TE Lvwg Erkenntnis 2018/11/22 VGW-151/007/13455/2018

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Veröffentlicht am 22.11.2018
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Entscheidungsdatum

22.11.2018

Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht

Norm

NAG §8 Abs1 Z8
NAG §11 Abs2 Z4
NAG §11 Abs5
NAG §21 Abs2 Z1
NAG §47 Abs2

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Verwaltungsgericht Wien hat durch seinen Richter Dr. Köhler über die Beschwerde der Frau A. B. vertreten durch Mag. C. D., gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien (Magistratsabteilung 35) vom 27.08.2018, Zl. MA 35..., mit welchem der Antrag vom 20.03.2018 auf Erteilung eines Aufenthaltstitels für den Zweck „Familienangehöriger“ gemäß § 11 Abs. 2 Z. 4 iVm Abs. 5 NAG abgewiesen wurde,

zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird stattgegeben, der angefochtene Bescheid wird behoben und der Beschwerdeführerin wird der Aufenthaltstitel „Familienangehörige“ gemäß § 47 Abs. 2 iVm § 8 Abs. 1 Z 8 NAG für die Dauer von zwölf Monaten erteilt.

II. Gemäß § 53b AVG iVm § 76 Abs. 1 AVG sowie § 17 VwGVG wird der Beschwerdeführerin der Ersatz der mit Beschluss des Verwaltungsgerichtes Wien vom 21.11.2018, Zl. VGW-KO-..., mit 59,– Euro bestimmten Barauslagen für die zur mündlichen Verhandlung am 19.11.2018 beigezogene nichtamtliche Dolmetsch auferlegt. Die Beschwerdeführerin hat der Stadt Wien die genannten Barauslagen durch Banküberweisung auf das Bankkonto mit der Kontonummer IBAN AT16 1200 0006 9621 2729, BIC BKAUATWW, lautend auf „MA6 BA40“ mit dem Verwendungszweck „VGW-KO-...“ binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

III. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang:

Die Beschwerdeführerin beantragte am 20.03.2018 im Inland (§ 21 Abs. 2 Z 1 NAG) einen Aufenthaltstitel „Familienangehöriger“ (§ 8 Abs. 1 Z 8 und § 47 Abs. 2 NAG).

Mit Bescheid vom 27.08.2018 wies die belangte Behörde diesen Antrag ab, da ihr Aufenthalt zu einer finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft führen könnte. Die belangte Behörde stützte die Abweisung des Antrages auf das Nichtvorliegen von Erteilungsvoraussetzungen nach § 11 Abs. 2 NAG, nämlich konkret § 11 Abs. 2 Z 4 iVm Abs. 5 NAG.

Gegen diese Antragsabweisung richtet sich die rechtzeitige und formgerechte Beschwerde.

Die belangte Behörde traf keine Beschwerdevorentscheidung und legte die Beschwerde dem Verwaltungsgericht Wien samt den Akten des Verwaltungsverfahrens vor.

Mit Schreiben vom 16.10.2018 ergingen Ladungen zur mündlichen Verhandlung am 19.11.2018 vor dem Verwaltungsgericht an die Beschwerdeführerin, die belangte Behörde, den Ehegatten der Beschwerdeführerin sowie Frau E. F. als Zeugin. Der Beschwerdeführerin wurde unter einem aufgetragen, verschiedene Nachweise betreffend die Erteilungsvoraussetzungen des § 11 NAG vorzulegen.

Mit Schreiben vom 30.10.2018 beantragte der Beschwerdevertreter für die mündliche Verhandlung am 19.11.2018 die Beiziehung eines Dolmetsch für die serbische/bosnische/kroatische Sprache.

Mit Schriftsatz vom 06.11.2018 übermittelte der Beschwerdevertreter eine Bescheinigung aus der serbischen Strafevidenz, einen Bescheid der PVA betreffend Pflegegeld und Leistungsbezüge des Ehegatten der Beschwerdeführerin, aktuelle Kontoauszüge (samt Umsatzlisten) des Ehegatten, eine Exekutionsübersicht des BG ... betreffend den Ehegatten, den Mietvertrag über das Objekt Wien, G.-straße, sowie eine Kopie des Reisepasses der Beschwerdeführerin samt Ein- und Ausreisestempeln.

