Entscheidungsdatum
26.11.2018Index
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)Norm
B-VG Art. 130 Abs1 Z3Text
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Verwaltungsgericht Wien hat durch den Richter Mag. Ivica Kvasina über die Säumnisbeschwerde der Frau A. B., vertreten durch Rechtsanwalt, wegen Verletzung der Entscheidungspflicht der Wiener Landesregierung, Magistratsabteilung 35 - Einwanderung und Staatsbürgerschaft (belangte Behörde), Zl. MA35/..., hinsichtlich des Antrags auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft vom 17.02.2017, in der öffentlichen mündlichen Verhandlung am 21.11.2018,
zu Recht erkannt:
I. Der Antrag der Beschwerdeführerin auf die Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft vom 17.02.2017 wird gemäß § 10 Abs. 1 Z 7 iVm Abs. 5 StbG in der Fassung vor dem BGBl. I 68/2017 abgewiesen.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.
Entscheidungsgründe
Mit Antrag vom 17.02.2017 begehrte die Beschwerdeführerin die Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft. Dem Antrag wurden verfahrensdienliche Dokumente und Unterlagen angeschlossen. Die belangte Behörde führte ein Ermittlungsverfahren und es lagen spätestens am 05.03.2018 alle Informationen vor, welche es der belangten Behörde ermöglicht hätten, einen Bescheid zu erlassen.
Mit Schreiben vom 19.06.2018, bei der belangten Behörde am 20.06.2018 eingelangt, erhob die Beschwerdeführerin eine Säumnisbeschwerde.
Der Verwaltungsakt wurde seitens der belangten Behörde am 27.09.2018 (einlangend) an das Verwaltungsgericht Wien zur Entscheidung weitergeleitet. Von der Möglichkeit der Nachholung eines Bescheides gemäß § 16 VwGVG wurde Abstand genommen.
Das Verwaltungsgericht Wien nahm Einsicht in das Zentrale Melderegister, das Zentrale Fremdenregister (IZR) und das Strafregister.
Am 21.11.2018 führte das Verwaltungsgericht Wien eine öffentliche mündliche Verhandlung durch. Die Beschwerdeführerin gab, als Partei einvernommen, Folgendes an:
„Wenn ich befragt werde weshalb ich den Antrag auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft nicht schon früher gestellt habe, so kann ich angeben, dass mein Ehegatte im Jahre 1983 verstorben ist und ich alleine mit 2 kleinen Kindern geblieben bin. Ich hatte sehr viel zu tun und nachdem ich mein Daueraufenthaltsrecht bekommen habe, bestand damals für mich kein Bedarf die österreichische Staatsbürgerschaft zu erlangen. Mittlerweile ist es sehr schwer geworden mit einem iranischen und mit einem syrischen Reisepass zu reisen und dieser Bedarf besteht jetzt umso mehr.
Mein Ehegatte ist im Jahre 1983 in Folge eines Arbeitsunfalles verstorben und ich hätte damals von der Versicherung eine Pension bekommen sollen und zwar 3000,- Schilling für mich und jeweils 500,- Schilling für meine Töchter, aber mein Anwalt hat mir damals geraten, dass es besser wäre statt einer Pension eine Entschädigung in Höhe von 600.000,- Schilling zu nehmen. Dieses Angebot habe ich auch angenommen zumal mir mein Anwalt auch geraten hat, dass dies für mich günstiger wäre zumal ich von den Zinsen profitieren könnte.“
Im Anschluss an die Verhandlung wurde das Erkenntnis mündlich verkündet und die Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Mit Schreiben vom 21.11.2018 begehrte die Beschwerdeführerin die schriftliche Ausfertigung der Entscheidung.
Aus dem die Beschwerdeführerin betreffenden fremdenrechtlichen Administrativakt der belangten Behörde zur Zl. MA35/..., den von der Beschwerdeführerin vorgelegten Dokumenten und Unterlagen sowie den vom Verwaltungsgericht Wien getätigten Abfragen ergibt sich folgender, entscheidungswesentlicher Sachverhalt:
Die Beschwerdeführerin ist Staatsbürgerin der Islamischen Republik Iran und der Arabischen Republik Syrien, verwitwet, unbescholten, und wurde am ...1945 in C. geboren. Im Jahre 1968 ist sie nach Österreich umgezogen und lebt seither in Österreich. Laut Aktenlage ist sie seit zumindest 31.03.1994 im Bundesgebiet rechtmäßig niedergelassen und wurde ihr am 02.04.1996 ein unbefristeter Aufenthaltstitel erteilt. Seit 22.02.1984 verfügt sie ununterbrochen über einen Hauptwohnsitz in Wien. Die Beschwerdeführerin hat laut Aktenlage von April 2004 bis Oktober 2017 ununterbrochen Leistungen nach dem Wiener Mindestsicherungsgesetz (WMG), bzw. Sozialhilfeleistungen bezogen. Sie verfügt über keine (zertifizierten) Deutschkenntnisse und hat auch die Staatsbürgerschaftsprüfung iSd § 10a Abs. 1 Z 2 StbG nicht absolviert.
