlagen sind landestypisch einfach. Aufgebessert werden die Haftbedingungen entweder durch finanzielle Mittel oder durch die weit verbreitete Unterstützung durch Angehörige (AA 24.5.2016; vgl. USDOS 13.4.2016). Es wird immer wieder berichtet, dass Angeklagten und/oder Verurteilten unter dem Antiterrorgesetz der Zugang zu Anwälten, Besuch von Angehörigen sowie adäquate medizinische Versorgung verwehrt wird (AA 24.5.2016). Zudem gibt es Berichte, dass Wärter Häftlinge schlagen. Die medizinische Versorgung nach solchen Schlägen ist in manchen Fällen unzureichend (USDOS 13.4.2016).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (24.5.2016): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in Äthiopien

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USDOS - U.S. Department of State (13.4.2016): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Ethiopia, http://www.ecoi.net/local_link/322481/461958_de.html, Zugriff 29.12.2016

7. Ethnische Minderheiten

In Äthiopien gibt es mehr als 80 ethnische Gruppen (USDOS 13.4.2016; vgl. GIZ 1.2017b). 34,4% gehören der Gruppe der Oromo an, 27% sind Amharen, 6,2% Somali, 6,1% Tigray und die restlichen rund 26% gehören anderer Volksgruppen an (CIA 14.12.2016; vgl. GIZ 1.2017b). Die Grenzen der Regionalstaaten sind weitgehend entlang der Grenzen der Lebensräume der größten ethischen Gruppen gezogen. Die meisten politischen Parteien basieren vorwiegend auf ethnischer Zugehörigkeit (USDOS 13.4.2016; vgl. AA 24.5.2016).

Die Verfassung gewährt den ethnischen Gruppen Gleichberechtigung und weitgehende Autonomierechte. Die meisten der derzeit 76 anerkannten Ethnien sind mit zumindest einem Vertreter in der zweiten Parlamentskammer, dem "House of Federations", vertreten (sowie einem weiteren Vertreter je 1 Million Angehöriger). Eine nach Hautfarbe, Herkunft oder Zugehörigkeit zu einer ethnischen Gruppe diskriminierende Gesetzgebung oder Verwaltungspraxis ist nicht feststellbar, es gibt jedoch nicht verifizierbare Berichte, dass kleinere indigene Gruppen in der Praxis diskriminiert werden. Angesichts eines wahrgenommenen überproportionalen politischen Einflusses der kleineren Ethnie der Tigray fühlen sich die beiden größten Ethnien der Oromos und der Amharen politisch unterrepräsentiert. Tigray haben zudem auch großen Einfluss in der Wirtschaft. Politisch in der Opposition aktive Mitglieder der Oromo werden von Sicherheitskräften häufig der Nähe zur OLF verdächtigt (AA 24.5.2016), einige, die als einflussreiche Mitglieder der Oromo-Gemeinschaft gelten, werden gezielt verhaftet (HRW 6.2016). Im Jahr 2014 und Ende 2015 bis Oktober 2016 protestieren vor allem Oromos gegen die langjährigen Missstände. Seit der Verhängung des Ausnahmezustandes im Oktober 2016 ist die Zahl der Proteste jedoch zurückgegangen (UKHO 12.2016b).

Vorwürfe der Diskriminierung gegen bestimmte ethnische Gruppen werden auch im Zusammenhang mit Umsiedlungsprogrammen sowie mit landwirtschaftlichen Großinvestitionen im Westen (Gambella) und Süden (Südomo) des Landes vorgebracht. Verschiedene Fact-Finding-Missionen der Geber in die genannten Gebiete konnten systematische Menschenrechtsverletzungen nicht nachweisen, Einzelfälle sind hingegen nicht auszuschließen. Aus der vor allem von ethnischen Somalis bewohnten Somali Region/Ogaden wird in regelmäßigen Abständen von Menschenrechtsverletzungen bei Auseinandersetzungen zwischen Regierungstruppen und bewaffneten ONLF-Anhängern berichtet. Eine unabhängige Bestätigung der Vorwürfe ist nicht möglich (AA 24.5.2016).