Das Verwaltungsgericht Wien führte am 19.11.2018 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch. Dabei wurden die Beschwerdeführerin, ihr Ehegatte und Frau E. F. als Zeugen einvernommen. Als nichtamtliche Dolmetsch wurde Frau Mag. H. beigezogen.

Feststellungen:

Die Beschwerdeführerin, A. B., geboren am ...1974, ist serbische Staatsangehörige. Sie ist verheiratet mit dem österreichischen Staatsbürger I. J., geboren am ...1962. Die Eheschließung erfolgte am 07.02.2017. Das Ehepaar lebt in einer – wenn sich die Beschwerdeführerin im Bundesgebiet aufhält (siehe unten zum visumsfreien Aufenthalt) – gemeinsamen Wohnung in Wien, G.-straße. Diese Wohnung ist etwa 55 m² groß und gliedert sich in eine Küche, ein Wohnzimmer und ein weiteres Zimmer und wird im Fall der Zusammenführung von eben diesen zwei Personen bewohnt werden. Der Ehegatte bewohnt diese Wohnung seit 1997. Die Miete beträgt monatlich 142,61 Euro. Die Betriebskosten (Strom) betragen 107,– pro Monat.

Die Beschwerdeführerin hat einen Vorvertrag mit dem Hotel/Gasthof X. – dieses vertreten durch die in der mündlichen Verhandlung als Zeugin einvernommene Inhaberin und Geschäftsführerin E. F. – am 5./8.10.2018 abgeschlossen, wonach sie entsprechend dem Kollektivvertrag für Arbeiter im Hotel- und Gastgewerbe auf Basis einer wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden zu einem monatlichen Lohn von 1.460,– Euro netto pro Monat (14mal im Jahr) angestellt werden soll, sobald sie über eine Aufenthaltsberechtigung verfügt. Als Dienstnehmerin wird sie bei der Burgenländischen Gebietskrankenkasse versichert werden.

Der Ehegatte der Beschwerdeführerin bezieht von der PVA Invaliditätspension, Kinderzuschuss und – seit 01.06.2018 – Pflegegeld Stufe 1, in Höhe von gesamt 882,03 Euro netto (1.347,07 brutto). Die Sonderzahlungen (13. und 14. Monatsbezug) umfassen nur Invaliditätspension und Kinderzuschuss (d.h. nicht das Pflegegeld). Exekutionszahlungen, die durch Pfändung vom PVA-Bezug einbehalten werden, belaufen sich auf 290,– Euro monatlich (14mal im Jahr).

Der Ehegatte war beschäftigt bei den Y.. Aufgrund dieses Dienstverhältnisses kam er auch zum günstigen Mietvertrag mit den Y. bezüglich der Wohnung in Wien, G.-straße. Er bezieht seit 2011 Invaliditätspension.

Die Beschwerdeführerin ist krankenversichert in Österreich, verfügt über ein Sprachdiplom A1 und ist unbescholten.

Die Beschwerdeführerin reiste am 25.02.2018 in das Bundesgebiet ein, stellte am 20.03.2018 den gegenständlichen Aufenthaltstitelantrag, reiste am 23.05.2018 wieder aus und erst am 07.09.2018 wieder ein und hält sich seither im Bundesgebiet auf.

Es konnte festgestellt werden, dass gegen die Beschwerdeführerin keine aufenthaltsbeendende Maßnahme und kein Einreiseverbot verhängt wurde. Es liegt keine Aufenthaltsehe, keine Überschreitung der Dauer des erlaubten visumfreien Aufenthaltes und keine Bestrafung wegen Umgehung der Grenzkontrolle oder nicht rechtmäßiger Einreise in das Bundesgebiet vor. Dem Aufenthalt der unbescholtenen Beschwerdeführerin widerstreitende öffentliche Interessen, wie eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung oder eine Nähe zu einer extremistischen oder terroristischen Organisation liegen ebenfalls nicht vor.