Laut erstatteten amtsärztlichen Gutachten der Magistratsabteilung 15 vom 11.04.2017 leidet die Beschwerdeführerin an höhergradigen Wirbelsäulen- und Bandscheibendegenerationen im Bereich der HWS und der LWS, Adipositas permagna, arteriellen Hypertonie, Diabetes mellitus Typ 2, Katarakt links, Verdacht auf Maculadegeneration und besteht „realistischer weise erfahrungsgemäß keine berufliche Einsetzbarkeit mehr am allgemeinen Arbeitsmarkt.“
Laut der erstatteten Ergänzung zur Stellungnahme der MA 15 vom 12.05.2017 handelt es sich bei den in der Diagnose der Beschwerdeführerin angeführten Erkrankungen um Erkrankungen, die mit hoher Häufung im fortgeschrittenen Alter auftreten. Sie sind nicht mit dem Begriff einer Behinderung gleichzustellen, das Ausmaß einer schwerwiegenden Erkrankung erreichen sie erst dann, wenn sie zu gravierenden Folgeerkrankungen führen, bzw. das altersübliche Ausmaß deutlich überschreiten. Die geminderte Arbeits- bzw. Erwerbsfähigkeit am allgemeinen Arbeitsmarkt ist im Fall der Beschwerdeführerin hauptsächlich auf ihr fortgeschrittenes Alter zurückzuführen.
Das Verwaltungsgericht hat erwogen:
I. Zur Säumnisbeschwerde:
Gemäß § 8 Abs. 1 VwGVG kann eine Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 3 B-VG (Säumnisbeschwerde) erst erhoben werden, wenn die Behörde die Sache nicht innerhalb von sechs Monaten, wenn gesetzlich eine kürzere oder längere Entscheidungsfrist vorgesehen ist, innerhalb dieser entschieden hat. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Antrag auf Sachentscheidung bei der Stelle eingelangt ist, bei der er einzubringen war. Die Beschwerde ist abzuweisen, wenn die Verzögerung nicht auf ein überwiegendes Verschulden der Behörde zurückzuführen ist.
Entsprechend der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 73 AVG – welche grundsätzlich auch im Säumnisbeschwerdeverfahren vor den Verwaltungsgerichten herangezogen werden kann – hat die normierte sechsmonatige Frist sowohl für die Behörde als auch für die Verfahrensparteien rechtliche Bedeutung. Dies bedeutet für die Behörde, dass sie innerhalb dieser Frist den Bescheid zu erlassen hat, für die Verfahrenspartei hingegen, dass sie vor Ablauf dieser Frist keine zulässige Säumnisbeschwerde einbringen kann (vgl. etwa VwGH 26.3.1996, Zl. 95/19/1047, so auch Eder/Martschin/Schmid, Das Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte, 1. Aufl., K 4 zu § 8).
Die Beschwerdeführerin hat am 17.02.2017 bei der belangten Behörde einen Antrag auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft gestellt. Die belangte Behörde hat über diesen Antrag nicht innerhalb von sechs Monaten entschieden.
Die Verzögerung der Entscheidung ist dann ausschließlich auf ein Verschulden der Behörde zurückzuführen, wenn diese Verzögerung weder durch das Verschulden der Partei noch durch unüberwindliche Hindernisse verursacht wurde (VwGH 28.1.1992, Zl. 91/04/0125 u.a.). Ein „Verschulden“ der Partei ist dann anzunehmen, wenn die Gründe für die Verzögerung in ihrer Person liegen (vgl. VwGH, 18. November 2003, Zl. 2003/05/0115). Ihr Verhalten muss für die Verzögerung kausal und zusätzlich schuldhaft sein (VwGH 12.04.2005, Zl. 2005/01/0003). Ist die Säumnis sowohl durch ein Versäumnis der Behörde wie auch durch ein schuldhaftes Verhalten der Partei verursacht, ist abzuwägen, wem die Verzögerung überwiegend anzulasten ist.