Traditionell einflussreiche Ältestenräte, Clanführer oder andere, innerhalb einer ethnischen Gruppe angesehene Persönlichkeiten haben an Ansehen und Einfluss verloren. Konflikte werden deshalb in zunehmendem Maße "unkoordiniert" ausgetragen und traditionelle Mechanismen der Konfliktschlichtung funktionieren immer weniger. Die Antwort der Regierung auf die in Äthiopien herrschenden ethnischen Konflikte ist der Ethnische Föderalismus. Er soll durch weitgehende Autonomie der nach ethnischen Gesichtspunkten gegliederten Bundesländer den Wunsch nach Selbstbestimmung der ethnischen Gruppen befriedigen und sie so zu zufriedenen Angehörigen der äthiopischen Nation machen. Kritiker bemängeln jedoch, die an ethnischen Grenzen orientierte Verwaltungsstruktur verstärke die Besinnung auf ethnische Unterschiede und verstärke so bestehende Konflikte. Auch die Beibehaltung des Amharischen als alleinige Amtssprache ist nicht unumstritten (GIZ 1.2017b).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (24.5.2016): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in Äthiopien

-

CIA - Central Intelligence Agency (14.12.2016): The World Factbook

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Ethiopia,

https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/et.html, Zugriff 2.1.2017

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GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (1.2017b): Äthiopien - Gesellschaft, http://liportal.giz.de/aethiopien/gesellschaft/#c1307, Zugriff 2.1.2017

-

HRW - Human Rights Watch (6.2016): "Such a Brutal Crackdown" - Killings and Arrests in Response to Ethiopia's Oromo Protests, https://www.ecoi.net/local_link/318340/443520_en.html, Zugriff 9.1.2017

-

UKHO - UK Home Office (12.2016b): Country Information and Guidance Note Ethiopia: Ethiopia: Oromos and the 'Oromo Protests', https://www.gov.uk/government/uploads/system/uploads/attachment_data/file/575515/CPIN_ETH_Oromo_and_Oromo_protests.v1.pdf, Zugriff 9.1.2017

-

USDOS - U.S. Department of State (13.4.2016): Country Report on Human Rights Practices 2015 - Ethiopia, http://www.ecoi.net/local_link/322481/461958_de.html, Zugriff 3.1.2017

8. Grundversorgung und Wirtschaft

Äthiopien ist bei etwa 99,3 Millionen Einwohnern mit einem jährlichen Brutto-National-Einkommen von etwa 686,6 US-Dollar pro Kopf (2015) eines der ärmsten Länder der Welt, auch wenn das Wirtschaftswachstum in den letzten zehn Jahren wesentlich über dem regionalen und internationalen Durchschnitt lag. Ein signifikanter Teil der Bevölkerung lebt unter der absoluten Armutsgrenze: laut Weltbank-Daten von 2015 lebten im Jahr 2011 30,7% von weniger als 1,25 US-Dollar pro Tag, 2005 waren es noch 39% (AA 10.2016). Jugendarbeitslosigkeit ist akut. Beschäftigung im öffentlichen Sektor, dem führenden Arbeitgeber in Äthiopien nach der Landwirtschaft, erfordert die Parteimitgliedschaft oder gute Verbindungen zur herrschenden Elite (UKHO 12.2016b). In den ländlichen Regionen ist die Arbeitslosigkeit niedrig. Statt auf Arbeitslosigkeit trifft man dort auf unterproduktive Landwirtschaft. Öffentliche Arbeitsagenturen bieten in regionalen Büros, die mit dem äthiopischen Ministerium für Arbeit und Soziales (MOLSA) www.molsa.gov.et in Verbindung stehen, ihre Dienste an (IOM 6.2014).

Der wichtigste Erwerbszweig bleibt die Landwirtschaft mit 81% der Erwerbstätigen, die 2014 rund 40% des Bruttoinlandsprodukts erzeugten (AA 10.2016; vgl. GIZ 10.2016). Von der Leistungsfähigkeit der landwirtschaftlichen Produktion hängt die Sicherheit der Lebensmittelversorgung ab (AA 10.2016). Etwa 10% des jährlichen Nahrungsmittelbedarfs wird grundsätzlich ganzjährig durch internationale Hilfe gewährleistet (GIZ 10.2016). Rund 3 Millionen Äthiopier erhalten jährlich Nahrungsmittelhilfe zur Überbrückung ihrer Engpässe. Zusätzlich werden 7,8 Mio. Menschen über das Productive Safety Net Programme unterstützt, die sonst auch Nothilfe benötigen würden (AA 10.

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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