Beweiswürdigung:

Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus

1. dem vorgelegten Verwaltungsakt der belangten Behörde samt den dort vorgelegten Nachweisen (insbesondere Reisepass [hier gültig bis 10.11.2026], Geburts- und Heiratsurkunde, Sprachzertifikat A1, Meldezettel, Mietvertrag, Kopien der e-cards [Beschwerdeführerin und Ehegatte], Kontoauszügen usw.),

2. den von der Beschwerdeführerin im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorgelegten Urkunden (im vorliegenden Fall waren dies ein Vorvertrag zwischen der Beschwerdeführerin und dem Hotel/Gasthof X. vom 5./8.10.2018, ein Strafregisterauszug der Republik Serbien [Polizeievidenz], ein Bescheid der PVA vom 25.07.2018 betreffend Pflegegeldbezug des Ehegatten der Beschwerdeführerin samt Information über den gesamten von do. zur Anweisung gelangenden Betrag [Invaliditätspension, Kinderzuschuss und Pflegegeld Stufe 1], Kontoauszüge des Ehegatten, eine Exekutionsübersicht des Bezirksgerichtes ... betreffend den Ehegatten, ein Nutzungsvertrag über die gemeinsame Wohnung sowie eine Kopie des Reisepasses mit Ein- und Ausreisestempeln),

3. den amtswegigen Ermittlungen des Verwaltungsgerichtes (nämlich Abfragen aus dem Melderegister, Strafregister und Fremdenregister sowie der Einholung von einer Auskunft der BGKK betreffend Hotel/Gasthof X. [wegen Hintergrund zum arbeitsrechtlichen Vorvertrag] sowie Einsichtnahme in Akte ... und ... des Bezirksgerichtes ... und die Insolvenzdatei des BMVRDJ) sowie aus

4. den Einvernahmen der Beschwerdeführerin, ihres Ehegatten sowie der Zeugin E. F. (Hotel/Gasthof X.) in der mündlichen Verhandlung vom 19.11.2018.

Vor diesem Hintergrund ergeben sich die Feststellungen weitestgehend aus dem vorliegenden unstrittigen Akteninhalt, insbesondere aufgrund der von der Beschwerdeführerin selbst vorgelegten Dokumente und Unterlagen sowie auch aus den Angaben der einvernommenen Personen in der mündlichen Verhandlung.

Die getroffenen Feststellungen zur Person der Beschwerdeführerin und ihres Ehegatten – insbesondere Identität, Nationalität, Eheschließung, Unbescholtenheit, Deutschkenntnisse A1 – ergeben sich aus den im Verfahren vorgelegten unbedenklichen Unterlagen. Auch die Zeiträume des Aufenthaltes in Österreich (Ein- und Ausreisen) sowie Feststellungen zur Unterkunft ergeben sich aus solchen Unterlagen (Reisepass, Mietvertrag). An der Echtheit und Richtigkeit dieser Unterlagen hegt das Verwaltungsgericht jeweils keinen Zweifel. Die Antragsunterlagen ergeben sich aus dem vorgelegten Verwaltungsakt.

Das Verwaltungsgericht selbst hat durch Einsichtnahme in öffentliche Register und mittels Durchführung einer mündlichen Verhandlung Ermittlungen durchgeführt (vgl. auch § 37 Abs. 5 NAG). Regelmäßige Belastungen ergeben sich aus dem vorgelegten Mietvertrag samt Abrechnung und sind in den vorgelegten Kontoauszügen dokumentiert. Dass der Anspruch auf einen alle Risken abdeckenden und in Österreich leistungspflichtigen Krankenversicherungsschutz besteht, ist im vorliegenden Fall nicht zweifelhaft (siehe dazu nochmals in der rechtlichen Beurteilung).

Der unstrittigen Aktenlage ist die belangte Behörde nie entgegengetreten.

Die Zweifel der belangten Behörde an der Realisierbarkeit der mit Vorvertrag der Beschwerdeführerin mit dem Hotel/Gasthof X. mit belegten (zukünftigen) Einkünfte sind für das Verwaltungsgericht nach der Einvernahme der Zeugin E. F. in der mündlichen Verhandlung am 19.11.2018 beseitigt. Sie hat diesen Vorvertrag unterfertigt und ist Eigentümerin und Geschäftsführerin dieses Betriebes. Sie bestätigte die Echtheit und Richtigkeit des vorgelegten Dokumentes und bekräftigte die unmittelbare Absicht die Beschwerdeführerin in ihrem Betrieb zu beschäftigen, sobald ihr ein Aufenthaltstitel erteilt wird. Es besteht für das Verwaltungsgericht aufgrund der glaubwürdigen und nunmehr ausreichend konkretisierten Bestätigungen kein Zweifel am Zustandekommen des Beschäftigungsverhältnisses.