Obwohl die Beschwerdeführerin anlässlich der Antragstellung am 17.02.2017 verfahrensdienliche Unterlagen für die Bearbeitung ihres Antrages der belangten Behörde vorgelegt hat und spätestens am 05.03.2018 sämtliche von der Beschwerdeführerin vorzulegende Dokumente und Unterlagen der belangten Behörde zugegangen sind, war diese aus unerklärlichen Gründen nicht in der Lage, bis zur Erhebung der Säumnisbeschwerde am 20.06.2018 einen Bescheid zu erlassen. Dass daran die Beschwerdeführerin eine Schuld trifft, ergibt sich aus der Aktenlage nicht. Daraus ergibt sich eindeutig, dass die eingetretene Säumnis der Behörde zuzurechnen ist und daher der nunmehr eingebrachten Säumnisbeschwerde unter Beachtung der oben wiedergegebenen Judikatur Berechtigung zukommt.
II. Zum Antrag auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft:
Gemäß § 64a Abs. 25 StbG sind zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Bundesgesetzes BGBl. I 68/2017, mithin dem 01.10.2017, anhängige Verfahren nach den Bestimmungen in der Fassung vor dem BGBl. I 68/2017 zu Ende zu führen.
Die maßgeblichen Bestimmungen des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 idF vor dem BGBl. I 68/2017 lauten:
„Verleihung
§ 10. (1) Die Staatsbürgerschaft darf einem Fremden, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, nur verliehen werden, wenn
1. er sich seit mindestens zehn Jahren rechtmäßig und ununterbrochen im Bundesgebiet aufgehalten hat und davon zumindest fünf Jahre niedergelassen war;
2. er nicht durch ein inländisches oder ausländisches Gericht wegen einer oder mehrerer Vorsatztaten rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe verurteilt worden ist, die der Verurteilung durch das ausländische Gericht zugrunde liegenden strafbaren Handlungen auch nach dem inländischen Recht gerichtlich strafbar sind und die Verurteilung in einem den Grundsätzen des Art. 6 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, entsprechendem Verfahren ergangen ist;
3. er nicht durch ein inländisches Gericht wegen eines Finanzvergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe verurteilt worden ist;
4. gegen ihn nicht wegen des Verdachtes einer mit Freiheitsstrafe bedrohten Vorsatztat oder eines mit Freiheitsstrafe bedrohten Finanzvergehens bei einem inländischen Gericht ein Strafverfahren anhängig ist;
5. durch die Verleihung der Staatsbürgerschaft die internationalen Beziehungen der Republik Österreich nicht wesentlich beeinträchtigt werden;
6. er nach seinem bisherigen Verhalten Gewähr dafür bietet, dass er zur Republik bejahend eingestellt ist und weder eine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit darstellt noch andere in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannte öffentliche Interessen gefährdet;
7. sein Lebensunterhalt hinreichend gesichert ist oder der Fremde seinen Lebensunterhalt aus tatsächlichen, von ihm nicht zu vertretenden Gründen dauerhaft nicht oder nicht in ausreichendem Maße sichern kann und
8. er nicht mit fremden Staaten in solchen Beziehungen steht, dass die Verleihung der Staatsbürgerschaft die Interessen der Republik schädigen würde.
(1a) Eine gemäß Abs. 1 Z 2 oder 3 maßgebliche Verurteilung liegt nicht vor, wenn sie in Strafregisterauskünfte an die Behörde nicht aufgenommen werden darf. Eine gemäß Abs. 1 Z 2 oder 3 maßgebliche Verurteilung liegt vor, wenn sie wegen einer Jugendstraftat erfolgt.
(1b) Nicht zu vertreten hat der Fremde seinen nicht gesicherten Lebensunterhalt insbesondere dann, wenn dieser auf einer Behinderung oder auf einer dauerhaften schwerwiegenden Krankheit beruht, wobei dies durch ein ärztliches Gutachten nachzuweisen ist.