In der mündlichen Verhandlung machten die Beschwerdeführerin, ihr Ehegatten sowie die Zeugin E. F. jeweils einen glaubwürdigen Eindruck. Es wurden insgesamt schlüssige und zusammenhängende Angaben gemacht, sodass die Feststellungen über die Einkommensverhältnisse und –möglichkeiten, insbesondere jene entsprechend dem Vorvertrag mit dem Hotel/Gasthof X. für das Verwaltungsgericht aufgrund des persönlichen Eindruckes dieser Personen zweifelsfrei zustande kommen. Aus den drei Aussagen ergibt sich insgesamt ein schlüssiges Gesamtbild.

Rechtliche Beurteilung:

Die Beschwerdeführerin, eine serbische Staatsangehörige, hat einen Aufenthaltstitel „Familienangehöriger“ (§ 8 Abs. 1 Z 8 und § 47 Abs. 2 NAG) beantragt. Als Ehegattin eines Zusammenführenden, d.h. eines österreichischen Staatsbürgers, ist der Beschwerdeführerin bei Vorliegen der Erteilungsvoraussetzungen des 1. Teils des NAG der beantragte Aufenthaltstitel zu erteilen (§ 47 Abs. 1 und 2 NAG).

Die belangte Behörde stützte die Abweisung des Antrages auf das Nichtvorliegen von Erteilungsvoraussetzungen nach § 11 Abs. 2 NAG, nämlich konkret § 11 Abs. 2 Z 4 iVm Abs. 5 NAG. Gemäß § 11 Abs. 2 Z 4 iVm Abs. 5 NAG darf der Aufenthalt eines Fremden zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft führen. Dabei sind iSd § 11 Abs. 5 NAG die regelmäßigen Einkünfte und Ausgaben dem erforderlichen Richtsatz gegenüberzustellen.

Bei der Prüfung, ob ausreichende Unterhaltsmittel zur Verfügung stehen, ist eine Prognose über die Erzielbarkeit ausreichender Mittel zu treffen (vgl. VwGH 19.04.2016, Ra 2015/22/0153; 22.03.2018, Ra 2017/22/0177). Für die Berechnung maßgeblich ist dabei jenes Einkommen, das dann erzielt wird, wenn dem Fremden der begehrte Aufenthaltstitel erteilt wird (vgl. VwGH 20.10.2011, 2009/18/0122), wobei die anteiligen Sonderzahlungen bei der Einkommensberechnung zu berücksichtigen sind (vgl. VwGH 21.06.2011, 2008/22/0356).

Der Aufenthalt eines Fremden führt gemäß § 11 Abs. 5 NAG zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft (§ 11 Abs. 2 Z 4 NAG), wenn der Fremde feste und regelmäßige eigene Einkünfte hat, die ihm eine Lebensführung ohne Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen der Gebietskörperschaften ermöglichen und der Höhe nach den Richtsätzen des § 293 ASVG (derzeit 889,84 Euro bzw. bei Ehegatten 1.363,52 Euro) entsprechen.

Feste und regelmäßige eigene Einkünfte werden durch regelmäßige Aufwendungen geschmälert, insbesondere durch Mietbelastungen, Kreditbelastungen, Pfändungen und Unterhaltszahlungen an Dritte nicht im gemeinsamen Haushalt lebende Personen. Dabei bleibt einmalig ein Betrag bis zu der in § 292 Abs. 3 zweiter Satz ASVG festgelegten Höhe (derzeit 284,32 Euro) unberücksichtigt und führt zu keiner Erhöhung der notwendigen Einkünfte im Sinne des § 11 Abs. 5 erster Satz NAG (vgl. etwa VwGH 26.01.2012, 2010/21/0346).

Im Verfahren vor der belangten Behörde scheiterte die Antragstellung an zu geringen Einkünften im Allgemeinen sowie unzureichend belegten Nachweisen des gesicherten Lebensunterhalts hinsichtlich der Erwerbsmöglichkeit der Beschwerdeführerin im Besonderen. Mit der Beschwerde legte die Beschwerdeführerin auch einen Vorvertrag zwischen der Beschwerdeführerin und dem Hotel/Gasthof X. vom 5./8.10.2018 vor. Dieser Vorvertrag entspricht nun den Anforderungen des § 7 Abs. 1 Z 7 NAG-DV (im behördlichen Verfahren wurden noch unzureichende Urkunden vorgelegt. Vgl. auch VwGH 27.05.2010, 2008/21/0630; 21.12.2010, 2009/21/0096). Es besteht für das kein Zweifel am Zustandekommen des Beschäftigungsverhältnisses und damit der Realisierbarkeit der mit diesem Vorvertrag belegten Einkünfte.

Aufgrund des (im Vergleich zu den Vorlagen im behördlichen Verfahren) inhaltlich ergänzten Vorvertrages mit dem Hotel/Gasthof X. und der damit belegten Erwerbsmöglichkeit, die lediglich vom Erteilen eines Aufenthaltstitels abhängig ist, ergibt sich für die Beschwerdeführerin ein Monatsgehalt von 1.460,– Euro brutto (14mal im Jahr). Das sind 1.195,94 Euro netto bzw. inklusive Sonderzahlungen 1.395,26 Euro netto.

Der Ehegatte bezieht von der PVA (Invaliditätspension samt Kinderzuschuss und – seit 01.06.2018 nun auch – Pflegegeld Stufe 1) insgesamt 882,03 Euro netto (1.347,07 brutto). Die Sonderzahlungen (Invaliditätspension plus Kinderzuschuss, jedoch ohne Pflegegeld) ergeben monatlich 231,34 Euro netto. Nachdem keine Betreuung durch Dritte erforderlich ist, ist das Pflegegeld im Beschwerdefall als Einkommensbestandteil anzurechnen. Der entsprechende Betrag (157,30 Euro) steht dem Zusammenführenden gemeinsam mit der Nachziehenden zur Verfügung und kann für die Bestreitung des Unterhalts des Nachziehenden verwendet werden (vgl. VwGH 18.03.2010, 2008/22/0632).

Dies ergibt somit zum nunmehrigen Entscheidungszeitpunkt als Prognose für den Fall der Erteilung des beantragten Aufenthaltstitels zusammen ein monatliches Gesamteinkommen von 2.508,63 Euro netto.

Diesen Einkünften stehen folgende regelmäßige Aufwendungen gegenüber (§ 11 Abs. 2 Z 4 iVm Abs. 5 NAG): Die Betriebskosten (Strom) betragen 107,– pro Monat. Die Miete beträgt monatlich 142,61 Euro. Exekutionszahlungen, die durch Pfändung der PVA-Bezüge einbehalten werden, belaufen sich auf 290,– Euro monatlich, 14mal im Jahr abgezogen ergibt dies einen auf das Monat umgelegten Betrag von 338,33 Euro. Somit verbleibt dem Ehegatten der Beschwerdeführerin jedenfalls ein Betrag in Höhe des Existenzminimums. Bei der Ermittlung der regelmäßigen Aufwendungen bleibt einmalig ein Betrag bis zu der in § 292 Abs. 3 zweiter Satz ASVG festgelegten Höhe unberücksichtigt und führt zu keiner Erhöhung der notwendigen Einkünfte des gemäß § 11 Abs. 2 Z 4 iVm Abs. 5 NAG erforderlichen Einkommens („Wert der freien Station“, das sind monatlich 288,87 Euro). Nach Abzug dieses Betrages ergibt sich der vom Einkommen abzuziehende Gesamtbetrag an regelmäßigen Aufwendungen in Höhe von 299,07 Euro.

Es ergibt sich nach Abzug dieser regelmäßigen Aufwendungen vom monatlichen Gesamteinkommen damit ein – über dem gesetzlich geforderten Einkommen liegender – Betrag in Höhe von 2.209,56 Euro: Aus dem „Ehegattenrichtsatz“ (§ 293 Abs. 1 ASVG) ergibt sich – da die Beschwerdeführerin beabsichtigt, mit ihrem zusammenführenden Ehemann in einer gemeinsamen Wohnung zu leben – nämlich der erforderliche Monatsbetrag in Höhe von 1.363,52 Euro. Das errechnete, anrechenbare monatliche Familieneinkommen der Kernfamilie reicht daher aus. Der erforderliche, nachzuweisende gesetzliche Richtsatz wird im Ergebnis jedenfalls deutlich überschritten.

Am Ergebnis eines Gesamtbetrages in Höhe von 2.209,56 Euro ändert sich auch dann nichts, wenn die gepfändeten 338,33 Euro zunächst direkt von den Bezügen des Ehegatten abgezogen werden, danach das Einkommen der Beschwerdeführerin hinzugerechnet wird und dann erst eine Berücksichtigung der um den Wert der freien Station reduzierten regelmäßigen Aufwendungen erfolgt.