(2) Die Staatsbürgerschaft darf einem Fremden nicht verliehen werden, wenn
1. bestimmte Tatsachen gemäß § 53 Abs. 2 Z 2, 3, 5, 8, 9 und Abs. 3 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100, vorliegen; § 53 Abs. 5 FPG gilt;
2. er mehr als einmal wegen einer schwerwiegenden Verwaltungsübertretung mit besonderem Unrechtsgehalt, insbesondere wegen § 99 Abs. 1 bis 2 der Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO), BGBl. Nr. 159, wegen § 37 Abs. 3 oder 4 des Führerscheingesetzes (FSG), BGBl. I Nr. 120/1997, § 366 Abs. 1 Z 1 i.V.m. Abs. 2 der Gewerbeordnung 1994 (GewO), BGBl. Nr. 194, wegen §§ 81 bis 83 des Sicherheitspolizeigesetzes (SPG), BGBl. Nr. 566/1991, oder wegen einer schwerwiegenden Übertretung des Fremdenpolizeigesetzes 2005, des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005, des Grenzkontrollgesetzes (GrekoG), BGBl. Nr. 435/1996, oder des Ausländerbeschäftigungsgesetzes (AuslBG), BGBl. Nr. 218/1975, rechtskräftig bestraft worden ist; § 55 Abs. 1 des Verwaltungsstrafgesetzes (VStG), BGBl. Nr. 52/1991, gilt;
3. gegen ihn ein Verfahren zur Aufenthaltsbeendigung anhängig ist;
4. gegen ihn eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG oder ein aufrechtes Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG besteht;
5. gegen ihn eine Rückführungsentscheidung eines anderen EWR-Staates oder der Schweiz besteht;
6. gegen ihn das mit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG einhergehende Einreiseverbot weiterhin aufrecht ist oder gegen ihn in den letzten 18 Monaten eine Ausweisung gemäß § 66 FPG rechtskräftig erlassen wurde oder
7. er ein Naheverhältnis zu einer extremistischen oder terroristischen Gruppierung hat und im Hinblick auf deren bestehende Strukturen oder auf zu gewärtigende Entwicklungen in deren Umfeld extremistische oder terroristische Aktivitäten derselben nicht ausgeschlossen werden können.
(3) Einem Fremden, der eine fremde Staatsangehörigkeit besitzt, darf die Staatsbürgerschaft nicht verliehen werden, wenn er
1. die für das Ausscheiden aus seinem bisherigen Staatsverband erforderlichen Handlungen unterläßt, obwohl ihm diese möglich und zumutbar sind oder
2. auf Grund seines Antrages oder auf andere Weise absichtlich die Beibehaltung seiner bisherigen Staatsangehörigkeit erwirkt.
(4) (…)
(5) Der Lebensunterhalt (Abs. 1 Z 7) ist dann hinreichend gesichert, wenn feste und regelmäßige eigene Einkünfte aus Erwerb, Einkommen, gesetzlichen Unterhaltsansprüchen oder Versicherungsleistungen zum Entscheidungszeitpunkt im Durchschnitt von 36 Monaten aus den letzten sechs Jahren vor dem Antragszeitpunkt vom Fremden nachgewiesen werden, wobei jedenfalls die letzten geltend gemachten sechs Monate unmittelbar vor dem Antragszeitpunkt liegen müssen. Im geltend gemachten Zeitraum müssen die eigenen Einkünfte des Fremden ihm eine Lebensführung ohne Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen der Gebietskörperschaften ermöglichen und der Höhe nach dem Durchschnitt der Richtsätze des § 293 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (ASVG), BGBl. Nr. 189/1955, der letzten drei Jahre entsprechen. Feste und regelmäßige eigene Einkünfte werden durch regelmäßige Aufwendungen geschmälert, insbesondere durch Mietbelastungen, Kreditbelastungen, Pfändungen und durch Unterhaltszahlungen an Dritte nicht im gemeinsamen Haushalt lebende Personen. Dabei bleibt einmalig ein Betrag bis zu der in § 292 Abs. 3 ASVG festgelegten Höhe unberücksichtigt und führt zu keiner Erhöhung der notwendigen Einkünfte im Sinne des ersten Satzes. Bei Nachweis der Unterhaltsmittel durch Unterhaltsansprüche ist zur Berechnung der Leistungsfähigkeit des Verpflichteten nur der das pfändungsfreie Existenzminimum gemäß § 291a der Exekutionsordnung (EO), RGBl. Nr. 79/1896, übersteigende Einkommensteil zu berücksichtigen. Wird in den letzten geltend gemachten sechs Monaten unmittelbar vor dem Antragszeitpunkt Kinderbetreuungsgeld gemäß den Bestimmungen des Kinderbetreuungsgeldgesetzes – KBGG, BGBl. I Nr. 103/2001, bezogen, so gilt in dem Zeitraum in dem Kinderbetreuungsgeld bezogen wird, der Lebensunterhalt jedenfalls als hinreichend gesichert.
(6) …
(7) …
Die Beschwerdeführerin erfüllt unstrittig die Frist des rechtmäßigen Aufenthaltes für die Verleihung der Staatsbürgerschaft gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 und § 12 Abs. 1 Z 1 lit. a StbG und ist nach der Aktenlage unbescholten.
Von einem Einbürgerungswerber ist neben den sonstigen Voraussetzungen, insbesondere auch ein gesicherter Lebensunterhalt gemäß § 10 Abs. 1 Z 7 iVm Abs. 5 StbG nachzuweisen, sofern kein Ausnahmefall gemäß § 10 Abs. 1b StbG vorliegt.