Im Rahmen der Prognoseentscheidung hegt das Verwaltungsgericht keine Bedenken hinsichtlich der Realisierbarkeit der Einkünfte durch die Beschwerdeführerin. In diesem Zusammenhang ist auch zu anzumerken, dass die Deutschkenntnisse der Beschwerdeführerin jedenfalls auch ausreichen um die beabsichtigte Tätigkeit auszuüben. Auch wenn sie die Beiziehung einer Dolmetsch zur mündlichen Verhandlung beantragte, konnte sie dort nämlich der Verhandlung auch ohne Übersetzung über weite Strecken folgen.

Beim Ehegatten der Beschwerdeführerin besteht auf die Einkünfte ein gesicherter Rechtsanspruch, nämlich bescheidmäßig zuerkannte Invaliditätspension samt Kinderzuschuss und Pflegegeld. Er bezieht seit 2011 Invaliditätspension und es ist jedenfalls für den Prognose-/Erteilungszeitraum nicht mit geringeren Bezügen zu rechnen. Soweit hinsichtlich des Pflegegeldes nach Angaben des Ehegatten der Beschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung im Übrigen eine Erhöhung im Raum (höhere Pflegegeldstufe) steht, ist anzumerken, dass hierfür im Entscheidungszeitpunkt keine gesicherte Prognose getroffen werden kann.

Die Exekutionszahlungen betreffen Unterhaltsrückstände für vergangene Zeiträume, aktuelle Unterhaltspflichten bestehen keine. Ebenso laufen keine sonstigen Exekutionen. Kredite oder Schulden werden keine bedient.

Im Rahmen der Prognoseentscheidung war auch zu berücksichtigen, dass ein „Privatkonkurs“ betreffend den Ehegatten der Beschwerdeführerin im Raum steht – (kostendeckendes) Vermögen und Schulden müssten hier erst im Rahmen der Verfahrenseinleitung ermittelt werden, wobei der Ehegatte der Beschwerdeführerin vorläufig von maximal 69.000,– Euro Schulden ausgeht (die Insolvenzdatei des BMVRDJ enthält zu ihm keinen Eintrag). Auch in einem Fall der Insolvenz würde dem Ehegatten bei Eröffnung eines Insolvenzverfahrens allerdings jedenfalls das Existenzminimum verbleiben (§ 185 Abs. 1 Z 1 und § 194 Abs. 1 IO; § 291a EO). Ausgehend von seinem monatlichen Nettoeinkommen in Höhe von 1.113,37 Euro würde sich daher ein Existenzminimum von 966,30 Euro bzw. ein Unterhaltsexistenzminimum von 724,72 Euro ergeben. Dies entspricht im Übrigen jenem Betrag, den der Ehegatte bis zur Zuerkennung des Pflegegeldes von der PVA nach Abzug der Exekution betreffend Unterhaltsrückstand überwiesen bekommen hat; das Pflegegeld ist unpfändbar nach § 290 Abs. 1 Z 2 EO. Insofern würden selbst bei einem Insolvenzverfahren allfällige monatliche (Raten-)Zahlungen zu keiner Schmälerung des Einkommens des Ehegattens der Beschwerdeführerin unter diese Beträge führen. Selbst in diesem Fall würden folglich dem erforderlichen Monatsbetrag in Höhe von 1.363,52 Euro – zusammen mit dem Monatsnettoeinkommen der Beschwerdeführerin – noch immer 1.862,71 Euro und somit ein gemäß § 11 Abs. 5 NAG ausreichender Betrag gegenüberstehen. Insofern kann trotz allfälliger Überschuldung angenommen werden, dass ausreichende Unterhaltsmittel zur Verfügung stehen.

Aufgrund der ermittelten/prognostizierten festen und regelmäßigen Einkünfte iSd § 11 Abs. 5 NAG ist jedenfalls davon auszugehen, dass der Unterhalt der Beschwerdeführerin im Fall der Errichtung einer Familiengemeinschaft mit dem Zusammenführenden im Bundesgebiet gesichert ist. Es kann somit mit maßgeblicher Sicherheit ausgeschlossen werden, dass der Aufenthalt der Beschwerdeführerin im Bundesgebiet zu einer finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft iSd § 11 Abs. 2 Z 4 NAG führen könnte.

Der Rechtsanspruch auf eine ortsübliche Unterkunft (§ 11 Abs. 2 Z 2 NAG) ist im Beschwerdefall gegeben. Angesichts der Größe (etwa 55 m²) und der Raumaufteilung (Küche plus zwei Zimmer) der Unterkunft und der Anzahl der dort bei Erteilung des Aufenthaltstitels lebenden Personen (ein Ehepaar) bestehen hinsichtlich der Ortsüblichkeit keine Bedenken. Der vorgelegte unbefristete Mietvertrag vermittelt einen gesicherten Rechtsanspruch (vgl. etwa VwGH 24.11.2000, 98/19/0181). Im Übrigen ist zu bedenken, dass aufgrund der insgesamt guten finanziellen Situation davon auszugehen ist, dass die Beschwerdeführerin samt Ehegatten in der Lage sein wird, ihre Wohnbedürfnisse bzw. die der Familie befriedigen zu können, ohne wegen Obdachlosigkeit eine Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darzustellen oder eine Gebietskörperschaft finanziell zu belasten (VwGH 09.09.2014, Ro 2014/22/0032).

Die gemäß § 21a NAG erforderlichen Sprachkenntnisse sind entsprechend § 9b Abs. 1 NAG-DV nachgewiesen.

Als serbische Staatsangehörige ist die Beschwerdeführerin zum visumsfreien Aufenthalt von bis zu 90 Tagen je Zeitraum von 180 Tagen berechtigt. Die Beschwerdeführerin reiste zuletzt am 07.09.2018 in das Bundesgebiet ein. Eine Überschreitung des sichtvermerkfreien Aufenthaltes im Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichtes liegt nicht vor, weil in den letzten 180 Tagen (also seit 24.05.2018 und bis zum Entscheidungszeitpunkt 22.11.2018) lediglich 77 Tage des Aufenthaltes angelaufen sind. Der Aufenthalt der Beschwerdeführerin ist rechtmäßig gemäß § 31 Abs. 1 Z 1 FPG. Aufgrund des vorgelegten Reisepasses und aus der Einsichtnahme in das Fremdenregister ergeben sich auch sonst (d.h. in früheren Zeiträumen; vgl. etwa VwGH 22.03.2018, Ra 2017/22/0177) keine Aufenthaltszeiträume im österreichischen Bundesgebiet eines unrechtmäßigen Aufenthaltes: Die Beschwerdeführerin reiste am 25.02.2018 in das Bundesgebiet ein, stellte am 20.03.2018 den gegenständlichen Aufenthaltstitelantrag und reiste am 23.05.2018 (das heißt am 88. Aufenthaltstag) wieder aus und erst am 07.09.2018 – d.h. nach ausreichender Wartefrist – wieder ein (§ 11 Abs. 1 Z 5 und § 11 Abs. 2 Z 1 NAG).

Die Beschwerdeführerin ist krankenversichert in Österreich (siehe vorgelegte e-card und Versicherungsdatenauszug). Als Angehörige hat sie über den Ehegatten einen Anspruch auf Mitversicherung (§ 123 ASVG). Damit ist auch § 11 Abs. 2 Z 3 NAG und § 7 Abs. 1 Z 6 NAG-DV entsprochen (VwGH 20.07.2016, Ro 2015/22/0030). Durch die Aufnahme der Erwerbstätigkeit im Hotel/Gasthof X. wird die Beschwerdeführerin selbst versichert sein.

Das Vorliegen von Erteilungshindernissen iSv § 11 Abs. 1 NAG ist im behördlichen Verfahren nicht hervorgekommen und kann auch nicht nach Durchführung des Ermittlungsverfahren vor dem Verwaltungsgericht festgestellt werden. Weder wurden gegen die Beschwerdeführerin aufenthaltsbeendende Maßnahmen oder ein Einreiseverbot verhängt, noch ist das Vorliegen einer Aufenthaltsehe, eine Überschreitung der Dauer des erlaubten visumfreien Aufenthaltes oder eine Bestrafung wegen Umgehung der Grenzkontrolle oder nicht rechtmäßiger Einreise in das Bundesgebiet zu erkennen.