Im letztgenannten Fall kann die Staatsbürgerschaft auch dann verliehen werden, wenn ein Einbürgerungswerber wegen eines dauerhaft schlechten Gesundheitszustandes den gesicherten Lebensunterhalt im Sinne des § 10 Abs. 1 Ziffer 7 und Abs. 5 Staatsbürgerschaftsgesetz nicht nachweisen kann. Dabei muss nach den erläuternden Bemerkungen ein kausaler Zusammenhang zwischen der (gesundheitlichen) Beeinträchtigung und dem Unvermögen ein hinreichend hohes Einkommen zu erzielen gegeben sein.
Das Ermittlungsverfahren hat ergeben, dass die Beschwerdeführerin von April 2004 bis Oktober 2017 ununterbrochen Leistungen nach dem Wiener Mindestsicherungsgesetz (WMG), bzw. Sozialhilfeleistungen bezogen hat. Sohin liegen keine Monate ohne Sozialhilfebezug im für den Nachweis des gesicherten Lebensunterhalts relevanten Zeitraum von sechs Jahren vor Antragszeitpunkt (Februar 2011 – Februar 2017) vor.
Bei der Beschwerdeführerin wurde zwar durch amtsärztliches Gutachten vom 11.04.2017 der MA 15 bestätigt, dass „realistischer weise erfahrungsgemäß keine berufliche Einsetzbarkeit mehr am allgemeinen Arbeitsmarkt“ besteht, jedoch wurden die Gutachten nach dem Antragszeitpunkt erstellt und sagen nichts zu den verfahrensgegenständlich nach § 10 Abs. 1 Z 7 StbG zu prüfenden Zeiträumen aus.
Überdies ist die Beschwerdeführerin mittlerweile 73 Jahre alt und unabhängig von einer bestehenden Erkrankung nicht mehr im erwerbsfähigen Alter.
Nach Auffassung des Verwaltungsgerichts Wien ist § 10 Absatz 1b StbG auf die Beschwerdeführerin nicht anwendbar.
Die zitierte Ausnahmebestimmung stellt darauf ab, dass ein Einbürgerungswerber, welcher sich grundsätzlich im erwerbsfähigen Alter befindet und arbeitsfähig ist, gerade im Hinblick auf eine schon zu diesem Zeitpunkt bestehende dauerhafte Behinderung oder schwerwiegende Erkrankung den Lebensunterhalt in der geforderten Höhe im Sinne des § 10 Abs. 5 StbG nicht nachweisen kann.
Die derzeit bestehende Arbeits- und Erwerbsunfähigkeit der Beschwerdeführerin ist demnach eindeutig auf keine Behinderung oder dauerhafte schwerwiegende Erkrankung iSd § 10 Abs. 1b StbG bzw. dem der Norm zugrunde liegendem Gedanken der unverschuldeten Notlage (vgl. etwa VfGH 01.03.2013, G 106/12), sondern auf das normale Alter der Beschwerdeführerin zurückzuführen. Dies ist auch der Ergänzung zur Stellungnahme der MA 15 vom 12.05.2017 zu entnehmen.
Eine andere Auslegung der Ausnahmebestimmung gemäß § 10 Abs. 1b StbG würde im Ergebnis darauf hinauslaufen, dass ab Erreichen des Pensionsalters bzw. eines fortgeschrittenen Alters, in dem mit einer Erwerbstätigkeit auch bei völlig gesunden Personen nicht mehr zu rechnen ist, grundsätzlich der Nachweis gemäß § 10 Abs. 5 StbG entfallen könnte. Eine solche Konstellation hatte der Gesetzgeber jedoch nicht im Sinn, zumal auch Personen im fortgeschrittenen Alter, welche nicht mehr dem regulären Arbeitsmarkt angehören, für den Erwerb des Staatsbürgerschaft nachzuweisen haben, dass ihr Lebensunterhalt durch regelmäßige Einkünfte gesichert ist.
Daher war der Antrag der Beschwerdeführerin auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft abzuweisen.
Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Säumnisbeschwerde; Verleihungsvoraussetzungen; gesicherter Lebensunterhalt; dauerhafte schwerwiegende Erkrankung; Pensionsalter; Erwerbsfähigkeit; ArbeitsfähigkeitAnmerkung
VfGH v. 26.6.2019, E 89/2019; Ablehnung und Abtretung an VwGHEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGWI:2018:VGW.152.071.12681.2018Zuletzt aktualisiert am
18.10.2021