Ebenso haben sich keine Hinweise auf dem Aufenthalt der unbescholtenen Beschwerdeführerin widerstreitende öffentliche Interessen iSd § 11 Abs. 2 Z 1 iVm Abs. 4 NAG, wie eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung oder eine Nähe zu einer extremistischen oder terroristischen Organisation ergeben und ist auch nichts hervorgekommen, was darauf hindeuten würde, dass der Aufenthalt der Beschwerdeführerin in Österreich die Beziehungen der Republik Österreich zu einem anderen Staat oder einem anderen Völkerrechtsobjekt iSd § 11 Abs. 2 Z 5 NAG wesentlich beeinträchtigen würde.

Nachdem die Beschwerdeführerin sämtliche in § 7 und auch §§ 2a und 9b NAG-DV angeführten Unterlagen vorgelegt bzw. spätestens im Beschwerdeverfahren nachgereicht hat, erfüllt die Beschwerdeführerin die Erteilungsvoraussetzungen für einen Aufenthaltstitel „Familienangehörige[r]“ gemäß § 8 Abs. 1 Z 8, § 20 Abs. 1 und § 47 NAG zum Zweck der Familiengemeinschaft mit ihrem Ehemann im Bundesgebiet für die Dauer von 12 Monaten beginnend mit dem Datum der Rechtskraft dieser Entscheidung.

Der Beschwerde ist somit stattzugeben, der angefochtene Bescheid zu beheben und der Beschwerdeführerin der beantragte Aufenthaltstitel (in konstitutiver Weise) zu erteilen (vgl. VwGH 15.12.2015, Ra 2015/22/0125).

Gemäß § 19 Abs. 10 NAG hat die belangte Behörde nunmehr die Herstellung von Aufenthaltstitelkarten zu beauftragen und diese auszufolgen.

Der öffentlichen mündlichen Verhandlung wurde zur Einvernahme der Beschwerdeführerin eine nichtamtliche Dolmetsch für die serbische/bosnische/kroatische Sprache beigezogen. Gemäß § 17 VwGVG iVm § 76 Abs. 1 und 3 AVG wird der Beschwerdeführerin der Ersatz der Barauslagen für die der mündlichen Verhandlung vom 19.11.2018 beigezogene nichtamtliche Dolmetsch –auferlegt: Die Beschwerdeführerin hat die Beziehung der Dolmetsch selbst beantragt. Dem Verwaltungsgericht Wien stand eine amtliche Dolmetsch für die serbische/bosnische/kroatische Sprache nicht zur Verfügung. Für die mündliche Verhandlung wurde daher eine externe Person zur Übersetzung beigezogen. Die in der Gebührennote (nach dem Gebührenanspruchsgesetz) verzeichneten Gebühren hat das Verwaltungsgericht geprüft und in der im Spruch genannten Höhe für in Ordnung befunden (Beschluss vom 21.11.2018, VGW-KO-...). Die Buchhaltungsabteilung der Stadt Wien wurde zur Bezahlung der Gebühr aus Amtsmitteln angewiesen (vgl. zu alldem § 53b iVm § 53a Abs. 2 erster Satz und Abs. 3 erster Satz AVG). Gemäß § 17 VwGVG in Verbindung mit § 76 Abs. 1 erster und zweiter Satz sowie § 53b AVG hat die beschwerdeführende Partei für diese Barauslagen aufzukommen. Die Gebühren sind nunmehr nach Anweisung an die Dolmetsch der Beschwerdeführerin aufzuerlegen.

Die ordentliche Revision ist nicht zulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Die Rechtslage ist aufgrund der zitierten Gesetzeslage klar und durch die Rechtsprechung geklärt.

Das Verfahren betreffend Aufenthaltstitel erfordert eine Einzelfallbeurteilung. Eine solche einzelfallbezogene Beurteilung ist im Allgemeinen – wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde – nicht revisibel (VwGH 25.04.2014, Ro 2014/21/0033; 09.09.2014, Ro 2014/22/0027). Der gegenständlich vorgenommenen Würdigung kommt keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zu. Schließlich liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Allgemeine Erteilungsvoraussetzungen; finanzielle Belastung einer Gebietskörperschaft; feste und regelmäßige Einkünfte; Prognosebeurteilung; Vorvertrag; Erwerbsmöglichkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGWI:2018:VGW.151.007.13455.2018

Zuletzt aktualisiert am

27.12.2018
Quelle: Landesverwaltungsgericht Wien LVwg Wien, http://www.verwaltungsgericht.wien.gv.at
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